Kulturelle Aneignung

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
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NaWennDuMeinst
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Di 17. Aug 2021, 19:48

Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 19:30
Beeinflussen können wir es kaum noch. -
Ich habe heute gelesen, dass Deutschland sämtliche Fördergelder, Entwicklungshilfen und sonstige Hilfszahlungen an Afghanistan gestoppt hat. Andere Länder werden da sicher nachziehen. Warum man das macht ist klar.
Die Taliban haben jetzt einen Staat zu führen. Mal sehen ob sie dabei erfolgreich sind ohne Hilfe von außen (und da kommt dann eben China ins Spiel).
Und das Problem ist, dass man nicht nur die Taliban trifft, wenn man Zahlungen einstellt.



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Nauplios
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Di 17. Aug 2021, 23:52

Die Bundesregierung sollte jetzt nicht die Entwicklungshilfe für Afghanistan einstellen. Damit ist nichts gewonnen. Sie muß jetzt alle diplomatischen Kanäle nutzen, um (gemeinsam mit den anderen westlichen Mächten) die Situation in Kabul zu entschärfen. -

Nach den letzten Meldungen zu urteilen sieht es so aus, daß auch die Taliban an einer Eskalation kein Interesse haben. Angela Merkel ist kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit jetzt in der Pflicht, alles zu tun, damit die Ortskräfte und ihre Familien, die sich in Kabul aufhalten, geschützt werden. Ihr diplomatisches Geschick ist jetzt gefragt. Diese Diplomatie läuft auch an.




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Nauplios
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Mi 18. Aug 2021, 00:54

Die Kanzlerin sagt, man müsse "die Ziele kleiner fassen bei solchen Einsätzen". Der Bundespräsident spricht von einer "Zäsur". - Dem weiter oben schon angesprochenen "Generationenwechsel" in der Politik wird ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik folgen.




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Nauplios
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Mi 18. Aug 2021, 10:32

"Auch als Demokratisierungsbeschleuniger hat der Afghanistankrieg nicht getaugt. Der von Amerikas Neokonservativen gepredigte Geschichtsidealismus, demzufolge Werte wie Freiheit und Gleichheit ansteckend und exportierfähig seien, wurde widerlegt.

Geblieben von Amerikas Kampf gegen 'das Böse' sind Guantanamo, eine riesige Heimatschutzbehörde, allumfassende Geheimdienste, eingeschränkte Bürgerrechte, die Erinnerungen an den Folterskandal im Gefängnis Abu Ghraib und an transatlantische Zerwürfnisse über den Irakkrieg."

Die Taliban erobern Afghanistan. Was bleibt sind Scham und Zorn

Auf der Seite des Südwestrundfunks ist von einer "unglaublichen Arroganz und Selbstverblendung" die Rede. "Auch das deutsche Bild von einer eigenen Strategie, von Soldaten als Aufbauhelfern, sei eine Illusion gewesen. Auch das deutsche Konzept sei im Kern ein militärisches Konzept gewesen, dass der Tradition der späten Kolonialkriege gefolgt sei."

Sieg der Taliban

Afghanistan hat 40 Jahre Krieg hinter sich. Immer wieder ist das Land zum Schauplatz von Kämpfen und Kriegen geworden durch Intervention ausländischer Mächte. Das reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. - 1839 marschieren die Briten in Kabul ein, um die Russen aus Afghanistan zu verdrängen. Drei Jahre später werden 4.500 britische und indische Truppen und 9.000 Ortskräfte von aufständischen Afghanen aus dem Land vertrieben. Bei der Flucht aus Afghanistan finden nahezu alle den Tod. Als einziger Europäer schafft es der britische Armeearzt William Brydon nach Pakistan.

"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in der Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.


(Aus Fontanes Gedicht Das Trauerspiel von Afghanistan von 1857.)




