Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 12. Aug 2017, 17:23
iselilja hat geschrieben : ↑ Sa 12. Aug 2017, 13:29
Mir geht es [...] darum, warum das für Perspektiven nicht genau so gilt.
Mir ist nicht ganz klar,
was für Perspektiven deiner Ansicht nach nicht genauso gilt.
Zum Thema Perspektiven ein Ausschnitt aus "Warum es die Welt nicht gibt" >>
"... ein einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen.
Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik.
Der Konstruktivismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario drei Gegenstände gibt: den Vesuv für Astrid, Ihren Vesuv und meinen Vesuv. Dahinter gebe es entweder überhaupt keinen Gegenstand oder doch keinen Gegenstand, den wir jemals zu erkennen hoffen könnten.
Der Neue Realismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario mindestens vier Gegenstände gibt: 1. Der Vesuv. 2. Der Vesuv von Sorrent aus gesehen (Astrids Perspektive). 3. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (Ihre Perspektive). 4. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (meine Perspektive).
Man kann sich leicht klarmachen, warum diese Option die beste ist. ..."
Ich sage es gleich zum Anfang.. es wird jetzt verwirrend, was aber daran liegt, dass hier praktisch in 5 Minuten ein weites Feld voller Begriffsinterpretationen abgearbeitet wird, dessen Komplexität man vermutlich vom bloßen Zuhören nicht begreifen kann.
Also.. ich hab mir jetzt nochmal die m.E. wichtigen Zusammenhänge angesehen (etwa 40:00 bis 45:00) und versuche sie mal aus meiner Sicht zu erläutern bzw. Fragen anzugeben, die mir dabei spontan in den Sinn kommen. Noch kurz als Anmerkung, ich habe das Buch, auf welches Du dich beziehst, nicht gelesen - muss mich also auf das Video halbwegs verlassen können, dass er dort im Groben nichts Widersprüchliches zu seinen Publikationen referiert. Aber wenn Du Textstellen aus den Büchern hast ist das natürlich umso hilfreicher.
40:00 Gabriel definiert: Existenz ist Erscheinung in einem Sinnfeld. (wobei er auch erklärt, dass Erscheinung hier eher ein notwendiger Arbeitsbegriff ist, um Mengenproblematiken fern zu halten)
40:50 MG zitiert Frege: Wenn etwas existiert, ist es aus einer bestimmten Perspektive beschreibbar (Frege selbst nennt Perspektiven Sinne).
Nachfolgend malt MG die 3 Quadrate an die Tafel und stellt die Frage "Wieviele Gegenstände sind/sehen Sie hier?" (Warum fragt MG hier nach Gegenständen und nicht etwa nach Quadraten? Inwiefern bliebe dann noch ein Sinnfeld?Hängen Sinnfelder also davon ab, wie konkret man Fragen konzipiert? Warum rekurriert er auf einen existierenden Gegenstand, wenn Existieren doch Erscheinung sein soll? Wie hätte Gabriel postum die Frage richtig stellen müssen, damit sie seiner These zufolge einen Sinn ergibt? Etwa so: Wieviele Sinnfelder erscheinen Ihnen hier? Oder so: Wieviele Sinne erscheinen Ihnen hier? Wäre es überhaupt möglich diese Frage ohne den Begriff Gegenstand verständlich zu formulieren? M.E. zeigt MG hier lediglich dass allgemeine Begriffe ein unbestimmtes aber dennoch begrenztes Feld von Konkreta umfasst.)
42:40 MG: aus der Perspektive der Erwartung, dass es sich bei den erfragten Gegenständen bspw. um Quadrate handelt
42:50 MG: Erwartungsperspektive = Sinn (etym: Sinn=Richtung)
Fazit (iselilja): Existenz ist Erscheinung in einem Erwartungsperspektivenfeld, sofern die Erwartungshaltung in allgemeinen Begriffen gefasst ist.
Jetzt noch kurz zu dem eigentlichen Punkt, den Du zurecht ansprachst. Wir hatten irgendwo weiter oben (glaube auf der 2. Seite im Thread) die Perspektivität schonmal angeschnitten. Da ging es darum, ob das was man aus einer Perspektive sieht auch tatsächlich da ist. o.s.ä. Später hatten wir dann festgestellt, dass MG das offenbar nicht so versteht wie wir - und ich habe daraus dann geschlussfolgert, dass er diese Art von Perspektivität gänzlich heraus halten will. Im Video selbst sagt er nichts dazu. Aber gut.. durch Deinen Textbeleg wird nun zumindest etwas klarer, dass er dies doch mit einbezieht in sein Verständnis.
ps: Jetzt gerade fällt mir auch auf, wo m.E. Gabriels Fehler liegt, denn die Perspektive des Betrachters fokussiert eben ein Konkreta und nichts allgemeines. Gabriel widerspricht also im Grunde im Vortrag seinen Ausführungen im Buch, welche du hier zitiert hast. Oder?