Erfolg

Puch

So 26. Sep 2021, 17:29

Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 16:16
Ja, ich bin auch etwas überrascht, wie stark negativ der Begriff belegt ist. Man könnte sogar sagen, er ist (in unserer Gesellschaft) tatsächlich korrumpiert.
Er scheint tatsächlich korrumpiert, wusste ich gar nicht. Aber ich meinte keinesfalls den Erfolgsdruck oder -zwang, den finde auch ich extrem schädlich. Ich meinte vielmehr kleine positive Erlebnisse, die für das Grund-Selbstbewusstsein sorgen, das jeder Mensch zum Leben braucht.
Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 16:16
Aber ist es ein "Erfolg", wenn ein Kind laufen lernt? Also mir widerstrebt das, es so zu nennen, ich kann das Wort nicht neutral sehen. :twisted:
Ich wäre froh, einen passenderen Ausdruck dafür zu finden, hat jemand einen Vorschlag?
Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 16:16
Es läuft wohl, wie so oft in der Philosophie, auf die Arbeit am Begriff hinaus. Jörn hat ja schon für eine Auffächerung plädiert.
Das stimmt, es ist wichtig, den passenden Begriff zu treffen, was mir anscheinend bisher nicht gelungen ist.




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Jovis
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So 26. Sep 2021, 18:25

Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 17:29
Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 16:16
Es läuft wohl, wie so oft in der Philosophie, auf die Arbeit am Begriff hinaus. Jörn hat ja schon für eine Auffächerung plädiert.
Das stimmt, es ist wichtig, den passenden Begriff zu treffen, was mir anscheinend bisher nicht gelungen ist.
Ja, das ist natürlich auch wichtig. Aber mit Arbeit am Begriff hatte ich eher gemeint, dass man den Begriff Erfolg ja durchaus auf seine verschiedenen Facetten, Bedeutungsebenen, geschichtlichen Veränderungen etc. hin untersuchen kann. Fast alle Begriffe, über die es sich zu philosophieren lohnt (und es gibt wohl kaum einen, bei dem das nicht der Fall ist), sind vielschichtig, mehrdeutig oder irgendwie sonst interpretierbar. Man geht von einem (vermeintlich) klar definierten Begriff aus, umkreist ihn, erweitert und zerfleddert ihn bis hin zur Unkenntlichkeit und kehrt dann im besten Fall mit einem vertieften Verständnis zu ihm zurück.




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NaWennDuMeinst
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So 26. Sep 2021, 19:59

Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 16:16
Dabei hast du ja immer wieder Beispiele für so etwas wie "positive" Erfolge gebracht, ohne damit wirklich Anklang zu finden. Gerade die Beispiele mit den Erfolgserlebnissen bei Kindern finde ich sehr treffend. Für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit ist Selbstwirksamkeit (ein Begriff, den ich erst vor kurzem kennengelernt habe) von großer Bedeutung. Wenn man nie das Gefühl kennenlernt, etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben, mit einer Widrigkeit klargekommen zu sein, eine Schwierigkeit bewältigt zu haben, sondern sich immer nur als ohnmächtig und fremdbestimmt erlebt, wird man wohl kaum ein glücklicher Mensch werden. Aber ist es ein "Erfolg", wenn ein Kind laufen lernt? Also mir widerstrebt das, es so zu nennen, ich kann das Wort nicht neutral sehen.
Ich finde wir müssen hier zwei Dinge auseinanderhalten.
Das eine ist "Erfolg erleben", was bestimmt in dem oben beschriebenen Sinne wichtig ist (man nehme z.B. den Lernerfolg).
Und dann "nach Erfolg streben". Das ist gewiss nochmal was anderes. Ich beziehe mich auf Letzteres wenn ich sage, dass man das nicht verallgemeinern kann. Nicht jeder Mensch strebt nach Erfolg, und dieses Streben ist auch nicht in uns angelegt (wie ein Trieb). Ich würde deshalb meinen das (also dieses Streben nach Erfolg) ist anerzogen oder hinzugelernt.



