Kulturelle Aneignung

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 14:44

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 13:30
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 08:54
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 08:32


Den Artikel finde ich gut. " ... in den USA verfolgte man bis in die 1960er-Jahre eine Ethnozid-Politik – die kulturellen Eigenschaften aller indigenen Ethnien sollten ausgelöscht werden. Bis 1968 waren ihre religiösen Zeremonien verboten, Kinder wurden ihren Familien entrissen und auf westliche Internate geschickt ..." Während ich mit den Kindern im Viertel "Cowboy und Indianer" gespielt habe, sah die Wirklichkeit ganz anders aus.

Gut finde ich, wie die Verlage und Fernsehanstalten dem Text gemäß zum Teil vorgehen: sie entscheiden von Fall zu Fall und haben verschiedene Werkzeuge dafür. Das finde ich gut.
Das vermischt zwei Dinge, nämlich die materielle Wirklichkeit der Indigenen in den USA und den institutionellen Kulturvernichtungsfeldzug gegen sie einerseits und unsere sprachlichen Maßnahmen zur Bedienung des eigenen Gefühls, die nichts ander Wirklichkeit der Indigenen in den USA ändern, andererseits. Die Verlagspolitik von Ravensburger bedient lediglich die Interessen einer aggressiven Lobby. Sie ändert nichts an der Lebenssituation dejenigen, die zu verbessern man sich einbildet. Es dient nur lediglich der Bestätigung der eigenen guten Moral. Man könnte es auch Instrumentalisierung von Minderheiten nennen.
Dem widerspricht ein bisschen die Tatsache, dass es ja gerade die Betroffenen sind die sich diese Änderungen wünschen.
Persönlich glaube ich aber, dass wenn es diesen Menschen besser ginge, dann wären auch Weiße die sich als Indianer verkleiden kein Problem mehr.
Ich glaube nicht, dass verkleidete Weiße auch nur das Geringste zu den Problemen der Indigenen beitragen. Ebensowenig wie die Bücher Karl Mays. Ich weiß nicht, ob der heute noch die Kinderzimmer beherrscht wie das in meiner Kindheit in den Sechzigern und Siebzigern der Fall war - aber falls das noch so sein sollte und man verböte ihn, würde sich an der Lebenssituation der Betroffenen nichts ändern.

Ich schau mir ja gerne Western an. Die älteren sind so schlecht, dass sie schon wieder lustig sind. Gegen diese Clichés ist May geradezu harmlos. Das müssten wir alles in die Tonne kloppen. Oder wollen wir dann kommentierte Western zeigen?

Diese Überführung Karl Mays in die Welt von Mein Kampf, wie sie im Artikel oben stattfindet, zeigt mir, dass solchen Menschen die Ideologie jede Verhältnismäßigkeit ausgetrieben hat. Die springen, wenn Wirklichkeit und Bildung noch einen Inhalt haben, geistig vom Zehnmeterturm in ein leeres Becken. Ich glaube auch nicht, dass so jemand Karl May wirklich gelesen hat. Sonst käme ihm ein Vergleich von Winnetou I-III mit Mein Kampf unmöglich in den Sinn. Auf der einen Seite jemand, der eine romantische Affinität zu den Indigenen in chlichéhafte Abenteuerliteratur umsetzt, auf der anderen Seite jemand, der ein Pamphlet des ideologischen Hasses in einen beispiellosen industriellen Völkermord in die Praxis umsetzt. Wer das vergleicht, verkörpert m.E. entweder moralisch-ideologische Niedertracht oder beweist damit ein hohes Maß an fehlender Bildung und Einsicht in die Realität.

Wokeness ist eine Ideologie, die m.E. jeden common sense zerstört. Und mit den neuen Medien hat sie wirksame Pranger, um in Sekundenschnelle ganze Existenzen beiseite zu fegen. Aber es dient ja einem guten Zweck.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 24. Aug 2022, 14:54

Der Literaturkritiker Ijoma Mangold im Gespräch mit dem DeutschlandfunkKultur über ein "Falsches Verständnis von Fiktion"

"Ich habe das Gefühl, dass das Bewusstsein dafür, was der Wert von Fiktion ist, heutzutage nicht mehr begriffen wird. Die Winnetou-Bücher sind Fantasy-Romane. Sie daraufhin abzuklopfen, ob sie einen angemessenen Eindruck über historische Vorgänge vermitteln, zeigt eine unreife Position, die keinen Begriff von Fiktionalität hat."




