Bildung eine Gabe?

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Jörn Budesheim
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Do 2. Dez 2021, 06:36

Es gibt eine interessante Analogie, über die ich gerade gestolpert bin: Sprechen lernen! Sprechenlernen kann auch nicht nur darin bestehen, Wissen zu akkumulieren und Regeln zu befolgen. Sondern es ist eine Hinführung zum "Selbermachen" zum kreativen, eigenständigen Gebrauch der Sprache, sonst wäre es nur ein Nachplappern. Ich denke, es gibt vieles, was vergleichbar strukturiert ist. (Kunst und Philosophieren wären zwei Beispiele.) Man kann sie nur lernend erreichen, aber sie gehen nicht im Lernen auf, sondern bilden sich (im Glücksfall) im Lernen als Gabe. Es geht in diesen Fällen immer auch darum, das Gelernte hinter sich zu lassen und ein winziger Teil des objektiven Geistes, sprich des nämlichen Prozesses zu werden.




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Ottington
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Do 2. Dez 2021, 09:23

Burkart hat geschrieben :
So 28. Nov 2021, 22:06
Groot hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 18:44
Burkart hat geschrieben :
Mi 24. Nov 2021, 23:18
Nimm nicht alles so ernst, was andere schreiben. Alleine "weil man über Bildung niemals verfügen kann." lässt mich an dem Text schon zweifeln.
wieso denn das? Man kann ja nicht über Bildung verfügen. Bildung findet man vor. Es wird überliefert und ist dadurch ein fester Kanon.
Sprechen wir verschiedene Sprachen?
Bildung laut wikipedia:
"Bildung (von althochdeutsch bildunga ‚Vorstellung, Vorstellungskraft‘)[1] ist ein vielschichtiger, unterschiedlich definierter Begriff, den man im Kern als Maß für die Übereinstimmung des persönlichen Wissens und Weltbildes eines Menschen mit der Wirklichkeit verstehen kann. Je höher die Bildung ist, desto größer wird die Fähigkeit, Verständnis für Zusammenhänge zu entwickeln und wahre Erkenntnisse zu gewinnen."
Das passt nicht zu deiner Beschreibung von "Bildung", oder?
Ich finde, dass gerade in diesem Wikipedia-Eintrag viel Interessantes steht: Bildung ist damit die ausgeübte Fähigkeit, Wissen nicht nur zu sammeln, sondern es in Zusammenhänge zu bringen, um neue Erkenntnisse zu erhalten. Bildung wäre dann sowas wie eine Tugend (im weitesten Sinne) über Wissen hinaus eigene Erkenntnisse zu gewinnen.

Im Gegensatz zu eigenen Erkenntnissen, die wir persönlich durch eigene Ausübung gewinnen, hat Wissen fast schon einen universellen Status. Denn Wissen wird (in Schulen, Wikipedia-Einträgen, etc.) als Tatsache vermittelt und steht damit im krassen Gegensatz zum autonomen Charakter der Bildung.




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Jörn Budesheim
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Do 2. Dez 2021, 18:07

Ottington hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 09:23
Wikipedia-Eintrag
Burkart hat geschrieben :
Mo 29. Nov 2021, 08:05
wikipedia-Beitrags-Beginn
Vielleicht liegt hier der Hase im Pfeffer. Oddington redet von dem gesamten Wikipedia-Eintrag und Burkhart nur vom Beitrags-Beginn.




