Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Alethos
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Do 17. Mai 2018, 13:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Mai 2018, 05:18
novon hat geschrieben :
Di 15. Mai 2018, 21:31
noch bedürfte es einer "Existenz" über die einer Geschichte hinaus.
So ist es. In Romanen etc. kommen diese Dinge vor. Damit ist nicht gesagt, dass sie "einer "Existenz" "über die einer Geschichte hinaus" bedürfen noch, dasss sie eine solche haben. Aber in den Romanen etc. kommen sie vor.
Das hört sich in dieser Deutlichkeit und Schlichtheit wie eine Binsenwahrheit an. 'Es gibt eine Geschichte, darin kommen Hexen vor.', das ist eine sehr gut verdauliche Wahrheit :), die wahrscheinlich jeder einsehen kann. Da sei auch keine weltbewegend neue Einsicht, wird sich mancher sagen.

Aber die Folgen für gewisse Existenzbegriffe resp. für monistische Auffassungen von Existenz, sind weitreichend. Der pluralistische Ontologiebegriff ist nicht vereinbar mit Aussagen der Art: 'Alles ist Materie.' oder 'Alles ist Geist.', weil diesen Alleingründen die Basis entzogen ist zugunsten sinnbezogener Seinsgründe. Es kann dann betreffend Existenz nur heissen, dass es alles gibt und kann nicht mehr heissen, wie wir es im Alltag auf etwas schier unglaubliches zu sagen pflegen: 'Das kann ja nicht sein!' Alles kann sein, aber nicht in einem kontigenten, sondern in einem existenziallogischen Sinn, so dass es wahr ist zu sagen, es gebe alles, insofern alles eben nicht nur sein kann, sondern ist.



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Do 17. Mai 2018, 19:42

Tommy hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 14:44
Alethos hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 13:05
so dass es wahr ist zu sagen, es gebe alles.
Wer gibt alles?

Aber Spaß beiseite: Daraus dass man Sinnfelder einführt folgt nicht, dass es alles gäbe.
Es ist zwar richtig, dass etwas, das in einem Sinnfeld nicht vorkommt in einem anderen trotzdem existieren kann.
Es mag aber auch Dinge geben, die in gar keinem Sinnfeld vorkommen. Dann gibt das nicht.
"Gibs nich, gibt es nicht" stimmt nicht so ganz.
Aber etwas, das es nicht gibt, kann unmöglich gedacht werden, weil es das dann gäbe, und zwar im Gedanken. Oder?



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Jörn Budesheim
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Herr K. hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 13:00
Nun nochmal meine Frage: in welchem Sinnfeld erscheint das Universum?
In diesem Blog > https://scilogs.spektrum.de/relativ-ein ... universum/ gibt es eine Antwort, die Gabriel dazu gegeben haben soll:
Gesendet mit der GMX iPhone App, Am 05.12.13 um 07:41,Prof. Dr. Markus Gabriel hat geschrieben : > in aller Kürze (Ihre Frage erforderte eigentlich natürlich eine lange Antwort): Meines Erachtens gibt es keinen Rand des Universums und auch kein absolutes Nichts. Es gibt notwendigerweise unendlich vieles (und nicht nur das Universum, das ich für eine Provinz in einem ungleich “größeren” Unendlichen halte).
>
>
>
> “Nichts” gibt es immer nur in relativen Aussagen, so wie wenn man sagt, niemand sei im Wohnzimmer. Dann bedeutet dies ja auch nicht, daß es absolut niemanden gibt, sondern nur, daß es an einem bestimmten Ort niemanden gibt. Das gilt auch, wenn man sagt, es gebe keine Primzahl zwischen 3 und 5 oder es gebe keine Feen in Goethes “Faust”.