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 15:01

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 14:44
Diese Überführung Karl Mays in die Welt von Mein Kampf, wie sie im Artikel oben stattfindet, zeigt mir, dass solchen Menschen die Ideologie jede Verhältnismäßigkeit ausgetrieben hat.
Ja, das ist Hysterie.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 15:15

Nauplios hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 14:54
Der Literaturkritiker Ijoma Mangold im Gespräch mit dem DeutschlandfunkKultur über ein "Falsches Verständnis von Fiktion"

"Ich habe das Gefühl, dass das Bewusstsein dafür, was der Wert von Fiktion ist, heutzutage nicht mehr begriffen wird. Die Winnetou-Bücher sind Fantasy-Romane. Sie daraufhin abzuklopfen, ob sie einen angemessenen Eindruck über historische Vorgänge vermitteln, zeigt eine unreife Position, die keinen Begriff von Fiktionalität hat."
Das Problem das hier gesehen wird ist, dass Kinder nicht zwischen Realität und Fiktionalität unterscheiden können. Damit wird den Werken nachgesagt sie würden uns, in einer Phase in der wir sehr empfänglich für Unsinn sind, negativ prägen.
Oder bösartiger formuliert: Der Mensch wird darüber bereits in ganz frühen Jahren (in denen er sich noch nicht wehren kann) "versaut".
Dass wir viele unserer Vorstellungen aus Kinderbüchern (und heute mehr Filmen) haben, ist ja kein Geheimnis. Viele unserer Vorstellungen von Romantik zum Beispiel haben wir aus Kinderbüchern (Prinz und Prinzessin).
Und wir halten an diesen Vorstellungen oft auch noch als Erwachsene fest.

Und da kommen wir doch nochmal zu den Nazis, denn die haben das was hier kritisiert wird mit voller Absicht gemacht. Die wussten ganz genau wie sie den perfekten Nazi (oder Soldaten) schaffen, nämlich schon in ganz jungen Jahren.. von Kindesbeinen an über die entsprechende Erziehung (Hitlerjugend usw).
Das heißt der Effekt ist nicht von der Hand zu weisen. Das was wir als junge Menschen konsumieren prägt unsere späteren Vorstellungen und auch Einstellungen.
Allerdings leben wir - anders als bei den Nazis - ja nicht in einer Zeit in der der ganze Staat an einer Ideologie ausgerichtet ist. Wir haben ja die Möglichkeit das, was wir in den Kinderbüchern lesen zu hinterfragen und die meisten werden wohl auch Eltern haben die ihnen sagen, dass so wie bei Winnetou die echte Welt nicht aussieht. Es gibt also auch ein Korrektiv.

Davon abgesehen bleibt es wahr, dass ausser einem guten Gefühl den Betroffenen nicht geholfen ist dadurch, dass wir alle Nase lange Bücher und Filme verbieten (oder umschreiben).



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 15:35

Ich will meine Bemerkung zur Zerstörung des common sense noch einmal in einen theoretischen Gedanken kleiden.

Eines der Merkmale des common sense scheint mir etwas zu sein, was ich als Wir-Intentionalität bezeichnen möchte. Eine Art gemeinsames Mindset des Alltäglichen, das über alle Individualität hinaus bestimmte Usualitäten erzeugt bzw. widerspiegelt.

Mit Wokeness und Identitätspolitik wird das m.E. zerstört, indem man jedem eine Identität zuweist, deren Merkmale moralisch ausdefiniert sind. Manche davon eben aus historischen Gründen mit einer personenunabhängigen Erbschuld oder Erbsünde belastet. Damit betreibt man eine strenge Tribalisierung mit einer moralischen Hierarchie.

