Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
Tosa Inu
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So 18. Feb 2018, 13:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 10:07
Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 10:04
Komisch kommt mir nur vor, dass meine Fragen auch von Euch nicht beantwortet werden.
Ich verstehe das nicht. Wie kannst du das sagen? Ich habe erst in den letzten Tagen wieder erläutert, was ich darunter verstehe, wie zuvor auch schon öfter. Daran könntest direkt anschließen, dann kämen wir vielleicht weiter.
Ganz einfach.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Feb 2018, 11:36
Sinnfeld. Der Begriff Sinnfeld mag zwar neu sein. Aber er ist keineswegs einfach eine Neuschöpfung gleichsam aus dem Nichts heraus. Vielmehr steht der Begriff Sinnfeld in einer altehrwürdigen Traditionslinie, die nahezu so alt ist wie die Philosophie selbst. Der Begriff taucht bereits bei Aristoteles auf und ist seither in der Philosophie wohletabliert. Ziel Gabriels ist, den Begriff "Bereich" zu beerben und zu präzisieren. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass alle vorhergehenden Autoren unter dem Begriff das gleiche verstanden haben. Insbesondere bei der Frage, ob "Bereiche" Teile der Wirklichkeiten sind, die es auch ohne uns gegeben hätte oder ob es sich dabei eher um Formen der wissenschaftlichen Arbeitsteilung oder ähnliches handelt, ist natürlich - wie in der Philosophie üblich - notorisch umstritten. Ähnliche Begriffe, die vergleichbares meinen, sind je nach Kontext: Domain, Sphäre, Raum, Feld, ggf. auch Menge etc.
Da steht nun viel darüber, was ein Sinnfeld nicht ist und woran es anschließt.
Wenn ich davon ausgehend aber z.B. klären will, ob en Satz ein Sinnfeld ist, woran kann ich das erkennen?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Das antwortet ja auch auf eine völlig andere Frage. Was ein Sinnfeld ist, habe ich auch beantwortet und zwar auf den Vorwurf von Eberhard der Begriff wäre vage.




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Alethos
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So 18. Feb 2018, 14:01

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 13:02
Wenn ich davon ausgehend aber z.B. klären will, ob en Satz ein Sinnfeld ist, woran kann ich das erkennen?
Selbstverständlich ist ein Satz ein Sinnfeld, du erkennst das Sinnfeld an der Existenz von Wörtern einerseits und der Existenz von Bedeutungen, die diese Wörter miteinander bilden andererseits. Der Satz kann aber wiederum ein Gegenstand sein, der selbst irgendwo erscheint, z.B. in einem Zeitungsartikel oder als Gedanke formuliert im Denken.

Alle Gegenstände sind Einzeldinge oder Zusammengsetzte, die sowohl Sinnfeld sind und in solchen erscheinen.



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So 18. Feb 2018, 14:18

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 12:56
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 08:54
.Die Epistemologie hat die Aufgabe, den vielfältigen Eigenschaftsgruppen (den Sinnen) mit vielfältigen Mitteln auf den Grund zu gehen, weshalb man berechtigterweise sagt, dass eine ontologische Pluralität eine epistemologische Pluralität braucht, um erschlossen zu werden.
Klar. Was aber bestritten wird, ist etwas anderes, nämlich, dass es/man überhaupt eine ontologische Pluralität gibt.
Es ist ja schon seltsam, wenn sogar ontologische Pluralisten eingestehen, dass, wenn die Ebene Physis/Materie weg/zerstört ist, auch alle anderen verschwinden. Das klingt für mich wenig nach Pluralismus, sondern nach glasklarer Abhängigkeit, also Physikalismus.
Wir können natürlich bezweifeln, dass es ontologische Pluralität gibt und behaupten, dass jedes Phänomen von der Physis abhängt. Dass aber das Dach vom Fundament abhängt, ändert noch einmal nichts daran, dass das Dach nicht das Fundament ist. Nicht nur ist es ja so, dass das Fundament eine andere Funktion im Haus übernimmt als das Dach. Auch wenn es aus gleichen Stoffen gemacht wäre, wie das Fundament, gehört es als Teil zu einem Ganzen, das durch die Verschiedenheit und das Zusammenspiel seiner Teile erst das Ganze wird, das es ist.

Dass ein Gedanke aus Atomen, Molekülen, Zellen und neuronalen Netzen zusammengesetzt sei, was wir hier einfach einmal annehmen wollen, bedeutet ja nicht, dass alles nur Physis ist, bloss weil seine Teile alle aus Materie bestehen. Denn das, was Gedanken je auch sind, zeigt sich doch in ihrer Funktion, die sie als Einzeldinge in einem Ganzen übernehmen, und das Ganze zeigt sich demnach als das Resultat dieser Teile. Ein Gedanke kann deshalb ebenso wenig ein rein materielles Ding sein, wie ein Haus ein rein materielles Ding sein kann, weil, das, was es ist, nämlich ein Haus, zugleich mehr ist als seine Mörtel-, Ziegel- und Glasanteile, sondern das Haus ist eben auch ein Funktionsträger. Es übernimmt Funktionen, die seine Teile nicht übernehmen können. Die Funktionalität hat nebst dem materiellen Aspekt einen teleologischen, nämlich einen Zweck, der in Materie allein gar nicht verwirklicht werden kann, insofern die Funktion nur der Möglichkeit nach eine Verwirklichung darstellt. Funktion heisst demnach Möglichkeit und Möglichkeiten existieren nicht materiell, sondern nur potenziell.

