Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 23. Feb 2018, 15:16

Ok, alles klar.

Wichtiger als die Begriffsdefinition von 'Welt', auf der Gabriel sein Postulat aufbaut, es gebe sie nicht, sind die pluralistischen Existenzforderungen an die Ontologie. Dass es die Welt nicht gibt, dient natürlich auch als Aufhänger für die Vermarktung einer philosophischen Botschaft, die da nicht unbedingt lautet, dass es zwar alles gebe, nur nicht dieses Alles umfassende Alles, sondern vielmehr lautet die Botschaft: Jedem Sein entspreche sein Sinn, d.h. jedem Ding entspreche ein auf ihn als Einzelding zugeschnittenes 'Es gibt'. Und damit geht der argumentative Angriff der SFO nicht in erster Linie gegen den falsch verstandenen Weltbegriff, denke ich, sondern gegen die Einfältigkeit des Verständnisses, das z.B. die Naturwissenschaften entwickelt haben. Es ist ein Postulat gegen das monistische Seinsverständnis jeder Couleur. Und man mag der SFO, gut gemeint, Platonismus unterstellen, verkennt aber das Verwurzeltsein ihres vielfältigen Seinsverständnisses in einer einzigen Wirklichkeit. Die SFO postuliert keinen Dualismus von Ideenwelt und Dingwelt, sie postuliert überhaupt keine Mehrwelten-Lehre, sondern sie versucht, die Wirklichkeit in ihrer Verzweigtheit und Vieldeutigkeit zunächst zu respektieren, und dann vielleicht, sie dergestalt darzustellen, wie sie ist.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23271
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 23. Feb 2018, 15:26

Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:16
Dass es die Welt nicht gibt, dient natürlich auch als Aufhänger für die Vermarktung einer philosophischen Botschaft, die da nicht unbedingt lautet, dass es zwar alles gebe, nur nicht dieses Alles umfassende Alles, sondern ...
Die Botschaft, dass es die Welt nicht gibt, ist natürlich eine Irritation und ist somit sicher auch ein Marketing Clou. Wenn man aber die Betonung auf das "die" legt, dann hat man die wichtigste Botschaft schon in nuce: Warum es die Welt nicht gibt, sondern viele, viele verschiedene Welten.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 23. Feb 2018, 17:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:26
Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:16
Dass es die Welt nicht gibt, dient natürlich auch als Aufhänger für die Vermarktung einer philosophischen Botschaft, die da nicht unbedingt lautet, dass es zwar alles gebe, nur nicht dieses Alles umfassende Alles, sondern ...
Die Botschaft, dass es die Welt nicht gibt, ist natürlich eine Irritation und ist somit sicher auch ein Marketing Clou. Wenn man aber die Betonung auf das "die" legt, dann hat man die wichtigste Botschaft schon in nuce: Warum es die Welt nicht gibt, sondern viele, viele verschiedene Welten.
Bist du sicher, dass Gabriel 'viele, viele verschiedene Welten' im Blick hat? Ich wäre ja damit einverstanden, wenn man Welt in diesem Zusammenhang im
übertragenen Sinn verstünde, z.B. die Welt der Musik oder die Welt der Kunst oder die Welt der Bücher etc., nicht aber im Sinne von Bereichen, die Bereiche in sich fassen und umschliessen und daher monadenhafte 'Abgerundetheiten' bilden, also nicht in sich abgeschlossene Bereiche. Oder was meinst du mit 'Welten'?



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 23. Feb 2018, 17:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Feb 2018, 05:24
Nach dem Ansatz der SFO ist der Begriff Universum nicht synonym mit den Begriff Welt. In "Warum es die Welt nicht gibt" schreibt Markus Gabriel dazu: "Heutzutage sprechen wir etwa bedeutungsvoll vom »Universum« und meinen damit jene unendlichen Weiten, in denen zahllose Sonnen und Planeten ihre Bahn ziehen und die Menschen in einem ruhigen Seitenarm der Milchstraße ihre bescheidene Zivilisation aufgebaut haben. Das Universum existiert auch tatsächlich. Ich werde nicht behaupten, dass es keine Galaxien oder Schwarzen Löcher gibt. Aber ich behaupte, dass das Universum nicht das Ganze ist. Genau genommen ist das Universum ziemlich provinziell. Unter dem Universum hat man sich den experimentell erschließbaren Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften vorzustellen. Doch die Welt ist erheblich größer als das Universum. Zur Welt gehören auch Staaten, Träume, nicht realisierte Möglichkeiten, Kunstwerke und insbesondere auch unsere Gedanken über die Welt. ..."
Wenn man Welt und Universum nicht gleichsetzt, sondern das Universum als einen Bereich eigenen Rechts begreift, z.B. der physikalischen Gegebenheiten, dann verstehe ich deinen Einwand. Wenn man hingegen Universum als denjenigen Bereich deutet, der 'in sich gewendet' alles andere einschliesst, sozusagen als den Ort, an dem sich alle Wirklichkeit ausdehnt, dann wäre es jedenfalls unter Anwendung der Argumente der SFO falsch zu behaupten, es gebe dieses Universum. Ich bin auch dafür zu unterscheiden, dass das Weltall nicht das 'Weltalles' meint.

Aber wir sollten an diesem
Punkt angelangt versuchen, den Kritikern der SFO und uns selbst zu erklären, wie diese Phänomene, die nicht in den Unendlichkeiten von Raum und Zeit vorkommen, erscheinen können. Wo kommt die 3 vor, wo kommen Gedanken vor? Es ist sicherlich legitim zu fragen, wo, wenn nicht irgendwo im Universum, die ausdehnungslosen und unzeitigen Tatsachen vorkommen?



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23271
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 23. Feb 2018, 18:45

Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 17:11
Wenn man hingegen Universum als denjenigen Bereich deutet, der 'in sich gewendet' alles andere einschliesst, sozusagen als den Ort, an dem sich alle Wirklichkeit ausdehnt, dann wäre es jedenfalls unter Anwendung der Argumente der SFO falsch zu behaupten, es gebe dieses Universum. Ich bin auch dafür zu unterscheiden, dass das Weltall nicht das 'Weltalles' meint.
Ich befürchte, das verstehe ich nicht :-(

Wie auch immer: Gabriel leugnet natürlich nicht, dass es Planeten, Sonnensysteme und dergleichen gibt, das wäre ja ziemlich irre :-) Für das Universum ergeben sich auch nicht die gleichen logischen Probleme wie für die Welt. Allerdings sind die Fragen, was jenseits des Universums sein soll (das Nichts?) und was vor dem Urknall sein soll (die absolute Symmetrie) auch aufregend und beschäftigen sicher die Naturwissenschaftler, schätze ich.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 23. Feb 2018, 20:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 18:45
Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 17:11
Wenn man hingegen Universum als denjenigen Bereich deutet, der 'in sich gewendet' alles andere einschliesst, sozusagen als den Ort, an dem sich alle Wirklichkeit ausdehnt, dann wäre es jedenfalls unter Anwendung der Argumente der SFO falsch zu behaupten, es gebe dieses Universum. Ich bin auch dafür zu unterscheiden, dass das Weltall nicht das 'Weltalles' meint.
Ich befürchte, das verstehe ich nicht :-(

Wie auch immer: Gabriel leugnet natürlich nicht, dass es Planeten, Sonnensysteme und dergleichen gibt, das wir ja ziemlich irre :-) Für das Universum ergeben sich auch nicht die gleichen logischen Probleme wie für die Welt. Allerdings sind die Fragen, was jenseits des Universums sein soll (das Nichts?) und was vor dem Urknall sein soll (die absolute Symmetrie) auch aufregend und beschäftigen sicher die Naturwissenschaftler, schätze ich.
Ich meinte es so, dass man unter Universum die Welt verstehen könnte insofern, als man mit Universum das Eine bezeichnen würde, darunter man gemeinhin die Welt versteht. Dann wäre es laut SFO konsequent zu sagen, es gebe dieses Universum nicht.