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Jörn Budesheim
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Mi 18. Aug 2021, 11:13

Nauplios hat geschrieben :
Mi 18. Aug 2021, 00:54
Die Kanzlerin sagt, man müsse "die Ziele kleiner fassen bei solchen Einsätzen".
Nicole hat geschrieben : Ein bisschen Frieden (1982)




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Nauplios
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Mi 18. Aug 2021, 14:21

In der Wochenzeitschrift Der Freitag heißt es:

"Die von Anfang an fragwürdige Überzeugung, man könne eine andere, fremde Gesellschaft durch einen militärisch flankierten Ideologieexport um sich selbst bringen, löste sich durch die jähe Wende der letzten Tage in Rauch auf. Wieviel Trägheit und Faulheit des Denkens sind immer wieder im Spiel, sich anderen als Heilsbringer aufzudrängen. Und für ein geostrategisches Kalkül zu vereinnahmen. Dass Afghanistan jetzt erneut unter das Patriarchat religiöser Überzeugungstäter fällt und damit genau jener Kräfte, die Präsident Bush im Oktober 2001 als Revanche für 9/11 wegputschen ließ, spricht Bände. Kompletter kann man nicht scheitern." (Wie das Messer durch die Butter)

Die österreichische Autorin Kathrin Röggla schreibt in ihrer Essaysammlung Besser wäre: keine von einem "sanften Imperialismus", der allein schon mit humanitären Hilfsaktionen verbunden wäre. - Dem will ich mich nicht anschließen. Das Fiasko des Afghanistan-Einsatzes kann auch nicht das Ende jedweden Auslandseinsatzes sein. In Katastrophenfällen ist Hilfe angesagt, bei Völkermord wie in Ruanda muß die internationale Gemeinschaft eingreifen. - Hier geht es jedoch um etwas anderes. "Afghanistan war eine Lebenslüge der Merkel-Ära." (ntv )

Die "Lebenslüge" dieser Ära hängt zusammen mit einer Disneyisierung des Politischen: Wir sind die Guten - dort sind die Bösen. Ronald Reagan sprach vom "Reich des Bösen", George W. Bush von der "Achse des Bösen". Wie ergiebig das Böse für eine philosophische Debatte ist, sei dahingestellt. Sofern Außenpolitik realistisch sein soll, kann das Böse so wenig wie das Gute die alleinige Richtlinie solcher Politik sein. -




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Jörn Budesheim
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Mi 18. Aug 2021, 16:49

Es geht philosophisch, politisch, gesellschaftlich auch darum, die fraglichen Begriffe wieder zu rehabilitieren, statt sie Leuten wie Reagan, Bush & Co. zu überlassen.




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NaWennDuMeinst
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Do 19. Aug 2021, 00:24

Nauplios hat geschrieben :
Mi 18. Aug 2021, 14:21
In der Wochenzeitschrift Der Freitag heißt es:

"Die von Anfang an fragwürdige Überzeugung, man könne eine andere, fremde Gesellschaft durch einen militärisch flankierten Ideologieexport um sich selbst bringen, löste sich durch die jähe Wende der letzten Tage in Rauch auf.
Das ist das siegessichere Geschrei derer die das von Anfang an für eine schlechte Idee hielten.
Die trommeln sich jetzt auf die Brust und rufen "Wir haben es von Anfang an gesagt".
Diese Leute vergessen aber dass die Geschichte noch nicht zu ende geschrieben ist. Im Gegenteil: Sie fängt jetzt erst an.

Die afghanische Parlamentsabgeordnete Farzana Kochai rechnet nicht damit, dass sich die Taliban an ihre Versprechen halten werden. Im Interview mit den tagesthemen sagte sie, dass es eine große Kluft gebe zwischen dem, was die Führung der Taliban verkündet und dem, was vor Ort geschehe. "Wir fürchten um unser Leben - und das zu Recht."
Von der jungen Generation, die in der Demokratie aufgewachsen ist, erwartet sie Widerstand gegen die Herrschaft der Taliban. "Wir sprechen hier von der Million Menschen in Afghanistan." Es sei eine ganze neue Generation herangewachsen und diese Generation erwarte mehr von der Regierung.