Der Treppenwitz in der Sache ist, dass man, wenn es passt, seine biologische Identität kraft "Identifizierung als" ändern kann, aber nicht seine kulturelle Identität, weil die vorgegeben ist. Keine Ahnung, ob dieser Selbstwiderspruch im identitätspolitischen Ansatz eigentlich jemandem noch auffällt.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 16:03

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 15:15
Nauplios hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 14:54
Der Literaturkritiker Ijoma Mangold im Gespräch mit dem DeutschlandfunkKultur über ein "Falsches Verständnis von Fiktion"

"Ich habe das Gefühl, dass das Bewusstsein dafür, was der Wert von Fiktion ist, heutzutage nicht mehr begriffen wird. Die Winnetou-Bücher sind Fantasy-Romane. Sie daraufhin abzuklopfen, ob sie einen angemessenen Eindruck über historische Vorgänge vermitteln, zeigt eine unreife Position, die keinen Begriff von Fiktionalität hat."
Das Problem das hier gesehen wird ist, dass Kinder nicht zwischen Realität und Fiktionalität unterscheiden können. Damit wird den Werken nachgesagt sie würden uns, in einer Phase in der wir sehr empfänglich für Unsinn sind, negativ prägen.
Oder bösartiger formuliert: Der Mensch wird darüber bereits in ganz frühen Jahren (in denen er sich noch nicht wehren kann) "versaut".
Dass wir viele unserer Vorstellungen aus Kinderbüchern (und heute mehr Filmen) haben, ist ja kein Geheimnis. Viele unserer Vorstellungen von Romantik zum Beispiel haben wir aus Kinderbüchern (Prinz und Prinzessin).
Und wir halten an diesen Vorstellungen oft auch noch als Erwachsene fest.
Pennac spricht in seinen "Rechten jedes Lesers" u.a. vom Recht auf Bovaryismus, also dem Recht, den Roman als Leben zu sehen. Ich weiß nicht, wie viele so leben. Aber es ist ein schöner Teil der Kindheit, und noch später kann das seine Reize haben. Ob man daraus nun den Schluss ziehen kann, es verdürben solche Geschichten die Kinder? Wäre das so, müssten wir Bücher auf den Index setzen. Viele Bücher. Und auf eine subtile Art und Weise wird das innerhalb der Wokeness-Kultur ja auch praktiziert.

Mir fiel vorher wieder ein, dass einer der eifrigsten Lobredner auf Karl May der Philosoph Ernst Bloch war. Man lese mal "Winnetous Silberbüchse" (enthalten in "Erbschaft dieser Zeit", S. 169 ff). Und sein Kapitel "Bessere Luftschlösser in Jahrmarkt und Zirkus, in Märchen und Kolportage" im "Prinzip Hoffnung" (S. 409) überschreibt er mit einem Zitat aus Karl Mays Selbstbiographie "Mein Leben und Streben":
Dann gingen wir schlafen. Ich schlief aber nicht, sondern ich wachte. Ich sann auf Hilfe. Ich rang nach einem Entschlusse. Das Buch, in dem ich gelesen hatte, führte den Titel „Die Räuberhöhle an der Sierra Morena oder der Engel aller Bedrängten“. Als Vater nach Hause gekommen und dann eingeschlafen war, stieg ich aus dem Bett schlich mich aus der Kammer und zog mich an. Dann schrieb ich einen Zettel: „Ihr sollt euch nicht die Hände blutig arbeiten; ich gehe nach Spanien; ich hole Hilfe!“ Diesen Zettel legte ich auf den Tisch, steckte ein Stückchen trockenes Brot in die Tasche, dazu einige Groschen von meinem Kegelgeld, stieg die Treppe hinab, öffnete die Tür, atmete da noch einmal tief und schluchzend auf, aber leise, leise, damit ja niemand es höre, und ging dann gedämpften Schrittes den Marktplatz hinab und die Niedergasse hinaus, den Lungwitzer Weg, der über Lichtenstein nach Zwickau führte, nach Spanien zu, nach Spanien, dem Lande der edlen Räuber, der Helfer aus der Not.
Wo soll das aufhören? Wer entscheidet über Sprache und Wert/Unwert des kulturellen Erbes? Vertreter einer politischen, quasi-religiösen Sekte? Ist das die neue Freiheit?

