Der Antirassismus Knigge

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Stefanie
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Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mi 24. Jun 2020, 21:35

In der Theorie ja, in der Praxis wird das schwieriger und muss bewiesen werden. Ist ja jetzt schon schwierig.
Ich kann das gerade etwas schlecht ausdrücken, was ich als Problem ansehe. Die Vielfalt verhindert u.U., dass ein Rassismus nachgewiesen werden kann. Das ist doch paradox.

Hier mal diese Portraits, der Stern möge es mir verzeihen.
20200624_211715.jpg
20200624_211715.jpg (2.96 MiB) 3337 mal betrachtet
Bei dieser Vielzahl der hier gezeigten Hautfarben, der unterschiedlichen Nuancen kann man keine Kategorien bilden. Was auch richtig ist und beweist, dass eine Einteilung nach Hautfarbe falsch ist. Es gibt aber noch genug Menschen die das machen. Auch frage ich mich, ob es nicht auch zum Selbstverständnis gehört, sich selber einer Gruppe zu zuordnen.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Stefanie
Beiträge: 7168
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 3. Aug 2020, 16:46

Das Thema ist noch komplexer, vielschichtiger, als man denken mag.

Auszüge aus einem Interview.

MAISHA-MAUREEN AUMA
:
"RASSISMUS HAT ÜBRIGENS NICHTS MIT DER HAUTFARBE ZU TUN."
RASSISMUS
Interview: Philipp Awounou
In einer rassistischen Welt gilt: Je heller die Haut, desto besser. Colorism schürt auch in Schwarzen Communitys Konkurrenz, sagt Wissenschaftlerin Maisha-Maureen Auma.
Seit Kurzem bewegt eine Debatte über Colorism die Schwarze Community in Deutschland. Es geht um Privilegien und verinnerlichten Rassismus unter Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind
(...)
Maisha-Maureen Auma: Colorism ist eine rassistisch geprägte Körperpolitik. Sie bewertet Körper gemessen an einer erfundenen, idealisierten und durchgesetzten weißen Norm und platziert sie in einer Hierarchie. Entlang dieser weißzentrischen Ästhetik werden Schwarze Körper täglich als Abweichung positioniert und betrachtet.
(...)
Auma: Colorism wirkt als ein Wertesystem, in dem Hellsein höher bewertet und gesellschaftlich belohnt wird. Helle Hautschattierung gilt als wünschenswert und schön. Eine dunkle Schattierung gilt als hässlich. Paradox ist, dass weiße Menschen, die in der Regel helle Hautschattierungen haben, permanent damit beschäftigt zu sein scheinen, ihre Haut im Winter mit Bronzer oder im Solarium dunkler zu machen und im Sommer sich "dunkler" sonnen. Es ist also nicht widerspruchsfrei, aber sehr wirksam. Das ist schon skurril.
(...)
Es ist mir wichtig, gleich am Ausgangspunkt unseres Gesprächs deutlich zu machen, dass Colorism ohne rassistische Einteilung keinen Sinn ergibt. Sie hat die Funktion, die Ungleichverteilung von Ressourcen zu sichern und zu rechtfertigen. Körper, die als Schwarz markiert waren, wurden aus als weiß definierten Räumen ferngehalten. Sie wurden bestraft, wenn sie weiße Räume betraten. Es gibt diese furchtbaren historischen Schilder "Nur für Arier/Nur für Weiße". Dadurch wurden Berufsgruppen exklusiv für Weiße reserviert, die besseren Wohnorte, Lebensmittelgeschäfte, Transportmittel und so weiter wurden Weißen vorbehalten. Man könnte sagen: Rassismus ist die größere Ordnung und Colorism ein Subsystem oder eine bedeutende Technik der rassistischen Ordnung. Rassismus hat übrigens nichts mit der Hautfarbe zu tun.
(...)
Colorism ist eine wirksame Technik, um den Grund für die hartnäckige Ungleichbehandlung und Ungleichverteilung von Macht, Einfluss und Ressourcen zu verdecken. Colorism verlegt den Grund der rassistischen Unterscheidung und Hierarchisierung in den Bereich der Biologie. Wenn Rassismus darin begründet liegt, wie ich als Schwarze Frau aussehe, dann entlastet das Weiße Menschen. Sie haben mich ja nicht gemacht! Die "Natur" hat mich gemacht. Gegen die Natur kann Mensch ja nichts machen. Es gibt übrigens einen globalen wirkenden Colorismus.
(...)
Wir werden als Kinder bereits daran gewöhnt, dass unserem Aussehen mit Geringschätzung begegnet wird, dass wir devalued werden. Dann schürt Colorism als rassistische Körperpolitik Konkurrenz zwischen uns. Wer gilt als schön? Wer überlebt, wer steigt auf? Die Erziehungsbotschaften lauten: "Krieg bloß hellere Kinder, damit sie es nicht so schwer haben." Lagen über Lagen von Hass. Es ist unentrinnbar. Trotzdem versuchen wir täglich von Neuem, Schwarzem Leben einen konstruktiven Raum zu geben. Übrigens, wo ich Aaliyah Bah-Traoré komplett zustimme, ist, dass die Diversität von Schwarzsein nicht einmal annähernd medial repräsentiert wird.
(...)
Colorism wirkt vielschichtig. Die Default-Einstellung von Infrarotsensoren an Seifenspendern oder Wasserhähnen ist weißnormiert. Sie erkennt weiße Haut automatisch als menschliche Haut. Es gibt Vorwürfe, dass Snapchat ein ähnliches Problem hat. Ihre Programmierung erkennt helle Haut als menschlich. Dunkle Haut wird regelmäßig von Filtern nicht als Bestandteil eines menschlichen Körpers anerkannt. Die Beispiele sind endlos. Vieles erzählt die gleiche Geschichte: "Helle Haut gleich vollständige Menschen." Die Botschaft darin ist sehr subtil: Diese Räume sind nicht für "uns" gemacht. Einige sagen, das System ist gegen uns gebaut. Ich hielt das früher für übertrieben, inzwischen bin ich nicht mehr so sicher. Das scheint doch die gewollte Funktionsweise des Systems zu sein, hierarchisch zu positionieren, zu marginalisieren und auszuschließen.

https://www.zeit.de/campus/2020-07/maur ... -rassismus



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