Bildung eine Gabe?

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7168
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mi 24. Nov 2021, 21:41

Auf seiner Facebook Seite hat Jörn eine Internetseite verlinkt, deren Beiträge sich mit Kunstvermittlung befassen. Dabei bin ich auf eine Artikel gestoßen, in dem die Autorin sich auch mit Bildung, Bildungsprossen beschäftigt, und schreibt zu Bildung folgendes:

"Über Bildung habe ich bei dem Erziehungswissenschaftler Michael Wimmer, der sich auf Derrida und dessen Denken der Dekonstruktion bezieht, gelernt, dass diese eine „unmögliche[5]  Auf-Gabe der Pädagogik“ (Wimmer 1996: 149) sei, weil man über Bildung niemals verfügen kann. Bildung ist eine Gabe, die da ist oder nicht: „Eine Gabe kann es […] nur geben, wenn es keine Reziprozität gibt, keinen Tausch, keine Gegengabe, keine Schuld als aufgeschobene Rückgabe.“ „alle Modalitäten der Intentionalität zerstören […] die Gabe.“ (Wimmer 1996: 154) Nicht Wissen wird im Bildungsprozess gegeben. Dies wird nur vermittelt. Denn Wissen allein „ist fieberfrei und leblos“ (Cixous 2017: 35), so Cixous.
Gegeben wird die Gabe selbst als das Unmögliche und mit ihr das Selbst-denken-und-erkennen-Wollen, der Wille zum Wissen vielleicht."
https://www.appropriate-journal.art/sturm


Diese Sätze habe ich mittlerweile mehrmals gelesen und bleibe jedesmal bei Gabe hängen.
Eine Gabe ist zum einem etwas, was ich jemanden gebe oder erhalte. Etwas altmodisch ist der Ausdruck " Eins milde Gabe".
Die Gabe ist aber auch etwas, was jemand hat, "Eine besondere Gabe für ..." Man kann auch sagen ein besonderes Talent, ein Händchen für etwas.
Meint sie Gabe als etwas was jemand hat, ohne zutun von einem anderen, also Bildung hat man schon. Oder wird Bildung gegeben, als eine Gabe?
Ich bin verwirrt.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Mi 24. Nov 2021, 23:18

Nimm nicht alles so ernst, was andere schreiben. Alleine "weil man über Bildung niemals verfügen kann." lässt mich an dem Text schon zweifeln.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 25. Nov 2021, 09:06

Stefanie hat geschrieben :
Mi 24. Nov 2021, 21:41
Eine Gabe ist zum einem etwas, was ich jemanden gebe oder erhalte. Etwas altmodisch ist der Ausdruck " Eins milde Gabe".
Die Gabe ist aber auch etwas, was jemand hat, "Eine besondere Gabe für ..." Man kann auch sagen ein besonderes Talent, ein Händchen für etwas.
Man kann noch weiter assoziieren: Gabe kommt vor in "Hingabe/Hingeben", findet sich im "Vergeben" und auch im "Geben und Nehmen von Gründen", eine Gabe kann ein Geschenk sein, aber auch eine "Ausgabe" - ähnlich klingt "sich verausgaben" und ist doch ziemlich anders :-)

Wichtig scheint jedoch zu sein, dass die Gabe im vorliegenden Sinn "bedingungslos" ist und nicht auf "Gegenseitigkeit" und Rückgabe basiert. Wenn dir Männer in langen orangeroten Gewändern eine Rose schenken, nur um dir wenig später eine CD zum Kauf anzubieten, liegt keine Gabe vor, schätze ich. Wenn man Leben gibt, wohl schon eher. Aber ich kenne den Ausdruck von Derrida leider nur vom Hörensagen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 25. Nov 2021, 10:51

Burkart hat geschrieben :
Mi 24. Nov 2021, 23:18
Nimm nicht alles so ernst, was andere schreiben. Alleine "weil man über Bildung niemals verfügen kann." lässt mich an dem Text schon zweifeln.
Das ist vermutlich so ein Gegenstück zur "Gabe". Man schenkt dem Anderen seine Aufmerksamkeit nicht.