Aber wenn wir sagen, es gebe hier das Universum und daneben noch andere Bereiche, die nicht Teil dieses Universums sind, dann müssen wir angeben können, wo sich z.B. der logische Raum befindet. Er kann ja unmöglich neben dem Asteroidengürtel oder neben dem Orion-Nebel existieren :-) Natürlich ist das keine Frage des Ortes, aber es ist eine Frage der ontologischen Verortung nichtphysikalischer Objekte. Wir sollten einen Erklärungsversuch starten, damit es für Physikalisten denkbar wird, dass man zur Überzeugung gelangen kann, es gebe nicht nur einen physikalischen Seinsgrund.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Sa 24. Feb 2018, 08:15

Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:16
Wichtiger als die Begriffsdefinition von 'Welt', auf der Gabriel sein Postulat aufbaut, es gebe sie nicht, sind die pluralistischen Existenzforderungen an die Ontologie. Dass es die Welt nicht gibt, dient natürlich auch als Aufhänger für die Vermarktung einer philosophischen Botschaft, die da nicht unbedingt lautet, dass es zwar alles gebe, nur nicht dieses Alles umfassende Alles, sondern vielmehr lautet die Botschaft: Jedem Sein entspreche sein Sinn, d.h. jedem Ding entspreche ein auf ihn als Einzelding zugeschnittenes 'Es gibt'. Und damit geht der argumentative Angriff der SFO nicht in erster Linie gegen den falsch verstandenen Weltbegriff, denke ich, sondern gegen die Einfältigkeit des Verständnisses, das z.B. die Naturwissenschaften entwickelt haben.
Mag sein, dass das so gewollt ist, aber auf die Art greift es nicht. Denn, entweder Sinn hat - wenn es um physische Einzeldinge geht - die Bedeutung der Relation. Das wäre aber etwas, was Naturalisten selbstverständlich annehmen: sämtliche vier Grundkräfte der Naturwissenschaften setzen Relationen voraus.
Zweitens. Dass der Sinn eine ontologische Vorgabe in einem Sinne der Interpretationsreichweite, durch das was ist, sei, wäre für Naturalisten nichts aus ihrem Ressort und eine Notwendigkeit Außerphysikalisches zu postulieren, ergibt sich für sie daraus einfach nicht.
Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:16
Es ist ein Postulat gegen das monistische Seinsverständnis jeder Couleur. Und man mag der SFO, gut gemeint, Platonismus unterstellen, verkennt aber das Verwurzeltsein ihres vielfältigen Seinsverständnisses in einer einzigen Wirklichkeit. Die SFO postuliert keinen Dualismus von Ideenwelt und Dingwelt, sie postuliert überhaupt keine Mehrwelten-Lehre, sondern sie versucht, die Wirklichkeit in ihrer Verzweigtheit und Vieldeutigkeit zunächst zu respektieren, und dann vielleicht, sie dergestalt darzustellen, wie sie ist.
Da passt doch überhaupt nichts zusammen.
Die SFO ist gegen den Monismus, ja.
Und gut gemeint, oder nicht: Ihr Patonismus zu unterstellen, ist einfach die logische Konsequenz, aus der Aussage kein Monist zu sein.
Bzw.: Es besteht die Möglichkeit, dass es einen monistischen Platonismus gibt, das wäre einfach das monistische Pendant zum Physikalismus.
Der Physikalismus (auch Monismus von unten) sagt letztlich, dass alles Materie in Aktion ist. Ob Logik, Phantasie, Geistersehen, all das ist nur von Materie in Aktion, nichts kommt irgendwie zum rein physischen Universum dazu.
Der Platonistmus ist in monistischer Variante (von oben) die Theorie, dass alles Geist in Aktion ist. Daher nennt man ihn auch Idealismus, Spiritualismus, Panpsychismus und dgl.

Der Platonismus kann allerdings auch dualistisch oder pluralistisch auftreten. Dualismus und Pluralismus sind keine nicht prinzipiell unterschiedlich, sondern einfach die Gegenthese zum Monismus. Monismus = alles ist eins, ein Stoff. Dualismus/Pluralismus = Es gibt mehrere echte Seinsarten, "Stoffe". Z.B. wie im klassischen Dualismus, dass es neben der Materie auch noch Geist gäbe und beide etwas wesensmäßig/seinsmäßig unterschiedlich seien.

Wer sagt, es gäbe neben der Physis eine Welt der Zahlen, sowie eine fiktionale Welt die nichts mit der Physis und zu tun hätten, ist Platonist. Ganz technisch. Ob man das nun gut meint, oder nicht, ist irrelevant.
Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 15:16
Die SFO postuliert keinen Dualismus von Ideenwelt und Dingwelt, sie postuliert überhaupt keine Mehrwelten-Lehre ...
Mal abgesehen davon, dass das mit Blick auf das, was Gabriel sagt, nicht stimmt: Wäre es so, dann wäre Gabriel Monist.
Wer weder Dualismus noch Pluralismus in einem ontologischen Sinne postuliert, ist zwingend Monist, was sollte er sonst sein?
Wer nichts vom Tier isst und verwendet ist Veganer, wer Fleischroulade mit Hackfüllung isst, kann kein Veganer sein.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 24. Feb 2018, 08:39, insgesamt 2-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Sa 24. Feb 2018, 08:18

Alethos hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2018, 17:11
Aber wir sollten an diesem Punkt angelangt versuchen, den Kritikern der SFO und uns selbst zu erklären, wie diese Phänomene, die nicht in den Unendlichkeiten von Raum und Zeit vorkommen, erscheinen können. Wo kommt die 3 vor, wo kommen Gedanken vor?
:idea: Das wäre dann wirklich der Beginn einer Diskussion.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 24. Feb 2018, 08:39

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:15
Wer weder Dualismus noch Pluralismus in einem ontologischen Sinne postuliert, ist zwingend Monist, was wollte er sonst sein?
Pluralismus meint nicht, dass es verschiedene Welten oder Wirklichkeiten gibt, sondern dass die Wirklichkeit eine einzige ist, aber dass die Einzeldinge in einem vielfältigen Seinssinn in ihr verwurzelt sind.

