Kulturelle Aneignung

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Nauplios
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So 29. Aug 2021, 19:52

Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Aug 2021, 11:38

Das ist das widerwärtige Versagen des Westens: Dass es keine Werte hat, die es für wertvoll genug erachten würde, politischen Willen bis zur letzten Konsequenz zu entwickeln.
"Bis zur letzten Konsequenz" - leichtes Unbehagen stellt sich bei mir ein. Es klingt kompromisslos. Innenpolitisch liest man, der Kompromiss gehöre wesentlich zum politischen Prozess. Sind Werte leitend, dann steht man meines Erachtens früher oder später in einer Situation, in der Werte gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei Staatsbesuchen in China oder wie jüngst in Moskau spricht die Kanzlerin die Situation von Menschenrechtsaktivisten an und im Schlepptau der Kanzlerin sind Konzernchefs, die anschließend Geschäfte mit den Chinesen in Milliardenhöhe einfädeln, was in Deutschland Arbeitsplätze sichert oder neue generiert. Sanktionen gegen Moskau einerseits - Nord stream 2 andererseits.

Werte können Maßstab der Politik sein. Sie können aber auch miteinander konkurrieren.




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NaWennDuMeinst
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So 29. Aug 2021, 19:56

Friederike hat geschrieben :
So 29. Aug 2021, 13:17
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 28. Aug 2021, 14:50
Nauplios hat geschrieben :
Sa 28. Aug 2021, 13:25
In der Neuen ZürcherZeitung vom Tage heißt es:
"Die Mehrheit der Deutschen hat zu Militäreinsätzen, ja zur Bundeswehr überhaupt ein distanziertes Verhältnis."
Das ist wohl historisch bedingt. "Nie wieder" bezog sich auch darauf, dass nie wieder ein Deutscher eine Waffe in die Hand nehmen soll. Ausser zur Selbstverteidigung. Das hat auch die Afghanistaneinsätze geprägt, die vor allem unterstützender Natur waren. Grundsätzlich finde ich das auch besser, wenn man Brunnen und Mädchenschulen baut. Nur muss man halt erstmal dahinkommen wo Hilfe benötigt wird.
Und wenn der Gegner bewaffnet ist, und die Helfer bedroht sind, dann muss irgendwer den Schutz sicherstellen. Es führt da kein Weg dran vorbei. "Nie wieder" geht halt nur in einer Welt in der es keine Waffen gibt, was ich auch begrüßen würde, aber so ist es ja nicht.
Man hätte bei einem Militär zur Verteidung des eigenen Landes bleiben können. Das wäre möglich gewesen. Es gab nie eine Situation, in der die Teilnahme an militärischen Einsätzen außerhalb Deutschlands alternativlos war.
Deutschland ist Mitglied der NATO. Zu den Bündinsverpflichtungen gehört, dass Deutschland im Falle eines Angriffes auf einen Bündnispartner Truppen stellt.
Also spätestens da gab es gar keine Alternative mehr. Ausser man tritt aus der NATO aus. Das würde ich jetzt aber nicht als sinnvoll erachten.
Nauplios hat geschrieben :
So 29. Aug 2021, 18:03
Dann greife ich die Frage wieder mal aus der Luft, in der sie liegt:

Sollte Deutschland aus der NATO austreten?
Natürlich nicht. Es gibt in der Welt mögliche Bedrohungsszenarien mit denen Deutschland allein nicht fertig würde.



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Nauplios
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So 29. Aug 2021, 20:14

Großbritannien und Frankreich haben ja zuletzt die Einrichtung einer Sicherheitszone in Kabul vorgeschlagen unter Kontrolle der Vereinten Nationen. Ob das aussichtsreich ist angesichts der Taliban, die ja auf keinen Fall ausländisches Militär in Afghanistan wollen, sei dahingestellt. Wünschenswert wäre es.

Und was von der "Luftbrücke Kabul" zu hören ist, läßt das Auswärtige Amt erneut in schlechtem Licht erscheinen:


"Bereits gestern hatte die 'Luftbrücke Kabul' mehrere afghanische Ortskräfte in Sicherheit gebracht - und der Bundesregierung fehlende Unterstützung und massive Widerstände gegen die vorbereitete Evakuierung vorgeworfen. 'Mit immensem Aufwand konnten wir 18 gefährdete Ortskräfte aus Kabul in Sicherheit bringen. 18 Menschenleben, dabei hätten es Hunderte mehr sein können, wenn unsere Rettungsaktion nicht aktiv vom Auswärtigen Amt blockiert worden wäre', hieß es in einer Erklärung, die am Samstag auf der Internetseite der zivilgesellschaftlichen Initiative verbreitet wurde."

