documenta 14, Kunstwerke und Inszenierungen

Architektur, Malerei, Graphik, Design ...
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Jörn Budesheim
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So 3. Sep 2017, 07:26

Zur documenta Halle hatte ich in diesem Thread im Beitrag 96 ein paar Worte geschrieben. Vielleicht kann man das später noch vertiefen. In diesem Kontext hineingehören auch die Stücke von Frau Ladik meine ich. Für mich ist dieser Raum einer der stärksten der documenta, und als ich dort wirklich sehr lange gesessen habe, und die Musik/Soundinstallation im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Arsch gehört habe, hatte ich das Gefühl das Konzept der documenta wirklich nachfühlen zu können. Das war wirklich ein echtes Aha-Erlebnis. Das ist nicht ironisch sondern ganz ernst gemeint. Später dazu noch mehr...

(Zu dieser Situation passt auch der Satz aus dem Gespräch Sternstunden der Philosophie der Autorin, als ihre Mutter sie verließ: dazu gab es kein Script)




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Jörn Budesheim
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So 3. Sep 2017, 08:53

Hier noch ein wenig Material zum ersten Raum in der documenta-Halle, dort gab es neben vielem anderen Musik der Ali Farka Touré Band





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Stefanie
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So 3. Sep 2017, 16:50

Die Masken von Beau Dick waren vor lauter Menschen nicht zusehen. Da hätte ich mich mit Ellenbogen durchboxen müssen. Wie insgesamt der Eingangsbereich fast vor Menschen nicht zu sehen war.
Die Menschen verteilten sich erst ab der großen Holztreppe.
Bei Ali Farka Touré ähnliches Bild, zu viele Menschen in einem engen Raum.
Beim "Wandteppich" von Britta Marakatt-Labba blieb ich allerdings stur, auch wenn ich Slalom laufen musste und auch mal wieder zurück musste und mich einmal durchmogelte.
Es war in allen Ausstellungsorten voll, aber am vollsten war es in der documenta Halle. In den anderen Ausstellungsorten hat sich das besser verteilt, es gab auch mal ruhige Ecken.
Mir war schon klar, dass es voll wird, aber so wie es in der documenta Halle war, als ich da, hatte ich es nicht erwartet.
Ich hatte mich nicht umsonst einmal in der documenta Halle hingesetzt, nämlich etwas gefrustet, und nicht weil es geregnet hatte.

...
Leer und ruhig war es zufällig in der Neuen Galerie bei den Stücken von Frau Lapik. Ich bin den Gang dreimal durchgegangen. Zweimal das Infoblatt gelesen... war zu hoch für mich.



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Stefanie
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So 3. Sep 2017, 17:34

Bevor ich alles vergesse, schreibe ich erst mal einiges runter.

Fridericianum

Das einzige, wo es eine Besuchendenschlange beim Eingang gab, ging aber trotzdem flott. War aber auch ziemlich voll im Gebäude, und ein Hoch auf meine Zwiebeltechnik bei den Klamotten, kalt, warm, heiß, wieder kalt, alles in einem Gebäude.
Ich hatte am Anfang geschrieben, dass es mir dort am besten gefallen hat, aber beim Nachdenken über alles, was ich gesehen hatte, kristallisiert sich ein neuer Favorit heraus. (also wo ich noch mal hin will, nicht wo noch mal hin müsste wie in die Neue Galerie.)
Trotzdem, ich kam hier besser zurecht als in der documenta Halle. (Ich hatte aber kurz etwas die räumliche Orientierung verloren, wie peinlich.)
Der gesamte Griechenlandkomplex (Diktatur, Folter etc.) und der große Raum, wo das Video von Köken Ergun zu sehen war. Dieses hätte ich aber nur sehen können, wenn ich mind. 190 cm groß wäre, es war zu voll.
Da gab es auch folgendes zu sehen, was sich komischerweise kaum einer anschaute, was mich ja wieder zweifeln lässt:
http://www.documenta14.de/de/artists/22 ... lis-vlahos

Das Zelt und links daneben der Ordner mit den Namen von Emily Jacir zur Zerstörung eines palästinensischen Dorfes sprach mich deshalb an, weil ich etwas erfuhr, was ich nicht wusste.

http://u-in-u.com/de/documenta/2017/doc ... -caniaris/
Achtung nicht die Installation mit den Menschen ohne Kopf, sondern die Bilder an der Wand rechts.

Aufgegeben hatte ich in dem Raum mit den Overhead-Projektoren, und mir taten die Aufpasser/innen so Leid aufgrund der heißen Temperaturen in diesem Raum. Kunst hin, Kunst her, mir war es zu heiß.



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Friederike
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So 3. Sep 2017, 17:44

Stefanie hat geschrieben : Bevor ich alles vergesse, schreibe ich erst mal einiges runter.
... und ich sag' mal zwischendurch, daß ich Euer Gespräch gespannt mitlese.