Burkart
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Do 2. Dez 2021, 18:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 06:36
Es gibt eine interessante Analogie, über die ich gerade gestolpert bin: Sprechen lernen! Sprechenlernen kann auch nicht nur darin bestehen, Wissen zu akkumulieren und Regeln zu befolgen. Sondern es ist eine Hinführung zum "Selbermachen" zum kreativen, eigenständigen Gebrauch der Sprache, sonst wäre es nur ein Nachplappern. Ich denke, es gibt vieles, was vergleichbar strukturiert ist. (Kunst und Philosophieren wären zwei Beispiele.) Man kann sie nur lernend erreichen, aber sie gehen nicht im Lernen auf, sondern bilden sich (im Glücksfall) im Lernen als Gabe.
Sprechenlernen ist sicherlich ein komplexes Lernen, ähnlich wie es z.B. ist, sich Bildung anzueignen.
Es geht in diesen Fällen immer auch darum, das Gelernte hinter sich zu lassen und ein winziger Teil des objektiven Geistes, sprich des nämlichen Prozesses zu werden.
Was "das Gelernte hinter sich zu lassen" immer heißen soll... Natürlich geht es nicht darum, die lernenden Bespiele im Detail zu behalten (insofern passt es), aber man lernt ja durch Verinnerlichung des Gelernten und diese Verinnerlichung würde ich nicht als vollständig "hinter sich lassen" ansehen.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Do 2. Dez 2021, 18:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 18:07
Ottington hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 09:23
Wikipedia-Eintrag
Burkart hat geschrieben :
Mo 29. Nov 2021, 08:05
wikipedia-Beitrags-Beginn
Vielleicht liegt hier der Hase im Pfeffer. Oddington redet von dem gesamten Wikipedia-Eintrag und Burkhart nur vom Beitrags-Beginn.
Hm, ich sehe Ottingtons Text schon zu meinen Ideen passend.
Der Unterschied ist vielleicht, dass er mehr schon von vorhandener Bildung ausgeht und diese weiter nutzt, was für mich ein zweiter Schritt wäre, den ich bisher wohl nicht genannt hatte.



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Ottington
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Fr 3. Dez 2021, 08:00

Übrigens störe ich mich hier am Begriff "Bildung", also dem Nomen mit der -ung Endung. Gehts da nur mir so?
Ich kann es nicht erklären, aber Bildung hat hier sowas quantifizierbares, eine Art Verdinglichung. Warum nicht "das Bilden" ?




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Fr 3. Dez 2021, 22:44

Ottington hat geschrieben :
Fr 3. Dez 2021, 08:00
Übrigens störe ich mich hier am Begriff "Bildung", also dem Nomen mit der -ung Endung. Gehts da nur mir so?
Ich kann es nicht erklären, aber Bildung hat hier sowas quantifizierbares, eine Art Verdinglichung. Warum nicht "das Bilden" ?
Hm, wenn ich das mit "Impfung" vergleiche, passt das für mich zum normalen Bildungsbegriff; man kann halt eine Impfung bekommen haben, ähnlich wie eine gewisse (im gewissen Sinne quantifizierbare) Bildung.
Sofern du das aber auf den anfangs geschriebenen Begriff beziehst (der mir (auch) so nicht gefällt), könnte ich dir recht geben.



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Stefanie
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Mo 6. Dez 2021, 18:27

Um mal davon wegzukommen, dass Bildung gleich Wissen ist.
https://www.spektrum.de/kolumne/warkus- ... ng/1955704
WARKUS' WELT
Das Problem mit der Bildung
(...)
Grund genug, daran die typisch philosophische Frage zu stellen: Was ist Bildung eigentlich?
Es wird Sie nicht überraschen, dass Bildung ein philosophisches Konzept ist – zumindest in der gängigen Hinsicht, in der sie von Ausbildung und Erziehung abgegrenzt wird. Dass diese Abgrenzung üblich ist, leuchtet auch intuitiv ein: Man kann gut erzogen sein, also auf Grund äußerer Einwirkung in der Kindheit und Jugend freundlich, höflich, rücksichtsvoll, einfühlsam und so weiter, ohne einen Funken Bildung zu haben. Genauso kann man ohne Bildung auch gut ausgebildet sein, also beispielsweise komplizierte handwerkliche Techniken oder die Konventionen eines anspruchsvollen Büroberufs beherrschen.
(...)
Der Kern ist dabei, grob gesagt: Der Mensch ist noch nicht fertig, wenn er laufen, sprechen, sich die Schuhe zubinden, lesen, schreiben und Nudeln mit Tomatensauce kochen kann. Was ihn als Menschen im Innersten ausmacht – seine Fähigkeit, wahrzunehmen, zu empfinden, zu denken, sich frei zu entscheiden, Freude am Leben zu haben, unter anderen Menschen verantwortlich zu handeln, sich eigenständig auszudrücken, also seine Menschlichkeit und Einzigartigkeit – muss sich entwickeln und dazu gepflegt werden wie eine Pflanze.
(...)
Der Mensch ist unfertig
Während ein Baum sich nun aber nicht selbst gießen, düngen, hochbinden und zurückschneiden kann, kann es der Mensch auf entscheidende Weise nur selbst, da seine spezifischen Fähigkeiten gerade mit seinem Verhältnis zu sich selbst zu tun haben (also: reflexiv sind). Bildung ist sozusagen ein Sich-Erschaffen des Individuums und seines Verhältnisses zu sich selbst: ein Prozess, bei dem der Mensch das, was er schon (aber nur irgendwie) ist, erst verwirklicht.
(...)
Auch wenn dieser Prozess durch das Individuum an sich selbst ausgeführt wird, geschieht er nicht im luftleeren Raum – selbst eine Pflanze, die sich selbst gießen und düngen könnte, bräuchte immer noch Wasser und Dünger. Bildung ist daher eine Art Stoffwechsel zwischen Mensch und Welt, bei dem es auch eine Rolle spielt, welche Stoffe man da wechselt: woran man sich bildet.
Liest man den Wikipedia Beitrag wird man diesen Bildungsbegriff öfters finden. Es ist wohl der gängige Bildungsbegriff.
Diesen scheint der Artikel aus dem ersten Beitrag weiter entwickelt zu haben. Wie der dort zitierte Herr Wimmer.