Schwere Vorwürfe gegen Bundesregierung




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Friederike
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Mo 30. Aug 2021, 09:32

Nauplios hat geschrieben :
So 29. Aug 2021, 19:52
[...]Werte können Maßstab der Politik sein. Sie können aber auch miteinander konkurrieren.
Weil es gerade aktuell ist - die von der Regierung genehmigten Rüstungsexporte
(zeit-online/29.8. ):
zeit hat geschrieben : Unter den zehn wichtigsten Abnehmerstaaten der deutschen Rüstungsindustrie sind aber auch mehrere Länder, die weder der Nato noch der Europäischen Union angehören - unter anderen Algerien (2,0 Milliarden), Ägypten (1,88 Milliarden) und Katar (0,72 Milliarden). Besonders umstritten sind die Ausfuhren nach Ägypten, weil der Regierung des arabischen Landes nicht nur Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, sondern sie auch in die Konflikte im Jemen und in Libyen verwickelt ist.
Welche Werte konkurrieren denn hier? Geld, d.h. wirtschaftliche Interessen gegen die Werte der Menschenrechte, der Demokratie, der Freiheit, des Friedens.

Ich habe @Alethos Beitrag als eine Anklage gegen die Unaufrichtigkeit gelesen, ein Plädoyer für die Aufrichtigkeit - bis in die kleinste Dimension, die des Individuums.




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Mo 30. Aug 2021, 14:19

Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 09:32
Ich habe @Alethos Beitrag als eine Anklage gegen die Unaufrichtigkeit gelesen, ein Plädoyer für die Aufrichtigkeit - bis in die kleinste Dimension, die des Individuums.
In dem Fall der Waffenlieferungen in Krisengebiete würde ich das auch so sehen.
Es ist (teilweise) aber etwas komplexrer. Lieferverträge ziehen sich mitunter über mehrere Jahre hin. In der Zwischenzeit kann sich die Situation in einem Land ändern.
Will sagen: Bei Vertragsabschluß kann die Lage eine andere sein, als bei der Lieferung.
Streng genommen dürfte man dann eigentlich nirgendwohin Waffen liefern. Und noch strenger dürfte man sie gar nicht erst herstellen.
Denn Waffen die es nicht gibt, können auch nicht eingesetzt werden.
Würden sich alle daran halten, wären wir viele Probleme mit einem Schlag los.
Denkt man zumindest. Aber leider funktioniert das so nicht. Ali haut zur Not Jussuf auch einfach mit einem Stein auf den Schädel. Und schon hast Du den "Krieg".
Das wird sich nie ändern, weil Menschen das irgendwie nicht hinbekommen die Welt so zu gestalten, dass Gewalt in ihr nicht mehr vorkommt.
Damit müssen wir leben und irgendwie umgehen. Also mit dem Umstand, dass die Welt selbst (auch) gewalttätig ist.



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Friederike
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Mo 30. Aug 2021, 16:46

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 14:19
In dem Fall der Waffenlieferungen in Krisengebiete würde ich das auch so sehen. Es ist (teilweise) aber etwas komplexer. Lieferverträge ziehen sich mitunter über mehrere Jahre hin. In der Zwischenzeit kann sich die Situation in einem Land ändern. Will sagen: Bei Vertragsabschluß kann die Lage eine andere sein, als bei der Lieferung. Streng genommen dürfte man dann eigentlich nirgendwohin Waffen liefern. Und noch strenger dürfte man sie gar nicht erst herstellen. Denn Waffen die es nicht gibt, können auch nicht eingesetzt werden. Würden sich alle daran halten, wären wir viele Probleme mit einem Schlag los.
Denkt man zumindest. Aber leider funktioniert das so nicht. Ali haut zur Not Jussuf auch einfach mit einem Stein auf den Schädel. Und schon hast Du den "Krieg". Das wird sich nie ändern, weil Menschen das irgendwie nicht hinbekommen die Welt so zu gestalten, dass Gewalt in ihr nicht mehr vorkommt.
Damit müssen wir leben und irgendwie umgehen. Also mit dem Umstand, dass die Welt selbst (auch) gewalttätig ist.
Ich habe zwar ähnlich wie Du gedacht, als ich über die Frage eines möglichen NATO-Austrittes nachsann, aber ich möchte doch erst einmal dabei bleiben, daß ich es besser fände, Deutschland würde ausschließlich Waffen zur Selbstverteidigung (Notwehr) haben. Eine Insel der Friedensbereitschaft. Nun hattest Du von Bedrohungsszenarien geschrieben, die ich mir nicht ausphantasieren kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß irgendein Staat Deutschland "überfällt", mit Waffen angreift, scheint mir gering bis gar nicht vorhanden. Aber diese Vorstellung ist vermutlich sowieso anachronistisch. Du hast sicher andere Szenarien im Kopf, von denen Du sagst, Deutschland würde damit "nicht alleine fertig" werden. Wenn ich diese -mir nicht bekannten Möglichkeiten- ins Kalkül ziehe und davon ausgehe, unser Land, wir bräuchten militärische Hilfe, dann bin ich unentschieden, was den NATO-Austritt angeht. Es würde möglicherweise bedeuten, wir würden sterben - hm, das ist im Einzelfall ja genauso. Wenn mich jemand angreift und meine Kräfte reichen nicht zum Abwehren und niemand sonst ist in der Nähe, um mir beizustehen, dann ist das eben so. Dann sterbe ich möglicherweise. Es klingt vielleicht naiv, aber mir leuchtet nicht wirklich ein, warum der Umstand, daß allüberall (Waffen)-Gewalt angewendet wird, ein Land, z.B. Deutschland nötigt, sich an den Kriegen zu beteiligen.