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Stefanie
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So 3. Sep 2017, 18:06

Die Orangerie und Karlsaue

Nun ja, sorry Herr Romuald Karmakar, dass ich nur kurz lauschte, aber es schien in dem Moment so schön die Sonne, die Umgebung war so schön, so ruhig und friedlich... die "Natur" schlug hier die Kunst.

Hier gab es auch das Brautpaar zu bewundern, die sich für ihr Fotoshooting (leider) die Ecke der Wiese mit der Blutmühle aussuchten. Also wenn man die Treppe runterkommt hinter der Blutmühle. Es hatte einen einfachen Grund: Da waren vor der Grasfläche keine großen Pfützen, die das Kleid der Braut ruiniert hätten.
Nur, zum Objekt hingehen wollte ich dann doch nicht, während sie sich photographieren ließen. (Es ging zu dem Zeitpunkt keiner zum Kunstobjekt.)
Bin ich also etwas "gewandelt" und habe ich mich dann auf eine Bank gesetzt. (und probiert eine Internetverbindung zu bekommen, das ging seit Mittags nicht, und danach hatte ich es aufgegeben, erst am Bahnhof klappte es wieder). Denkend, irgendwann werden die mit dem Photos schon fertig sein.... nicht wirklich. Wie viele Photos braucht ein Brautpaar? Es dauerte....und dauerte...
Meine Zeit war nicht endlos, also musste ich mich schweren Herzens von der Bank erheben und weiter ziehen. Na ja immerhin habe ich die Blutmühle von weiten gesehen. Trotzdem brachte ich mich diese nicht geplante Unterbrechung etwas in zeitlichen Verzug...
... es war aber auch so schön an diesem Ort. War´s wert.

Apropos schön.
Oben über der Karlsaue gibt es eine Straße mit dem perfekten Namen: "Schöne Aussicht". Es gibt die Straße und daneben einen ungeplasterten, und nicht asphaltierten Fußweg (führt zur Neuen Galerie), und von dort kann man auf das von oben blicken, wo ich vorher war. Ebene eine schöne Aussicht. Schön.



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Jörn Budesheim
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So 3. Sep 2017, 18:19



Das ist nicht das Originalvideo von Karmakar. Aber es gibt einen vagen, sehr vagen Eindruck... Als wir uns das Stück vor kurzem zum xten mal angeschaut haben, war eine Familie mit ihrem kleinen Sohn unter den Zuschauern. Sofort, nachdem der wirklich beeindruckende Gesang beendet war, sagte der kleine Junge laut vernehmlich: Weiter! Er war ziemlich erschrocken, als das versammelte Publikum anfing zu lachen :)




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Stefanie
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So 3. Sep 2017, 19:58

Neue Neue Galerie/Neue Hauptpost

Kurz und knapp:
Hier will ich noch mal hin, wenn ich könnte. (und nicht nur wegen der Tür in der Damentoilette)
Die - neudeutsch- Location ist genial.
Ich traf ja zufällig eine von den "Aufpasserin" oder von denen, die die Gruppenführungen machen (konnte ich nicht erkennen an dem Ausweis um den Hals) und wir unterhielten uns ein bisschen. Ich fragte sie, ob diese Halle als Kunstausstellungshalle denn bliebe. Sie hatte nicht viel Hoffnung, dass das so kommt. Sie erzählte mir von einer Brauerei, die mal Standort der documenta war, und da wäre jetzt ein Baumarkt.
Bleibt die Neue Neue Galerie da, oder nicht?
Die Halle ist ein 70ziger Jahre Bau und war die Hauptpost/Briefzentrum von Kassel.
Auf den Boden der Halle lassen sich noch alte Markierungen erkennen, Ortsnamen etc.
Die Dame von der documenta erzählte mir, dass es auch eine Stelle gäbe, da stünde "Krauss Maffei". Diesen Namen könne man auch stellvertretend für die Thematik der documenta nehmen.
Bei mir *pling*.

Rückblickend, ein paar Tage alles setzen lassen und ein bisschen was lesen... da will ich noch mal hin.



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Stefanie
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So 3. Sep 2017, 20:18

Pantheon der verbotenen Bücher

Ich habe gerade gelesen, die letzten beiden Säulen sind von außen zu.

Ist er nicht schön, selbst bei Bewölkung:
http://u-in-u.com/de/documenta/2017/doc ... minujin-2/

Ich wollte diesen Pantheon unbedingt sehen, irgendwie zog er mich magisch an, von dem Moment an, wo ich die ersten Bilder davon sah.