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Jörn Budesheim
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Ottington hat geschrieben :
Fr 3. Dez 2021, 08:00
Warum nicht "das Bilden" ?
Für mich schmeckt das "bilden" beim Bildungsbegriff immer durch. Darauf hatte ich weiter oben auch schon aufmerksam gemacht. Die Zitate im Beitrag zuvor von Stefanie scheinen mir auch in die nämliche Richtung zu gehen.




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Jörn Budesheim
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Ich würde den Bildungsbegriff allerdings nicht komplett vom Wissensbegriff trennen wollen - was ja eigentlich auch so nicht vorgeschlagen wurde, wenn ich recht sehe. Ich könnte mich vielleicht auch mit der Idee anfreunden, dass es im Hintergrund so etwas gibt wie einen Bildungskanon.

Jeder kann ja mal mit sich selbst im Geheimen ein Gedankenexperiment machen und sich die Frage stellen: "Bin ich gebildet?" Mir würde es ehrlich gesagt, sehr schwer fallen, diese Frage mit "Ja" zu beantworten. Und das hängt auch mit meinen vielen Bildungslücken zusammen.




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Stefanie
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Mo 6. Dez 2021, 19:25

Wissen ist ein Bestandteil der Bildung. So sehe ich das. Aber es ist mehr, denke ich.
Im Studium und vor allem im Referendariat hat man uns gesagt, Sie müssen nicht jeden Paragraphen auswendig kennen, und nicht jede Nummer wissen, Sie müssen wissen, wo es steht.

Kein Mensch kann alles wissen, aus allen Bereichen. Und auch nicht immer alles verstehen.
Bildung bedeutet auch, dass man sich angeeignet hat, wie man Wissen erwirbt.

Wie das mit der Gabe gemeint ist,...habe ich noch nicht gelöst.

In Bildung steckt Bild, Bildung ist doch auch, ist sich ein Bild zu machen und einzuschätzen, um was es geht. Viel mir gerade ein.



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Burkart
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Di 7. Dez 2021, 00:19

Bildung ist (auch) für mich zu erkennen, was man nicht (unbedingt) wissen muss (für sich selbst, seinen Beruf bzw. sein ganzes Umfeld). Für mich gehört dazu z.B., was ich welchem Königs- oder Herrscherhaus oder sonstigen Promis so passiert, was in Gazetten (oder wie die heißen) steht, z.B. vom Friseur in den bunten Blättern zu lesen ist.
Es gibt auch Bücher des überflüssigen Wissens o.ä.; von überflüssiger Bildung habe ich dagegen noch nichts gehört und dürfte auch schwer(er) fallen sinnvoll zu 'definieren'.