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Puch

So 26. Sep 2021, 22:45

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 19:59
Ich finde wir müssen hier zwei Dinge auseinanderhalten.
Das eine ist "Erfolg erleben", was bestimmt in dem oben beschriebenen Sinne wichtig ist (man nehme z.B. den Lernerfolg).
Und dann "nach Erfolg streben". Das ist gewiss nochmal was anderes. Ich beziehe mich auf Letzteres wenn ich sage, dass man das nicht verallgemeinern kann. Nicht jeder Mensch strebt nach Erfolg, und dieses Streben ist auch nicht in uns angelegt (wie ein Trieb). Ich würde deshalb meinen das (also dieses Streben nach Erfolg) ist anerzogen oder hinzugelernt.
Auch ich möchte zwei Dinge auseinanderhalten:

Erstens, dass man Erfolg wahrscheinlich nicht erleben wird, wenn man ihn nicht anstrebt. Auch finde ich nicht, dass Erfolg wertvoller ist, wenn er einem in den Schoß fällt.

Zweitens würde ich der These nicht zustimmen, dass das Streben nach Erfolg anerzogen oder hinzugelernt ist. In Frans de Waals Buch "Chimpanzee Politics" kann man nachlesen, dass unsere nächsten Verwandten durchaus fähig sind, nach Macht und Erfolg zu streben. Wenn dieser Macht-Instinkt bei Schimpansen angelegt ist, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass er auch bei unseren direkten Vorfahren angelegt anstatt anerzogen war und dass er zu unser genetischen Grundausstattung gehört. Damit will ich keinesfalls sagen, dass jeder Mensch nach Macht strebt, das ist auch bei Schimpansen nicht der Fall: hüben wie drüben gibt es sowohl machtgierige als auch gemütliche Zeitgenossen. :)




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NaWennDuMeinst
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So 26. Sep 2021, 23:10

Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 22:45
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 19:59
Ich finde wir müssen hier zwei Dinge auseinanderhalten.
Das eine ist "Erfolg erleben", was bestimmt in dem oben beschriebenen Sinne wichtig ist (man nehme z.B. den Lernerfolg).
Und dann "nach Erfolg streben". Das ist gewiss nochmal was anderes. Ich beziehe mich auf Letzteres wenn ich sage, dass man das nicht verallgemeinern kann. Nicht jeder Mensch strebt nach Erfolg, und dieses Streben ist auch nicht in uns angelegt (wie ein Trieb). Ich würde deshalb meinen das (also dieses Streben nach Erfolg) ist anerzogen oder hinzugelernt.
Auch ich möchte zwei Dinge auseinanderhalten:

Erstens, dass man Erfolg wahrscheinlich nicht erleben wird, wenn man ihn nicht anstrebt.
Wieso? Ich lerne jeden Tag erfolgreich neue Dinge, ohne es jemals angestrebt zu haben sie zu lernen. Das geht sozusagen ganz von selbst.
Wenn Du als Kind auf einen heiße Herdplatte fasst, dann erinnert dich der Verband zwei Wochen daran, dass Du erfolgreich was gelernt hast. Auch wenn Du diesen Erfolg nicht angestrebt hast.
Damit will ich keinesfalls sagen, dass jeder Mensch nach Macht strebt, das ist auch bei Schimpansen nicht der Fall: hüben wie drüben gibt es sowohl machtgierige als auch gemütliche Zeitgenossen.
Aha, Und wie erklärst Du dir, dass obwohl das ja deiner Meinung nach in uns allen angelegt ist, es dann doch nicht bei Jedem zum Tragen kommt?
Die Gene alleine könnens dann wohl nicht sein, oder? Offenbar muss es da noch einen anderen Mechanismus geben, der dazu führt, dass die einen macht- oder erfolgsgierig sind und die anderen nicht.
In Frans de Waals Buch "Chimpanzee Politics" kann man nachlesen, dass unsere nächsten Verwandten durchaus fähig sind, nach Macht und Erfolg zu streben.
Kannst Du die betreffende Passage hier mal posten?
Man muss nämlich streng aufpassen, dass man da nichts durcheinander bringt.
Wenn wir bei Tieren ein bestimmtes Verhalten beobachten, dann ist damit noch lange nichts darüber ausgesagt woher sie dieses Verhalten haben.
Wir beobachten bei vielen Tieren Verhaltensweise die nicht angeboren, sondern erlernt sind.