Es wäre nun aber relativ unsinnig zu fragen, wo denn Potenzialität existiert, denn offenbar hat Potenzialität als etwas nicht Raumzeitliches eben keinen Ort im Raum, und die Frage nach dem Wo fragte am
Kern der Potenzialität vorbei.

Lass uns doch einen neuen Thread starten, damit wir den Physikalismus diskutieren können?
Zuletzt geändert von Alethos am So 18. Feb 2018, 14:35, insgesamt 2-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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So 18. Feb 2018, 14:32

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 12:56
Es ist ja schon seltsam, wenn sogar ontologische Pluralisten eingestehen, dass, wenn die Ebene Physis/Materie weg/zerstört ist, auch alle anderen verschwinden.
Ich weiß ja nicht, worauf sich das bezieht, aber falls du mich meinen solltest, dann liegst du vollkommen falsch. Das Argument ging völlig anders. Es ging einfach gesagt, um den Unterschied zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen. Gezeigt habe ich damit, dass selbst für den Fall, dass es sich so verhielte, wie im Zitat, damit noch lange nicht das gezeigt wäre, was du mit der Frage, die ich an der Stelle zitiert habe, vermutlichen zeigen wolltest. Das heißt, selbst wenn man dir das zugeben würde, dass alles verschwände, wenn die Ebene Physis/Materie weg/zerstört wäre, wäre das noch kein Einwand gegen den Pluralismus, weil das einfach auf der Verwischung von hinreichenden und notwendigen Bedingungen beruht.

Das zeigt übrigens nebenbei, dass Pluralismus nichts mit einer Art "vervielfältigtem" Descartes zu tun haben muss. Du scheinst dir das (ohne jede Begründung!) nach diesem Vorbild auszumalen, mit dem einzigen Unterschied, dass es eben statt zweier Substanzen viele gibt.




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So 18. Feb 2018, 15:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 13:32
Das antwortet ja auch auf eine völlig andere Frage. Was ein Sinnfeld ist, habe ich auch beantwortet und zwar auf den Vorwurf von Eberhard der Begriff wäre vage.
Du wirst das hier meinen, oder?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 10:26
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 07:59
Das Problem der Sinnfelder ist weniger, dass sie eine begriffliche Neuschöpfung darstellen, darin sehe ich überhaupt kein Problem.
Ihr wahres Problem ist, wie auch Eberhard Wesche bemerkt, dass sie hoffnungslos unterbestimmt sind.
Herr K. hat geschrieben :
So 31. Dez 2017, 22:49
Wieso reicht es nicht, z.B. von Äpfeln, Marzipanäpfeln, Reichsäpfeln, Pferdeäpfeln und Symbolen von Äpfeln zu reden? Was soll es zusätzlich bringen, über Seinsbereiche zu restringieren und wie würde das in diesen Fällen konkret aussehen?
Eberhard hat geschrieben : Hinzu kommen eigene Wortschöpfungen wie "Sinnfeld", die eher vage bleiben.
Gabriel in 'Glossar, Warum es die Welt nicht gibt' hat geschrieben : Gegenstandsbereich: Ein Bereich, der eine bestimmte Art von Gegenständen enthält, wobei Regeln feststehen, die diese Gegenstände miteinander verbinden.

Hauptsatz der positiven Ontologie, Zweiter: Jedes Sinnfeld ist ein Gegenstand. Wir können über jedes Sinnfeld nachdenken, obwohl wir nicht alle Sinnfelder erfassen können.

Sinn: Die Art, wie ein Gegenstand erscheint.

Sinnfelder: Orte, an denen überhaupt etwas erscheint.

Sinnfeldontologie: Die Behauptung, dass es nur dann etwas und nicht nichts gibt, wenn es ein Sinnfeld gibt, in dem es erscheint. Existenz = Erscheinung in einem Sinnfeld.
Ich finde Gabriels diverse Erläuterungen, was ein Sinnfeld/Bereich ist, anders als ihr drei (@'EberhardWesche', @'Tosa Inu', @'Herr K.') sehr gut verständlich und nachvollziehbar. Ich will hier noch mal kurz erläutern, wie ich die Begriffe verstehe.

Gabriel vertritt eine pluralistische Ontologie, das heißt es gibt nach seiner Auffassung viele verschiedene Bereiche, genau genommen indefinit viele Bereich. Alles, was es gibt, ist Beispiel dafür. Einige wenige Beispiele für Bereiche seien hier genannt: Bundesrepublik Deutschland, Natur, Zahlen, Biologie … Was unterscheidet diese Bereiche? Im Glossar steht die Antwort: Jeder dieser Bereiche enthält eine bestimmte Art von Gegenständen, die sich von den Gegenständen der anderen Bereiche unterscheiden. Denn es gibt je verschiedene Anordnungsregeln, denen die Gegenstände des Bereiches unterstehen, sofern sie ihm angehören. Die Anordnungssregeln in den Bereichen BRD, natürliche Zahlen und Natur sind ganz verschiedene, das scheint mir unzweifelhaft wahr zu sein. Die Regeln, wie man zum Beispiel in der Reihe der natürlichen Zahlen voranschreitet 1, 2, 3, 4 … unterscheiden sich deutlich von den Naturgesetzen. Daher werden die Bereiche auch von ganz verschiedenen Disziplinen erforscht - zum Beispiel Politologie, Mathematik und Naturwissenschaften.