Geht man zu den Säulen, sieht man die einzelnen Bücher. Ich hatte die deutschen Bücher erwartet, die in der Zeit von 1933-1956 verboten und verbrannt worden sind. Diese Bücher sind auch da. Zwischendurch dachte ich mal, es fehlen die Bücher, die in der DDR nicht gelitten waren. Diese wollte man wohl auch gerne haben, es gestaltete sich wohl schwierig, genau wie an Bücher aus China zu kommen.
Bei den US-amerikanischen Autor/innen fing ich an zu grübeln, nach welchen Kriterien Bücher als "verboten" galten. Ich weiß, dass in den USA viele bekannte AutorInnen/Bücher in lokalen Bibliotheken und Schulen verboten sind bzw. nicht ausgeliehen werden können. Es finden sich darunter nahezu fast alle amerikanischen Nobelpreisträger oder Pulitzerträger. Ich habe einige bei mir im Bücherregal. Nur werden/wurden in den USA Bücher staatlicherseits von der Bundesregierung oder Landesregierung verboten? Dazu habe ich trotz Nachlesens keine richtige Antwort gefunden. Lolita fiel mir nur ein.

Wo ich nicht mit gerechnet hatte, waren ein Autor und eine Autorin.
Ellie Wiesel und man glaubt es kaum: Das Tagebuch der Anne Frank.
Zu Anne Frank habe ich herausgefunden, dass sich eine (!) in den USA an einer bestimmten Stelle störte, diese sei pornographisch. Seit dem darf in diesem Bezirk nur noch eine bestimmte Version des Tagesbuches an der Schule gelesen werden.
Ansonsten habe ich bis lang keine Verbote gefunden. Weiß das jemand, ob und wo das Tagebuch der Anne Frank verboten war oder noch ist?


Ich mache mal Pause, so das eine oder andere sind so mehr Nebensächlichkeiten.



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So 3. Sep 2017, 20:29

Na, eines noch.

An dem Gebäude vor dem Fridericianum hängen die Banner, die Jörn im Thread "Ich und wir" erwähnte, dass sieht so aus:
http://images.documenta14.de/d14_Hans_H ... e.jpg,1440

Es scheint mir auch auch elegante Verpackungsmethode zu sein. Sieht man genau hin:
In dem Gebäude befindet sich das Modehaus Sinn&Leffers und ohne Banner sieht es so aus:
http://wikimapia.org/9458323/de/SinnLef ... to/1769432



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Stefanie
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Mi 13. Sep 2017, 19:44

Hier bekomme ich - wenn überhaupt- nur eine virtuelle Watsche... also nach dem es mir schon den ganzen Tag in den Fingern kribbelt:

Was wird eigentlich diskutiert: Wieso, weshalb, warum die documenta in eine offenbar prekäre finanzielle Situation geraten ist oder ob die documenta künstlerisch wertvoll, schlecht, mies, gut, gemischt oder sonst was war?



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Jörn Budesheim
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Do 14. Sep 2017, 08:01

Die bisherige Gemengelage ist nach meinem dafürhalten eine wilde Mischung aus Vielem :-) Im wesentlichen geht es um drei Punkte, die teilweise zusammen hängen, teilweise getrennt zu betrachten sind:

> zweiter Standort Athen
> politischer Aspekt der d14, Konzept
> beinahe Pleite

Bei dem Skandal um die "beinahe Pleite" geht es natürlich auch um den "zweiten Standort Athen", denn dieser dürfte im wesentlichen die Ursache für die Zusatzkosten gewesen sein. Und das ist deshalb für die Verantwortlichen peinlich, weil viele Kritiker zu Beginn genau diesen Punkt hervorgehoben haben. Seinerzeit wurde versichert, dass die Finanzierung kein Problem sei. Offensichtlich hatten die Kritiker hier recht.

Das Problem ist, dass die Kritik am zweiten Standort unabhängig von den Kostenfragen hauptsächlich ein Votum für Kassel war, was heißt: viele Kritiker wollten keinen gleichberechtigten Standort Athen (ich war und bin strikt dagegen). Hier vermischen sich die Dinge natürlich in ungünstiger Weise, weil Kostenfragen und Konzeptfragen oftmals in nicht immer zulässiger Weise vermengt werden.

Ein anderer Punkt ist der politische Aspekt der Ausstellung. Viele haben diese (angebliche) Einseitigkeit abgelehnt und für diese Kritiker ist dieser Skandal nun natürlich willkommen, um gegen das Konzept zu schießen.

In mancher (aber nicht jeder) Hinsicht unterschreibe ich das sogar. Und zwar finde ich folgendes problematisch: Wer sich so offensiv gegen Kapitalismus, Neoliberalismus etc. positioniert und dann im Moment der Krise kaum anders agiert als die Kapitalisten, Neoliberalen etc. weil er statt einen transparenten Kommunikation eher auf Verdunklung setzt, der macht sich unglaubwürdig.

Was ich hingegen nicht unterschreibe ist der Rückschluss von der beinahe Pleite auf die inhaltliche Pleite. So offensiv wird das natürlich selten vertreten (weil es zu deutlich falsch ist) aber implizit findet sich diese Argumentation durchaus.