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Do 25. Nov 2021, 18:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 25. Nov 2021, 10:51
Burkart hat geschrieben :
Mi 24. Nov 2021, 23:18
Nimm nicht alles so ernst, was andere schreiben. Alleine "weil man über Bildung niemals verfügen kann." lässt mich an dem Text schon zweifeln.
Das ist vermutlich so ein Gegenstück zur "Gabe". Man schenkt dem Anderen seine Aufmerksamkeit nicht.
Sollte das eine Kritik sein?
Ich kann meine Zeit nur einmal nutzen; dazu ist mir eine Antwort auf offensichtlich Fehlerhaftes ("weil man über Bildung niemals verfügen kann." ) zu schade. Oder ist der Satz irgendwo begründet?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 25. Nov 2021, 20:08

Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber ich finde es ganz lustig und es passt vielleicht recht gut in diesem Zusammenhang: "Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles Wissen vergessen hat." (Vermutlich nicht wörtlich wiedergegeben.) Bildung ist demgemäß keine bloße Akkumulation von abrufbaren, verfügbaren Wissen, über Bildung verfügt man nicht.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 25. Nov 2021, 20:44

Ich glaube, der Begriff der "Gabe" könnte auch zu dem Faden über den Erfolg führen, bzw zu dem ziellosen Sein, welches nicht zu dem Muster "alles ist Erfolg" passt.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7168
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Do 25. Nov 2021, 21:06

Es geht um Bildung und Bildungsprozesse und nicht um Wissen.
Allein zum Bildungsbegriff gibt es unterschiedliche Definitionen.
Wissen ist ein Mittel der Bildung.
Interessant finde ich die Herkunft des Begriffes: Bildung (von althochdeutsch bildunga ‚Vorstellung, Vorstellungskraft‘)
Ich habe versucht, den Text von den zitierten Herrn Wimmer zu finden, allerdings ohne Erfolg.

Wieso verfügt man über Bildung nicht?
Derjenige oder diejenige, die im Bildungsprozess ist, verfügt doch über die Bildung; allein schon deshalb, weil er oder sie mittendrin in der Bildung ist.
Das mit der Gabe macht mich kirre.
Beim ersten lesen kam mir das wie Wortspiel vor. Je öfter ich die Sätze lese, je weniger verstehe ich.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Nov 2021, 06:12

Wissen für sich allein genommen ist leblos, so heißt es in dem Zitat. Über solches Wissen verfügt man, man kann es abrufen. Es ist ein bloß äußerliches symbolisches Kapital, vielleicht vergleichbar mit den Münzen im Portemonnaie. Bloß verfügbares Wissen ist noch nicht zur Bildung geworden, weil es die Person als ganze noch nicht verwandelt hat. Für mich klingt in Bildung nämlich besonders das "bilden" durch. Man bildet sich selbst, das heißt man formt sich selbst. Daher ist Bildung auch das, was selbst dann übrig bleibt, wenn das Wissen verloren gegangen ist. Man hat sich selbst als Person geformt, gebildet und verwandelt, das "bleibt", auch wenn man über das entsprechende Wissen, was dahin geführt hat, nicht mehr verfügt. Denn diese Form ist nichts, worüber man verfügt, diese Form ist man selbst. Dazu gehört gemäß dem Zitat: Selbst-denken-und-erkennen-Wollen. (Vielleicht auch eine bestimmte Haltung, bzw am Set von Haltungen.)

Die Gabe ist nach meinem Verständnis ein "bedingungsloses Geschenk". Etwas, was nicht auf Rückgabe oder Eingliederung in Verwertungszusammenhänge drängt. Dass es überhaupt etwas gibt und nicht nichts, ist z.b. eine Gabe. Lebloses, akkumuliertes Wissen zielt in der Regel im Unterschied dazu auf Verwertungszusammenhänge, aufs Haben. Bildung als Gabe ist hingegen Sein.

Das ist so ungefähr die Richtung, in der ich das Zitat verstehen möchte. Man muss dabei auch bedenken, dass es in dem kurzen Text um Kunst geht und Kunst produziert in der Regel kein verwertbares Wissen. Man könnte vielleicht sagen, dass Kunst selbst eine Gabe ist.




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Fr 26. Nov 2021, 08:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Nov 2021, 06:12
Daher ist Bildung auch das, was selbst dann übrig bleibt, wenn das Wissen verloren gegangen ist.
Na, dann verstehst du ja, warum ich etwas wie "weil man über Bildung niemals verfügen kann." ablehne.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Nov 2021, 08:30

Nein, das verstehe ich nicht, weil im Zitat ja schließlich das Gegenteil steht.