Niklas Luhmann hat mal in Bezug auf seine Systemtheorie gesagt, dass man sich Systeme nicht wie Fettaugen auf der Suppe vorstellen sollte. Ähnliches gilt, nach meiner Einschätzung, für die Bereichsontologie Gabriels. Die Bereiche sind keineswegs streng abgezirkelte Zonen, die sich nie berühren. Bereiche sind also keine Fettaugen. Bereiche sind auch nicht einfach nach dem Vorbild Descartes berühmt/berüchtigten Substanzen zu verstehen, also als grundsätzlich ganz und gar getrennte Seinssphären, deren Zusammenspiel problematisch bleibt. Gabriels Bereiche unterscheiden sich voneinander dadurch, dass in ihnen aufgrund ihrer verschiedenen Anordnungsregeln andere Gegenstände bzw. “dieselben Gegenstände” unter "anderen Beschreibungen" erscheinen, wie er zum Beispiel in "Sinn und Existenz" ausführt. Das bedeutet, dass ein Gegenstand sowohl zum Bereich BRD gehören, als auch ein Teil der Natur sein kann. Viele Bereiche überlappen sich in dieser oder ähnlicher Art und Weise.

Jedoch gibt es keine Gegenstände schlechthin, sie existieren nicht von Bereichen isoliert. Gegenstände sind also keine Absoluta, wie Gabriel geltend macht, sondern Relata. Sie existieren immer nur relativ zu dem Bereich, in dem sie vorkommen und Bereiche sind ihrerseits relativ zu ihren Gegenständen bestimmt, sofern die Anordnungsregeln, die einen Bereich bestimmen und ihn von anderen Bereichen unterscheiden, bestimmte Gegenstände erscheinen lassen. Das heißt, da ist nicht erst ein Bereich, in den im zweiten Schritt ein Gegenstand eingefügt wird. Um ein Beispiel zu geben: Wir haben also nicht erst den leeren Raum der natürlichen Zahlen, in welchen sozusagen "später" die Zahlen eingetragen werden, sondern Bereich und Gegenstände sind eine Relation und gehören immer zusammen.
Wenn ich davon ausgehend aber z.B. klären will, ob ein Satz ein Sinnfeld ist, woran kann ich das erkennen?
Nun ist die Bundesrepublik also ein Bereich und Bereich meint hier sicher Sinnfeld, oder?
Was Ist denn nun kein Sinnfeld mehr? Auf einmal sind ja alles Sinnfelder, außer Gegenständen. Die Relation zu anderen Dinge machen Dinge zu zu etwas, was in Sinnfeldern existiert, würde ich vermuten. Die Tomate einmal als Zutat einer Sauce, einmal als Motiv für ein Foto, als Imaginationsobjekt und als Lebensraum für ein Insekt.
Verstehe ich soweit (falls es richtig ist) unklar ist mir aber, warum das alles eigene Sinnfelder sein sollen, denen ein eigener ontologischer Bereich zukommt.
Für mich sind das alles Arten und Weisen, wie man mit etwas umgeht.
Nun ist mir auch klar, dass ich die Imagination einer Tomate oder der eher passive Traum von einer nicht als Hirnaktivität erlebe, sondern als Bild einer Tomate.
D.h. die "Benutzeroberfläche" ist etwas anders, als das was in der neurologische Tiefe abgeht. Wenn Du das auch so siehst, dann ist das aber nur eine Repräsentation von Hirnaktivität, auf dem Boden einer vorher gemachten Erfahrung (man muss Tomaten kennen, um sie sich vorstellen zu können, Tutepen kann man sich nicht vorstellen). Eine andere Welt ist das doch nicht, wo sollte überhauüt die Notwendigkeit bestehen, sie einzuführen. Warum gerade Du als nichtesoterischer Realist Dich hier quer stellst, verstehe ich nicht.

Denkbar wäre eine Haltung, dass man sagt: Hirnaktivität schön und gut, aber solang man da nix erklären kann, außer, dass da irgendwie Aktivität ist, können die Gedankeninhalte von sonst wo kommen, z.B. auch aus einer ganz anderen Welt. Unser Hirn könnte dann eher Antenne oder Übersetzer, statt Produzent sein.
Diese Sicht vertritt aber keiner und bei der anderen fehlt mit die Notwendigkeit die naturalistische Sicht auch nur zu kritisieren, außer in puncto Erklärung, aber das hat nun gar nichts mit Ontologie zu tun.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am So 18. Feb 2018, 16:20, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:01
Alle Gegenstände sind Einzeldinge oder Zusammengsetzte, die sowohl Sinnfeld sind und in solchen erscheinen.
Das verstehe ich insoweit, weil es z.B. Wilbers Begriff vom Holon (Teilganzes) entspricht, das stets Teil und Ganzes, autonom und in Relation (Agenz in Kommunion) ist.



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So 18. Feb 2018, 16:09

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 15:54
Was Ist denn nun kein Sinnfeld mehr?
Die Antwort auf diese verblüffende Frage erhältst du, wenn du dir in Erinnerung rufst, welche Frage Gabriel ursprünglich beantworten will.