Es ist durchaus möglich, eine einzige Wirklichkeit zu postulieren und gleichzeitig das pluralistische Sein der Einzeldinge zu erfassen.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Sa 24. Feb 2018, 08:46

Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:39
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:15
Wer weder Dualismus noch Pluralismus in einem ontologischen Sinne postuliert, ist zwingend Monist, was wollte er sonst sein?
Ein ontologischer Pluralist. Pluralisus meint nicht, dass es verschiedene Welten oder Wirklichkeiten gibt, sondern dass die Wirklichkeit eine einzige ist, aber dass die Einzeldinge in einem vielfältigen Seinssinn in ihr verwurzelt sind.
Dann ist das eine Stelle an der wir nicht weiter kommen werden, denn das ist für mich keine Ontologie.
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:39
Es ist durchaus möglich, eine einzige Wirklichkeit zu postulieren und gleichzeitig das pluralistische Sein der Einzeldinge zu erfassen.
Das ist m.E. das was Naturalisten heute tun und da sehe ich dann keinen Unterschied, wenn Gabriel nur das meinte.
Naturalisten glauben, dass es eine Wirklichkeit gibt, aber diverse Fachdisziplinen, die dieser einen Wirklichkeit Ergebnisse aus verschiedenen Perspektiven abgewinnen. Die gehen mit Zwängen auch zum Psychiater und nicht zum Kernphysiker.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 24. Feb 2018, 08:59

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:46
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:39
Es ist durchaus möglich, eine einzige Wirklichkeit zu postulieren und gleichzeitig das pluralistische Sein der Einzeldinge zu erfassen.
Das ist m.E. das was Naturalisten heute tun und da sehe ich dann keinen Unterschied, wenn Gabriel nur das meinte.
Naturalisten glauben, dass es eine Wirklichkeit gibt, aber diverse Fachdisziplinen, die dieser einen Wirklichkeit Ergebnisse aus verschiedenen Perspektiven abgewinnen. Die gehen mit Zwängen auch zum Psychiater und nicht zum Kernphysiker.
'Abgewinnen' ist Sache des epistemologischen Pluralismus. Dass es da aber Unterschiedliches gibt, das die Epistemologie zur Erkenntnis befördern kann, liegt an der Ontologie, die es hergibt.

Es gibt Zahlen und sie sind nicht raumzeitliche Dinge wie Sterne oder Planeten oder Rosen im Garten. Es gibt fiktionale Geschichten und sie handeln von fiktiven Geschehnissen, auch diese Fiktionalität kommt nicht im selben Bereich vor wie Atome. Die Wirklichkeit ist ontologisch vielfältig strukturiert, d.h. nicht jedem Ding kommt zu, physikalisch begründet zu sein. Deshalb ist die SFO auch keine monistische Theorie.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Sa 24. Feb 2018, 09:21

Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:59
'Abgewinnen' ist Sache des epistemologischen Pluralismus.
Eben.
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:59
Dass es da aber Unterschiedliches gibt, das die Epistemologie zur Erkenntnis befördern kann, liegt an der Ontologie, die es hergibt.
Dein Vorschlag, diese Behauptungen nun auch zu belegen, ist ja gut und richtig.
Ich kann alles zur eigenen Welt ausrufen, wenn ich andere mitnehmen will, muss ich nur erklären, was ich damit meine.
Auch wie es möglich ist, dass etwas ontologisch etwas ganz anderes ist, dann aber das ganz andere in den an sich getrennten Sinnfeldern vorkommt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:59
Es gibt Zahlen und sie sind nicht raumzeitliche Dinge wie Sterne oder Planeten oder Rosen im Garten.
Das ist aber nur eine These.
Die Gegenthese ist, dass Zahlen nur Systematisierungen von Welt sind. Zahlen sind dann eine Konsequenz erkennender Wesen und existieren nicht in einer getrennten, anderen Welt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:59
Es gibt fiktionale Geschichten und sie handeln von fiktiven Geschehnissen, auch diese Fiktionalität kommt nicht im selben Bereich vor wie Atome.
Aber wenn alle Atome weg sind, sind die Geschichten auch weg.
Oder existieren sie noch irgendwo? Wo?
Alethos hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2018, 08:59
Die Wirklichkeit ist ontologisch vielfältig strukturiert, d.h. nicht jedem Ding kommt zu, physikalisch begründet zu sein. Deshalb ist die SFO auch keine monistische Theorie.
Die SFO möchte kein Monismus sein, müsste dann nur über die Existenzbedingungen und Seinsweisen dieser anderen Welten aufklären.

Was macht die anderen Welten anders. Warum haben wir Zugang zu ihnen, da wir doch physische Wesen sind? Wie können sie in anderen Sinnfeldern vorkommen? In dem Sinne, dass das mehr als Perspektiven oder Betrachtungsweisen sind.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23271
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 25. Feb 2018, 11:15

Auch wie es möglich ist, dass etwas ontologisch etwas ganz anderes ist, dann aber das ganz andere in den an sich getrennten Sinnfeldern vorkommt.
Hast du Zitate, die zeigen, dass Gabriel davon ausgeht Sinnfelder seien generell an sich von einander getrennt? Könntest du an einem Beispiel erläutern, was du damit meinst, nämlich an dem Beispiel mit den Quadraten an der Tafel? Also inwiefern sind bei diesem Beispiel die fraglichen Sinnfelder an sich getrennt? Was soll das bedeuten? Wie soll ich mir das vorstellen? Und was ist das Problem, was du dabei siehst.




Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

So 25. Feb 2018, 12:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 11:15
Hast du Zitate, die zeigen, dass Gabriel davon ausgeht Sinnfelder seien generell an sich von einander getrennt?
Er spricht von Ontologie.
Sind sie nicht getrennt, wären sie eins und da sehe ich dann keine ontologischen Unterschiede.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 11:15
Könntest du an einem Beispiel erläutern, was du damit meinst, nämlich an dem Beispiel mit den Quadraten an der Tafel? Also inwiefern sind bei diesem Beispiel die fraglichen Sinnfelder an sich getrennt? Was soll das bedeuten? Wie soll ich mir das vorstellen? Und was ist das Problem, was du dabei siehst.
Das Problem, was ich daran sehe, ist, dass ich eine Veränderung der Perspektive, also was die Qudrate angeht: etwas als Quadrat, Linie, Kreidespur, Atome ... anzusehen in gar keiner Weise als ontologisch unterschiedlich ansehe. Ich fokussiere dann nur meine Betrachtung auf einen anderen Bereich.
Zu sagen jemand sei 80kg schwer oder Ehemann, ist m.E. auch keine ontologische Trennung, obwohl Ehemann nichts ist, was in der Physik vorkommt.

Generell: Wenn Sinnfelder nicht voneinander getrennt sind, sind sie notgedrungen Teile einer Welt, bis erklärt wird, warum sie das nicht sind.
Für die Logik könnte man bspw. den Eindruck haben, es handle sich um eine eigene Welt, nur werden die Konzepte von Frege und Husserl heute eben tendenziell nicht mehr ernst genommen (wie im Psychologismus Thread mehrfach ausgeführt) und die zum Platonismus (Logik ist eine eigene Welt) alternative Erklärung lautet, dass diese eine gedankliche Abstraktionsleistung von Alltagspraktiken ist, was auch für Zahlen gelten könnte.