In den letzten 20 Jahren ist eine neue Generation in Afghanistan herangewachsen. Eine die in Demokratie und Freiheit aufgewachsen ist und diese erlebt hat.
Der Samen ist gesät. Die Idee im Umlauf. Der Drops ist bei Weitem noch nicht gelutscht.
Ich glaube wir sehen hier den Anfang von Etwas, nicht das Ende.



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Nauplios
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Do 19. Aug 2021, 02:13

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 00:24

Das ist das siegessichere Geschrei derer die das von Anfang an für eine schlechte Idee hielten.
Ich vermute mal, Du hast dabei auch das im Sinn, was Gregor Gysi gestern abend in der ARD sagte. - Ich zitiere mal zwei Stimmen, die nun nicht zur Linken gehören und die ebenfalls zu hören waren:

"... das zweite ist, daß offensichtlich die Werte, die wir meinten, daß sie diesem Land guttun, dort nicht gegriffen haben. Und insofern wird uns vor Augen geführt, daß die westlichen Werte nicht überall auf der Welt die Attraktivität und die Vermittelbarkeit haben, von denen wir dachten, es sei so." (Theo Koll)

"Einmischung in andere Staaten, sie umerziehen zu wollen zu Werten, die uns wichtig sind, hat eigentlich noch nie geklappt. Deutschland ist das einzige Beispiel, das auch immer wieder genannt wurde - 'wenn ihr nicht vom Nationalsozialismus mit fremder Hilfe gedrängt worden wärt, was wär' dann geworden' - , aber danach hat es nie wieder geklappt. Das sollte eine Lehre sein." (Markus Feldenkirchen)

Maischberger - Die Woche

Theo Koll und Markus Feldenkirchen machen kein "Geschrei"; das sind seriöse Journalisten, die man mit dem Ich-war-von-Anfang-an-dagegen-Gysi nicht in einen Topf werfen kann. - Es ist nicht so, daß es keine anderen, gegenteiligen Auffassungen dazu gäbe, aber das was Koll und Feldenkirchen hier sagen, ist ein Grundzug bei vielen Beobachtern. Viele heißt nicht alle. Auch das stimmt. -

"In den letzten 20 Jahren ist eine neue Generation in Afghanistan herangewachsen." (NaWennDuMeinst) - Es sind u.a. die Angehörigen dieser Generation, die in Kabul, Kandahar, Kundus und anderen Städten Afghanistans aufgewachsen sind, die der Westen nun verraten hat. 80 % der afghanischen Bevölkerung leben auf dem Land. Knapp 60 % sind Analphabeten. Afghanistan ist eine Stammesgesellschaft. 42 % der Bevölkerung Afghanistans sind Paschtunen. Zu ihnen zählt auch das Volk der Kuchi, ein Nomadenstamm. Man schätzt die Zahl der verschiedenen Völker und Stämme Afghanistans auf ca. 200. Die Paschtunen sind sunnitische Muslime mit sehr strengem orthodoxen Islam und eigenem Ehrenkodex; untergliedert sind sie wiederum in einzelne Clans. -In den ländlichen Gebieten Afghanistans herrschen die Taliban schon lange. - In den großen Städten war bis zum Abzug der westlichen Truppen die Situation eine andere. Hier konnte die Generation junger Menschen heranwachsen, auf die Du jetzt Deine Hoffnungen setzt. Bei denen regt sich natürlich Widerstand gegen das nun drohende Emirat der Taliban. Ob der "Samen" noch aufgeht, bleibt abzuwarten. Es regt sich erster Widerstand. Nur kann der Westen jetzt nicht mehr eingreifen.

Von einer "Epochenwende" in der Außenpolitik war gestern auch die Rede. - Man muß es so geschichtsphilosophisch nicht nennen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß eine künftige Bundesregierung - welcher Couleur auch immer - sich noch einmal anschicken wird, einen solchen Auslandseinsatz über 20 Jahre auf ihre Agenda zu setzen. Wohin auch? Nach Saudi-Arabien? Jemen? Libyen? - Ich denke eher, das Afghanistan-Debakel wird sich auf Jahre hinaus in das kollektive Gedächtnis deutscher Außenpolitik einschreiben.