O, ich merke, daß ich eigentlich mehr auf Deinen NATO-Beitrag geantwortet habe. Ich laß es so stehen.




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Nauplios
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Mo 30. Aug 2021, 20:59

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 14:19

Ali haut zur Not Jussuf auch einfach mit einem Stein auf den Schädel. Und schon hast Du den "Krieg".
Das wird sich nie ändern, weil Menschen das irgendwie nicht hinbekommen die Welt so zu gestalten, dass Gewalt in ihr nicht mehr vorkommt.
Damit müssen wir leben und irgendwie umgehen.
Eine Kostprobe vom Gegenteil gaben gestern Abend drei Menschen in einem privaten Fernsehstudio:

"Herr Laschet, sagen Sie mal etwas Nettes über Frau Baerbock."

"Frau Baerbock, und jetzt sagen Sie mal bitte etwas Nettes über Herrn Scholz."

"Und jetzt, Herr Scholz, sagen Sie doch mal irgendetwas Nettes über Herrn Laschet."

:lol:

Was kommt danach? - Vermutlich die beklemmende Einsicht, daß sich mit Ali und Jussuf eigentlich recht gut leben ließ. ;)




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Alethos
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Mo 30. Aug 2021, 22:28

Nauplios hat geschrieben :
So 29. Aug 2021, 19:52
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Aug 2021, 11:38

Das ist das widerwärtige Versagen des Westens: Dass es keine Werte hat, die es für wertvoll genug erachten würde, politischen Willen bis zur letzten Konsequenz zu entwickeln.
"Bis zur letzten Konsequenz" - leichtes Unbehagen stellt sich bei mir ein. Es klingt kompromisslos. Innenpolitisch liest man, der Kompromiss gehöre wesentlich zum politischen Prozess. Sind Werte leitend, dann steht man meines Erachtens früher oder später in einer Situation, in der Werte gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei Staatsbesuchen in China oder wie jüngst in Moskau spricht die Kanzlerin die Situation von Menschenrechtsaktivisten an und im Schlepptau der Kanzlerin sind Konzernchefs, die anschließend Geschäfte mit den Chinesen in Milliardenhöhe einfädeln, was in Deutschland Arbeitsplätze sichert oder neue generiert. Sanktionen gegen Moskau einerseits - Nord stream 2 andererseits.

Werte können Maßstab der Politik sein. Sie können aber auch miteinander konkurrieren.
Den Unterschied zwischen Interessen und Verpflichtungen sollten wir nicht verwischen: Es mag ein berechtigtes Interesse an gedeihlichen Wirtschaftsbeziehungen mit China geben, aber wir sind zugleich angehalten, diese Interessen nicht um jeden Preis zu verfolgen. Es reicht nicht, so will ich sagen, Menschenrechtsverletzungen in China en passant anzuprangern, um anschliessend zur Tagesordnung des angeblich wichtigeren Traktandums der Wirtschaftsbeziehungen überzugehen. Denn obwohl wir mit guten Wirtschaftsbeziehungen auch einer Verpflichtung nachkommen, nämlich jener, Existenzen im eigenen Land zu sichern, so verraten wir eben diese Existenzen im
Umkehrschluss, wenn wir die Menschenrechtslage nicht als wichtigsteres Anliegen ansehen.