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So 18. Feb 2018, 16:19

Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Wir können natürlich bezweifeln, dass es ontologische Pluralität gibt und behaupten, dass jedes Phänomen von der Physis abhängt. Dass aber das Dach vom Fundament abhängt, ändert noch einmal nichts daran, dass das Dach nicht das Fundament ist. Nicht nur ist es ja so, dass das Fundament eine andere Funktion im Haus übernimmt als das Dach. Auch wenn es aus gleichen Stoffen gemacht wäre, wie das Fundament, gehört es als Teil zu einem Ganzen, das durch die Verschiedenheit und das Zusammenspiel seiner Teile erst das Ganze wird, das es ist.
Klar, nur ein Ganzes gibt es bei Gabriel ja nicht.
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Dass ein Gedanke aus Atomen, Molekülen, Zellen und neuronalen Netzen zusammengesetzt sei, was wir hier einfach einmal annehmen wollen, bedeutet ja nicht, dass alles nur Physis ist, bloss weil seine Teile alle aus Materie bestehen.
Sondern es kommt noch was dazu?
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Denn das, was Gedanken je auch sind, zeigt sich doch in ihrer Funktion, die sie als Einzeldinge in einem Ganzen übernehmen, und das Ganze zeigt sich demnach als das Resultat dieser Teile. Ein Gedanke kann deshalb ebenso wenig ein rein materielles Ding sein, wie ein Haus ein rein materielles Ding sein kann, weil, das, was es ist, nämlich ein Haus, zugleich mehr ist als seine Mörtel-, Ziegel- und Glasanteile, sondern das Haus ist eben auch ein Funktionsträger. Es übernimmt Funktionen, die seine Teile nicht übernehmen können. Die Funktionalität hat nebst dem materiellen Aspekt einen teleologischen, nämlich einen Zweck, der in Materie allein gar nicht verwirklicht werden kann, insofern die Funktion nur der Möglichkeit nach eine Verwirklichung darstellt. Funktion heisst demnach Möglichkeit und Möglichkeiten existieren nicht materiell, sondern nur potenziell.
Was potentiell existiert, existiert aber eben nicht.
Aber ich kenne diese Gedanken, auch die vier Ursachen, auch die Idee, dass etwas nicht einfach nur eine Anhäufung von irgendwas ist, um Kunst, ein Haus oder ein Auto zu sein. Aber Teleologie (außer einer ganz schwachen, bspw, dass man davon ausgeht, dass ein Gespräch gelingt) ist bei uns kassiert, sich darauf zu berufen, ohne triftige Gründe anzuführen, gilt schon als etwas, was man in höchster Not oder Unwissenheit tut.
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Es wäre nun aber relativ unsinnig zu fragen, wo denn Potenzialität existiert, denn offenbar hat Potenzialität als etwas nicht Raumzeitliches eben keinen Ort im Raum, und die Frage nach dem Wo fragte am
Kern der Potenzialität vorbei.
Nicht mal das. weil man Potentialität als einen geistigen Entwurf und also Hirnaktivität sehen könnte.
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Lass uns doch einen neuen Thread starten, damit wir den Physikalismus diskutieren können?
Ich habe am Physikalismus kein sonderliches Interesse ich will wirklich nur wissen, wie Gabriel in aushebeln will.
Auf alles, was das Zeug dazu hätte, bezieht er sich nicht und alles, auf was er sich bezieht, hat nicht das Zeug dazu Naturalisten auch nur entfernt zu erregen, am wenigsten Hexen und Einhörner auf der Rückseite des Mondes in Polizeiuniform. Mir ist schon klar, dass Gabriel hier bewusst absurde Beispiele wählt, um zu zeigen, dass er es ernst, nämlich ontologisch meint, aber mir fehlt das schlagende Argument und ich fürchte, dass er damit weder bei Philosophen und erst recht nicht bei Naturwissenschaftlern ernst genommen wird.

Ihr könnt ja Eure Ideen mal entwickeln, ich will da auch nicht immer reingrätschen, weil das ja auch aufhält und stört, darum dimme ich mich langsam aus und drücke die Daumen, dass Ihr das hinbekommt. Reaktionen auch meine letzten Schreiben erwidere ich noch, aber schreibe darüber hinaus erst mal nichts Neues zu diesem Thema.



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So 18. Feb 2018, 16:23

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 15:59
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:01
Alle Gegenstände sind Einzeldinge oder Zusammengsetzte, die sowohl Sinnfeld sind und in solchen erscheinen.
Das verstehe ich insoweit, weil es z.B. Wilbers Begriff vom Holon (Teilganzes) entspricht, das stets Teil und Ganzes, autonom und in Relation (Agenz in Kommunion) ist.
Diesen Begriff kenne ich nicht gut genug, gebe ich zu. Müsste mich erst einlesen.