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Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 15:20

Wie ich sehe, stoßen meine Ansichten, den Erfolg betreffend, auf breite Ablehnung.
Bei mir stoßen Deine Ansichten nicht auf Ablehnung. Alltagserfahrungen können Denkanstöße geben, das Selbstverständliche zu bedenken. Nachdenklichkeit kann das Ergebnis sein. Man kann die Nachdenklichkeit als einen Distanzierungsschritt verstehen, das bis dahin Selbstverständliche überhaupt est in den Blick zu bekommen, sich ihm zuzuwenden, denn das Selbstverständliche liegt im Alltag in unserem Rücken. Seine Wahrnehmung erfordert Hinwendung.

Das "Nach" der Nach-denklichkeit kann auch ein zeitliches sein. Man spürt dem Denken, das ja nicht mit meinem je eigenen Denken oder unserem Denken anhebt, sondern eine Geschichte hat, nach. Man geht einen Denkweg nach, den vor uns schon andere gegangen sind. Man begibt sich in einen Denk-Horizont. Dabei kann es geschehen, daß in diesem Denkhorizont Entlegenes zum Vorschein kommt, daß auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang mit den Selbstverständkeiten des Alltags zu stehen scheint. Zu den wunderbaren Überraschungen der Nachdenklichkeit gehört, daß sich solche Zusammenhänge gelegentlich auftun. Wenn ich das mal so sagen darf: Es gehört zum Eros der Nachdenklichkeit, verführbar zu sein.

Gäbe es diese Verführbarkeit nicht, bliebe die Tristesse des alltäglichen Geradehin. Nachdenklichkeit heißt, das Wirkliche als Auswahl aus dem Möglichen zu betrachten. Insofern bilden Deine Alltagserfahrungen mit dem Erfolg eine Art Basislager, von dem aus man in die eine oder andere Luftigkeit aufbrechen kann. ;)




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Mo 27. Sep 2021, 14:04

Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 17:29

Ich wäre froh, einen passenderen Ausdruck dafür zu finden, hat jemand einen Vorschlag?
Gedeihen. ;)

Pflanzen gedeihen. Eine Sache, ein Werk kann gedeihen. Sogar das Neutrum kann gedeihen.

Im Gedeihen liegt etwas Prozesshaftes. Eine Sache reift heran, wird zu einem Erfolg. Das Wort hat den altmodischen Charme, den seine Erbengemeinschaft, die Nachhaltigkeits-GbR, abgestreift hat.

Der Vorschlag ist aber keiner auf Gedeih und Verderb. ;)




Puch

Mo 27. Sep 2021, 15:09

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 23:10
Wie erklärst Du dir, dass obwohl das ja deiner Meinung nach in uns allen angelegt ist, es dann doch nicht bei Jedem zum Tragen kommt?
Die Gene alleine könnens dann wohl nicht sein, oder? Offenbar muss es da noch einen anderen Mechanismus geben, der dazu führt, dass die einen macht- oder erfolgsgierig sind und die anderen nicht.
Diese Unterschiede im Verhalten kann ich mir nur so erklären, dass sie auf unterschiedliche genetische, epigenetische, familiäre und Umwelt-Einflüsse zurückzuführen sind.
Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 22:45
In Frans de Waals Buch "Chimpanzee Politics" kann man nachlesen, dass unsere nächsten Verwandten durchaus fähig sind, nach Macht und Erfolg zu streben.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 23:10
Kannst Du die betreffende Passage hier mal posten?
Ich denke nicht, dass es noch eines Beweises bedarf, dass bei vielen Tierarten Machtkämpfe stattfinden, das kann man doch in jeder Tierdoku nachsehen.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 23:10
Wenn wir bei Tieren ein bestimmtes Verhalten beobachten, dann ist damit noch lange nichts darüber ausgesagt woher sie dieses Verhalten haben.
Wir beobachten bei vielen Tieren Verhaltensweise die nicht angeboren, sondern erlernt sind.
Wie meinst du das? Dass die Dominanz des Alphatiers erlernt ist?




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Jörn Budesheim
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Mo 27. Sep 2021, 18:09

Jovis hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 18:25
Aber mit Arbeit am Begriff hatte ich eher gemeint, dass man den Begriff Erfolg ja durchaus auf seine verschiedenen Facetten, Bedeutungsebenen, geschichtlichen Veränderungen etc. hin untersuchen kann.
Kann dabei auch herausfinden, dass sich manchmal hinter ein und demselben Wort verschiedene, wenn vielleicht auch ähnliche Begriffe verbergen.