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Jörn Budesheim
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Do 19. Aug 2021, 06:43

"... das zweite ist, daß offensichtlich die Werte, die wir meinten, daß sie diesem Land guttun, dort nicht gegriffen haben. Und insofern wird uns vor Augen geführt, daß die westlichen Werte nicht überall auf der Welt die Attraktivität und die Vermittelbarkeit haben, von denen wir dachten, es sei so." (Theo Koll)
Die westlichen Werte? Nehmen wir ein oder zwei kleine Beispiel: nur bei uns im Westen ist es so, dass eine gute Schulausbildung wertvoll ist und zwar unabhängig vom Geschlecht. Im etwas östlicheren Teil der Welt liegen die Dinge nach dieser Vorstellung ganz anderes. In diesem Teil der Welt ist Schulbildung nur für Jungens gut und für Mädchen abträglich. In diesem Teil der Welt ist es auch von Natur aus so, dass Männer Bärte tragen wollen, weshalb es gut ist, sie darauf zu verpflichten.




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NaWennDuMeinst
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Do 19. Aug 2021, 06:46

Nauplios hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 02:13
Ich denke eher, das Afghanistan-Debakel wird sich auf Jahre hinaus in das kollektive Gedächtnis deutscher Außenpolitik einschreiben.
Und ich denke, wir werden vielleicht erst in weiteren 20 Jahren sehen, ob das wirklich die große Niederlage ist von der jetzt alle reden, oder nicht doch zumindest ein Teilerfolg. Wir werden sehen.
Denn ich finde was wir jetzt schon sehen ist, dass der "Konflikt" nicht nur von außen nach innen stattfindet. In den Ländern selbst wird gestritten um den besseren Weg,. Das ist ein Anfang.



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Jörn Budesheim
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Do 19. Aug 2021, 07:32

Die Rede von den sogenannten westlichen Werten ist oft selbstwidersprüchlich und enthält eine begriffliche Konfusion, die man auflösen kann. Die Konfusion besteht darin, dass man nicht zwischen Werten und Wertvorstellungen unterscheidet.

Der innere Widerspruch besteht dann in der Regel im folgenden: man nimmt ganz zurecht an, dass es falsch ist, anderen die eigenen Wertvorstellungen aufzuzwingen. Denn jeder Mensch hat das Recht, nach eigener Facon glücklich zu werden, sofern dieses Recht nicht mit dem Recht der anderen, nach eigener Facon glücklich zu werden kollidiert. Deswegen denkt man, dass so eine Art Werte-Export verwerflich ist. Dabei werden jedoch die Begriffe Wert und Wertvorstellungen in eins gesetzt, ohne es kenntlich zu machen!

Dass jeder Mensch frei ist, ist kein Wert, den man erst exportieren muss. Wenn man sagt, dass man anderen nicht die eigenen Wertvorstellungen aufzwängen darf, dann hat man damit bereits akzeptiert, dass Menschen eigentlich frei sind. (Sonst wäre die Rede vom "Aufzwängen" witzlos, egal wie soft man sie zu formulieren versucht.) Man kann sich nicht zugleich auf diesen universellen Wert beziehen und abstreiten, dass es universelle Werte gibt.

Freiheit kann man niemandem aufzwingen, aber man kann sie jemandem vorenthalten, weshalb es angezeigt sein kann die Freiheit (auch der anderen) zu verteidigen.




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Do 19. Aug 2021, 07:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 07:32
Dass jeder Mensch frei ist, ist kein Wert, den man erst exportieren muss. Wenn man sagt, dass man anderen nicht die eigenen Wertvorstellungen aufzwängen darf, dann hat man damit bereits akzeptiert, dass Menschen eigentlich frei sind. (Sonst wäre die Rede vom "Aufzwängen" witzlos, egal wie soft man sie zu formulieren versucht.) Man kann sich nicht zugleich auf diesen universellen Wert beziehen und abstreiten, dass es universelle Werte gibt.
Ich finde nicht, dass sich aus der Annahme, dass Menschen frei sind ein universeller Wert ergibt, denn der Andere kann da ja anderer Meinung sein.
Offenbar glauben doch die Taliban, dass man das sehr wohl darf. Sie glauben ja, es sei ok ihren Bürgern "islamische Werte" (oder was auch immer) aufzuzwingen.
Mit dem Zwingen haben die Taliban kein Problem. Nur mit dem was ihnen vom Westen aufgezwungen werden soll.