Einfach kann man sagen: der zweiten Standort ist konzeptuell doch nicht deshalb falsch, weil er unerwartete Kosten verursacht hat. Die politische Dimension der Ausstellung an der "beinahe Pleite" zu messen ist absurd.

Falsch ist aber auch das Gegenstück: Bisher (bisher!) sieht es so aus, als sei die "beinahe Pleite" nicht einfach die Folge eines mutigen Konzeptes. Sondern es gibt auch einige Anzeichen dafür, dass es eine Reihe von "handwerklichen" Fehlern gab. Das heißt zum Beispiel, dass die hohen Kosten für Transport, für die Klimatisierung der Räume, die Fahrten, das Personal etc. zu Beginn (so wie es bisher aussieht) nicht genügend gewürdigt wurden.

Solche handwerklichen Fehler darf man aber jetzt nicht dem kuratorischen Mut oder dem "unpopulären Konzept" zurechnen. Jemanden, der solche handwerklichen Fehleinschätzungen kritisiert, unter der Hand zum Gegner des Konzeptes zu machen, ist nicht wirklich fair. Wer zu bedenken gibt, dass man doch hätte wissen könne, dass es im Sommer in Athen heiß ist, outet sich damit ja nicht als ästhetischer Spießer.
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Jörn Budesheim
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Do 14. Sep 2017, 08:39

Noch ein Nachtrag, auch wenn ich das schon gestern bei FB geschrieben habe:

Für mich ist die d14 keine künstlerische Pleite.

Sie ist eine sehr zwiespältige Ausstellung. Das finde ich nach wie vor. Die Fragen, die sie stellt (auch an sich selbst) sind sicher wichtig. Eins ihrer zentralen Themen ist offensichtlich die Befragung der Geschichte, meine ich. (Wobei in vielen einzelnen Werken "individuelle Geschichten" gegen die "offiziellen Versionen" in Stellung gebracht werden, sehr oft auch in künstlerisch überzeugender Weise - leider oft auch nicht.)

Die Kunstgeschichte, die die documenta ja mit geschrieben (und nicht nur dokumentiert) hat, gehört zu diesem Fragenkomplex. Haben auch hier (wie so oft) die "Gewinner" die Geschichte geschrieben? Und wer sind die Verlierer dieser Erzählung? Muss da vieles neu bewertet werden?

Wie stehen (zum Beispiel) globale Kunstgeschichte und Kunstgeschichte zueinander? Passt dieser weite Kunstgeschichtsbegriff noch in das Format Ausstellung? (Oder gehört es gar zum Begriff der Kunst, eine Geschichte zu haben, die sich zumindest in groben Zügen Richtung Autonomie bewegt?)

Was hat es mit dem Realismus auf sich, den das Kuratorenteam stark machen will?

Das sind wichtige Fragen, auch wenn die Versuche eine Antwort zu geben, oft einseitig ausfallen. Selbst im Scheitern bleibt dieser Versuch wichtig.




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Stefanie
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Do 14. Sep 2017, 13:34

Die letzten drei Absätze Deines Beitrages zur finanziellen Lage unterschreibe ich.

"Spaßeshalber" habe ich mir den Jahresabschluss der documenta aus dem Jahr 2012 angeschaut. Damals lagen die Aufwendungen (also Kosten) für die Veranstaltung im Jahr 2012 bei etwas über 26. Mio Euro. 2012 kam es zu einem Überschuss, da die Einnahmen höher waren, als die Ausgaben. Man kann sich übrigens jeden Jahresabschluss der documenta ansehen, dieser muss veröffentlicht werden, und kann beim Bundesanzeiger im Internet gelesen werden.

Für die documenta 14 soll der Etat 34 Mio. Euro gewesen sein, aber als 5 Jahresplan, also für 5 Jahre. Davon muss - wenn ich das richtig verstanden habe- nicht nur das eigentliche Ausstellungsjahr finanziert werden, sondern auch die Vorbereitungsjahre. Personalkosten und Investitionskosten, Instandhaltungskosten, Gebäudekosten.

Selbst wenn es den Standort Athen nicht gegeben hätte, ist es doch illusorisch zu denken, es ist möglich eine documenta mit vergleichbaren Umfang wie im Jahr 2012 zum Preis von 2012 durchzuführen. Da werden ja schon die 34 Mio. knapp. Gestiegene Personalkosten, nicht nur bei der documenta selber, sondern auch bei den ganzen externe Dienstleistern (Transport, Logistik, die Container, Sicherheitspersonal etc.), die ihre Leistungen auch nicht zum Preis von 2012 anbieten (können), dazu gestiegene Energiekosten, Versicherungen, Kosten für Sicherheit etc. etc.
Dann noch einen zweiten Standort, bei dem die meisten Objekte kostenlos zu sehen waren.
Die Eintrittspreise wurden moderat angehoben, von 20,- auf 22.-, von 35 Euro, auf 38 Euro, der Preis für die Dauerkarten blieb identisch. Nicht jede/r, der eine Eintrittskarte hatte, hat diese wohl auch bezahlt. Freikartenkontigente z.B. an Sponsoren. Ich bin mit dem Sparpreis "Kultur" der Deutschen Bahn nach Kassel gefahren und bezahlte für Hin-und Rückfahrt 1. Klasse und dem Ticket inklusive 74 Euro. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die documenta die vollen 22 Euro für das Tagesticket von der Bahn überwiesen bekommt.