Bei dem Ausdruck "Erfolg" ist es meines Erachtens zumindest ähnlich. Er kann manchmal "formal" und manchmal "sachhaltig" gemeint sein. (Oder wie auch immer man es nennen mag.)

"Formal": Ein "Erfolg" liegt z.B. dann vor, wenn ein selbst gesetztes Ziel erreicht wurde.

"Sachhaltig": Erfolg liegt z.b. dann vor, wenn man gewisse materielle Dinge "erreicht" hat, Geld Haus Auto ecetera.

Das sind meines Erachtens relativ verschiedene Begriffe. Denn im zweiten Fall geht es oft gar nicht um die Genugtuung oder gar das Glückserleben, das man hat, wenn man etwas bestimmtes geschafft/erreicht hat, wenn etwas gelingt, sondern nur um die nach außen glänzenden Anzeichen des Erfolges. Man will dann - in extremen Fällen - den Erfolg oft sogar um jeden Preis. Der innere Wert des Handels, das was man ja eigentlich tut, gerät damit der Regel aus dem Blick.

Der Ausdruck Erfolgstrieb geht in die nämliche Richtung, weil für diesen Trieb schlicht egal wäre, was einem gelingt, Hauptsache es liegt im weitesten Sinne so etwas wie ein Erfolg vor.




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Jörn Budesheim
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Mo 27. Sep 2021, 18:39

Wenn man anfängt zu mogeln, dann ist es ein klares Anzeichen dafür, dass man die Sache aus dem Blick verloren hat und man einen leeren Erfolg anstrebt.




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Mo 27. Sep 2021, 18:53

Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 15:09
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 23:10
Wie erklärst Du dir, dass obwohl das ja deiner Meinung nach in uns allen angelegt ist, es dann doch nicht bei Jedem zum Tragen kommt?
Die Gene alleine könnens dann wohl nicht sein, oder? Offenbar muss es da noch einen anderen Mechanismus geben, der dazu führt, dass die einen macht- oder erfolgsgierig sind und die anderen nicht.
Diese Unterschiede im Verhalten kann ich mir nur so erklären, dass sie auf unterschiedliche genetische, epigenetische, familiäre und Umwelt-Einflüsse zurückzuführen sind.
Wie darf ich mir das vorstellen? Manche haben mehr "Erfolgsgene" und andere weniger?
Hat man denn diese Erfolgsgene schon identifizieren können in unserem Genom? Wo liegen sie denn?
Puch hat geschrieben :
So 26. Sep 2021, 22:45
Wie meinst du das? Dass die Dominanz des Alphatiers erlernt ist?
Was ich meine ist, dass Waals - den Du hier als "Zeugen" Deiner Theorie anführst - sich mit der Frage beschäftigt hat, ob auch Tiere Kultur haben. Kultur ist aber kein Begriff aus der Genetik. Kultur wird weitergegeben. Die Kinder erlernen sie von ihren Eltern.
Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 15:09
Ich denke nicht, dass es noch eines Beweises bedarf, dass bei vielen Tierarten Machtkämpfe stattfinden, das kann man doch in jeder Tierdoku nachsehen.
Man kann auch in jeder Tierdoku nachsehen, dass diverse Primaten Werkzeuge verwenden. Deshalb gibt es aber noch lange keinen Werkzeugtrieb.
Im Gegenteil: Die Verwendung von Werkzeugen (also dieses Verhalten) lernen Affenkinder von ihren Eltern.
Die Frage ist doch, wie der junge Affe darauf kommt, dass er sich seinen Platz als neues Alphatier mit Aggression erkämpfen muss?
Ich würde meinen, das hat er gelernt. Er hat es beobachtet und vielleicht auch am eigenen Leib erfahren.

Ich will sagen: Dass wir ein Verhalten beobachten, sagt noch überhaupt nichts darüber aus, wie es zu diesem Verhalten kommt.
Du kannst nicht einfach sagen, weil es Machtkämpfe gibt, gibt es Macht-Gene. Das Eine folgt nicht zwingend aus dem Anderen.
Und deshalb will ich natürlich für Deine Behauptung auch einen Beleg. Da reicht es nicht einfach auf ein beobachtetes Verhalten zu verweisen.
Wenn es Machtgene gibt, muss man ja auch zeigen können welche Gene das sind. Die müssen ja im Genom identifizierbar sein.
Aber soll ich dir was sagen: Es gibt sie nicht. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass Irgendjemand Macht- oder Erfolgsgene im menschlichen Genom identifiziert hätte.
Das würde ja auch gar keinen Sinn ergeben. Denn Erfolg und Macht sind situationsabhängig und erfordern flexible Verhaltensweisen.
Eine feste genetische Programmierung wäre da eher hinderlich.