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So 18. Feb 2018, 16:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:09
Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 15:54
Was Ist denn nun kein Sinnfeld mehr?
Die Antwort auf diese verblüffende Frage erhältst du, wenn du dir in Erinnerung rufst, welche Frage Gabriel ursprünglich beantworten will.
Verblüffend ist das keinesfalls, denn in Gabriels Büchern ist ja vom Sinnfeld Welt, als metaphysischem Ganzen die Rede.
Und wenn es wahr ist, dass es etwas gibt, nur weil jemand es hinschreibt und ausstaffiert, wie bei Hexen oder Superman, muss es auch hier wahr sein, ansonsten misst man mit zweierlei Maß oder agiert willkürlich.
Und zu sagen, die Welt gibt es aber nicht wirklich, denn das steht da nur, scheidet aus aus, da nichts ontologischen Vorrang hat.
Will man gelten lassen, dass Gabriel den Gedanken negiert, ist aber spätestens bei Wittgenstein Schluss mit lustig, bei dem gibt es Welt, sie ist, alles, was der Fall ist. Und einfach nur, weil das bei Wittgenstein, ganz empirisch, so steht, gibt es Welt, da es auch Hexen genau deshalb gibt, weil es bei Goethe so steht.
Aber dem stellst Du Dich regelmäßig nicht. ;)



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So 18. Feb 2018, 16:31

Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:23
Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 15:59
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:01
Alle Gegenstände sind Einzeldinge oder Zusammengsetzte, die sowohl Sinnfeld sind und in solchen erscheinen.
Das verstehe ich insoweit, weil es z.B. Wilbers Begriff vom Holon (Teilganzes) entspricht, das stets Teil und Ganzes, autonom und in Relation (Agenz in Kommunion) ist.
Diesen Begriff kenne ich nicht gut genug, gebe ich zu. Müsste mich erst einlesen.
Ist absolut nicht nötig in dem Zusammenhang. da nur ein Stütze für mich.
Es gibt hier diese Gemeinsamkeit und auch bedeutende Unterschiede, aber das kann Gabriel egal sein, zumal die Holon-Theorie nicht aufgeht,



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So 18. Feb 2018, 16:37

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:28
Aber dem stellst Du Dich regelmäßig nicht.
Das Kompliment gebe ich dir gerne zurück. Darauf habe ich bereits x mal geanwortet und warte seither auf Antwort ...

Daraus dass es etwas einem Bereich vorkommt, folgt nicht, dass es in beliebigen anderen Bereichen vorkommt. Dein "Argument" basiert darauf, dass du an geeigneter Stelle "vergisst", was existieren in der Theorie überhaupt heißt.




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So 18. Feb 2018, 16:51

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:28
wenn es wahr ist, dass es etwas gibt, nur weil jemand es hinschreibt und ausstaffiert, wie bei Hexen oder Superman, muss es auch hier wahr sein, ansonsten misst man mit zweierlei Maß oder agiert willkürlich.
Und zu sagen, die Welt gibt es aber nicht wirklich, denn das steht da nur, scheidet aus aus, da nichts ontologischen Vorrang hat.
Will man gelten lassen, dass Gabriel den Gedanken negiert, ist aber spätestens bei Wittgenstein Schluss mit lustig, bei dem gibt es Welt, sie ist, alles, was der Fall ist. Und einfach nur, weil das bei Wittgenstein, ganz empirisch, so steht, gibt es Welt, da es auch Hexen genau deshalb gibt, weil es bei Goethe so steht.
Ich spreche vielleicht nur für mich, wenn ich sage, dass ich darauf verschiedentlich eingegangen bin.

Zu sagen, es gebe Hexen nicht, ist ja wahr. Es ist nämlich zum Beispiel für den Fall wahr, dass mit Hexen Wesen aus Fleisch und Blut gemeint sind. Das wird laut SFO nicht plötzlich unwahr.

Und so wie gilt, dass es Hexen (aus Fleisch und Blut) nicht gibt, gibt es die Welt laut SFO nicht. Aber auch hier gibt es nur einen bestimmten Sinn von Welt nicht, nämlich jener, der die Vorstellung umfasst, für jedes Seiende gelte ein ganzheitliches Seinsprinzip.

Zu behaupten, die SFO widerspreche durch die Erwähnung von Welt in der Theorie ihrer eigenen Hypothese, nämlich dass es die Welt nicht gebe, ist ein Fehlschluss, weil er die verschiedenen Wirklichkeitsbereiche, die die Aussagen je betreffen, nicht würdigt.



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Jörn Budesheim
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So 18. Feb 2018, 17:03

Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:51
Zu behaupten, die SFO widerspreche durch die Erwähnung von Welt in der Theorie ihrer eigenen Hypothese, nämlich dass es die Welt nicht gebe, ist ein Fehlschluss, weil er die verschiedenen Wirklichkeitsbereiche, die die Aussagen je betreffen, nicht würdigt.
Genau, daraus dass die Welt in diversen Texten, Ansichten und Bildern vorkommt, folgt nicht, dass sie als Bereich aller Bereiche vorkommt.




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So 18. Feb 2018, 17:08

Tosa Inu hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:19
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 14:18
Es wäre nun aber relativ unsinnig zu fragen, wo denn Potenzialität existiert, denn offenbar hat Potenzialität als etwas nicht Raumzeitliches eben keinen Ort im Raum, und die Frage nach dem Wo fragte am
Kern der Potenzialität vorbei.
Nicht mal das. weil man Potentialität als einen geistigen Entwurf und also Hirnaktivität sehen könnte.
Es ist natürlich schon recht billig, meine Argumente mit dem Hinweis abzutun, sie entsprängen "äusserter Not" oder "Unwissenheit"., wenn man gleichzeitig bei jeder Gelegenheit das Totschlagsargument der Rückführbarkeit von allem auf Hirnaktivitäten bringt. Die Diskussion ist dann so hoffnungsvoll wie die mit dem Solipsisten, der auch die evidentesten Argumente gegen den Solipsismus mit dem Verweis abtut, es könnte sich bei ihnen um Produkte des Arguments für den Solipsimus handeln.:)

Vielleicht, und das ist meine einzige Hoffnung, dass wir dieses Thema produktiv voranbringen können, ist einen Lesethread darüber zu starten, der auf SuZ basiert. Ich wäre jedenfalls interessiert und würde mich freuen, wenn wir dieses Projekt miteinander auf Basis der realen Texte (wenn nötig Satz für Satz) realisieren könnten und die Argumente gemeinsam rekonstruieren würden. Alle anderen Argumente haben wir durchgelutscht, vermute ich.



