Erfolg

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Ottington
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Mi 1. Dez 2021, 10:43

Wenn ein Mensch sich (freiwillig, denn niemand zwingt ihn dazu) selbst als ein Mensch denkt, der nicht anders kann als nach Erfolg zu streben, dann begreift er sich selbst als unfrei, oder?
Ja, wenn körperliche oder, keine Ahnung, psychologische Gegebenheiten ihn dazu zwingen, etwas tun zu müssen, dann ist er in der Ausübung seiner Freiheit, die er an für sich hätte, eingeschränkt.
Aber ich würde tatsächlich nur in einem solchen Fall von einem Zwang sprechen. Vielleicht von einem inneren Zwang.
Mir geht es hier um eine wie ich finde unzulässige Vermischung der Begriffe die sich gegenseitig ausschliessen. Einerseits wird dieses Erfolgsstreben als zur menschlichen Natur zugehörig gesehen.
"Natur" suggeriert dabei etwas Unumgängliches. Es ist so, wir sind so, unsere Natur zwingt uns dazu.
Andererseits impliziert der Begriff "streben", so wie ich ihn verstehe, Freiheit, also das Gegenteil von Zwang.
Aber dass es unserer Natur entspricht, zu denken, handeln, entscheiden, etc. ist zwar unumgänglich, aber in diesem Sinne eher apriorisch als "aufgezwängt". Dass Menschen denken können, ist doch kein Zwang. Eher eine vorgegebene Fähigkeit.




Belphegor

Mi 1. Dez 2021, 11:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 09:40
Das wäre zu klären. Ist der Mensch nun gezwungen nach Erfolg zu streben oder nicht?
Ist das wirklich Teil seiner Natur (wie atmen) oder ist es etwas für das er sich entscheidet?
In der Tat ist es fragwürdig, ob das Erfolgsstreben Teil der Natur des Menschen ist. Aber wie soll man es nennen: was ist das Gegenteil von "natürlich"?




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NaWennDuMeinst
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Mi 1. Dez 2021, 12:42

Ottington hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 10:43
Wenn ein Mensch sich (freiwillig, denn niemand zwingt ihn dazu) selbst als ein Mensch denkt, der nicht anders kann als nach Erfolg zu streben, dann begreift er sich selbst als unfrei, oder?
Ja, wenn körperliche oder, keine Ahnung, psychologische Gegebenheiten ihn dazu zwingen, etwas tun zu müssen, dann ist er in der Ausübung seiner Freiheit, die er an für sich hätte, eingeschränkt.
Aber ich würde tatsächlich nur in einem solchen Fall von einem Zwang sprechen. Vielleicht von einem inneren Zwang.
Und die Frage ist jetzt für mich, ob beim Streben nach Erfolg so ein innerlicher Zwang vorliegt
Wenn nicht (und davon gehe ich bei den meisten Menschen aus) haben wir Menschen auch die Möglichkeit nicht nach Erfolg zu streben.
Aber dass es unserer Natur entspricht, zu denken, handeln, entscheiden, etc. ist zwar unumgänglich, aber in diesem Sinne eher apriorisch als "aufgezwängt". Dass Menschen denken können, ist doch kein Zwang. Eher eine vorgegebene Fähigkeit.
Es ist ein Vermögen. Das kannst Du nutzen oder auch nicht. Natürlich kannst Du nicht aufhören zu denken. Aber ich bezweifle dass Du die ganze Zeit "Ich muss erfolgreich sein" denken musst.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Ottington
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Mi 1. Dez 2021, 12:51

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 12:42
Es ist ein Vermögen. Das kannst Du nutzen oder auch nicht. Natürlich kannst Du nicht aufhören zu denken. Aber ich bezweifle dass Du die ganze Zeit "Ich muss erfolgreich sein" denken musst.
Das stimmt. Man kann es unterlassen zu handeln.
Aber wir haben vermutlich unterschiedliche Begriffe von "Erfolg".




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NaWennDuMeinst
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Mi 1. Dez 2021, 13:53

Belphegor hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 11:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 09:40
Das wäre zu klären. Ist der Mensch nun gezwungen nach Erfolg zu streben oder nicht?
Ist das wirklich Teil seiner Natur (wie atmen) oder ist es etwas für das er sich entscheidet?
In der Tat ist es fragwürdig, ob das Erfolgsstreben Teil der Natur des Menschen ist. Aber wie soll man es nennen: was ist das Gegenteil von "natürlich"?
Na, "erlernt" zum Beispiel. Anerzogen, sozialisiert zu...
Und das würde bedeuten, dass dieses Streben nicht in der Natur aller Menschen liegt, sondern ob Du nach Erfolg strebst oder nicht ist eine Frage dessen, was für ein Mensch Du bist.
Und das gilt umso mehr bei bestimmten Arten des Erfolgs und Erfolgsstrebens.