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Di 7. Dez 2021, 19:42

Meine Frau und ich haben uns heute beim Nachhauseweg darüber ausgetauscht, ob wir in unserer näheren oder der fernen Bekanntschaft Menschen haben, die wir als gebildet bezeichnen würden. Auch wenn wir am Ende ein paar Kandidat:innen hatten, letztlich war es schwierig. Vielleicht ist der Begriff, so wie ich ihn mir anscheinend ausmale, doch etwas zu hoch gehängt und anspruchsvoll?!




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Mi 8. Dez 2021, 00:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 7. Dez 2021, 19:42
Meine Frau und ich haben uns heute beim Nachhauseweg darüber ausgetauscht, ob wir in unserer näheren oder der fernen Bekanntschaft Menschen haben, die wir als gebildet bezeichnen würden. Auch wenn wir am Ende ein paar Kandidat:innen hatten, letztlich war es schwierig. Vielleicht ist der Begriff, so wie ich ihn mir anscheinend ausmale, doch etwas zu hoch gehängt und anspruchsvoll?!
ich stimme dir zu (soweit ich es beurteilen kann). Man sollte auch nicht vergessen, dass "gebildet" halt sehr relativ ist und es gerade hier nicht nur "ist" und "ist nicht" gibt, wie der Begriff leider zu implizieren vermag.



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Burkart hat geschrieben :
Mi 8. Dez 2021, 00:34
ich stimme dir zu (soweit ich es beurteilen kann)
Wenn irgendwo in deinen Ansichten / Begründungen das Wort "relativ" vorkommt, dürfe die Wahrscheinlichkeit, dass wir einer Ansicht sind relativ gering sein.




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Mi 8. Dez 2021, 08:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Dez 2021, 05:46
Burkart hat geschrieben :
Mi 8. Dez 2021, 00:34
ich stimme dir zu (soweit ich es beurteilen kann)
Wenn irgendwo in deinen Ansichten / Begründungen das Wort "relativ" vorkommt, dürfe die Wahrscheinlichkeit, dass wir einer Ansicht sind relativ gering sein.
Das mag gut sein; ich vertrete auch eine aus meiner Sicht zumindest hierin progressive Ansicht, die mit der normalen, einfachen nicht selten nicht übereinstimmt.
(Sie entspringt u.a. mathematischen Ideen wie Stetigkeit im Gegensatz zur Diskontinuität.)

Ich hatte über deinen Punkt nach meinem letzten Post noch ein wenig nach- bzw. weitergedacht gehabt.
Du hattest dich ja gefragt, wer/wie viele Leute Bildung haben.
Ist das nicht genau genommen eine Diskriminierung?

Und noch weiter gedacht, diskriminieren gerne Adjektive, ob nun weiß und schwarz, hübsch und hässlich, dick und dünn, groß und klein usw., wobei es immerhin ein "normal gewichtig" und "normal groß" gibt, ein "normal aussehend" eher selten, eine "normale Hautfarbe" als Durchschnittshautfarbe dagegen gar nicht.

Insofern wäre es bei Bildung aus meiner Sicht auch nur fair, nicht von "ungebildet" zu sprechen; du kannst ja mal überlegen, ob das für dich vielleicht auch ein wenig Diskriminierung ist bzw. sein könnte.

Tja, oder ist Diskriminierung nur, wenn irgendeine Gruppe auf sich und ihre spezifischen Nachteile aufmerksam macht?
Könnten hier sogenannte Ungebildete nicht auf die Straße gehen und für bessere, z.B. günstige Bildung(smöglichkeiten) demonstrieren?
Und da Geld so eine Rolle spielt: Müssten da nicht auch gegen den Reichtum einiger Leute gleich mit demonstriert werden oder zumindest gegen Politiker, die die zementieren aufgrund fehlender entsprechender Steuern u.ä.?
Nur dumm, dass solche Leute oft keine Zeit zum Demonstrieren haben, da sie die Zeit für Broterwerb u.ä. brauchen - oder ihnen die Bildung bzw. das Wissen fehlt, wie man etwas verändern kann (z.B. Lobbys... ach nee, die kosten oft wieder Geld...).

PS / Offtopic:
Magnus dürfte nach dem 3:0 gestern nun endgültig durch sein und Weltmeister bleiben.