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Hallo Alethos und Jörn:
Alethos hat geschrieben :
So 18. Feb 2018, 16:51
Zu sagen, es gebe Hexen nicht, ist ja wahr. Es ist nämlich zum Beispiel für den Fall wahr, dass mit Hexen Wesen aus Fleisch und Blut gemeint sind. Das wird laut SFO nicht plötzlich unwahr.

Und so wie gilt, dass es Hexen (aus Fleisch und Blut) nicht gibt, gibt es die Welt laut SFO nicht. Aber auch hier gibt es nur einen bestimmten Sinn von Welt nicht, nämlich jener, der die Vorstellung umfasst, für jedes Seiende gelte ein ganzheitliches Seinsprinzip.

Zu behaupten, die SFO widerspreche durch die Erwähnung von Welt in der Theorie ihrer eigenen Hypothese, nämlich dass es die Welt nicht gebe, ist ein Fehlschluss, weil er die verschiedenen Wirklichkeitsbereiche, die die Aussagen je betreffen, nicht würdigt.
Der Gedanke ist zwar gut und nachvollziehbar, aber nicht (im Sinne Gabriels) zu Ende gedacht.

Dein Argument, so wie ich es verstehe, lautet: Kann ja sein, dass es Hexen in der physischen Welt/im Sinnfeld Physis nicht gibt, es gibt sie aber in der/dem fiktionalen.
Aber, wenn es sie im Sinnfeld Fiktionales gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass es sie (die Hexen) in allen indefinit vielen Sinnfeldern auch gibt, sondern es gibt/sie existieren nur hier. Da der Begriff 'Welt' aber ein metaphysisches Ganzes meint, ist es auch egal, wenn jemand eine Theorie entwirft und hinschreibt, in der die Welt ein metaphysisches Ganzes ist, das mag dann in diesem Sinnfeld (nennen wir es Theorie von X) so sein, aber in den anderen indefinit vielen Sinnfeldern kommt diese Welt nicht vor. Und da Welt ja das Sinnfeld aller Sinnfelder sein soll, gibt es sie nicht, denn sie existiert nur in einem oder in ein paar Sinnfeldern. So wäre die Widerlegung meines Gedankens, oder?

Das Problem ist aber nun: Existieren heißt ja, laut Gabriel, nicht, in allen Sinnfeldern vorzukommen (vorkommen zu müssen), sondern in mindestens einem Sinnfeld vorzukommen, zu erscheinen. Ferner wurde immer wieder betont, es gäbe keinen ontologischen Vorrang irgendeines Sinnfeldes vor einem anderen und auch keine Existenz zweiter Klasse. Es gibt keine Hexen aus Fleisch und Blut, aber das wird (bei Gabriel und Euch) auch nicht behauptet oder benötigt, sondern es gibt fiktionale Hexen + keinen ontologischen Vorrang bspw. der physischen Welt vor der fiktionalen.

Das heißt aber, bezogen auf Welt nun Folgendes: Wenn jemand eine Theorie entwirft und hinschreibt, in der die Welt ein metaphysisches Ganzes ist, dann gibt es Welt als metaphysisches Ganzes. Wenn man nun sagt: "Ja, ja, jedoch nur im Sinnfeld der Theorie von X", aber nicht in allen, wird man Gabriels Voraussetzungen untreu. Denn existieren heißt eben gerade NICHT in allen Sinnfeldern erscheinen zu müssen, sondern in mindestens einem.

'Welt als metaphysisches Ganzes' muss demnach auch nicht in allen Sinnfeldern erscheinen, sondern in mindestens einem. Tut sie das aber, gibt es genau jene Welt, von der Gabriel behauptet, dass es sie nicht geben können und zwar exakt nach seinen eigenen Kriterien. Dass es sie nur einmal oder ein paar mal gibt, stört nicht, laut Gabriel, da es beim existieren nicht um überall existieren geht, sondern um irgendwo existieren und es keinen ontologischen Vorrange und keine Existenz zweiter Klasse gibt. Es gibt also die Welt als metaphysisches Ganzes.