Was war der Tolkien clever, gleich eine eigene alte Welt zu entwerfen. Gäb's noch Orks - nicht auszudenken.
Zuletzt geändert von Lucian Wing am Mi 24. Aug 2022, 16:05, insgesamt 1-mal geändert.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 16:05

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 15:35
Der Treppenwitz in der Sache ist, dass man, wenn es passt, seine biologische Identität kraft "Identifizierung als" ändern kann, aber nicht seine kulturelle Identität, weil die vorgegeben ist.
Ich muss als Mensch ja erst einmal begreifen, dass ich beeinflusst bin. Darum geht es.
Stell Dir einfach einen Haufen Soziologen vor die feststellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung offensichtlich falsche Vorstellungen mit sich herumträgt.
Dann kommt die Frage nach dem Ursprung dieser Vorstellungen auf.
Und dann gibt es eben welche die rufen freudig erregt: "Wir haben's! Die Kinderbücher sind's!"
Hin zu dem Gedanken, dass man die Kinderbücher ändern muss ist es dann nicht mehr weit.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 16:08

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:05
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 15:35
Der Treppenwitz in der Sache ist, dass man, wenn es passt, seine biologische Identität kraft "Identifizierung als" ändern kann, aber nicht seine kulturelle Identität, weil die vorgegeben ist.
Ich muss als Mensch ja erst einmal begreifen, dass ich beeinflusst bin. Darum geht es.
Stell Dir ienfach Sozilogen vor die festellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung offensichtlich falsche Vorstellungen mit sich herumträgt.
Woher weiß denn ein Soziologe, was eine "falsche Vorstellung" ist? Wer definiert denn die "richtige Vorstellung" wovon? Muss ein Werk der Fiktion auf "richtigen Vorstellungen" basieren, damit man keine falschen bekommt?



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 16:13

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:03
Pennac spricht in seinen "Rechten jedes Lesers" u.a. vom Recht auf Bovaryismus, also dem Recht, den Roman als Leben zu sehen.
Dem stimme ich an sich zu. Jeder soll seine eigenen Vorstellung von Romantik haben und wenn einer wie ein Prinz mit seiner Prinzessin leben will... mir doch wurscht.
Problematisch wird es wenn der eine dann rassistisches Gedankengut im Leben umgesetzt sehen will.
Du machst immer wieder den Fehler, dass Du Freiheit absolut setzt und damit dann Freiheit vernichtest.
Auch Freiheit muss eingehegt werden. Wo und an welcher Stelle müssen wir diskutieren. Klar.
Wo soll das aufhören? Wer entscheidet über Sprache und Wert/Unwert des kulturellen Erbes? Vertreter einer politischen, quasi-religiösen Sekte?
Nein, wir alle. Zusammen. Deshalb wehre ich mich ja auch so sehr dagegen, dass eine kleine Minderheit meint hier diktieren zu können wie wir alle reden sollen.
Das entscheiden wir zusammen und nicht irgendein Feministen-Verein und auch nicht die Betroffenen alleine.
Sprache sprechen wir alle. Also entscheiden wir alle darüber.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 16:14

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:08
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:05
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 15:35
Der Treppenwitz in der Sache ist, dass man, wenn es passt, seine biologische Identität kraft "Identifizierung als" ändern kann, aber nicht seine kulturelle Identität, weil die vorgegeben ist.
Ich muss als Mensch ja erst einmal begreifen, dass ich beeinflusst bin. Darum geht es.
Stell Dir ienfach Sozilogen vor die festellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung offensichtlich falsche Vorstellungen mit sich herumträgt.
Woher weiß denn ein Soziologe, was eine "falsche Vorstellung" ist?
Nun, ich würde sagen die Vorstellungen die z.B. dem Rassismus zugrunde liegen sind falsch. Siehst Du das anders?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 16:39

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:14
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:08
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:05

Ich muss als Mensch ja erst einmal begreifen, dass ich beeinflusst bin. Darum geht es.
Stell Dir ienfach Sozilogen vor die festellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung offensichtlich falsche Vorstellungen mit sich herumträgt.
Woher weiß denn ein Soziologe, was eine "falsche Vorstellung" ist?
Nun, ich würde sagen die Vorstellungen die z.B. dem Rassismus zugrunde liegen sind falsch. Siehst Du das anders?
Ich weiß nicht, was die "Vorstellungen" sind, die dem Rassismus zugrunde liegen. Ich kenne nur eine Theorie, die dem Rassismus zugrunde liegt. Und diese Theorie ist widerlegt, also falsch.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 16:49

