Politisch korrekte Sprache in Romanen

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Jörn Budesheim
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Do 22. Okt 2020, 16:14

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 14:35
Oder vielleicht so gesagt: Wenn wir Wörter verbieten oder ächten, dann basteln wir am Symptom rum.
Ebenso könnte man sagen, wenn wir es verbieten oder ächten, anderen ins Gesicht zu spucken, dann basteln wir am Symptom rum.




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NaWennDuMeinst
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Do 22. Okt 2020, 17:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 16:14
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 14:35
Oder vielleicht so gesagt: Wenn wir Wörter verbieten oder ächten, dann basteln wir am Symptom rum.
Ebenso könnte man sagen, wenn wir es verbieten oder ächten, anderen ins Gesicht zu spucken, dann basteln wir am Symptom rum.
Verstehe ich nicht. Egal.

Nehmen wir an, ich bezeichne Jemanden als Schwein. Was soll das denn bringen dann das Wort Schwein zu verbieten?
Das Problem ist doch nicht das Wort. Das Problem ist meine Verwendung des Wortes mit einer bestimmten Absicht.
Ich kann Jemanden einen Juden nennen und das abwertend und diskriminierend meinen ... es kann aber auch ganz neutral verwendet werden.
Und das zeigt mir, dass nicht das Wort selbst das Problem ist.
Es gibt bestimmt auch Wörter, die ausschliesslich im negativen Sinne gebraucht werden. Die auch nur zu diesem Zweck erdacht wurden. Da könnte man überlegen ob man sie abschafft.
Es gibt aber auch Fälle wo Wörter zu Beginn ausschliesslich negativ gebraucht wurden, und dann aber im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, durch andere Verwendung, gewandelt haben. "mauscheln" ist zum Beispiel so ein Wort.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Stefanie
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Do 22. Okt 2020, 17:58

Ihr verwirrt mich....entsteht die Diskriminierung durch das Wort, oder entsteht durch die Diskriminierung das Wort?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Do 22. Okt 2020, 18:16

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 17:31
Verstehe ich nicht.
Gewalt kann man eben auf verschiedene Art und Weise ausüben. Mit den Fäusten ebenso wie mit Worten.




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Jörn Budesheim
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Do 22. Okt 2020, 19:19

Stefanie hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 17:58
Ihr verwirrt mich....entsteht die Diskriminierung durch das Wort, oder entsteht durch die Diskriminierung das Wort?
Wieso oder?




sokrates_is_alive
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Fr 23. Okt 2020, 09:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 07:30
sokrates_is_alive hat geschrieben :
Mi 21. Okt 2020, 08:49
Die neue "Sprachverordnung" wird von Wenigen geführt, denen es nicht gelingt, eine breite Diskussion zu starten. Damit haftet diesen Bemühungen häufig das Etikett "Elitär" oder - in der eigenen Wahrnehmung der Neuerer - Avantgarde an, die Mehrheit bleibt unberührt und unberücksichtigt.
(...)
Meines Erachtens geht es keineswegs um eine neue Sprach-Verordnung, die von wenigen installiert werden soll. Es geht darum, dass eine unmoralische Praxis gibt. Und die soll nicht abgeschafft werden, weil es einige verordnen, sondern weil sie eben unmoralisch ist. Es geht also nicht um die, denen aufgefallen ist, dass etwas falsch läuft, sondern es geht darum, dass etwas falsch läuft und wir das ändern sollten. Das obige Argument ist also ein so ein typisches ad hominem Argument, bei dem von der Sache abgelenkt werden und der Überbringer der Botschaft diskreditiert werden soll.
Widerspruch. Es geht mir nicht darum, dass der anders Denkende grundsätzlich diskrediert wird (das bedeutet Stillstand), sondern, dass auch "Reformatoren" sich hinterfragen lassen müssen, was durch die neue Begrifflichkeit hervorgehoben bzw. verschleiert wird, damit eine kritische Prüfung erfolgen kann, ob die neue Begrifflichkeit den geforderten Veränderungen dient ohne neue Widersprüche auszulösen. Dabei spielt auch die Frage nach unserem moralischen Koordinatensystem eine entscheidende Rolle.