So steht einfach Behauptung gegen Behauptung und eben die eine Einschätzung, dass ein Rechenvorgang nicht von dieser Welt ist (ontologisch anders) gegen die, dass er es doch ist. Schön wäre es daher, wenn mal erklärt wird, wie Alethos vorschlug, was eigene Welten erkennbar macht.
Warum etwas, was an Materie gebunden ist nun einen ontologisch anderen Status haben soll, ist mir zudem noch immer nicht klar.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Herr K.
Beiträge: 550
Registriert: So 13. Aug 2017, 21:45

So 25. Feb 2018, 13:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Feb 2018, 05:58
Herr K. hat geschrieben :
Do 22. Feb 2018, 00:00
Selbst im Rahmen der SFO gibt es die Welt: in diesem Rahmen ist sie die mereologische Summe aller Sinnfelder, in kurz: alle Sinnfelder.
Die Mereologie untersucht das Verhältnis von Teil und Ganzem. Eine mereologische Summe ist die Bildung eines Ganzen durch die Verbindung mehrerer Teile. Beliebige Teile aggregiert, ergeben nicht automatisch eine mereologische Summe. Dass es indefinit viele Sinnfeld gibt, meint Gabriel selbst auch. Daraus folgt allerdings keineswegs, dass diese zusammen ein Ganzes bilden.
Die mereologische Summe aller Sinnfelder ist sehr wohl deren Aggregation, wobei kein neues Ganzes entsteht. Und wobei es unerheblich ist, ob es unendlich bzw. undefinit viele Sinnfelder gibt oder nicht.

In dem Sinne gäbe es also die Welt auch in der SFO. Es könnte sie in der SFO jedoch nicht in diesem Sinne geben: als Sinnfeld aller Sinnfelder, das sich selber als echten Teil enthält.

Nun nochmal meine Frage: in welchem Sinnfeld erscheint das Universum? Da laut SFO nur das existiert, das in einem Sinnfeld erscheint, muss es ja folglich auch ein Sinnfeld geben, in dem das Universum erscheint - so man denn meinte, das Universum existiere. Welches ist also dasjenige Sinnfeld, in dem das Universum erscheint?

(Anmerkung, [ist hier nicht so wichtig]: unter "Universum" verstehe ich nicht, wie Gabriel, "den experimentell erschließbaren Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften", sondern mit der Wikipedia "die Gesamtheit von Raum, Zeit und aller Materie und Energie darin".)

Und ich habe noch eine Frage: gibt es ein Sinnfeld, in dem alle diejenigen Gegenstände erscheinen, die für Menschen verstehbar sind und die somit Gegenstand einer Rede sein können? Das wäre wohl ein ziemlich umfassendes Sinnfeld, aber wenn es das nicht geben kann: warum nicht? Wie lauten die Kriterien, nach denen man x und y einteilen kann in "ist ein Sinnfeld" und "ist kein Sinnfeld" - falls nicht alle denkbaren Kombinationen von Gegenständen zu einem Sinnfeld gehören?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23271
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 25. Feb 2018, 15:07

Herr K. hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 13:00
Und ich habe noch eine Frage
Warum eigentlich?




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 25. Feb 2018, 16:50

Tosa Inu hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 12:48
Das Problem, was ich daran sehe, ist, dass ich eine Veränderung der Perspektive, also was die Qudrate angeht: etwas als Quadrat, Linie, Kreidespur, Atome ... anzusehen in gar keiner Weise als ontologisch unterschiedlich ansehe.
Dass Perspektiven verschiedene Sinne erfassen können, sagt ja noch nichts über die Ontologie des perspektivisch Erfassten aus, oder? Wenn da nur eine Linie wäre, würdest du auch nur eine Linie sehen und nicht etwa ein Quadrat.

Der Punkt ist der: Dass wir auf etwas einen besonderen Blick werfen können, bedeutet nicht, dass dessen Sein durch den Blick in die Sache gelegt wird. Es wird nicht ein Ehemann dadurch ein Ehemann, dass ich von ihm als solchen rede oder ihn als solchen betrachte. Er ist zugleich Mensch, Mann, biologische Masse, vielleicht Vater, Berufssoldat und auch noch Ex-Kriegsgefangener, Deutscher oder Syrier, Linkshänder und Gitarrenspieler. Dass er das alles ist, gehört zu seiner Ontologie. Zu wissen, dass er Gitarre spielt, ist keine notwendige Bedingung dafür, dass er Gitarre spielt, noch ist es die Perspektive auf ihn.

Das vielfältige Sein, oder besser, die vielfältige Eingelassenheit des Seins in seine jeweiligen Sinne ergibt sich doch durch die Sache selbst. Die drei Quadrate auf der Tafel zeigen das ja eindrücklich: Sie sind sowohl weisse Striche wie auch Kreidestaub, sie sind Formen, aber auch Atome, sie sind deren drei in Bezug auf das Quadratsein, sie überhaupt keine Quadrate in Bezug auf das Kreidestaubsein.

Nicht erst dadurch, dass ich frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' gibt es von demjenigen so und so viel. Vielmehr ist es so, dass die Frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' anzeigt, in welchem Sinne der Gegenstand dahingehend zu untersuchen ist, damit die Untersuchung die richige Antwort liefern kann. Es ist ja nicht dasselbe, ob ich frage: 'Wie viele Ecken gibt es auf der Tafel?' oder ob die Frage lautet: 'Wie viele Quadrate gibt es auf der Tafel?' Die je verschiedenen Fragen zielen auf je andere Gegenstände, aus denen ein Gegenstand zusammensetzt sein kann. Der Gegenstand erscheint also zusammengesetzt aus vielfältigen Seinsbereichen, darunter die in den Blick genommene Perspektive jeweils nur eine ist.

Im Fall der auf die Tafel gezeichneten Quadrate überlappen sich Kreidestaub, Atome und die Zahl drei, das ist nicht zufällig, denn diese Quadrate sind drei und sind aus Kreide gezeichnet. Es ist nun deshalb nicht so, dass die Drei und der Kreidestaub voneinander getrennt sind, sondern sinnvereinigt in der Erscheinung der drei aus Kreide gezeichneten Quadrate vorkommen. Aber sie sind vereinigt durch die Ontologie der Gegenstände und nicht durch die Perspektive des Betrachters. Wäre dort ein Quadrat erst, wenn ich nach Quadraten fragte, hätte dieses Quadrat als ideell zu gelten, insofern das Quadrat erst entsteht, sobald es die Idee von ihm gibt.