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:13
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:03
Pennac spricht in seinen "Rechten jedes Lesers" u.a. vom Recht auf Bovaryismus, also dem Recht, den Roman als Leben zu sehen.
Dem stimme ich an sich zu. Jeder soll seine eigenen Vorstellung von Romantik haben und wenn einer wie ein Prinz mit seiner Prinzessin leben will... mir doch wurscht.
Problematisch wird es wenn der eine dann rassistisches Gedankengut im Leben umgesetzt sehen will.
Du machst immer wieder den Fehler, dass Du Freiheit absolut setzt und damit dann Freiheit vernichtest.
Auch Freiheit muss eingehegt werden. Wo und an welcher Stelle müssen wir diskutieren. Klar.
Nun, es steht ja die Behauptung im Raum, dass Karl May-Lektüre, weil May rassistisch sei, zu "falschen" Vorstellungen führe. In deinem Sinne etwa müsste der Soziologe sage, die Beschreibung der Gruppe oder Volkes X sei falsch, also führe ein Werk der Phantasie auch falschen Vorstellungen.

Das wäre das Ergebnis deiner Anmerkung.

Ich glaube das beides nicht.

Leider finde ich den Bloch-Aufsatz nicht im Netz, und zum Abtippen einiger Pasagen bin ich zu faul im Moment.

Der hat jedenfalls ganz gut im erwähnten Aufsatz herausgearbeitet, was der Unterschied zwischen Muff und Offenheit ist, zwischen den von den Nazis und von May propagierten Werten. Was den einen ihre "seßhaften Kalendergeschichten" sind, ist beim anderen "Abenteuerlust und Freizügigkeit" (das Erotische ausgenommen).

Hier wird keine Freiheit eingehegt, hier wird sie vorbeugend abgeschafft. Ohne Diskussion.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 17:04

Vielleicht sollte man noch einmal darauf hinweisen, dass nach der Theorie der Wokeness kein Werk der Phantasie über Indianer von einem Weißen geschrieben sein darf. Weil alle Vorstellungen eines Weißen über "Rothäute" nur falsch sein können. Und schreibt ein Indigener ein Werk der Phantasie, dann darf ich, ein Weißer, das nicht einmal übersetzen.

Das ist die Theorie der Wokeness und der Soziologie der richtigen und falschen Vorstellungen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 17:22

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:39
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:14
Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:08


Woher weiß denn ein Soziologe, was eine "falsche Vorstellung" ist?
Nun, ich würde sagen die Vorstellungen die z.B. dem Rassismus zugrunde liegen sind falsch. Siehst Du das anders?
Ich weiß nicht, was die "Vorstellungen" sind, die dem Rassismus zugrunde liegen.
Na zum Beispiel die Vorstellung menschlicher Rassen und der Überlegenheit einiger dieser Rassen.
Ich kenne nur eine Theorie
Eine Theorie ist eine oder mehrere Vorstellung(en). Was denn sonst?
, die dem Rassismus zugrunde liegt. Und diese Theorie ist widerlegt, also falsch.
Also gibt es auch nach Deiner Meinung falsche Vorstellungen.
Wir wollen uns an der Stelle nicht über den Begriff Vorstellungen streiten.
Nennen wir es einfach Gedankengut.
Kinderbücher können natürlich auch falsches , widerlegtes usw Gedankengut enthalten.
Insofern kann ein Soziologe das dann auch wissen.
Frage beantwortet?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 17:43

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 17:22

Frage beantwortet?
Lass uns einstweilen so tun, als ob, um keinen sinnlosen Nebenpfad aufzumachen.

Mir geht's um das, was ich sonst schrieb. Auf dem Weg zur Mülltonne fiel mir eben ein, dass streng genommen auch Fontanes "Effi Briest" die Voraussetzungen der kulturellen Aneignung erfüllt.

Was geschieht im Zeichen der Wokeness mit dem Roman Musils (man denke an Soliman), mit Kästners Tagebuch "Notabene" oder mit Remarques Roman "Schatten im Paradies"? Müssen die auch kommentiert werden? Gerade Kästner, der vor den Horden aus Marrokko aus Tirol flieht, wäre ein gefundenes Fress für die Woken.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 17:59