Keine Wirtschaftskraft der Welt
kann uns helfen, Wohlstand zu erzeugen, wenn wir nicht die Menschenwürde in den Mittelpunkt rücken, denn es gibt zwar ein Recht auf Wohlstand, ich glaube daran, aber es gibt keinen Wohlstand ohne Recht, der diesen Namen verdiente. Wohlstand ist, so gesehen, kein rein ökonomisches Ziel, sondern dürfte mindestens ebenso das Wohlergehen von Menschen an und für sich beschreiben. Ein Wohlergehen, das ohne Zweifel gefährdet ist - hier wie drüben - wenn nicht die Achtung von Recht und Würde über alle Interessen steht.

Solange sich diese Ansicht im Westen nicht verfestigt, sind wir keine Wertegemeinschaft, sondern ein Interessensbund. Dann dürfen wir vielleicht mit allen Mächten dieser Welt Geschäfte treiben, aus immer berechtigtem
Interesse, aber wir werden dabei nicht nur Gefahr laufen, die Ideale von Gleichheit, Freiheit und Mitmenschlichkeit zu verraten, sondern uns gebärden als Komplizen von Unrechtsstaaten.

Nicht wir sind im Westen die Guten und sie (wer auch immer) die Bösen, aber wir können nicht die Guten sein, die bei anderen (z.B. in Afghanistan) Gutes bewirken wollen, wenn wir uns nicjt einmal darüber einig sein wollen, dass etwas gut sein muss an sich, damit wir es auch tun könnten. Ohne diesen Glauben an das Gute sui generis, was uns anleitet über alle Interessen hinweg, sind wir nichts als Marionetten der Interessenpolitik, gleichgültig der globalen oder der innenpolitischen. In der Konsequenz fliehen wir mit dem Schwanz zwischen den Beinen eingeklemmt aus einem Land, in dem wir nichts zu suchen hatten erstens, weil man uns nicht rief, und zweitens, weil wir den verlorenen Glauben an das Gute nicht dort, sondern in uns finden müssen, bevor wir es verkünden oder schenken können.

Wir hatten Afghanistan nichts anzubieten, auch keinen Dialog darüber, was gut sein könnte für sie. In ihrem Land. Mit ihren Bedürfnissen. Aber wie wollen wir ihnen in Afghanistan, China oder sonst wo Hoffnung geben, dass es sichere Werte gibt, wenn wir selbst nicht wissen wollen, dass es sie gibt?



-------------------------------
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Di 31. Aug 2021, 00:49

Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 22:28

Nicht wir sind im Westen die Guten und sie (wer auch immer) die Bösen, aber wir können nicht die Guten sein, die bei anderen (z.B. in Afghanistan) Gutes bewirken wollen, wenn wir uns nicht einmal darüber einig sein wollen, dass etwas gut sein muss an sich, damit wir es auch tun könnten. Ohne diesen Glauben an das Gute sui generis, was uns anleitet über alle Interessen hinweg, sind wir nichts als Marionetten der Interessenpolitik, gleichgültig der globalen oder der innenpolitischen.
"... einig sein, daß etwas gut sein muß an sich ... das Gute sui generis ..."

Thomas Alexander Szlezák hat in seinem jüngst erschienenen Buch über Plato die Stellung des Guten in Platos Philosophie (insbesondere auch in den Gleichnissen) herausgearbeitet.

Der Gräzist Szlezák hat damit ein Opus magnum vorgelegt, das Anschluß an die großen Standardwerke von Friedländer, Bröcker und Werner Jaeger findet.

Das Gute - ein zentrales Thema bei Plato. Unabhängig von Plato war "das Gute sui generis" ja in den letzten Jahren mehrfach Gegenstand der Diskussion.




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Di 31. Aug 2021, 00:52

Ich verstehe nicht, warum man, um eine moralische Überzeugung zu haben, der Idee vom "Gutes an sich" anhängen muss.
Ich werde das auch nie verstehen. Es wird - finde ich - einfach völlig ausser Acht gelassen, dass "das Gute" ja auch ein Interesse sein kann.
Offenbar meinen viele, dass es dadurch, dass es nicht "von Gott gegeben ist" irgendwie an Wert verliert. Nur wenn es absolut ist, ist es auch gut.
Ich verstehe nicht woher dieser Glaube kommt.