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Fr 26. Nov 2021, 14:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Nov 2021, 08:30
Nein, das verstehe ich nicht, weil im Zitat ja schließlich das Gegenteil steht.
Dann verstehe ich dich nicht. Im Zitat steht, dass man nicht über Bildung verfügen kann. Aber wieso sollte man es nicht können? Sich zu bilden heißt doch über (zumindest ein wenig) Bildung zu verfügen?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Nov 2021, 14:25

Burkart hat geschrieben :
Fr 26. Nov 2021, 14:00
Aber wieso sollte man es nicht können?
Warum das meiner Meinung nach so ist, hab ich weiter oben erläutert.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Nov 2021, 18:27

Gabe gibt es nur, wenn es keine Reziprozität gibt, keine Rückkehr, keinen Tausch, weder Gegengabe noch Schuld geben. Wenn der andere mir das, was ich ihm gebe, zurückgibt oder es mir schuldet, das heißt mir zurückgeben muß, wird es keine Gabe gegeben haben ... (Derrida, zitiert nach Michael Wetzel)




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Fr 26. Nov 2021, 18:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Nov 2021, 14:25
Burkart hat geschrieben :
Fr 26. Nov 2021, 14:00
Aber wieso sollte man es nicht können?
Warum das meiner Meinung nach so ist, hab ich weiter oben erläutert.
Dann zitiere bitte deinen entsprechenden Teil, damit man nicht herumraten muss.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Nov 2021, 19:20

Sorry, aber das ist mir jetzt entschieden zu blöd. Wenn du gar nicht liest, was ich schreibe, dann antworte auch nicht darauf. Was soll das?




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Fr 26. Nov 2021, 20:08

"Was soll das" könnte ich gut fragen... aber das ist mir zu dumm, also lasse ich es. Du machst es dir gerne einfach, vage auf irgendeinen (halt nicht zitierten) Text von dir zu verweisen, der irgendwo steht und vielleicht irgendwie im Zusammenhang steht, jedenfalls aus deiner subjektiven Sicht... Nein danke, zum Herumraten ist mir die Zeit wirklich zu schade.
(Übrigens antwortet man üblicherweise nicht auf Text, der irgendwann vorher mal war, idealerweise nur im direkt vorhergehenden. Ansonsten gibt es halt das Zitieren. Bedenke, dass nicht jeder allen Text auswendig behalten kann, halt u.a. eine Zeitfrage.)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Sa 27. Nov 2021, 06:13

So, nun doch noch mal deine alten Beiträge durchforstet... Beziehst du dich hierauf?
"Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber ich finde es ganz lustig und es passt vielleicht recht gut in diesem Zusammenhang: "Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles Wissen vergessen hat." (Vermutlich nicht wörtlich wiedergegeben.) Bildung ist demgemäß keine bloße Akkumulation von abrufbaren, verfügbaren Wissen, über Bildung verfügt man nicht."

Wenn man über Bildung nicht verfügen soll, wie hat man sie dann?
Gut, "Bildung ist demgemäß keine bloße Akkumulation von abrufbaren, verfügbaren Wissen" ist richtig, denn das Wissen muss zu Bildung erst noch verknüpft und in Beziehung gesetzt, u.U. auch mit Werten.
Somit ist es zwar mehr als nacktes Wissen, aber wieso soll man nicht trotzdem "über Bildung verfügen", also über das, was sich als Bildung ergeben hat?
Was stört dich an "verfügen"? Hast du ein besserer Wort dafür?
Denn es ist doch offensichtlich ein Unterschied, ob man sie hat oder nicht!?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23266
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Nov 2021, 08:42

Es geht nicht darum, ob sich jemand an dem fraglichen Ausdruck stört oder nicht, sondern es geht darum zu verstehen, was in dem Zitat, was Stefanie zu Beginn gepostet hat, eigentlich gesagt wird. Das versuche ich. Dir ist es offensichtlich egal, du weißt schon, das es falsch ist, noch bevor du es verstanden hast.




Burkart
Beiträge: 2747
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Sa 27. Nov 2021, 10:37

Ok, kommen wir auf das Zitat zurück.
Ich sehe nicht nur "Bildung niemals verfügen kann" als fehlerhaft an, verstehe auch nicht, warum Bildung (nur) eine Gabe sein soll: Kann man sich z.B. nicht selbst bilden? (Wenn es natürlich auch einfacher mit Lehrer u.ä. ist.)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Antworten