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 16:49
Nun, es steht ja die Behauptung im Raum, dass Karl May-Lektüre, weil May rassistisch sei, zu "falschen" Vorstellungen führe. In deinem Sinne etwa müsste der Soziologe sage, die Beschreibung der Gruppe oder Volkes X sei falsch, also führe ein Werk der Phantasie auch falschen Vorstellungen.
Ich habe Winnetou nie gelesen. Ich kenne nur die Filme und das ist tausend Jahre her.
Problematisch kann es sein, wenn Reales und Fiktion vermischt werden.
Also wenn ich zum Beispiel über ein reales (kein fiktionales) Volk schreibe und dem dann aber Phantasieeigenschaften zuordne.
Niemand stört sich an den beschriebenen Eigenschaften von Orks, weil es die nicht gibt (und weil es sie nicht gibt ist klar, dass auch die Beschreibung ihrer Eigenschaften fiktional ist).
Wenn aber Europäer in einem Roman als rassistisch beschrieben werden mag der, der keine Europäer persönlich kennt (aber weiß dass es sie wirklich gibt) das für bare Münze halten, besonders wenn er noch ein Kind ist.
Jetz kann man natürlich einwenden ein Roman ist kein geeignetes Werk um sich über reale Europäer zu informieren.
Stimmt. Andererseits gibt es auch Menschen bei denen man froh sein kann, wenn sie überhaupt etwas lesen.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 24. Aug 2022, 18:02

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 17:43
Was geschieht im Zeichen der Wokeness mit dem Roman Musils (man denke an Soliman), mit Kästners Tagebuch "Notabene" oder mit Remarques Roman "Schatten im Paradies"? Müssen die auch kommentiert werden?
Das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint, aber ich glaube da wäre es einfacher einen Warnhinweis in Form eines Stickers auf das Cover zu kleben: "Achtung, kulturelle Aneignung!" oder "Der Inhalt dieses Buches ist rein fiktional".
Ein Warnhinweis. So wie auf den Zigarettenschachteln, verstehste?
Dann kann der Bürger selber entschieden ob er sich das antun will.
:D



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mi 24. Aug 2022, 18:06

und unsere sprachlichen Maßnahmen zur Bedienung des eigenen Gefühls, die nichts ander Wirklichkeit der Indigenen in den USA ändern, andererseits.
Sprache kann nichts ändern, echt?
Sprache und verwendete Wörter können beleidigend sein, herabsetzend, brutal und ausgrenzend sein.
Kleine Auflistung von herabsetzenden Ausdrücken, die noch verwendet werden.
Zigeuner, Kanaken, Itakker, Polacke, Gastarbeiter, Eingeborene, Mischling, schlitzauge, " etwas türken", Spasti, Krüppel, Bimbo, Asylant, Alki, Penner, Hartzer, wenn jemand was nicht versteht "Bist du behindert", Psycho, Indianer.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 18:08

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 17:59


Problematisch kann es sein, wenn Reales und Fiktion vermischt werden.
Also wenn ich zum Beispiel über ein reales (kein fiktionales) Volk schreibe und dem dann aber Phantasieeigenschaften zuordne.
Das würde ich als den Versuch bezeichnen, Phantasie einzuhegen.
Damit ist alle Abenteuerliteratur erledigt.
Jeder fiktionale Charakter eines realen fremden Volkes hat notwendigerweise Phantasieeigenschaften.
Will man das nicht, sind wir bei dem, was Bloch die "seßhaften Kalendergeschichten" nennt.
Nicht mal mehr Felix Dahn und sein Kampf um Rom. :(



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 24. Aug 2022, 18:12

Stefanie hat geschrieben :
Mi 24. Aug 2022, 18:06
und unsere sprachlichen Maßnahmen zur Bedienung des eigenen Gefühls, die nichts ander Wirklichkeit der Indigenen in den USA ändern, andererseits.
Sprache kann nichts ändern, echt?
Sprache und verwendete Wörter können beleidigend sein, herabsetzend, brutal und ausgrenzend sein.
Kleine Auflistung von herabsetzenden Ausdrücken, die noch verwendet werden.
Zigeuner, Kanaken, Itakker, Polacke, Gastarbeiter, Eingeborene, Mischling, schlitzauge, " etwas türken", Spasti, Krüppel, Bimbo, Asylant, Alki, Penner, Hartzer, wenn jemand was nicht versteht "Bist du behindert", Psycho, Indianer.
Steht das in der Abenteuerlieratur? Stand das in "Der junge Winnetou"?

Jens Jessen hatte nicht über Beleidigungen gespottet, sondern über die positiven Sprachvorschriften. Den "Indianer" hatte er dabei auch genannt und ausdrücklich verteidigt. Dass du ihn hier in eine Reihe mit bösartigen, beleidigenden Ausdrücken setzt, halte ich für bedenklich, weil du nicht differenzierst.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Antworten