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Di 31. Aug 2021, 01:20

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 00:52

Ich verstehe nicht woher dieser Glaube kommt.
Man kann das recht gut verorten:

"Die Erforschungen der vielfältigen Verflechtungen der Ideen ist die Arbeit der Dialektik (...). Sie führt letztlich zur Definition schlichtweg aller Begriffe (Pol. 534, b4-6), das heißt zur lückenlosen Erfassung der Wirklichkeit. Entscheidend ist dabei, daß alle Begriffe von dem einen, der den höchsten Zielpunkt darstellt, abgehoben werden: von der Idee des Guten (b8-c5). Die Definitionen erfolgen durch Angabe von Gattung und Art." (Thomas Alexander Szlezák; Platon; S. 478)

An dieser Stelle fügt Szlezák eine wichtige Fußnote an: "Was natürlich für den höchsten Begriff nicht gelten kann, da es keine Gattung über ihm gibt." (S. 694)




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NaWennDuMeinst
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Di 31. Aug 2021, 01:27

Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 16:46
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 30. Aug 2021, 14:19
In dem Fall der Waffenlieferungen in Krisengebiete würde ich das auch so sehen. Es ist (teilweise) aber etwas komplexer. Lieferverträge ziehen sich mitunter über mehrere Jahre hin. In der Zwischenzeit kann sich die Situation in einem Land ändern. Will sagen: Bei Vertragsabschluß kann die Lage eine andere sein, als bei der Lieferung. Streng genommen dürfte man dann eigentlich nirgendwohin Waffen liefern. Und noch strenger dürfte man sie gar nicht erst herstellen. Denn Waffen die es nicht gibt, können auch nicht eingesetzt werden. Würden sich alle daran halten, wären wir viele Probleme mit einem Schlag los.
Denkt man zumindest. Aber leider funktioniert das so nicht. Ali haut zur Not Jussuf auch einfach mit einem Stein auf den Schädel. Und schon hast Du den "Krieg". Das wird sich nie ändern, weil Menschen das irgendwie nicht hinbekommen die Welt so zu gestalten, dass Gewalt in ihr nicht mehr vorkommt.
Damit müssen wir leben und irgendwie umgehen. Also mit dem Umstand, dass die Welt selbst (auch) gewalttätig ist.
Ich habe zwar ähnlich wie Du gedacht, als ich über die Frage eines möglichen NATO-Austrittes nachsann, aber ich möchte doch erst einmal dabei bleiben, daß ich es besser fände, Deutschland würde ausschließlich Waffen zur Selbstverteidigung (Notwehr) haben. Eine Insel der Friedensbereitschaft. Nun hattest Du von Bedrohungsszenarien geschrieben, die ich mir nicht ausphantasieren kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß irgendein Staat Deutschland "überfällt", mit Waffen angreift, scheint mir gering bis gar nicht vorhanden.
Was willst Du dann mit "Waffen zur Notwehr"? Wenn Du Dir nicht "ausphantasieren" kannst, dass Deutschland überfallen wird, Du das also für völlig unplausiblel hälst, dann brauchst Du auch keine Notwehrwaffen.
Aber offenbar willst Du ja die Verteidigungsmöglichkeit (oder Notwendigkeit) dann doch nicht ganz ausser Acht lassen, weil es eben doch sein könnte, dass in einem anderen Land eine Regierung an die Macht kommt die zweifelhafte Ziele hat. Es ist ja ein Irrtum zu glauben, so etwas wie die Nationalsozialisten könne nur von deutschem Boden ausgehen.
Die Fähigkeit sich selbst verteidigen zu können ist also wichtig.
Die NATO ist dann nur weiter gedacht. Nazi-Deutschland hat innerhalb von wenigen Monaten fast ganz Europa überrannt und dabei jeden einzelnen Staat einzeln ausgeschaltet.
Das Bündnis der Allierten hat dann dem Treiben ein Ende gesetzt.
Sich zusammenzuschliessen um im Fall der Fälle vereint zu kämpfen und sich gegenseitig zu schützen ist vernünftig.
Aber diese Vorstellung ist vermutlich sowieso anachronistisch. Du hast sicher andere Szenarien im Kopf, von denen Du sagst, Deutschland würde damit "nicht alleine fertig" werden. Wenn ich diese -mir nicht bekannten Möglichkeiten- ins Kalkül ziehe und davon ausgehe, unser Land, wir bräuchten militärische Hilfe, dann bin ich unentschieden, was den NATO-Austritt angeht. Es würde möglicherweise bedeuten, wir würden sterben - hm, das ist im Einzelfall ja genauso. Wenn mich jemand angreift und meine Kräfte reichen nicht zum Abwehren und niemand sonst ist in der Nähe, um mir beizustehen, dann ist das eben so.
Das muss ja aber nicht so sein. Es gibt ja die Möglichkeit sich gegenseitig zu schützen. Das ist ja der Sinn solcher Bündnisse. Es geht dabei ja aber auch noch um mehr. Nämlich auch um Vertrauen. Einen Bündnispartner greift man auch nicht an.
Dann sterbe ich möglicherweise. Es klingt vielleicht naiv, aber mir leuchtet nicht wirklich ein, warum der Umstand, daß allüberall (Waffen)-Gewalt angewendet wird, ein Land, z.B. Deutschland nötigt, sich an den Kriegen zu beteiligen.
Man tritt keinem Bündnis bei um sich an Kriegen zu beteiligen. Das ist nicht der Sinn und Zweck eines Schutzbündnisses, im Gegenteil.
Der Zweck ist einmal sich im Falle eines Angriffes gegenseitig beizustehen, und zweitens damit auch nach aussen hin Stärke zu zeigen: Wer einen von uns angreift, wird gegen uns alle kämpfen müssen.
Dass Du dir nicht vorstellen kannst, dass uns irgendwer angreift liegt unter anderem daran, dass wir als Bündnispartner zusammen stark sind. Wer einen der NATO-Mitgliedsstaaten angreifen will (warum auch immer) wird sich das zweimal überlegen, denn das bedeutet, dass er mit einem Angriff eine Kettenreaktion auslöst in deren Ergebnis er nicht nur einen Gegner hat, sondern viele. Es geht also auch um Abschreckung.