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Belphegor

Mi 1. Dez 2021, 15:45

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 13:53
Belphegor hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 11:41
was ist das Gegenteil von "natürlich"?
Na, "erlernt" zum Beispiel. Anerzogen, sozialisiert zu...
Ich habe danach gesucht, und folgendes gefunden:

Das Gegenteil von "natürlich" ist "unnatürlich", "widernatürlich"
Das Gegenteil von "anerzogen" ist "angeboren"




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NaWennDuMeinst
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Mi 1. Dez 2021, 15:58

Belphegor hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 15:45
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 13:53
Belphegor hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 11:41
was ist das Gegenteil von "natürlich"?
Na, "erlernt" zum Beispiel. Anerzogen, sozialisiert zu...
Ich habe danach gesucht, und folgendes gefunden:

Das Gegenteil von "natürlich" ist "unnatürlich", "widernatürlich"
Das Gegenteil von "anerzogen" ist "angeboren"
Der Kontext ist hier wichtig,
Mit "Natürlich" ist hier das "Angeborene" gemeint. Etwas das "in unseren Genen steckt". Das was in unseren Genen steckt wird ja nicht "erworben" sondern ist "angeboren" (von Geburt an auf natürliche Weise vorhanden).
Das Gegenteil von diesem natürlichen, genetischen Programm ist dann das "Erlernte", oder "Anerzogene", also etwas, das nicht durch die Gene, oder die Biologie vorgegeben wird.
Ähnlich sehe ich das mit der Erfolgsstreberei. Wir haben zwar die natürlichen Anlagen, die es uns erlauben nach Erfolg zu streben, aber unsere Gene zwingen uns nicht dazu, so wie sie uns zwingen uns zu ernähren oder zu atmen.



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NaWennDuMeinst
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Mi 1. Dez 2021, 19:35

Ottington hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 12:51
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 1. Dez 2021, 12:42
Es ist ein Vermögen. Das kannst Du nutzen oder auch nicht. Natürlich kannst Du nicht aufhören zu denken. Aber ich bezweifle dass Du die ganze Zeit "Ich muss erfolgreich sein" denken musst.
Das stimmt. Man kann es unterlassen zu handeln.
Aber wir haben vermutlich unterschiedliche Begriffe von "Erfolg".
Ich meine jetzt tatsächlich nicht den Erfolg der sich "von selbst" einstellt, sondern den im Sinne der Definition "sich (bewusst) Ziele setzen und diese verfolgen".
Sind wir frei uns Ziele zu setzen oder es zu unterlassen? Ich denke schon.



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Ottington
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Do 2. Dez 2021, 08:30

Ja, das sehe ich auch so. Wenn es komplexere Ziele sind als "Ich gehe heute mal wieder raus an die frische Luft', die über längeren Zeitraum hinweg Engagement, Ausdauer und auch Überzeugung brauchen, dann können wir klar entscheiden, ob wir danach streben oder nicht. Da sehe ich in der Auswahl unserer Ziele auch keinen Zwang.

Aber wenn wir uns gegen das Streben nach einem konkreten Erfolg entscheiden, fehlt auch die Überzeugung dahinter, dass der Erfolg wichtig (für uns) ist.
Wie verhält es sich nun mit den Zielen, denen wir aus Überzeugung einen hohen Wert beimessen. Sagen wir z.B. "Uns selber treu bleiben". Da wäre die Überzeugung da und wohl auch ein innerer Druck (Streben aus innerer Überzeugung, nicht Zwang im Sinne wie du 'Natur' siehst). Können wir hier überhaupt gegen diese Überzeugung handeln, oder wäre das Unterlassen der Handlung nur ein Zeichen dafür, dass die Überzeugung doch nicht (mehr) da ist?

Fehler die Überzeugung würden wir auch nicht mehr von einem "Erfolg" sprechen und müssten auch nichts dafür tun.