Die Geschäftsführerin hat auf die finanzielle Situation hingewiesen, und u.a. das spekulieren auf hohen Einnahmen aufgrund der Eintrittskartenverkäufe als Wette auf die Zukunft bezeichnet. Vor allem auch darauf hingewiesen, dass es auf Dauer nicht möglich ist, dass die documenta die Hälfte der Kosten selber aufbringen muss. Darauf wurde nicht wirklich reagiert. Warum, wird zu klären sein.

Ob über die drohende Pleite zeitlich öffentlich früher informiert werden müssen... ich weiß nicht, ob das gut gewesen wäre, mitten in der Hochphase der documenta dies bekannt zu geben. Wäre das klug gewesen? Vielleicht war es auch falsch verstandenen Loyalität warum Verantwortliche nicht eher die finanzielle Lage öffentlich gemacht haben, nach dem Motto es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Die documenta ist nicht nur ein gewichtiges KunstProjekt, es ist auch ein Prestigeobjekt. Es ist Marketing nicht nur für die Kunst, sondern auch für die Stadt Kassel, Land Hessen und für Deutschland als Kunststandort. Oder kurz gesagt: Es geht auch um mehr als Kunst. Kunst ist in dieser Größenordnung ist nicht nur Kunst, die documenta ist auch ein Firma. Es hängen viele nicht künstlerische Dinge an der documenta, bis hin zu Arbeitsplätzen außerhalb der Kunst/Museen/Ausstellungsstätten. Die documenta ist ein Wirtschaftsfaktor. Das mag vielleicht Künster/innen verärgern... ich weiß nicht, ob das so gesehen wird. Manchmal hatte ich bei der Diskussion auf Facebook den Eindruck "Huch, die documenta kostet Geld, und so viel Geld, aber es ist doch Kunst". Kann sein, dass ich mich irre.
Ich persönlich hätte wahrscheinlich tatsächlich bis zu dem Ende der documenta gewartet, um das finanzielle Fiasko bekanntzugeben, vielleicht sogar noch länger (mindestens bis nach der Wahl gebe ich zu).
Ich würde nicht so weit gehen, und es wie Du sehen, dass sich unglaubwürdig gemacht wird. (Den Satz meine ich:" Und zwar finde ich folgendes problematisch: Wer sich so offensiv gegen Kapitalismus, Neoliberalismus etc. positioniert und dann im Moment der Krise kaum anders agiert als die Kapitalisten, Neoliberalen etc. weil er statt einen transparenten Kommunikation eher auf Verdunklung setzt, der macht sich unglaubwürdig. ")
Es ist nicht ganz fair, dass die Diskussion über den künstlerischen Wert in der laufenden documenta nun von der Diskussion um die Finanzierung überdeckt wird. Das ist gegenüber den Ausstellenden/KünstlerInnen nicht fair, den Mitarbeitenden und den Ehrenamtlichen nicht fair.
Der künstlerische Wert sollte ohne die finanzielle Diskussion diskutiert werden, aber das ist jetzt nicht mehr möglich.
Aber die Zukunft wird zeigen, was hängen bleibt von der d14. Aber es wird die nächste documenta geben, da bin ich sicher, sie ist systemrelevant.



Gestern fragte mich ein Kollege, ob ich in meinem Urlaub tatsächlich in dieses Museum gefahren sei. Ich Ja, aber das ist die documenta. Er: Und ist es Kunst, oder kann es weg?



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Jörn Budesheim
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Do 14. Sep 2017, 17:58

Das Imperium schlägt zurück:

Sehr geehrte Kolleg_innen der Presse, unten stehend ein Statement des Künstlerischen Leiters und kuratorischen Teams der documenta 14. Beste Grüße

_______________________

Mit Befremden haben wir die Artikel, am 12. September in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel erschienen sind, gelesen.

In den Artikeln werden die Meinungen der Autoren als objektive Tatsachen präsentiert und Spekulationen und Halbwahrheiten wiederholt, denen zufolge der Künstlerische Leiter der documenta 14, Adam Szymczyk, und die Geschäftsführerin der documenta gGmbH, Annette Kulenkampff, verantwortlich für das gemacht werden, was die Autoren als den unmittelbar bevorstehenden Bankrott der documenta bezeichnen. Laut der Autoren wurde dies durch einen Mangel an Managementkompetenz und einem völligen Versagen der finanziellen Aufsicht seitens des Teams der documenta gGmbH verursacht. Keiner der Journalisten hat es für nötig befunden, ihre Informationen mit den beiden Protagonisten abzugleichen, noch ein differenziertes Bild der komplexen Situation zu zeichnen.

