
"Evening on Karl Johan Street"
Edvard Munch (1892)

(Photoshop Bearbeitung)
Die Szene ist – selbst ohne Menschen – ausgesprochen gespenstisch und atmosphärisch, finde ich. Ich habe das einmal in Photoshop ausprobiert. Besonders auffällig finde ich den Baum* (oder was ist das?) auf der rechten Seite. Die Komposition ist ebenfalls erstaunlich: Der Fluchtpunkt liegt exakt in der Bildmitte, was mich überrascht – normalerweise würde man für mehr Spannung eine Verschiebung erwarten. Die Darstellung ist zwar skizzenhaft und reduziert, doch von meisterlicher Hand. Ich habe einmal eine Ausstellung von Munch gesehen – bei aller psychologischen Tiefe ist er auch ein unbestrittener Könner und Virtuose. Das gilt besonders für die Farbpalette: Sie dient zwar der (düsteren?) Stimmung, ist dabei aber auch sehr delikat.
Obwohl man nicht einmal zehn Köpfe sieht, nimmt man dennoch eine Crowd wahr, oder? Nur zwei oder drei Figuren sind ansatzweise ausgearbeitet und wirken wie Gespenster oder Vampire, irgendwie anonym. Der Kopf des Mannes im Zylinder wirkt durch die eingefallenen Wangen fast wie ein Totenschädel. Die Kleidung entspricht laut Wikipedia der gehobenen bürgerlichen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts.
Wo befinde ich mich als Betrachter eigentlich? Ich stehe mitten im Weg, aber es scheint die Figuren kümmert das nicht. Und wer ist dieses „lyrische/malerische Ich“? Ist es ein universal verortetes Ich? Dieses Ich wirkt etwas erhöht, finde ich. Die kleine Figur über der Schulter einer Frau verstärkt das – es ist fast so, als nehme diese Figur als einzige Kontakt mit mir auf … oder vielleicht auch gerade nicht?
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Gemäß Online-Recherche sieht der Kunsthistoriker Arne Eggum darin einen Bezug zu Arnold Böcklins Toteninsel, was die unheimliche, psychologische Wirkung verstärkt.