Man kann natürlich fragen wie wahrscheinlich es ist, dass irgendwer Deutschland angreifen will (also die Frage ob Deutschland diesen Schutz überhaupt braucht).
Aktuell gibt es da keine Gründe. Das muss ja aber nicht so bleiben. Ich traue den Machthabern im Osten zum Beispiel keine Sekunde. Wenn da einem von denen die Sicherung durchknallt, möchte ich nicht, dass wir in Europa dann mit heruntergelassener Hose dastehen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Di 31. Aug 2021, 02:04, insgesamt 1-mal geändert.



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Di 31. Aug 2021, 01:56

Nauplios hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 01:20
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 00:52

Ich verstehe nicht woher dieser Glaube kommt.
Man kann das recht gut verorten:

"Die Erforschungen der vielfältigen Verflechtungen der Ideen ist die Arbeit der Dialektik (...). Sie führt letztlich zur Definition schlichtweg aller Begriffe (Pol. 534, b4-6), das heißt zur lückenlosen Erfassung der Wirklichkeit. Entscheidend ist dabei, daß alle Begriffe von dem einen, der den höchsten Zielpunkt darstellt, abgehoben werden: von der Idee des Guten (b8-c5). Die Definitionen erfolgen durch Angabe von Gattung und Art." (Thomas Alexander Szlezák; Platon; S. 478)

An dieser Stelle fügt Szlezák eine wichtige Fußnote an: "Was natürlich für den höchsten Begriff nicht gelten kann, da es keine Gattung über ihm gibt." (S. 694)
Kann ich nichts mit anfangen.
Ich muss meine moralischen Überzeugungen nicht absolut setzen um mich nach ihnen zu richten.
Ich richte mich nach ihnen, weil sie mir plausibel erscheinen und ich mich nach Abwägung der Alternativen dafür entschieden habe.
Kein Mensch braucht eine "Idee des absoluten Guten". Ich wüsste nicht wofür.
Moral verliert nicht an Wert, nur weil man sie nicht absolut setzt. Sie kann auch einfach überzeugend sein.



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 00:52
Ich verstehe nicht, warum man, um eine moralische Überzeugung zu haben, der Idee vom "Gutes an sich" anhängen muss.
Ich werde das auch nie verstehen. Es wird - finde ich - einfach völlig ausser Acht gelassen, dass "das Gute" ja auch ein Interesse sein kann. Offenbar meinen viele, dass es dadurch, dass es nicht "von Gott gegeben ist" irgendwie an Wert verliert. Nur wenn es absolut ist, ist es auch gut. [...]
Wenn man "gut" sagt, dann ist es doch immer ein absolutes "gut"; gut ist gut. Unabhängig davon, ob man "gut" substantiviert oder ontologisiert. Wenn man von einem Gesetz sagt, es sei "gut" für Person X und zwar "gut" in dieser oder jener Hinsicht; allgemein ausgedrückt, um Dein Beispiel zu nehmen, "gut" für die Interessen von Person X, dann ist "gut" absolut.