"Der Teufel ist ein Optimist. Er glaubt, er könnte die Menschen schlechter machen." (nach Karl Kraus) :roll:

sokrates_is_alive
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Fr 23. Okt 2020, 09:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 06:10
sokrates_is_alive hat geschrieben :
Mi 21. Okt 2020, 08:49
Die implizite Behauptung, über eine Änderung der Sprache könne gleichzeitig die Realität verändert werden, scheint mir unzutreffend...
Eine Änderung der Sprache ist eine Änderung der Realität. Der einfachste Grund, unangemessene Begriffe zu vermeiden ist, dass sie unangemessen sind.

Dadurch allein wird man die diskriminierende Situation in der Regel nicht aus der Welt schaffen. Aber spricht das spricht nicht dafür, die diskriminierende Begriffe zu nutzen.

Nehmen wir analog dazu folgendes Argument: "Wenn ich aufhöre dich zu beleidigen, wird die Welt auch nicht besser!" Erstens stimmt das in einem ganz trivialen Sinne nicht, weil die Welt bereits dadurch besser wird, dass man aufhört zu beleidigen. Und selbst wenn die Welt dadurch nicht besser würde oder nur unwesentlich besser, würde das kein Grund liefern, mit dem Beleidigen fortzufahren.
Dem Postulat, dass die Änderung der Sprache eine Änderung der Realität ist, kann ich nur insoweit zustimmen, dass Sprache ein Teilaspekt der Realität ist. Allerdings scheint mir wichtig, das Sprache nicht die Realität ist (folglich die Änderung der Sprache nicht mit einer Änderung der Realität gleichgesetzt werden kann), sondern Sprache eine Konvention ist, was wir mit welchem Begriff bezeichnen wollen. Diese Konvention besteht zu einem nicht unerheblichen Teil auf einer "gesellschaftlichen" Übereinkunft und wer diese Konvention verlassen/ verändern will, wird sich erklären müssen. Ferner ist zu fragen, was diese Konvention für die verschiedenen Akteure und die Betroffenen bedeutet. Die Erklärung "Der unangemessene Begriff ist zu vermeiden, weil er unangemessen ist" klärt nicht die Frage, warum wir bestimmte Begriffe nicht verwenden sollten.



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Jörn Budesheim
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sokrates_is_alive hat geschrieben :
Fr 23. Okt 2020, 09:30
Die Erklärung "Der unangemessene Begriff ist zu vermeiden, weil er unangemessen ist" klärt nicht die Frage, warum wir bestimmte Begriffe nicht verwenden sollten.
Das stimmt. Aber das war auch nicht der Zweck der Bemerkung. Ziel war ein anderes. Wenn wir erkennen, dass ein Begriff unangemessen ist, dann brauchen wir darüber hinaus keine weitere Begründung, ihn nicht zu nutzen - wie zum Beispiel, dass mit dem Verzicht auf die Verwendung, das Problem der Diskriminierung (die sich in dem Begriff spiegelt) nicht aus der Welt ist. Klar, wenn ich nicht mehr Fräulein sage, habe ich damit noch nicht die Gleichberechtigung der Frauen erreicht. Aber das ist einfach kein Grund, an dem Begriff festzuhalten.




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Stefanie
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Fr 23. Okt 2020, 21:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 19:19
Stefanie hat geschrieben :
Do 22. Okt 2020, 17:58
Ihr verwirrt mich....entsteht die Diskriminierung durch das Wort, oder entsteht durch die Diskriminierung das Wort?
Wieso oder?
Ich hatte es so verstanden, dass dies die zwei gegensätzlichen Positionen sind, um die es geht.



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