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Puch

Mo 27. Sep 2021, 21:13

Mir geht es nicht vordringlich darum, ob das Bedürfnis nach Erfolg anerzogen oder angeboren ist, sondern ob es vorhanden ist oder nicht. Deshalb möchte ich den Ausflug in die Tierwelt hiermit abschließen.

Ich glaube, dass ein Jugendlicher seine Selbstachtung verliert, wenn er Null Erfolge zu verzeichnen hat und dass es ihm nicht gut tut, auch wenn er genügend zu Essen und ein Dach über dem Kopf hat.

Auch die Eltern eines solchen Jugendlichen werden nicht glücklich mit ihm, wenn er nur zu Hause rumlümmelt, ohne Schulabschluss, lauter Absagen, keine Freunde, keine Freundin, kein Hobby, keine Perspektive... Das verstehe ich unter totaler Erfolglosigkeit. Ist so ein Leben wünschenswert? Ich glaube nicht.

Ich glaube viel eher, dass jeder sein Maß an täglichen Erfolgen braucht. Völlig klar: nicht jeder will unbedingt Weltmeister werden, aber zumindest, dass er sich die Schnürsenkel selbst zubinden kann.




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NaWennDuMeinst
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Di 28. Sep 2021, 01:25

Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 21:13
Mir geht es nicht vordringlich darum, ob das Bedürfnis nach Erfolg anerzogen oder angeboren ist, sondern ob es vorhanden ist oder nicht.
Ich würde sagen es gibt Menschen bei denen ist es vorhanden. Also in dem Sinne, dass diese Menschen es als ihr Lebensziel ansehen in irgend einer Form erfolgreich zu sein.
Deshalb möchte ich den Ausflug in die Tierwelt hiermit abschließen.
Eine kluge Entscheidung. Das war sowieso ein Irrweg.
Ich glaube, dass ein Jugendlicher seine Selbstachtung verliert, wenn er Null Erfolge zu verzeichnen hat und dass es ihm nicht gut tut, auch wenn er genügend zu Essen und ein Dach über dem Kopf hat.Auch die Eltern eines solchen Jugendlichen werden nicht glücklich mit ihm, wenn er nur zu Hause rumlümmelt, ohne Schulabschluss, lauter Absagen, keine Freunde, keine Freundin, kein Hobby, keine Perspektive... Das verstehe ich unter totaler Erfolglosigkeit. Ist so ein Leben wünschenswert? Ich glaube nicht.
Ich kann Dir hier nicht ganz folgen.
Setzt Du Energie und "Streben nach Erfolg" gleich? Wie kommst Du darauf?
Auch scheint mir, dass es für Dich nur zwei Sorten von Menschen gibt. Solche die nach Erfolg streben, und solche die "vergammeln".
Das ist, meiner Ansicht nach, eine ziemlich beschränkte Sicht auf die Menschen.
Menschen können doch Dinge auch einfach aus einer Leidenschaft zu den Dingen selbst machen und dabei sehr große Energie entwickeln. Ein Streben nach Erfolg muss dabei doch nicht das primäre Ziel sein.
Nimm den Künstler, der seine Werkte aus einer Leidenschaft zur Kunst schafft. Er kann sein Leben lang erfolglos sein, erfolglos in dem Sinne, dass seine Werke kaum Beachtung finden, und trotzdem kann die Arbeit an seiner Kunst für ihn erfüllend sein. Und wir wissen ja, dass viele Künstler erst posthum "erfolgreich" wurden. Wenn diese Künstler nur nach Erfolg gestrebt hätten, dann hätten sie ihre Kunst wohl zu Lebzeiten aufgegeben, und sie würde uns heute fehlen. Wie froh' bin ich da, dass es diesen Menschen nicht um Erfolg ging.
Wobei ich da nochmal gerne auf den Unterschied zwischen Erfolg haben und nach Erfolg streben hinweisen will.
Natürlich ist es auch für den Künstler wichtig, dass er Erfolg in seiner Arbeit hat. Damit ist gemeint, dass ein Künstler ja vielleicht eine Vision hat von dem Werk das er schaffen will. Und natürlich arbeitet er auch an der Verbesserung seiner Fähigkeiten (oft ein ganzes Leben lang) um diese Vision umzusetzen. Der handwerkliche Erfolg ist da aber nur Mittel zum Zweck, nicht der Zweck. Der Zweck ist das Werk selbst.
Ich glaube viel eher, dass jeder sein Maß an täglichen Erfolgen braucht.
Erfolg kann motivierend sein, und nur Misserfolg zu haben ist vielleicht demotivierend.
Daraus folgt aber weder, dass es im Menschen einen Erfolgstrieb gibt (was soll das sein?), noch dass Menschen die nicht nach Erfolg streben, deshalb "vergammeln".
Völlig klar: nicht jeder will unbedingt Weltmeister werden, aber zumindest, dass er sich die Schnürsenkel selbst zubinden kann.