Wir erkennen die Verantwortung an, die mit der Organisation einer Ausstellung, die teilweise mit öffentlichen Geldern finanziert wird, verbunden ist. Zudem wird die documenta 14 kollektiv und transnational öffentlich gemacht, über die Mechanismen lokaler, regionaler und nationaler Identitäten und der damit verbundenen Finanzierungssysteme hinaus. Die Debatte um Verantwortung und Rechenschaft muss auch in diesem Sinne verstanden werden. Dies berücksichtigend, möchten wir die irreführenden Eindrücke dieses unprofessionellen Journalismus korrigieren. Die Dimensionen sowie der geplante Inhalt des documenta 14 Projekts sind von Adam Szymczyk Ende des Jahres 2013 vorgeschlagen worden. Sein Konzept zweier Veranstaltungsorte – Athen und Kassel – ist damals sämtlichen verantwortlichen Parteien gegenüber deutlich kommuniziert worden, also sämtlichen Gesellschaftern, dem Aufsichtsrat der documenta gGmbH. Seit seiner Berufung zum Künstlerischen Leiter haben diese Gesellschafter immer wieder ihre Unterstützung für das Projekt zum Ausdruck gebracht und haben hinter allen Schritten im Prozess dieser documenta 14 mit ihren zwei Veranstaltungsorten gestanden. Tatsächlich war es genau dieses Konzept mit den ihm innewohnenden und vorhersehbaren Herausforderungen, welches die internationale Findungskommission davon überzeugt hat, im November 2013 Adam Szymczyk als Künstlerischen Leiter der documenta 14 vorzuschlagen. Die Gesellschafter der documenta 14 hießen diese Nominierung willkommen, autorisierten sie und legten sich damit auf die Realisierung des genannten Konzepts fest. Zu jenem Zeitpunkt haben sie verstanden, dass diese bedeutende Kunstveranstaltung sich nicht mehr nur darauf beschränken konnte, die Welt nach Kassel zu bringen, sondern sich selbst verlagern musste, um zur Verkörperung des Wandels zu werden – und so ihren Grundgedanken und ihre Legitimierung neu zu entdecken –, wie dies schon einige Ausgaben der documenta in der Vergangenheit getan hatten.

Angesichts der Ereignisse der letzten Tage müssen wir zu dem Schluss kommen, dass diese Zustimmung sehr viel mehr an Bedingungen geknüpft und begrenzt war, als man uns glauben ließ. Es ist eine Tatsache, dass sich das Budget und die Strukturmittel seit 2012 nicht wesentlich verändert haben, trotz der Tatsache, dass dieses neue Projekt notwendigerweise größere und offensichtliche Folgen für die finanzielle Seite haben würde. Bis auf eine Anpassung die im Sommer 2016 (deren Kosten zwischen den Gesellschaftern und den Ticketverkäufen der documenta 14 aufgeteilt werden sollten) diskutiert und im Winter umgesetzt wurde, sind keine zusätzlichen Mittel für notwendig befunden worden für die Realisierung der Ausstellung in zwei Städten und über eine Dauer von insgesamt 163 Ausstellungstagen – eine ganze Stadt und 63 Tage mehr als jede bisherige documenta.

Im Geiste einer gemeinsamen Auseinandersetzung glauben wir, dass es an der Zeit ist, das System der Wertschöpfung solcher Megaausstellungen wie der documenta auf den Prüfstand zu stellen. Wir möchten das ausbeuterische Modell, unter dem die rechtlichen Gesellschafter der documenta „die wichtigste Ausstellung der Welt“ produzieren möchten, anprangern. Die Erwartungen von stets wachsendem Erfolg und ökonomischem Wachstum führen nicht nur unmittelbar zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, sondern gefährden die Möglichkeit, dass die Ausstellung ein Ort kritischer Aktion und künstlerisches Experimentierfeld bleibt. Wie lässt sich die Wertschöpfung der documenta messen? Das Geld, das während Dauer und Vorbereitung der documenta in die Stadt fließt, übersteigt die Summe, die Stadt und Region in die Ausstellung investieren, und zwar um ein Vielfaches.

Wir haben entschieden uns gerade jetzt zu äußern und gemeinsam die Unabhängigkeit der documenta als kulturelle und künstlerische Institution vor parteipolitischen Interessen zu schützen. Die Politik hat diesen Medienrummel verursacht, indem sie das Bild des unmittelbar bevorstehenden Bankrotts der documenta in Umlauf gebracht hat und sich selbst als „Retter“ in einer Krise präsentiert, deren Entwicklung sie selbst zugelassen hat.