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Do 19. Aug 2021, 11:06

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 06:46

Und ich denke, wir werden vielleicht erst in weiteren 20 Jahren sehen, ob das wirklich die große Niederlage ist von der jetzt alle reden, oder nicht doch zumindest ein Teilerfolg.
Der Afghanistaneinsatz war nicht nur "komplett umsonst, sondern hat Schaden angerichtet". Trotz guter Absicht habe es sich um "imperialistische, kolonialistische Aktivitäten" gehandelt. Der Afghanistaneinsatz "sei von Anfang an ungerechtfertigt gewesen".

Wer sagt das?

Kritik an "imperialistischen und kolonialistischen Aktivitäten"




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Do 19. Aug 2021, 12:04

Zitate bitte einfach kennzeichnen. Danke.




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Nauplios hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 11:06

Der Afghanistaneinsatz war nicht nur "komplett umsonst, sondern hat Schaden angerichtet". Trotz guter Absicht habe es sich um "imperialistische, kolonialistische Aktivitäten" gehandelt. Der Afghanistaneinsatz "sei von Anfang an ungerechtfertigt gewesen".
Das sagt der Bonner Philosoph Markus Gabriel gestern im Interview mit Deutschlandfunk Kultur

Der "Invasionskrieg" gegen Afghanistan sei "in jeder Hinsicht ungerechtfertigt" gewesen, sagt Markus Gabriel und basiere auf einer "Lügenkampagne".

Ob Markus Gabriel Irak und Afghanistan verwechselt? - Dieser Auffassung ist zumindest Fritz Felgentreu (SPD), der auf Twitter zum Interview von Markus Gabriel schreibt:

"Noch ein Experte: Der Philosoph Markus Gabriel spricht heute morgen im @dlfkultur ex cathedra zur ethischen Rechtfertigung des Afghanistan-Einsatzes und verwechselt dabei erstmal lässig und völlig unbeirrt Afghanistan und Irak. #sitacuisses"




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Do 19. Aug 2021, 14:00

Inzwischen habe ich mir das Interview mehrfach angehört. Gabriel spricht zwar von "Afghanistan", kolportiert einleitend aber die Umstände des Irak-Krieges ("Lügenkampagnen von Donald Rumpsfeld" ... "die Invasion in Afghanistan, an der Deutschland seinerzeit erfreulicherweise nicht teilgenommen hat")




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Do 19. Aug 2021, 18:59

Nauplios hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 14:00
Inzwischen habe ich mir das Interview mehrfach angehört. Gabriel spricht zwar von "Afghanistan", kolportiert einleitend aber die Umstände des Irak-Krieges ("Lügenkampagnen von Donald Rumpsfeld" ... "die Invasion in Afghanistan, an der Deutschland seinerzeit erfreulicherweise nicht teilgenommen hat")
Sowas passiert wenn man nicht mehr weiß, in welchem Sinnfeld man unterwegs ist.
(Ich hatte den Typen schon fast vergessen und dann springt er wieder hinter dem Vorhang vor wie so eine Kasperlefigur)



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Do 19. Aug 2021, 21:33

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 18:59

Sowas passiert wenn man nicht mehr weiß, in welchem Sinnfeld man unterwegs ist.
(Ich hatte den Typen schon fast vergessen und dann springt er wieder hinter dem Vorhang vor wie so eine Kasperlefigur)
Nun will Markus Gabriel nicht Bundeskanzler werden. Insofern unterliegt er nicht der Beobachtung durch Medien, die sich an die Fersen jeder seiner Äußerungen heften. Ich gebe zu, daß mir diese Verwechslung beim ersten Hören auch nicht aufgefallen ist, so wenig wie wohl auch seiner Interview-Partnerin - Immerhin ist aber davon auszugehen, daß er Afghanistan meint, wenn er "Afghanistan" sagt. - Andererseits ist seine Kritik derart harsch, daß sie viel besser zum Irakkrieg von Bush paßt.