Vielleicht formulierst Du es mal anders. Es tut dem Menschen gut Ziele im Leben zu haben.
Diese Ziele können aber sehr vielfältig sein. Erfolgreich zu sein kann eines dieser Ziele sein, muss es aber nicht.



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Di 28. Sep 2021, 07:51

Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 21:13
... nur zu Hause rumlümmelt, ohne Schulabschluss, lauter Absagen, keine Freunde, keine Freundin, kein Hobby, keine Perspektive... Das verstehe ich unter totaler Erfolglosigkeit ...
Klingt für mich wie eine mögliche Biografie eines Poeten, der zwar aus seiner Zeit herausgefallen ist, aber wunderbar dichte Text schreibt.




Puch

Di 28. Sep 2021, 12:16

Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 21:13
Deshalb möchte ich den Ausflug in die Tierwelt hiermit abschließen.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 01:25
Eine kluge Entscheidung. Das war sowieso ein Irrweg.
Die Frage, wer Recht hat, finde ich uninteressant und außerdem unphilosophisch. Daher schlage ich vor, dass wir diese Frage offen lassen.

Schön, dass wir darüber geredet haben.




Puch

Di 28. Sep 2021, 12:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 07:51
Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 21:13
... nur zu Hause rumlümmelt, ohne Schulabschluss, lauter Absagen, keine Freunde, keine Freundin, kein Hobby, keine Perspektive... Das verstehe ich unter totaler Erfolglosigkeit ...
Klingt für mich wie eine mögliche Biografie eines Poeten, der zwar aus seiner Zeit herausgefallen ist, aber wunderbar dichte Text schreibt.
Ja, zum Genie fehlt ihm nur noch die Gabe des Saufens. :)




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Di 28. Sep 2021, 13:01

Puch hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 12:16
Puch hat geschrieben :
Mo 27. Sep 2021, 21:13
Deshalb möchte ich den Ausflug in die Tierwelt hiermit abschließen.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 01:25
Eine kluge Entscheidung. Das war sowieso ein Irrweg.
Die Frage, wer Recht hat, finde ich uninteressant und außerdem unphilosophisch. Daher schlage ich vor, dass wir diese Frage offen lassen.
Von diesem Vorschlag halte ich nichts. Die Behauptung, es gäbe Macht-Gene finde ich nicht nur extrem fragwürdig, sondern auch hochproblematisch (gibt es dann auch Unterwerfungs-Gene?).
Allein schon deshalb bin ich nicht bereit diese Frage offen zu lassen.
Ob Du das uninteressant und unphilosophisch findest ist mir da ziemlich egal.
Aber mein Vorschlag wäre, dass Du Dich mit dieser Einstellung an die Anderen hier wendest. Einige hier schätzen gute Märchengeschichten.
Schön, dass wir darüber geredet haben.
Oh, schon fertig? War das jetzt ein Erfolg für Dich? :-D



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Di 28. Sep 2021, 13:05

Puch hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 12:55
Ja, zum Genie fehlt ihm nur noch die Gabe des Saufens. :)
Hauptsache, du behältst recht, nicht wahr? ;-)




Puch

Di 28. Sep 2021, 13:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 13:05
Puch hat geschrieben :
Di 28. Sep 2021, 12:55
Ja, zum Genie fehlt ihm nur noch die Gabe des Saufens. :)
Hauptsache, du behältst recht, nicht wahr? ;-)
Wieso das?




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Di 28. Sep 2021, 13:11

Weil du Einwände regelmäßig abtust.




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