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Di 31. Aug 2021, 10:34

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 01:56
Nauplios hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 01:20
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 00:52

Ich verstehe nicht woher dieser Glaube kommt.
Man kann das recht gut verorten:

"Die Erforschungen der vielfältigen Verflechtungen der Ideen ist die Arbeit der Dialektik (...). Sie führt letztlich zur Definition schlichtweg aller Begriffe (Pol. 534, b4-6), das heißt zur lückenlosen Erfassung der Wirklichkeit. Entscheidend ist dabei, daß alle Begriffe von dem einen, der den höchsten Zielpunkt darstellt, abgehoben werden: von der Idee des Guten (b8-c5). Die Definitionen erfolgen durch Angabe von Gattung und Art." (Thomas Alexander Szlezák; Platon; S. 478)

An dieser Stelle fügt Szlezák eine wichtige Fußnote an: "Was natürlich für den höchsten Begriff nicht gelten kann, da es keine Gattung über ihm gibt." (S. 694)
Kann ich nichts mit anfangen.
Der höchste Zielpunkt ist bei Plato die Idee des Guten. Das Gute ist die höchste Idee. Oberhalb des Guten gibt es keine Gattung mehr. Zur Definition (im Sinne Platos) braucht es jedoch "Gattung und Art". Ohne Gattung und Art keine Definition. Mit anderen Worten: es gibt bei Plato keine Definition des Guten. Weil das Gute selbst schon die oberste Gattung ist, kann es eine solche Definition des Guten (wozu man eine noch höhere Gattung bräuchte) nicht geben. - Deswegen hieß es ja schon bei Nicolai Hartmann: "Das Gute kann nicht definiert werden."

Was verstehen wir hinsichtlich des Afghanistan-Einsatzes (oder möglicher ähnlicher Einsätze) also unter dem Guten, wenn wir vom Guten sprechen? Philosophisch heißt es: "Das Gute kann nicht definiert werden." Aber politisch kommt ja mit einem solchen Befund nicht weiter. Politisch kann man nicht sagen: "Wir schreiben uns das Gute auf die Fahne, aber was wir darunter verstehen wissen wir nicht." Mit einem solchen Satz lassen sich keine politischen Mehrheiten organisieren. Man sagt dann: "Wir schreiben uns das Gute auf die Fahne und auf der Rückseite der Fahne steht: Würde des Menschen, Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte."

Damit geht es nach Afghanistan. Dort stößt auf den Widerstand der Taliban. Die haben auch eine Fahne. Darauf steht in Arabisch: "Das Gute". Und auf der Rückseite der Fahne steht: "Allahu akbar, Scharia und Gottesstaat".

Das Gute kann nicht definiert werden. Das macht seinen Reiz für politische Fahnenschläger aus. Denn wer wäre schon gegen das Gute?

Vor ein paar Wochen habe ich Norbert Bolz zitiert: "Wer nach Moral ruft, ist nicht bereit, umzulernen und will sich das Denken ersparen. [...] Offenbar wirkt schon der Ruf als solcher entlastend. Ethik und Moral gehören zu den Wörtern, deren bloßes Aussprechen schon ein zivilisatorisches Hochgefühl mit sich bringt, inklusive einer den Narzissmus befriedigenden Selbsterhebung über andere." (Norbert Bolz; "Die Avantgarde der Angst"; S. 95f) -

Selbsterhebung über andere - in den von mir zitierten Kommentaren zum Afghanistan-Desaster klingt das ähnlich. Da ist von "Hybris" die Rede, von "Selbsthypnose", von "Anmaßung". Diese Anmaßung (Wir, der Westen, wissen, was gut für euch, Afghanistan, ist) ist das, was Bolz "Selbsterhebung über andere" nennt. Und aus dieser Selbsterhebung sind wir nun aufgewacht, reiben uns die Augen und fragen uns: "Was schreiben wir denn jetzt auf unsere Fahne?"




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Di 31. Aug 2021, 10:53

Müssen wir uns also jetzt das Gute von der Backe putzen?

Nein. Hier hast Du, NaWennDuMeinst, einen wichtigen Satz geschrieben: "Ich muß meine moralischen Überzeugungen nicht absolut setzen, um mich nach ihnen zu richten." Das sehe ich auch so. Der Position des moralischen Absolutismus erscheint das schon böse, weil es die Teilnahme am Rigorismus der Moral verweigert.




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Di 31. Aug 2021, 11:14

"Es sind viele Fehler gemacht worden. Der erste Fehler, wie bei vielen Interventionen: Es ging nie um das Land selbst, es ging nie um Afghanistan. Die westliche Welt hat sich immer sehr um ihre eigenen Interessen gedreht. Das heißt: Man hat nie versucht, Afghanistan zu verstehen und einen Weg aus der afghanischen Perspektive heraus zu entwickeln. Das hat sich durch die gesamte Intervention hindurch gezogen. Das politische Modell für das Land wurde am Reißbrett in Brüssel und Washington entworfen. Afghanistan hat 40 Jahre Krieg erlebt, ist gesellschaftlich sehr traditionell geprägt - und das, was die Afghanen selbst wollten, ist nicht richtig zur Sprache gebracht worden. (...) In der Politik hat man Demokratie gepredigt, dann aber hinter verschlossenen Türen die Interessen des Westens durchgesetzt ..."