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Fr 3. Dez 2021, 11:19

Ottington hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 08:30
Ja, das sehe ich auch so. Wenn es komplexere Ziele sind als "Ich gehe heute mal wieder raus an die frische Luft', die über längeren Zeitraum hinweg Engagement, Ausdauer und auch Überzeugung brauchen, dann können wir klar entscheiden, ob wir danach streben oder nicht. Da sehe ich in der Auswahl unserer Ziele auch keinen Zwang.

Aber wenn wir uns gegen das Streben nach einem konkreten Erfolg entscheiden, fehlt auch die Überzeugung dahinter, dass der Erfolg wichtig (für uns) ist.
Wie verhält es sich nun mit den Zielen, denen wir aus Überzeugung einen hohen Wert beimessen. Sagen wir z.B. "Uns selber treu bleiben". Da wäre die Überzeugung da und wohl auch ein innerer Druck (Streben aus innerer Überzeugung, nicht Zwang im Sinne wie du 'Natur' siehst). Können wir hier überhaupt gegen diese Überzeugung handeln, oder wäre das Unterlassen der Handlung nur ein Zeichen dafür, dass die Überzeugung doch nicht (mehr) da ist?

Fehler die Überzeugung würden wir auch nicht mehr von einem "Erfolg" sprechen und müssten auch nichts dafür tun.
Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher was Du sagen, oder worauf Du hinaus willst.
Möchtest Du sagen, dass Überzeugungen, für die wir uns initial freiwillig entschieden haben, im Laufe der Zeit zu einer Art "innerer Natur" werden können, der wir dann zwar nicht unter Zwang aber schon in gewisser Weise automatisiert (also wie selbstverständlich) folgen?

An der Stelle wäre für mich die Frage wie sehr man als Mensch sich selbst und sein Handeln reflektiert.
Ich weiß von mir selbst zum Beispiel, dass ich viele Überzeugungen mit mir rumtrage, die mir anerzogen wurden und deren Wirken und Einfluss ich viele Jahre lang gar nicht bemerkt habe.
Vieles passiert unbewusst.



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Fr 3. Dez 2021, 12:19

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 3. Dez 2021, 11:19
Möchtest Du sagen, dass Überzeugungen, für die wir uns initial freiwillig entschieden haben, im Laufe der Zeit zu einer Art "innerer Natur" werden können, der wir dann zwar nicht unter Zwang aber schon in gewisser Weise automatisiert (also wie selbstverständlich) folgen?
Ja, nur dass Überzeugung immer schon zur "inneren Natur" gehören und nicht erst werden können. Sie sind deswegen ja nicht unveränderlich.




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Fr 3. Dez 2021, 12:20

Ottington hat geschrieben :
Fr 3. Dez 2021, 12:19
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 3. Dez 2021, 11:19
Möchtest Du sagen, dass Überzeugungen, für die wir uns initial freiwillig entschieden haben, im Laufe der Zeit zu einer Art "innerer Natur" werden können, der wir dann zwar nicht unter Zwang aber schon in gewisser Weise automatisiert (also wie selbstverständlich) folgen?
Ja, nur dass Überzeugung immer schon zur "inneren Natur" gehören und nicht erst werden können.
Das verstehe ich nicht. Wie meinst Du das? Dass wir mit Überzeugungen geboren werden?



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Ottington
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Fr 3. Dez 2021, 13:08

Sagen wir statt "Überzeugungen" (schon wieder so ein -ung Wort) eher das weniger konkrete "Überzeugt-Sein". Menschen können überzeugt von etwas sein. Es ist unsere "natürliche", wenn auch nicht biologische Fähigkeit, Dinge zu erkennen, in einem Gesamtbild zusammenzuführen und automatisch zu bewerten, also unserem (!) Wertesystem gegenüber zu stellen. Mit dem Bewerten nehmen wir eine Haltung gegenüber diesen Dingen ein, woraus sich dann konkrete Überzeugungen bilden.




