Kants Begriff Symbol/Metapher

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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So 13. Okt 2019, 09:07

Zu Beginn der Paradigmen erläutert Hans Blumenberg, dass sein Begriff der "absoluten Metapher" sich im Grunde schon bei Kant unter dem Titel "Symbol" findet. Wir haben das an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert, hier können diese Überlegungen vertieft werden.




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Jörn Budesheim
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So 13. Okt 2019, 09:55

aikaterini.karakassi hat geschrieben : Die kantianischen Hypotyposen
[...] so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch; und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille, u.s.w [...]. für schematisch nimmt, gerät in den Anthropomorphism. (Kant 1974: 297)
Als Beispiel für den Versuch, eine eigentliche Sprache theoretisch zu legitimieren, kann ein Abschnitt der Kritik der Urteilskraft dienen. Kant, bekannt für die Strenge seiner logischen Argumentation, hat sich in seinem Werk sehr selten mit dem Problem der Tropen und der Rhetorik beschäftigt. Deshalb ist seine Stellungnahme umso interessanter, denn sie illustriert u.a., dass ihn das Problem vielleicht mehr beschäftigte, als sein Werk bezeugt.

In der zweiten Abteilung der Kritik der teleologischen Urteilkraft erklärt Kant, was unter Hypotyposen zu verstehen ist:

Alle Hypotypose (Darstellung) als Versinnlichung, ist zweifach: entweder schematisch, da einem Begriffe, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird; oder symbolisch, da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der Urteilskraft [...] reinkommt. (Kant 1974: 295)

Die Hypotyposen sind also Darstellungen von Begriffen. Die Verstandesobjekte, die sich auf eine a priori existierende Anschauung beziehen, werden Schemate genannt: eine geometrische Figur z.B. ist ein Schema, da sie schon vor ihrer Darstellung im Verstand ein Wahrnehmungsobjekt war. Im Falle der symbolischen Hypotyposen, die Objekte der Vernunft (Ideen) sind, basiert die Darstellung nicht auf einer sinnlichen Wahrnehmung eines Objektes, sondern wird durch Analogie konstituiert.

Mittels der Ähnlichkeit also, die das symbolisierte Objekt und sein Symbol aufweisen, werden die symbolischen Hypotyposen von der Vernunft hervorgebracht. Hans Blumenberg weist darauf hin, dass die Kantianischen Symbole "ziemlich genau den [...] weiterhin geübten Gebrauch der Metapher decken, wie aus Kants Paradigmen klar hervorgeht." (Blumenberg 1996b: 289)

Als Beispiel für die indirekten Darstellungen eines Begriffs, der Symbole, nennt Kant einen monarchischen Staat. Er wird "durch einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen" (Kant 1974: 296) beherrscht wird und "durch eine bloße Maschine [...] (wie etwa eine Handmühle) , wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen" (ebd.: 296) regiert wird, symbolisiert. "Unsere Sprache", schreibt Kant,

ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen, nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema für den Begriff, sondern bloß ein Symbol für die Reflexion enthält. So sind die Wörter Grund (Stütze, Basis), abhängen (von oben gehalten werden), woraus fließen (statt folgen), Substanz, [...] und unzählige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen. (ebd.: 296)

Es scheint also, dass zwischen einer symbolischen und einer schematischen Ordnung zu unterscheiden ist. Kant betont, dass "alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, [...] entweder Schemate oder Symbole (sind), wovon die erstern direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten." (ebd.: 295f) Die symbolische bzw. metaphorische Ordnung der Sprache ist aber unzuverlässig, da sie keine direkte, sondern eine nur durch Analogie und Assoziation, also bloß indirekte Darstellung von Begriffen erlaubt und so die rhetorische Figuralität der Sprache demonstriert, auch wenn sie hinter scheinbar 'glaubwürdigen' Wörtern, wie Grund, abhängen, Substanz und unzähligen anderen, steckt.

Eine symbolische Hypotypose – schreibt Kant – ist eine "Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht [m.H.] nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann." (ebd.: 296) Blumenberg charakterisiert diese Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff als absolute Metapher, "die nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden [kann]". (Blumenberg 1996b: 289) Diese Unbegrifflichkeit, die durch das binäre Konzept Schema-Symbol abgegrenzt werden sollte, erweist sich "gegenüber dem terminologischen Anspruch als resistent." (ebd.: 289)

Was in dem bisherigen Gedankenweg Kants als eine klare Unterscheidung zwischen schematischer und symbolischer Ordnung der Sprache schien, zeigt sich nun, durch den Vorbehalt, den dieses vielleicht ausdrückt, als ein Schwanken, das die Frage nach der Unentscheidbarkeit zwischen Symbol und Schema erneut stellt.

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