Nun kann man weiter feststellen, dass die Sinnfelder übereinander gelegt erscheinen, ohne zwingend übereinander gelegt zu sein. Die Quadrate könnten auch mit Farbe an die Tafel gemalt sein, so dass Kreidestaub auf der Tafel überhaupt nicht vorkommt. Es könnten sich dort vier Quadrate befinden, so dass die Drei nicht vorkommt und es könnte sich um ein erdachtes Quadrat handeln, so dass dort Atome nicht als Teil dieses Quadrats vorkommen (weil dort kein Quadrat ist, sondern nur im Gedanken). Es zeigt sich, dass das Sosein der Gegenstände, wie wir konkret vorfinden, betreffend die Erkenntnis, die wir von ihnen haben, zwingend so zusammengesetzt erscheinen müssen, insofern sie so sind, wie sie sind. Aber es zeigt sich auch, dass ihre Ontologie kontingent ist: Sie könnten auch andere Dinge sein, erst, wenn sie andere Dinge sind. Und sie könnten andere Dinge zugleich sein, weil die Ontologie eine Art Modularität aufweist, durch die es möglich wird, dass ein Ding dieses konkret Sinnhafte ist und zugleich dieses andere Ding. Das, als was ein Einzelding erfasst wird, zeigt sich an einer bestimmten Perspektive auf dieses Ding, als Bündelung der vielfältigen Ebenen des Dings. Darum aber ist ein Einzelding nicht jeweils nur dieses Einzelne, sondern die Folge seiner sinnpluralen Existenz.

Was wir also als Einzelding klassifizieren, ist je nur ein hervorgehobener Aspekt des vielfältigen Seins der Bereiche, aus denen er sich zusammensetzt, und diese Bereiche haben ihren Grund nicht in der Physik allein, sondern in vielen Bereichen eigenen Rechts, darunter der physikalische einer ist.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

So 25. Feb 2018, 20:02

Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Dass Perspektiven verschiedene Sinne erfassen können, sagt ja noch nichts über die Ontologie des perspektivisch Erfassten aus, oder? Wenn da nur eine Linie wäre, würdest du auch nur eine Linie sehen und nicht etwa ein Quadrat.
Das hängt wohl stark vom Ontologiebegriff ab, den man vertritt.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Der Punkt ist der: Dass wir auf etwas einen besonderen Blick werfen können, bedeutet nicht, dass dessen Sein durch den Blick in die Sache gelegt wird. Es wird nicht ein Ehemann dadurch ein Ehemann, dass ich von ihm als solchen rede oder ihn als solchen betrachte. Er ist zugleich Mensch, Mann, biologische Masse, vielleicht Vater, Berufssoldat und auch noch Ex-Kriegsgefangener, Deutscher oder Syrier, Linkshänder und Gitarrenspieler. Dass er das alles ist, gehört zu seiner Ontologie. Zu wissen, dass er Gitarre spielt, ist keine notwendige Bedingung dafür, dass er Gitarre spielt, noch ist es die Perspektive auf ihn.
Richtig, man ist all das zugleich und nicht dadurch, dass es jemand von einem sagt, sondern dadurch, dass es tatsächlich so ist.
Das wäre dann wieder ein referentieller Ansatz, der zu unterscheiden ist von einem schöpferischen Ansatz, bei dem etwas auf einmal tatsächlich und nur dadurch exstieren soll, weil man drüber redet. Der Unterschied soll dann in den Welten/Sinnfeldern liegen. Dass führt dann zu Sätzen, dass es in ... hm was auch immer Alltagswelt(?) falsch ist, dass Herr K. eine Schwester hat (denn physische Welt ist fragwürdig, es ist ja kaum eine physische Eigenschaft Schwester zu sein), in der (aber eigentlich in nur einer) fiktionalen Welt aber wäre es wahr.
Das kann man nun explodieren lassen, weil ja jeder, der darüber schreiben möchtre, ob Herr K. nun eine Schwester hat ein eigenes Sinnfeld erzeugt (oder nicht, oder doch?), indefinit oft. Statistisch würde es also indefinit viele Welt geben in denen Herr K. eine Schwester hat und ebenso viele, in denen das nicht der Fall ist. Erkenntnisgewinn gleich Null, würde ich sagen. Wäre da nicht diese eine Welt, der wir alle den ontologischen Vorrang geben.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Das vielfältige Sein, oder besser, die vielfältige Eingelassenheit des Seins in seine jeweiligen Sinne ergibt sich doch durch die Sache selbst. Die drei Quadrate auf der Tafel zeigen das ja eindrücklich: Sie sind sowohl weisse Striche wie auch Kreidestaub, sie sind Formen, aber auch Atome, sie sind deren drei in Bezug auf das Quadratsein, sie überhaupt keine Quadrate in Bezug auf das Kreidestaubsein.
Ich bin damit einverstanden, sehe das eben nur als Perspektiven oder Betrachtungsweisen an.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Nicht erst dadurch, dass ich frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' gibt es von demjenigen so und so viel. Vielmehr ist es so, dass die Frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' anzeigt, in welchem Sinne der Gegenstand dahingehend zu untersuchen ist, damit die Untersuchung die richige Antwort liefern kann. Es ist ja nicht dasselbe, ob ich frage: 'Wie viele Ecken gibt es auf der Tafel?' oder ob die Frage lautet: 'Wie viele Quadrate gibt es auf der Tafel?' Die je verschiedenen Fragen zielen auf je andere Gegenstände, aus denen ein Gegenstand zusammensetzt sein kann. Der Gegenstand erscheint also zusammengesetzt aus vielfältigen Seinsbereichen, darunter die in den Blick genommene Perspektive jeweils nur eine ist.
Das ist eine komplizierte Frage, inwieweit es ein Sein der Dinge an sich (nicht um Kantschen Sinne gemeint) gibt, oder inwieweit unsere Betrachtung etwas erst dazu macht.
Weil wir trinken müssen, können geöffnete Hohlräume als Trinkgefäß fungieren, eine Funktion, die für Roboter völlig sinnlos sein könnte.
Man kann es jedoch weiter fassen und einen prinzipiellen Archetypus der bergenden Schale propagieren, die generell und formbedingt mehr ist, als ein Trinkgefäß. Es könnte ja wirklich sein, dass sich bestimmte Formen oder Muster immer und überall verwirklichen und dass das nicht nur für Fische, Menschen und Roboter gilt, sondern für alles irgendwo Existierende. Das wäre Muster die überall durchdrücken und wenn wir Repräsentaten dieser Prinzipen überall fänden, das wäre schon was.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Im Fall der auf die Tafel gezeichneten Quadrate überlappen sich Kreidestaub, Atome und die Zahl drei, das ist nicht zufällig, denn diese Quadrate sind drei und sind aus Kreide gezeichnet. Es ist nun deshalb nicht so, dass die Drei und der Kreidestaub voneinander getrennt sind, sondern sinnvereinigt in der Erscheinung der drei aus Kreide gezeichneten Quadrate vorkommen. Aber sie sind vereinigt durch die Ontologie der Gegenstände und nicht durch die Perspektive des Betrachters. Wäre dort ein Quadrat erst, wenn ich nach Quadraten fragte, hätte dieses Quadrat als ideell zu gelten, insofern das Quadrat erst entsteht, sobald es die Idee von ihm gibt.
Ja, ist aber die Frage, wie man auf diese geomterischen Flächen und Körper gekommen ist.
Eine Frage nach Winkeln, Längenverhältnissen ... durchaus faszinierend, wenn man sich Tonhöhen und Längenverhältnisse anschaut, aber die Frage bleibt, ob und inwiefern das eigene Welten sind. Es gibt ja jede Mengen spannnender Beziehungen zwischen den Dingen der Welt und man fragt sich von jeher, wie das alles kommt, Masterplan oder (sich stabilisierender) Zufall.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Nun kann man weiter feststellen, dass die Sinnfelder übereinander gelegt erscheinen, ohne zwingend übereinander gelegt zu sein. Die Quadrate könnten auch mit Farbe an die Tafel gemalt sein, so dass Kreidestaub auf der Tafel überhaupt nicht vorkommt. Es könnten sich dort vier Quadrate befinden, so dass die Drei nicht vorkommt und es könnte sich um ein erdachtes Quadrat handeln, so dass dort Atome nicht als Teil dieses Quadrats vorkommen (weil dort kein Quadrat ist, sondern nur im Gedanken). Es zeigt sich, dass das Sosein der Gegenstände, wie wir konkret vorfinden, betreffend die Erkenntnis, die wir von ihnen haben, zwingend so zusammengesetzt erscheinen müssen, insofern sie so sind, wie sie sind.
Ja, den Gedanken finde ich durchaus gut, dass die Dinge jeweils nur einen gewissen Interpretationsspielraum zulassen.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Aber es zeigt sich auch, dass ihre Ontologie kontingent ist: Sie könnten auch andere Dinge sein, erst, wenn sie andere Dinge sind. Und sie könnten andere Dinge zugleich sein, weil die Ontologie eine Art Modularität aufweist, durch die es möglich wird, dass ein Ding dieses konkret Sinnhafte ist und zugleich dieses andere Ding. Das, als was ein Einzelding erfasst wird, zeigt sich an einer bestimmten Perspektive auf dieses Ding, als Bündelung der vielfältigen Ebenen des Dings. Darum aber ist ein Einzelding nicht jeweils nur dieses Einzelne, sondern die Folge seiner sinnpluralen Existenz.
Aber schau doch mal, ob diese sinnpliurale Existent durch irgendwas anderes ins Sein tritt, außer durch den Blick intelligibler Wesen?
Man kann auch da durchaus ansetze und sagen, dass sich eben bestimmte Bereiche nicht von selbst erschließen. Wilber unterscheidet z.B. die Augen des Fleisches, dass was man sehen kann, von denen des Geistes, aus etwas z.B. einen Kreis oder ein Gesetz anzuleiten und die Augen der Kontemplation, die in meditativer Versenkung noch mal anderes sehen. Aber man muss dann eben auch sagen, was gemeint ist.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Was wir also als Einzelding klassifizieren, ist je nur ein hervorgehobener Aspekt des vielfältigen Seins der Bereiche, aus denen er sich zusammensetzt, und diese Bereiche haben ihren Grund nicht in der Physik allein, sondern in vielen Bereichen eigenen Rechts, darunter der physikalische einer ist.
Ja.
Ich bin eine Person, aber eben auch nur Repräsentant eines juristischen Einzeldings, der Person.
Ein Geschöpf aus der juristische Sphäre, aber gibt es ohne Menschen irgendwo eine Welt des Rechts oder der Gerechtigkeit?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 25. Feb 2018, 22:50