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Markus Gabriel "Abrechnung" mit Thomas Nagel




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Markus Gabriel, Fiktion hat geschrieben : Ohne dem an dieser Stelle zu viel argumentativen, philosophischen Wert zumessen zu wollen, scheint es sogar der Fall zu sein, dass viele Interpretationen der nächsten größeren Durchbrüche der Mikrophysik in ihrem ontologischen Format ziemlich genau wie eine naturalistische Variante einer SFO aussehen, worauf mich als einer der Ersten Carlo Rovelli hingewiesen hat.[468] Rovelli selbst interpretiert den physikalischen Feldbegriff (der freilich Pate für die SFO gestanden hat) so, dass die Raumzeit keine Grundlage für alle Felder ist und schon gar kein Behälter, in dem Ereignisse stattfinden (diese Newtonianische Vorstellung wurde durch die Relativitätstheorie widerlegt).
Carlo Rovelli hat geschrieben : Die Raumzeit ist das Gravitationsfeld (und umgekehrt). Wie Newton intuitiv erkannte, existiert sie auch ohne Materie an sich. Aber sie ist keine von den übrigen Dingen der Welt geschiedene Entität – wie Newton annahm –, sondern ein Feld wie die anderen. Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist. Wie die anderen ist es weder absolut noch gleichförmig oder fest. Vielmehr krümmt, streckt, kontrahiert und ballt es sich zusammen mit den anderen. Gleichungen beschreiben die wechselseitige Beeinflussung sämtlicher Felder. Und die Raumzeit ist ein solches Feld.
"Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist." Das ist natürlich ein wundervolles Bild für die Sinnfeld-Ontologie und die Idee, dass es die Welt nicht gibt.




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Jovis hat geschrieben :
Do 3. Sep 2020, 10:25
Ich habe leider gerade nicht viel Zeit, aber beim Beispiel der Kathedrale möchte ich doch gern einhaken. Denn selbst die Steinwand ist ja durchlässig! Sie wird vom Regen feucht, vom Wechsel von Hitze und Kälte rissig, sie ist ein Lebensraum für Tiere und Pflanzen ...

Ich bastele zurzeit am Gedanken der Funktion im Unterschied zur Substanz herum. Wir leben in einer phänomenalen Welt der Grenzen, der Einheiten, der Objekte. All diese Grenzen, die wir dafür setzen, sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sind ja nicht illusorisch. Aber es sind funktionale Grenzen, keine substantiellen.
Das folgende wollte ich eigentlich schon seit längerem mal nachtragen: Dieser Gedanke ist, wenn ich ihn richtig verstehe, sehr dicht an der Sinnfeld Ontologie, so wie ich sie mir ausmale. Was eine Grenze ist, hängt vom Zusammenhang ab, es gibt keine Grenzen schlechthin, also keine substanziellen Grenzen. Die Steinwand ist eine Grenze für uns und andere Lebewesen in ähnlichen Skalen-Bereichen. Für andere Wesen ist sie hingegen durchlässig. Was überhaupt existiert, existiert immer in bestimmten Zusammenhängen. Etwas kann in dem einen Zusammenhang so und im anderen Zusammenhang ganz anders erscheinen. (Die Mauer ist in dem eigenen Skalenbereich eine Grenze und in dem anderen eben nicht.)

Und das ist das Wichtigste: es gibt keinen Gesamtzusammenhang, der gleichsam für alles festgelegt, was es ist oder als was es zu gelten habe. Das meint Gabriel nach meinem Verständnis mit dem Slogan, dass es die Welt nicht gibt.




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Mi 20. Okt 2021, 09:10

LESEPROBE »RÄTSEL MENSCH«
:
»Wir haben Zugang zu den Dingen an sich«
Gaukelt unser Denkapparat uns die Welt nur vor? Der Bonner Philosoph Markus Gabriel widerspricht einer alten Ansicht, wonach »alles« eine Konstruktion des Gehirns ist. Sein Gegenmodell heißt: Neuer Realismus. Eine Leseprobe
Steve Ayan (Hg.)

https://www.spektrum.de/leseprobe/lesep ... ch/1936348




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