Hier nun zu fordern 'die Welt als metaphysisches Ganzes' müsse aber überall erscheinen, hieße Gabriels Prämissen zurückzuweisen.
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Zudem, könnten wir eine Umkehrprobe machen.
Die Behauptung lautet, dass es die Welt nicht gibt und zwar Welt als metaphysisches Ganzes nicht gibt.
Nehmen wir nun mal ein Auto, die 7 und eine Hexe.
Wenn wir von etwas sagen, dass es das gibt, meinen wir ja damit, das ist irgendwo vorkommt.
Gehen wir von Gabriel aus, in Sinnfeldern. Wenn wir jetzt bei Gabriel bleiben, gibt es Sinnfelder aber die Welt als metaphysisches Ganzes nicht und man müsste sagen, es gibt Autos in einigen Sinnfeldern, aber nicht nicht der Welt. Das klingt schon komisch. Wenn wir das nun mit der 7 und den Hexen fortführen, wird das nicht besser. Zu sagen, es gibt Hexen aber in der Welt kommen sie nicht vor, rückt Welt ja erst in die Nähe dessen (metaphysisches Ganzes) was bestritten werden soll.
Denn 'Welt' in einem durchaus gebräuchlichen Sinne meint ja 'alles, was der Fall ist', nicht 'alles, was ein Ding ist'.
Man würde Welt also durchaus zusprechen auch Gedanken, Fiktionen, Zahlen, Logik, Spiritualität und Autos zu enthalten.
Zu sagen, es gebe etwas, es komme aber in der Welt nicht vor, klingt nicht nur komisch, sondern grenzt den übliichen Weltbegriff auch auf eine hart materialistische Position ein, die behauptet, dass es Gedanken gar nicht gibt. Aber wer behauptet das?
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Was Gabriel in und mit all dem sagt und womit er recht hat, ist, dass eine bestimmte Disziplin, z.B. die Physik nicht alle anderen Bereich erklären kann. Physikern können uns (in ihrer Funktion als Physiker) nichts über Kunst, Liebe und Neurosen erklären, weil dies in ihrer Sprache gar nicht vorkommt.
Erklärungen der Biologen mag es geben, die erscheinen uns häufig richtig, aber reduzierend, in dem Sinne, dass es z.B. über Liebe mehr zu sagen gäbe, als die Biologen sagen können.
Aber Erklärungen sind und bleiben Erkenntnistheorie, nicht Ontologie.

Was Physikalismus alles ist, dazu hat Herr K. immer wieder etwas verlinkt: https://plato.stanford.edu/entries/phys ... dNonRedPhy

Würde ich dann tatsächlich irgendwann mal lesen, wenn "Ich weiß überhaupt nicht was holistischer Physikalismus sein soll" mehr sein soll, als die Aussage, auch garantiert keine Lust zu haben, sich damit zu beschäftigen. Mit DeepL ist das heute gut lesbar, mein Englisch ist auch nur allenfalls 'brauchbar' zu nennen, ich muss mich sehr konzentrieren und Feinheiten entgehen mir dabei.
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Wichtig ist vor allem der erste Abschnitt, weil ich da Gabriel nicht von außen kritisiert habe, sondern streng bei seinen Voraussetzungen geblieben bin und wenn ich da etwas falsch verstanden habe, bitte gerne korrigieren, aber auch drauf eingehen und zeigen, wo der Fehler liegt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Mo 19. Feb 2018, 08:55

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 07:56
Das heißt aber, bezogen auf Welt nun Folgendes: Wenn jemand eine Theorie entwirft und hinschreibt, in der die Welt ein metaphysisches Ganzes ist, dann gibt es Welt als metaphysisches Ganzes. Wenn man nun sagt: "Ja, ja, jedoch nur im Sinnfeld der Theorie von X", aber nicht in allen, wird man Gabriels Voraussetzungen untreu. Denn existieren heißt eben gerade NICHT in allen Sinnfeldern erscheinen zu müssen, sondern in mindestens einem.
"Welt" ist nach Gabriel (zum Beispiel im Anschluss an Heidegger) definiert als Bereich aller Bereiche. Gabriel macht geltend, dass es nichts gibt, was unter diesen Begriff fällt, da er inkohärent ist. Wenn "Welt" in etwas vorkommt (egal was: Text, Bild, Gedanke, ...) dann fällt es eben nicht unter diesen Begriff. Wenn also jemand behauptet, es gibt in seinem Text, Gedanken, etc. die Welt als metaphysisches Ganzes, dann wird man nach Gabriels Theorie einfach darauf hinweisen, dass etwas was in etwas vorkommt nicht die Welt sein kann, weil diese nicht in einem Bereich vorkommt. Jeder Verweis auf den Bereich aller Bereiche endet in einem Widerspruch, das es diesen Bereich nicht geben kann. Das ist das, was die Theorie postuliert und genau das ist in deinen Beispielen auch der Fall. Also ist alles gemäß der Theorie.

Gabriels Theorie besagt schließlich nicht, dass man sich nicht irren kann. Wer behauptet, dass X in Y vorkommt, der irrt, wenn X eben nicht in Y vorkommt, sondern nur in seiner Behauptung (B). In B vorkommen ist nicht das selbe wie in Y vorkommen. Für die Welt liegt das noch mal anders. Sie kommt nämlich nirgends vor. Aber im Text vorkommen ist nicht nirgends vorkommen.