Tosa Inu hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:02
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Der Punkt ist der: Dass wir auf etwas einen besonderen Blick werfen können, bedeutet nicht, dass dessen Sein durch den Blick in die Sache gelegt wird. Es wird nicht ein Ehemann dadurch ein Ehemann, dass ich von ihm als solchen rede oder ihn als solchen betrachte. Er ist zugleich Mensch, Mann, biologische Masse, vielleicht Vater, Berufssoldat und auch noch Ex-Kriegsgefangener, Deutscher oder Syrier, Linkshänder und Gitarrenspieler. Dass er das alles ist, gehört zu seiner Ontologie. Zu wissen, dass er Gitarre spielt, ist keine notwendige Bedingung dafür, dass er Gitarre spielt, noch ist es die Perspektive auf ihn.
Richtig, man ist all das zugleich und nicht dadurch, dass es jemand von einem sagt, sondern dadurch, dass es tatsächlich so ist.
Das wäre dann wieder ein referentieller Ansatz, der zu unterscheiden ist von einem schöpferischen Ansatz, bei dem etwas auf einmal tatsächlich und nur dadurch exstieren soll, weil man drüber redet. Der Unterschied soll dann in den Welten/Sinnfeldern liegen. Dass führt dann zu Sätzen, dass es in ... hm was auch immer Alltagswelt(?) falsch ist, dass Herr K. eine Schwester hat (denn physische Welt ist fragwürdig, es ist ja kaum eine physische Eigenschaft Schwester zu sein), in der (aber eigentlich in nur einer) fiktionalen Welt aber wäre es wahr.
Das kann man nun explodieren lassen, weil ja jeder, der darüber schreiben möchtre, ob Herr K. nun eine Schwester hat ein eigenes Sinnfeld erzeugt (oder nicht, oder doch?), indefinit oft. Statistisch würde es also indefinit viele Welt geben in denen Herr K. eine Schwester hat und ebenso viele, in denen das nicht der Fall ist. Erkenntnisgewinn gleich Null, würde ich sagen. Wäre da nicht diese eine Welt, der wir alle den ontologischen Vorrang geben.
Vielleicht müsstest du erklären, was du mit referenziellem Ansatz meinst, dann könnte ich womöglich nachvollziehen, wohin dein Einwand geht.

Grundsätzlich muss das Sein von etwas durch das Sinnfeld bestimmt sein, in welchem dieses Etwas vorkommt, denn durch sein Sein wird ja der Sinn gegeben, durch den dieses Seiende dieses Etwas ist. Angewendet auf die zigtausend Mal erwähnte Schwester von Herrn K. :): Sie ist als Gegenstand der Rede über sie zunächst nichts weiter als eben das: ein Gegenstand der Rede. Sie, die Schwester, existiert in dieser Rede über sie als genau das und nichts anderes: Erscheinung im Sinnfeld einer Rede. Dadurch wird ja die Wahrheit nicht konkurrenziert, dass es sie im sozialen Umfeld, also in der nichtsprachlichen, rechtlichen Familie von Herrn K. nicht gibt. Es können noch tausende Romane über die Schwester von Herrn K. geschrieben werden, sie wird nie die Schwester von Herrn K. sein können in diesem Sinn, in dem er keine Schwester hat. Er wird im Übrigen auch nie als nichtsprachlicher Herr K. eine Schwester haben können, denn nur in der Rede über ihn (oder im Irrtum über ihn oder im Roman über ihn) wird es überhaupt zugedacht sein können, dass er eine Schwester hat.
Durch die Rede, die Fiktionalität, den Gedanken (alles sehr reale Dinge) wird nicht etwas zu einer Wahrheit gemacht werden können, wenn diese Wahrheit nicht in der Sache begründet liegt.