Wie auch immer. Der Grundtenor ist unüberhörbar. - Was mich selbst ein wenig wundert: daß ich als bekennender Nichtanhänger des Neuen Realismus in politischer Hinsicht - das war schon beim Thema Corona ähnlich - mit Gabriel auch hier eine gewisse Übereinstimmung feststelle; keine Deckungsgleichheit, aber für eine Koalition würd's vielleicht reichen. ;)




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Fr 20. Aug 2021, 07:24

Nauplios hat geschrieben :
Do 19. Aug 2021, 21:33
Wie auch immer. Der Grundtenor ist unüberhörbar. - Was mich selbst ein wenig wundert: daß ich als bekennender Nichtanhänger des Neuen Realismus in politischer Hinsicht - das war schon beim Thema Corona ähnlich - mit Gabriel auch hier eine gewisse Übereinstimmung feststelle; keine Deckungsgleichheit, aber für eine Koalition würd's vielleicht reichen. ;)
Ich ringe noch mit mir selbst was das betrifft. Fest steht, ich war auch einer Derjenigen die den Afghanistaneinsatz befürwortet haben. Und ich meine damit die Terrorbekämpfung. Für mich war - wie für viele - klar, dass die Anschläge auf das World Trade Center nicht ohne Antwort bleiben können. Und die Drahtzieher wurden ja auch ausgeschaltet.
Auch den Irakkrieg sah' ich unter diesem Gesichtspunkt noch als gerechtfertigt an. Ich weine Saddam Hussein keine Träne nach.
Allerdings ist auch mir nicht entgangen, dass die Amerikaner auch eine Reihe von Fehlern gemacht haben, insbesondere im Umgang mit der Öffentlichkeit. Dafür wurden sie zu recht kritisiert.
Und was das Nachspiel angeht, also die lange Zeit nach den Einsätzen von der wir jetzt hier sprechen.... Man muss mal abwarten was sich jetzt daraus entwickelt.
Klar ist, dass es nicht so gelaufen ist wie man sich das erhofft hatte. Niemand hätte erwartet, dass die Taliban das Land so schnell zurückerobern und die Gegenwehr so schnell in sich zusammenbricht.
Das ist ganz sicher enttäuschend.
Für mich waren diese Einsätze primär Einsätze zur Terrorismusbekämpfung und keine "imperialistischen Feldzüge". Ich sah' es als nötig an auch nach dem Krieg im Land zu bleiben, aber nicht um dort die Demokratie zu etablieren, sondern einfach aus der Verantwortung heraus, dass man wenn man die Regierung eines Landes stürzt, die Menschen dann nicht einfach mit der Situation alleine lassen kann. Wenn man eine ganze Region in den Krieg stürzt, dann muss man hinterher auch "aufräumen". Die ganze Aufbauhilfe die dann stattfand habe ich genau so verstanden, und nicht als Versuch "westliche Werte zu exportieren".
Aber offenbar begreifen das viele Menschen anders. Und daher kommt dann auch die Wahrnehmung einer "absoluten Niederlage".

Das Ergebnis ist offen. Wir wissen das alles noch gar nicht. Es ist viel zu früh von "absoluten Niederlagen" zu sprechen. Es wird die Zeit zeigen, ob der Terrorismus jetzt wieder erstarkt. Und die Anhänger der Imperialismustheorie werden nun sehen in wie weit tatsächlich westliche Werte auch Einfluß haben werden bei dem was da jetzt entsteht.
Im besten Falle entsteht da jetzt etwas Neues, etwas das vielleicht zwischen den Welten steht. Im schlimmsten Falle geht jetzt alles wieder von vorne los.



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