Burkart
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Fr 3. Dez 2021, 23:02

Ich denke, man sollte sich klar sein, dass sich Überzeugungen beim Menschen erst im Laufe der Zeit bilden, z.B. beim Kind. Anfangs dürften sie praktischem Allem gegenüber aufgeschlossen und positiv gegenüberstehen, natürlich insbesondere ihren Eltern und anderen nahen Menschen. Bis sie einen von ihnen überzeugt ablehnen, muss schon einiges passieren.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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Do 9. Dez 2021, 05:48

„nicht müde werden, / sondern dem Wunder / leise wie einem Vogel / die Hand hinhalten“

Dichtung und Liebe haben nicht nur die
Besonderheit ihrer Zeit außer der Zeit
gemeinsam: beide sind zweckfrei.
Dienen keinem „Um zu“, sondern sind
um ihrer selbst willen da, wie alles,
worauf es in Wahrheit ankommt.


von Hilde Domin

https://brennstoff.com/artikel/nicht-mu ... lde-domin/




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Di 28. Dez 2021, 15:25

‚Kultur ist eine elementare Notwendigkeit für Menschen, um frei zu sein: um sich vom Diktat der permanenten Nützlichkeit wirklich zu befreien.‘
(Martina Gedeck, Schauspielerin)




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Sa 22. Jan 2022, 08:19

Was heißt Absichtslosigkeit in der Kunst?

Am Beispiel einer Zeichnung skizziert. Manchmal habe ich (einfach so) Lust, zu zeichnen, dabei habe ich weder ein bestimmtes Motiv im Sinn, noch einen ausgearbeiteten Plan, was am Ende dabei heraus kommen soll.

In diesem Fall habe ich zwar die Absicht, etwas zu zeichnen, aber es ist offen, wie das Ergebnis aussehen wird. Absichtslosigkeit bedeutet meiner Ansicht nach nicht, dass keinerlei Absichten im Prozess des Zeichens im Spiel. Wenn ich den Spitzer hole, weil der Stift stumpf geworden ist, dann natürlich mit der Absicht, ihn zu spitzen. Das stellt allerdings das Moment der Absichtslosigkeit der Zeichnung nicht in Frage, denn das ist nach meiner Einschätzung gar nicht das, was man mit Absichtslosigkeit meint.

Einer der wesentliche Aspekt ist nach meinem Gefühl, dass wir es mit einem offenen Prozess zu tun haben, bei dem das Ziel nicht von vornherein feststeht. Weder der Prozess des Zeichnens noch das letztliche Ergebnis sind zur Gänze von einer bestimmten Absicht diktiert. Bei einem solchen Prozess haben in der Regel auch Zufälle und ungeplante, unerwartete, glückliche Wendungen ihr Recht. Irgendein Versehen kann der Zeichnung eine ganz andere Richtung geben.

Für die Absichtslosigkeit gibt es keinen festgelegten Plan, keine "heteronome Regel", keine Arbeitsanweisung, der man einfach folgen kann. Wichtig ist (mir) dabei insbesondere das Zusammenspiel zwischen mir und der Zeichnung selbst. In der Zeichnung scheint eine eigene Ordnung auf, der ich zu folgen versuche, eine Ordnung, von der ich eigene Impulse empfange. (Absichtslosigkeit und Autonomie der Kunst können zusammenhängen.)

Das grenzt sich (bewusst oder unbewusst, das will ich offen lassen) von "Produktionsprozessen" ab, die ein eindeutiges Ziel haben, an deren Ende ein bestimmtes, wohldefiniertes (oft: immer gleiches) Produkt steht. Solche Prozesse setzen in der Regel ein bestimmtes Vermögen, also eine (zumeist gelernte und lehrbare) Fähigkeit voraus, wenn man so will: einen Algorithmus. Zur Absichtslosigkeit gehört jedoch, dass sie nicht völlig von einem solchen Algorithmus bestimmt ist, zu ihr gehört, dass sie mit dem unvorhergesehenen zurechtkommen muss. Das nennt der Philosoph Christoph Menke im Anschluss an Nietzsche "das Können des Nichtkönnens".

Die Absichtslosigkeit ist auch verwandt mit der Muße. Die Muße wird manchmal beschrieben als ein "Urlaub" von Zwecken. Man lässt sich einfach frei "treiben". Dabei wird die Muße als einen Wert in sich selbst erlebt. Ihr Wert ist also nicht bestimmt durch das Erreichen eines bestimmten Ziels, einer bestimmten Absicht, denn ihr Wert liegt in ihr selbst.

Dieser Selbstwert ist auch ein wichtiger Bezugspunkt der Absichtslosigkeit. Die Zeichnung, um zu dem Beispiel zurückzukehren, hat ihren Wert nicht, weil sie bestimmte Absichten/Zwecke/Ziele erreicht hat, sondern sie ist für sich selbst genommen der Wert.




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Stefanie
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Mi 26. Jan 2022, 19:52

Test.
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Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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