Es ging nie um Afghanistan

Das wäre vielleicht mal ein Gedanke für eine künftige Außenpolitik: nicht von der Warte der "Selbsterhebung über andere" auf ein anderes Land oder eine andere Kultur schauen, nicht "kulturelle Angleichung" betreiben nach dem Motto "Wir diktieren euch, was ihr auf eure Fahnen zu schreiben habt", sondern Land und Leute, Kultur und Tradition verstehen. Das heißt ja nicht Steinigung gutheißen. Dort, wo es geht, miteinander reden. Zwanzig Jahre wollte mit den Taliban niemand reden. Kurt Beck, der das damals vorgeschlagen hat, hat man ausgelacht. Bei allen Afghanistan-Konferenzen wurden die Taliban nicht eingeladen. Jetzt ist man fast schon stolz darauf, wenn man "Kontakte" zu den Taliban hergestellt hat. Jetzt muß man mit dem personifizierten Bösen reden.




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Di 31. Aug 2021, 11:30

"Mit Blick auf die Taliban erklärte er [Außenminister Blinken] eine Regierung unter ihrer Führung [Führung der Taliban] müsse sich internationale Legitimität und Unterstützung verdienen. Sie müssten dafür unter anderem ihre Zusagen zur Reisefreiheit einhalten sowie Grundrechte respektieren. Die Taliban wiederum erklärten, sie streben gute diplomatische Beziehungen zu Washington an." (Quelle)

"... müsse sich ... verdienen"

Da ist er wieder, der Hohe Ton der Selbsterhebung. Die Amerikaner verlieren einen Krieg und diktieren den Siegern, was diese sich verdienen müssen.

Die Amerikaner sollten sich zunächst mal verdienen, daß sie in Kabul wieder eine Botschaft eröffnen können, damit ihre 200 noch in Afghanistan befindlichen Landsleute dort eine Anlaufstelle haben.




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NaWennDuMeinst
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Di 31. Aug 2021, 13:18

Nauplios hat geschrieben :
Di 31. Aug 2021, 10:34
Selbsterhebung über andere
Für mich ist das eine völlige Miissinterpretation der Absichten.
Es ging doch nie darum Menschen, die unsere Hilfe nicht wollen, Hilfe aufzuzwingen, oder Menschen zu "missionieren".
Wie kommt man denn darauf?
Für mich ging es bei diesen Einsätzen primär immer darum für Frieden zu sorgen, und die Unterdrückten (also diejenigen die sich als solche verstehen) zu beschützen.
Das Bild vom Westen der auf Kreuzzüge geht ist kein westliches Bild. Das ist doch nicht unser Selbstverständnis und ich finde wir sollten uns unser Selbstverständnis nicht von Außenstehenden aufzwingen lassen.
Wer unterdrückten Menschen zur Hilfe eilt ist kein Imperialist. Das ist doch völliger Blödsinn.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Nauplios
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Di 31. Aug 2021, 13:34

"Es war kein Krieg für Demokratie in der Welt, sondern ein Krieg aus Angst, die eigenen Werte und Lebensweisen zu verlieren. Ein Krieg gegen einen diffusen, unberechenbaren und immer bedrohlicher erscheinenden Feind - den islamistischen Terror, der uns zurück ins Mittelalter bomben will. Dieses Narrativ Nummer eins rechtfertigte den Beginn. (...) ... In der Folge [ging es] vor allem um strategische Positionen. Es ging darum, die eigene Präsenz in diesem Teil Asiens zu sichern, Pakistan, Iran und ehemalige Sowjetrepubliken im Blick zu haben. Aber das war kein vermittelbares Narrativ, deshalb kam das von den Mädchen, die endlich frei sein und zur Schule gehen sollen, von Straßen und modernen Arbeitsplätzen, das von der 'Fackel der Freiheit, die wir in den letzten Winkel der Welt tragen'. Da sagen die Menschen wieder 'ja' in den Umfragen und genehmigen die Parlamente Geld für Waffen und neue Soldaten."

Abzug aus Oppertunismus

Das Narrativ mußte (speziell in Deutschland - auch wegen seiner Geschichte, aber nicht nur deshalb) ein humanistisches sein. Nur so konnten die politischen Mehrheiten für den Krieg gegen den islamistischen Terror und für den Gewinn von strategischen Positionen in Asien gesichert werden. Den Amerikanern waren Schulen für Mädchen immer schon egal. Die deutsche Politik brauchte innenpolitisch aber dieses Narrativ, um außenpolitisch auch militärisch "treu an der Seite unserer Verbündeten" stehen zu können. Und je länger der Krieg dauerte, umso mehr brauchte sie dieses Narrativ.




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