Wir beziehen Position als Kulturarbeiter_innen, die die Umsetzung dieses (gewiss kontroversen) Vorhabens der documenta 14 durchgeführt haben. Wir stehen hinter der Arbeit von Annette Kulenkampff und der Verwaltung der documenta gGmbH.

Ohne Möglichkeit der politischen Einflussnahme, wollen wir als Organisatoren der Veranstaltung an der lebendigen Auseinandersetzung und Debatte festhalten, die aus unserer Arbeit hervorgegangen ist. Wir wollen nicht, dass sie aus Gründen der politischen Opportunität ignoriert werden. Wir bitten um einen Moment des Innehaltens und Nachdenkens unserer Gesellschafter. Wir leben in einem Moment, in dem Zeit und Frieden rar sind. Freiheit, künstlerische oder andere Arten von Freiheit, ist etwas das wir erhalten müssen. In der heutigen Welt erscheint uns das nötiger denn je. Wir bitten alle, ob sie nun Akteure in dieser Kontroverse sind oder nicht, sich mit uns in der Verteidigung der Werte einer freien, kritischen und experimentellen documenta solidarisch zu zeigen.

Wir senden dieses Statement an die deutschen und internationalen Medien, in der Hoffnung eine reflektierte Diskussion und neues Bewusstsein für das zu erzeugen, was hier auf dem Spiel steht.

Der Künstlerische Leiter und das kuratorische Team der documenta 14

Adam Szymczyk, Künstlerischer Leiter
Sepake Angiama, Leiterin der Vermittlung
Pierre Bal-Blanc, Kurator
Marina Fokidis, Kuratorische Beraterin
Hendrik Folkerts, Kurator
Natasha Ginwala, Kuratorische Beraterin
Ayse Gülec, Community Liaison
Candice Hopkins, Kuratorische Beraterin
Salvatore Lacagnina, Studio 14
Quinn Latimer, Chefredakteurin der Publikationen
Andrea Linnenkohl, Kuratorische Beraterin
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Curator at Large
Hila Peleg, Kuratorin
Paul B. Preciado, Kurator der Öffentlichen Programme
Dieter Roelstraete, Kurator
Erzen Shkololli, Kuratorischer Berater
Elena Sorokina, Kuratorische Beraterin
Monika Szewczyk, Kuratorin
Paolo Thorsen-Nagel, Sound and Music Advisor
Katerina Tselou, Kuratorische Beraterin

Quelle: HNA




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Stefanie hat geschrieben :
Do 14. Sep 2017, 13:34
Ich persönlich hätte wahrscheinlich tatsächlich bis zu dem Ende der documenta gewartet, um das finanzielle Fiasko bekanntzugeben, vielleicht sogar noch länger
Ich finde man hätte auf jeden Fall sofort reagieren müssen. Wenn man Dinge versucht unter Verschluss zu halten und man schließlich geleaked wird, dann steht man immer schlecht da ...




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Do 14. Sep 2017, 18:45

Die Hessenschau bringt dies:
Budget seit 2012 nicht wesentlich erhöht"

Das Budget sei seit 2012 nicht wesentlich erhöht worden, "trotz der Tatsache, dass dieses neue Projekt notwendigerweise größere und offensichtliche Folgen für die finanzielle Seite haben würde", heißt es in dem Papier. Szymczyk hatte die Ausstellung auf 163 Tage verlängert und neben Kassel auch in Athen stattfinden lassen, was die Sache verteuert hat.
Seine Pläne habe er "deutlich kommuniziert", gerade dieses Konzept "mit den ihm innewohnenden und vorhersehbaren Herausforderungen" habe die Findungskommission überzeugt. Nun aber sehe er, "dass diese Zustimmung sehr viel mehr an Bedingungen geknüpft und begrenzt war, als man uns glauben ließ", verteidigt sich der künstlerische Leiter.

"Besucher in Athen zählen nicht"
Erstmals wurden in dem Statement Besucherzahlen genannt: In Kassel habe die aktuelle documenta bis wenige Tage vor Schluss etwa 850.000 Besucher angezogen. Dazu kämen mehr als 330.000 Besucher in Athen, die sich nicht in Ticketverkäufe übersetzen ließen, "damit existieren sie für die rechtlichen Gesellschafter der documenta nicht", bemängelt Szymczyk. Die 13. documenta vor fünf Jahren hatten 860.000 Besucher gesehen.




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Stefanie
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Do 14. Sep 2017, 19:01

Das ist schon richtig.
Andererseits, wie wäre die Stimmungslage gewesen, wenn es früher bekanntgegeben worden wäre?