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infinitum
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Dez 2021, 06:36
Es gibt eine interessante Analogie, über die ich gerade gestolpert bin: Sprechen lernen! Sprechenlernen kann auch nicht nur darin bestehen, Wissen zu akkumulieren und Regeln zu befolgen. Sondern es ist eine Hinführung zum "Selbermachen" zum kreativen, eigenständigen Gebrauch der Sprache, sonst wäre es nur ein Nachplappern. Ich denke, es gibt vieles, was vergleichbar strukturiert ist. (Kunst und Philosophieren wären zwei Beispiele.) Man kann sie nur lernend erreichen, aber sie gehen nicht im Lernen auf, sondern bilden sich (im Glücksfall) im Lernen als Gabe. Es geht in diesen Fällen immer auch darum, das Gelernte hinter sich zu lassen und ein winziger Teil des objektiven Geistes, sprich des nämlichen Prozesses zu werden.
hm...fällt mir schwer "Bild-ung" als Gabe aufzufassen.
Man sagt z.B.: er verfügt über eine Bildung im Bereich .... also kann man doch über eine gewisse Bildung verfügen, aber der Prozess des Aneignens derer / des Bildens würde ich eher mit Lernen und die Fähigkeit des kreativen Umgangs mit dem Erlernten mit der Intelligenz des Individuums beschreiben.
Wenn jemand über eine Gabe oder ein Talent verfügt, dann nützt dies oft auch nichts, wenn die nötige Bildung aufgrund diverser Umstände (finanzielle, gesundheitliche Situation, keine passenden Bildungsangebote) nicht realisiert werden kann.



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Jörn Budesheim
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Fr 10. Dez 2021, 06:47

Ich sehe das eher gemäß der Unterscheidung von Haben und Sein, vermutlich so ähnlich, wie Erich Fromm es in "Haben und Sein" gesehen hat. Bildung gehört nach dieser Sichtweise zum Sein. Also zu dem, was wir sind, was uns ausmacht, was unsere Identität ist. Im Gegensatz zu bloß akkumulierten Wissen, im Sinne von angehängtem symbolischen Kapital. In diese Sichtweise fügt sich nach meinem Verständnis auch der Ausdruck der Gabe. Denn die Gabe gehört nicht in die Ordnung des ökonomischen Tauschs und des "um zu", sondern sie ist ein reines Geben ohne Bedingung.




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Stefanie
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Fr 10. Dez 2021, 20:57

Wer ist der oder die Gebende?
Und was wird bedingungslos gegeben?
Ich kapiere es nicht.



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Stefanie
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Mi 15. Dez 2021, 20:49

Nach dem Motto mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, ein weiteres Puzzleteil.

Im Ausgangsbeitrag zitiert die Autorin wie folgt:
dass diese eine „unmögliche[5] Auf-Gabe der Pädagogik“ (Wimmer 1996: 149) sei, weil man über Bildung niemals verfügen kann. Bildung ist eine Gabe, die da ist oder nicht: „Eine Gabe kann es […] nur geben, wenn es keine Reziprozität gibt, keinen Tausch, keine Gegengabe, keine Schuld als aufgeschobene Rückgabe.“ „alle Modalitäten der Intentionalität zerstören […] die Gabe.“ (Wimmer 1996: 154

In einer Publikation zum Thema Bildung und Nahrung wird in der Einleitung Herr Wimmer wie folgt zitiert:

Vor dem Hintergrund eines angenommenen Zusammenhangs von Bildung und Gabe entwickeln die folgenden Beiträge ein Bildungsverständnis, in dem von einer unaufhebbaren Angewiesenheit des Ichs auf den/die Andere/n ausgegangen wird. Damit wird eine Perspektive entworfen, die sich von der in der Neuzeit aufkommenden, bis heute in der westlichen Welt dominierenden, Vorstellung von Bildung als Arbeit am Inneren unterscheidet. Diese Perspektive fokussiert die Frage, ob Bildung „als Prozeß der Selbstkonstitution ab-hängig [ist] von etwas dem Selbst Vorhergehendes, Vorgegebenes, von einer
Gabe, die es sich nicht an die es sich nicht aneignen kann, ohne die es aber keine Bildung gibt“
(Wimmer 1996, S. 140).

Beide Zitate stammen laut Quellenangaben aus der selben Publikation.



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