Das müssen wir aber hier nochmal deutlich hervorheben: Das ist keine Frage des Vorrangs eines ontologischen Sinns des Schwesterseins, denn die Sache selbst kümmert es doch nicht im geringsten, ob die Existenz der Schwester sich auf den Gegenstand in der Form einer Romanfigur, einer Figur im Traum oder den Gegenstand eines Irrtums in der Aussage bezieht: Um Existenz handelt es sich in jedem Fall, und aus Sicht der Existenz kann es kein Kriterium geben, durch das gekennzeichnet würde, dass es einen Vorrang des einen ontischen Dings vor dem anderen gebe.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:02
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Nicht erst dadurch, dass ich frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' gibt es von demjenigen so und so viel. Vielmehr ist es so, dass die Frage: 'Wie viel von dem gibt es da?' anzeigt, in welchem Sinne der Gegenstand dahingehend zu untersuchen ist, damit die Untersuchung die richige Antwort liefern kann. Es ist ja nicht dasselbe, ob ich frage: 'Wie viele Ecken gibt es auf der Tafel?' oder ob die Frage lautet: 'Wie viele Quadrate gibt es auf der Tafel?' Die je verschiedenen Fragen zielen auf je andere Gegenstände, aus denen ein Gegenstand zusammensetzt sein kann. Der Gegenstand erscheint also zusammengesetzt aus vielfältigen Seinsbereichen, darunter die in den Blick genommene Perspektive jeweils nur eine ist.
Das ist eine komplizierte Frage, inwieweit es ein Sein der Dinge an sich (nicht um Kantschen Sinne gemeint) gibt, oder inwieweit unsere Betrachtung etwas erst dazu macht.
Weil wir trinken müssen, können geöffnete Hohlräume als Trinkgefäß fungieren, eine Funktion, die für Roboter völlig sinnlos sein könnte.
Ich sehe das Argument resp. die Kritik. Es geht ungefähr so: Nicht, weil das das Ding vorgibt, dass es ein Trinkgefäss ist, sondern weil wir Menschen es als Trinkgefäss benutzen können, gilt es als Trinkgefäss. Also gibt es kein Einzelding namens Trinkgefäss, wenn es keine Wesen gibt, die trinken. Ist das korrekt?
Ich würde sagen, falls das deine Aussage ist, dass sie richtig ist, aber zugleich ist sie kein Argument gegen die Sinnfeldontologie.

Denn, dass irgendetwas erst durch den ontischen Kontext zu diesem konkreten Etwas wird, das es ist, also durch das Sinnfeld, in welchem er erscheint, diesen Existenzsinn hat, das ist ja Kernthese der SFO. Dass ein irgendwie geartetes Gefäss nur vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es einen Trinkvorgang gibt, ein Trinkgefäss sein kann, leuchtet ein.

Das heisst nun aber nicht, dass ein Gegenstand erst dadurch zu existieren beginnt, sofern es eine Funktion übernimmt, sondern dass diese Funktionalität dem Ding
inhäriert, weil er sonst gar nicht zu diesem Zwecke benutzt werden könnte, wenn er es nicht an sich trüge. So wenig es also Esswaren gibt, wenn es niemanden gibt, der essen könnte, sowenig gibt es Atommodelle, wenn es niemanden gibt, der die Natur der physischen Dinge untersucht. Das heisst natürlich aber nicht, dass es keine Atome gibt oder keine essbaren Dinge, oder dass es diese nur gebe, wenn es Menschen gibt, sondern dass das, was sie sein können, nur vor dem Hintergrund ihrer Funktion das sind, was sie nun eben sein können. Atome sind so gesehen nicht weniger praktisch ein Modell als ein Gefäss praktisch ein Trinkgefäss sein kann.

Es gibt ja nirgends diese isolierten Einzeldinge namens Atome, die sich nicht noch weiter aufschlüsseln und in ihrer Tiefenstruktur erforschen und denken liessen. Ein Atom ist also genauso wenig ein Einzelding, sondern das Tor zu einer indefiniten Sinnhaftigkeit des Seienden, wie ein Trinkgefäss nicht ein Einzelding ist, sondern das Tor zu einer indefiniten Sinnhaftigkeit des Seienden. Das Atom hat vom Existenzsinn her gedacht keine Grenze, durch die er sich als dieses Einzelding auszeichnete, noch hat ein Gefäss eine sinnrelevante Grenze, durch die es nur Trinkgefäss wäre und nichts anderes.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:02
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Aber es zeigt sich auch, dass ihre Ontologie kontingent ist: Sie könnten auch andere Dinge sein, erst, wenn sie andere Dinge sind. Und sie könnten andere Dinge zugleich sein, weil die Ontologie eine Art Modularität aufweist, durch die es möglich wird, dass ein Ding dieses konkret Sinnhafte ist und zugleich dieses andere Ding. Das, als was ein Einzelding erfasst wird, zeigt sich an einer bestimmten Perspektive auf dieses Ding, als Bündelung der vielfältigen Ebenen des Dings. Darum aber ist ein Einzelding nicht jeweils nur dieses Einzelne, sondern die Folge seiner sinnpluralen Existenz.
Aber schau doch mal, ob diese sinnpliurale Existent durch irgendwas anderes ins Sein tritt, außer durch den Blick intelligibler Wesen?
Dazu hoffe ich im obigen Abschnitt etwas Zielführendes gesagt zu haben.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:02
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 16:50
Was wir also als Einzelding klassifizieren, ist je nur ein hervorgehobener Aspekt des vielfältigen Seins der Bereiche, aus denen er sich zusammensetzt, und diese Bereiche haben ihren Grund nicht in der Physik allein, sondern in vielen Bereichen eigenen Rechts, darunter der physikalische einer ist.
Ja.
Ich bin eine Person, aber eben auch nur Repräsentant eines juristischen Einzeldings, der Person.
Ein Geschöpf aus der juristische Sphäre, aber gibt es ohne Menschen irgendwo eine Welt des Rechts oder der Gerechtigkeit?
Die ontologische Frage stellt sich für mich anders: Gibt es das Recht und die Gerechtigkeit objektiv gesehen, wenn man Recht setzt und dieses oder jenes für gerecht hält? Wenn die Antwort darauf ja lautet, dann gibt es ontologisch gesehen keinen Grund an der Existenz von Recht und Gerechtigkeit zu zweifeln.

So wie es die Oper 'Die Zauberflöte' gibt, weil es Mozart gab und er sie komponierte, so gibt es Recht, weil es die Menschen setzen. Nun kann man diskutieren, ob das Recht Naturrecht sei und nicht von der Setzung abhängt, so wie man darüber diskutieren kann, ob es moralische Werte gibt, weil sie der Natur entspringen oder weil sie Menschen konstruieren. Aber das ist wiederum keine Frage der Ontologie resp. der Existenz, sondern der theoretischen Existenzbegründung. Wie immer man etwas auch begründet, es existiert, sofern es Seiendes ist. Aber Seiendes ist es immer, sofern es ist, also existiert. Und nun sagt die SFO, dass jedes Seiende existiert dadurch, dass es in einem Sinnfeld erscheint. Gerechtigkeit erscheint z.B. in philosophischen Diskussionen oder im Haben von Gefühlen und ihrer Bewertung als gerecht etc. Also muss es Gerechtigkeit geben, wie auch immer man sie je persönlich definiert, es gibt Gerechtigkeit wenigsten in diesem
oder im anderen Sinn, wie es alles nur in diesem oder in einem anderen Sinn gibt.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Mo 26. Feb 2018, 07:40

Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 22:50
Das müssen wir aber hier nochmal deutlich hervorheben: Das ist keine Frage des Vorrangs eines ontologischen Sinns des Schwesterseins, denn die Sache selbst kümmert es doch nicht im geringsten, ob die Existenz der Schwester sich auf den Gegenstand in der Form einer Romanfigur, einer Figur im Traum oder den Gegenstand eines Irrtums in der Aussage bezieht:
Das wäre m.E. dann der Fall, wenn es ein übergeordnetes Geschwisterprinzip gäbe, dessen Wurzeln nicht biologischer Natur sind.
Dann wären die Existenz biologischer Geschwister nur ein Ausdruck eines übergeordneten Prinzips, z.B. aus einer rein geistigen Welt. Könnte ja sein.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 22:50
Ich sehe das Argument resp. die Kritik. Es geht ungefähr so: Nicht, weil das das Ding vorgibt, dass es ein Trinkgefäss ist, sondern weil wir Menschen es als Trinkgefäss benutzen können, gilt es als Trinkgefäss. Also gibt es kein Einzelding namens Trinkgefäss, wenn es keine Wesen gibt, die trinken. Ist das korrekt?
Ja.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 22:50
So wenig es also Esswaren gibt, wenn es niemanden gibt, der essen könnte, sowenig gibt es Atommodelle, wenn es niemanden gibt, der die Natur der physischen Dinge untersucht. Das heisst natürlich aber nicht, dass es keine Atome gibt oder keine essbaren Dinge, oder dass es diese nur gebe, wenn es Menschen gibt, sondern dass das, was sie sein können, nur vor dem Hintergrund ihrer Funktion das sind, was sie nun eben sein können. Atome sind so gesehen nicht weniger praktisch ein Modell als ein Gefäss praktisch ein Trinkgefäss sein kann.

Es gibt ja nirgends diese isolierten Einzeldinge namens Atome, die sich nicht noch weiter aufschlüsseln und in ihrer Tiefenstruktur erforschen und denken liessen. Ein Atom ist also genauso wenig ein Einzelding, sondern das Tor zu einer indefiniten Sinnhaftigkeit des Seienden, wie ein Trinkgefäss nicht ein Einzelding ist, sondern das Tor zu einer indefiniten Sinnhaftigkeit des Seienden.
Es geht ja hier eher nicht um die Frage nach Einzeldingen.
Was Du sagst ist jedoch richtig. Atome und Trinkgefäße erscheinen erst einem Beobachter als das, was sie im Rahmen einer bestimmten Art der Betrachtung sein können: Atommodell oder Trinkgefäß. Nur ist da eben auf der anderen Seite bereits etwas da, was diese Funktion übernehmen kann. Vielleicht eine zerplatze Kokosnuss oder eben irgendwas, was als eine Art Ursubstanz fungiert.
Bei Hexen ist da aber erst mal nichts, aus dem man sagen könnte, dass dies nun zukünftig als Hexe 'gebraucht' wird, sondern, das wäre auch die Erklärung von Referenz, sie könnte komplett erfunden sein.
Alethos hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 22:50
Die ontologische Frage stellt sich für mich anders: Gibt es das Recht und die Gerechtigkeit objektiv gesehen, wenn man Recht setzt und dieses oder jenes für gerecht hält? Wenn die Antwort darauf ja lautet, dann gibt es ontologisch gesehen keinen Grund an der Existenz von Recht und Gerechtigkeit zu zweifeln.

So wie es die Oper 'Die Zauberflöte' gibt, weil es Mozart gab und er sie komponierte, so gibt es Recht, weil es die Menschen setzen. Nun kann man diskutieren, ob das Recht Naturrecht sei und nicht von der Setzung abhängt, so wie man darüber diskutieren kann, ob es moralische Werte gibt, weil sie der Natur entspringen oder weil sie Menschen konstruieren. Aber das ist wiederum keine Frage der Ontologie resp. der Existenz, sondern der theoretischen Existenzbegründung. Wie immer man etwas auch begründet, es existiert, sofern es Seiendes ist.
Ich habe kein Problem damit anzuerkennen, dass es verschiedene Ebenen der Wirklichkeit gibt und quasiautonome Systeme/Bereiche, die eher gering von anderen tangiert werden, jedenfalls eine Art Abgeschlossenheit besitzen. Ich habe aber Probleme, dies als ontologische Eigeständigkeit zu sehen und nur zu dieser würde ich eine eigene Existenz zusprechen.

Es gab mal den älteren Begriff der Subsistenz, den ich in dem Zusammenhang immer für recht gelungen hielt und der, als ich ihn lernte, z.B. Pegasus zugeschrieben wurde. Der Begriff hat dann einige Bedeutungsverschiebungen durchgemacht, letztens habe ich ihn wieder in der Form gelesen, die ich mal lernte. Subsistenz ist demnach so ein Mittelding. Man kann nicht sagen, dass etwas existiert, aber so richtig nichtexisiteren tut es auch nicht.

Einmal geschaffen, spielt es seine Rolle in der Welt und kann Existierendes formen und beeinflussen. Es fällt vielleicht mit Herr K.'s schwacher ontologischer Unabhängigkeit zusammen und in dieser Form habe ich nicht nur nichts dagegen, sondern bin ein ausdrücklicher Vertreter der Idee, dass diese Bereiche der Wirklichkeit uns tatsächlich beeinflussen können.

Um ihnen eigenständige Existenz zuzusprechen fehlt mir noch was und das könnte z.B. die Idee sein, dass es auch dann noch existiert, wenn z.B. die pyhsische Welt komplett weg wäre. Wenn man sagen könnte, dass in jeder auch nur denkbaren Form der Existenz z.B. Elemente vorkommen würden, die strukturell identisch sind, das fände ich beeindruckend.
Bei einer Welt die auch ohne physisches Dasein existent wäre, würde aber tatsächlich die Frage auftreten, wie wir diese Welt überhaupt bemerken sollten.

Methodisch finde ich folgendermaßen vorgehen: Wenn ich mich frage, wie es, ab der Entstehung des Menschen dazu kam, dass sich Sprache und bestimmte Praktiken entwickelten, dann fallen darunter auch Bereiche von Moral, Logik, Künstlerischem, Religiösem. Ich kann mir einigermaßen vorstellen, wie man aus Sprachspielen irgendwann gewisse rhetorische, grammatische und logische Regeln extrahieren konnte, umso mehr, als es dann kein Wunder wäre, dass unsere ersten Logiken recht alltagstäuglich sind. Tomasello hat eine bemerkenswert starke "Naturgeschichte der menschlichen Moral" vorgelegt, die verhaltensbiologische Aspekte einbezieht, ohne auf diese zu reduzieren. Vielmehr erklärt er, wie es aus der Notwendigkeit des alltäglichen Miteinanders bei der Nahrungssuche zur Ausbildung erster Ideale in der Psyche kommt und Moral heißt ja, Ideale als Leitstern zu haben.
Ein völlig anderer Ansatz als zu sagen, Moral sei der göttliche Funke in uns, obwohl sich das nicht ausschließen würde.
Einzig beim Spirituellen hätte ich Probleme, dies aus Alltagspraxis und Hirnzuständen abzuleiten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Antworten