Dann hätte mitten im "Hochbetrieb" der documenta das stattgefunden, was jetzt anfängt stattzufinden.
Sozusagen im laufenden Betrieb diese Situation aufzuklären, mit gegenseitige Schuldzuweisungen etc. hätte der documenta auch geschadet (verunsicherte Mitarbeitende/Ehrenamtlich, verunsicherte Ausstellende, verunsicherte Besuchende usw.).
Ganz zu schweigen, dass die inhaltliche Diskussion über die documenta völlig untergegangen wäre.
Die Veranstaltung durchziehen, sacken lassen, Luft holen und öffentlich machen. Bis dahin wäre auch Gelegenheit gewesen, im Hintergrund schon damit anzufangen, die Sachlage aufzuklären und wäre dann mit gesicherten Informationen an die Öffentlichkeit gegangen, als jetzt der Fall ist.
Was passiert, wenn noch nicht gesicherte Informationen über einen noch nicht gesicherten Sachverhalt veröffentlicht werden? Das was jetzt passiert.
Eine Abwägung. Was verursacht mehr Schaden?

Ich weiß nicht... was macht ein Unternehmen, dass in eine finanziellen Notlage gerät? Die Mitarbeitenden schon dann drüber informieren, wenn es noch keine Lösung gibt (wie immer diese aussieht) oder informieren, wenn ein Lösung in Sicht ist?



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Do 14. Sep 2017, 22:06

Ich zitiere mal aus dem Jahresabschluss für das Jahr 2015 der documenta gGmbH:

"IV. Prognose-, Chancen- und Risikobericht

documenta 14

Die politische und wirtschaftliche Lage in Griechenland und damit in Athen ist weiterhin angespannt und höchst instabil. Sowohl die Schuldenkrise als auch damit verbunden die „Capital Control“ als Behinderung des Geldverkehrs, die wechselnden politischen Verantwortlichen und die verstärkte Flüchtlingsproblematik vor Ort erschweren die Arbeit am 2. Standort der documenta 14 in Athen.

Dennoch sind durch die finanziellen Unterstützung für Athen durch das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut Athen sowie die Partnerschaft mit der Fluggesellschaft Aegean trotz der schwierigen Lage zur Zeit keine akuten finanziellen Risiken absehbar, die die Tragfähigkeit der Gesellschaft überschreiten könnten.

Im Bereich Sponsoring konnte die Sparkassenfinanzgruppe wieder als Hauptsponsor gewonnen werden. Trotz dieses Erfolges hat sich die Sponsorensituation für documenta 14 verschärft. Traditionelle Hauptsponsoren wie z.B. die Volkswagen AG, die unter weitreichenden finanziellen Schwierigkeiten aufgrund des Abgasskandals leidet, kommen höchstwahrscheinlich als Sponsoren der d14 nicht mehr in Frage. Dennoch ist Geschäftsführung zuversichtlich, die im d14-Budget vorgesehene Fördersumme für die documenta 14 zu erreichen, da drei Mitarbeiter der documenta 14 im Bereich öffentliche Fundings und private Geldgeber aktiv sind, um finanziellen Leistung zur Umsetzung konkreter Kunstwerke einzuwerben. Allerdings bleibt es bei der Einschätzung der Geschäftsführung, dass für die Zukunft das derzeitige Modell zur Finanzierung der jeweiligen documenta Ausstellung mit einem hohen Anteil von Finanzmitteln Dritter und der Abhängigkeit von vielen Eintritt zahlenden Besuchern mit einem hohen Risiko behaftet ist."

Von mir unterstrichen. Wurde wohl nicht richtig gelesen.

Im Jahresabschluss für das Jahr 2012 wurde auf die Situation der Mitarbeitenden eingegangen, und dargestellt, dass diese unbedingt verbessert werden muss.
In dem Bericht wurde auch erwähnt, dass viele Mitarbeitende - nicht nur die studentischen Kräfte- Zeitverträge erhielten. Ich möchte nicht wissen, wie da arbeitsrechtlich getrickst wurde. 2017 dürfte es ähnlich sein.

Ich neige dazu, dem Kuratorenteam, in den Punkten zu zustimmen, die sich auf die Finanzierung, der Situation der Mitarbeitenden, und der gewollten Ausrichtung zu zustimmen.

Wenn ich jetzt auch noch den Gesellschaftervertrag finden würde, lässt vielleicht auch sagen, wer rechtlich - nicht politisch- verantwortlich gemacht werden kann.

Mir war bislang nicht bewusst, wie sich eine Kunstausstellung dieser Größe finanziert etc. Aus diesem Grunde finde ich das so was von interessant. Scheint das reinste Haifischbecken zu sein.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Fr 15. Sep 2017, 06:01

Stefanie hat geschrieben :
Do 14. Sep 2017, 22:06
Dennoch sind durch die finanziellen Unterstützung für Athen durch das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut Athen sowie die Partnerschaft mit der Fluggesellschaft Aegean trotz der schwierigen Lage zur Zeit keine akuten finanziellen Risiken absehbar, die die Tragfähigkeit der Gesellschaft überschreiten könnten.
Das ist dann aber doch eine krasse Fehleinschätzung?!




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