Die Unklarheit deines Argumentes ist, das du dabei stets versteckt mit zwei Existenzbegriffen arbeitest. Einen, der gemäß der Theorie geformt ist und einem, der mit Existieren schlechthin zu übersetzen wäre also den Bereichsbegriff ausspart: "Ja, ja, jedoch nur im Sinnfeld der Theorie von X", aber nicht in allen, wird man Gabriels Voraussetzungen untreu. Denn existieren heißt eben gerade NICHT in allen Sinnfeldern erscheinen zu müssen, sondern in mindestens einem." Denn daraus folgt eben nicht, dass die Welt schlechthin existiert, sondern bloß, dass sie (wie vorausgestzt) in der verfehlten Theorie vor kommt, aber nicht als Bereich aller Bereiche. Deswegen gibt es auch keinen Widerspruch.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 08:55
"Welt" ist nach Gabriel (zum Beispiel im Anschluss an Heidegger) definiert als Bereich aller Bereiche. Gabriel macht geltend, dass es nichts gibt, was unter diesen Begriff fällt, da er inkohärent ist. Wenn "Welt" in etwas vorkommt (egal was: Text, Bild, Gedanke, ...) dann fällt es eben nicht unter diesen Begriff.
Ist mir durchaus klar, den Gedanken hatte ich ja selbst nachgezeichnet.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 08:55
Wenn also jemand behauptet, es gibt in seinem Text, Gedanken, etc. die Welt als metaphysisches Ganzes, dann wird man nach Gabriels Theorie einfach darauf hinweisen, dass etwas was in etwas vorkommt nicht die Welt sein kann, weil diese nicht in einem Bereich vorkommt. Jeder Verweis auf den Bereich aller Bereiche endet in einem Widerspruch, das es diesen Bereich nicht geben kann. Das ist das, was die Theorie postuliert und genau das ist in deinen Beispielen auch der Fall. Also ist alles gemäß der Theorie.
Wenn ich eine Theorie entwerfe, die den Bereich aller Bereiche zu formuliert, oder Welt, oder ein metaphysisches Ganzes gibt es dann diesen Bereich gemäß Gabriel oder gibt es ihn nicht? Gemäß Gabriels Voraussetzungen einerseits nein, da er ja sagt, dieses letzte Ganze kann es nicht geben, alles zerfällt in Sinnfelder. Gemäß Gabriels Voraussetzungen andererseits aber auch doch, denn mit der Formulierung dessen, was es nicht gibt, ist es ja dennoch in der Welt.
Herr K. fragte wie es mit dem Sinnfeld der logisch unmöglichen Dinge sei, der viereckige Kreise usw, enthält. Es kann ihn logisch nicht geben, aber wenn nun in einem Buch Hexen als Lieblingszahl die Treizel haben (die es auch nicht geben kann) und besonders gerne mit viereckigen Kreisen spielen und über die Welt als metaphysisches Ganzes reden und was in ihr alles so der Fall ist, was dann?
Was davon gibt es nun, streng nach Gabriel, was nicht und aus welchem Grund?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 08:55
Die Unklarheit deines Argumentes ist, das du dabei stets versteckt mit zwei Existenzbegriffen arbeitest. Einen, der gemäß der Theorie geformt ist und einem, der mit Existieren schlechthin zu übersetzen wäre also den Bereichsbegriff ausspart: "Ja, ja, jedoch nur im Sinnfeld der Theorie von X", aber nicht in allen, wird man Gabriels Voraussetzungen untreu. Denn existieren heißt eben gerade NICHT in allen Sinnfeldern erscheinen zu müssen, sondern in mindestens einem." Denn daraus folgt eben nicht, dass die Welt schlechthin existiert, sondern bloß, dass sie (wie vorausgestzt) in der verfehlten Theorie vor kommt, aber nicht als Bereich aller Bereiche. Deswegen gibt es auch keinen Widerspruch.
Die Theorien sind ja nicht verfehlt.
Sie sind verfehlt, wenn es wahr ist, dass es die Welt nicht gibt, das muss sich aber erst erweisen, ist also selbst eine Theorie und darf nicht ungeprüft als Begründung verwendet werden, mit der man andere Theorien zurückweist. Da ist einfach eine petitio principii. Das solltest Du erkennen.
Ich könnte sagen, nach Wittgenstein erzählt Gabriel Stuss, denn Welt ist ganz einfach alles was der Fall ist. Es ist der Fall, dass Gabriel eine SFO vorgelegt hat, also ist wieder etwas mehr in der Welt. Absolut konsistent, geht nur von anderen Prämissen aus.
Die Konsistenz bei Gabriel sehe ich nicht, die Frage dazu habe ich oben gestellt.

Wären nun beide konsistent, etwas, was es in der Philosophie ja nun öfter gibt, hätte man immer noch die pragmatische Entscheidung, welche Theorie uns weiter hilft. Ich kann tatsächlich nicht sehen, wo die SFO Betrachtungen einfacher macht, oder Dinge erklärt, die bislang nicht erklärt werden konnten.
Die Kritik am "alten, ontologischen Denken" hat ja bereits Luhmann (und eigentlich schon zuvor Heidegger) formuliert und meinte Ähnliches, bei Luhmann sind es halt Systeme die sich ausdifferenzieren mit je eigene Verarbeitungsmodi (die Komplexität auf jeweilige Art reduizieren).
Doch der Verzicht auf übergeordnete Einheiten ist auch bei Luhmann problematisch, sich wechselseitig irritierende Systeme haben auch ihre Erklärungslücken, aber bleiben wir zunächst bei Gabriel.



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Mo 19. Feb 2018, 10:06

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 09:35
Wenn ich eine Theorie entwerfe, die den Bereich aller Bereiche zu formuliert, oder Welt, oder ein metaphysisches Ganzes gibt es dann diesen Bereich gemäß Gabriel oder gibt es ihn nicht?
Es gibt ihn gemäß Gabriel nicht.




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