Autonom von staatlichen Vorgaben und Einschränkungen?
Mich irritiert der Text etwas, u.a., dass der Autor entgegen seiner eigenen Aussage, er treffe Wertungen, sich meiner Meinung nach um eine klare eigene Aussage "drückt", indem er die verschiedenen Positionen darstellt, zwar etwas und wenig deutlich formulierte seine eigene Position nennt, aber damit bewirkt, dass er schwer angreifbar ist. So mein Eindruck.
Ich fange einfach mal an.
Dabei sei gleich mit dem Schwierigsten begonnen. Wie nämlich soll es anders denn als Zivilisationsbruch gewertet werden, wenn jemand die Zensur oder gar die Zerstörung von Kunstwerken verlangt? Wird hier nicht einfach nur destruktiv jegliche Idee von Kunstfreiheit missachtet und eine große Errungenschaft aufgeklärter, demokratischer Gesellschaften – in Deutschland sogar als Rechtsgut mit Grundrechtsrang im Grundgesetz verankert – mit Füßen getreten?
Hier biegt er etwas falsch ab, meiner Meinung nach.
Die Autonomie eines Kunstschaffenden, die Kunstfreiheit, ist in der Tat ein Grundrecht, in Kombination mit dem staatlichen Zensurverbot, damit ist eine Vorzensur gemeint, ein sehr starkes Grundrecht. Und es darf nicht durch Gesetze eingeschränkt werden. Aber....es gibt noch weitere Grundrechte, wie die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde. Eben diese, die auch bewirken, dass es die Kunstfreiheit gibt. Diese stehen aber nicht nur Künstlern zu, sondern allen. Was bedeutet, dass die Kunst anerkennen muss, dass anderen diese beiden Grundrechte und Menschenrechte auch zustehen. Insofern hat die Kunst kein Alleinstellungsmerkmal.
Hinsichtlich des Bildes von Dana Schutz setzte ich daher anders an.
Das Thema, die damaligen Ereignisse können natürlich Gegenstand von Kunst sein. Es geht nicht um das ob, sondern um das wie.
Der Autor schreibt:
Denn die Autonomie der Kunst besteht gerade darin, jegliches Sujet in eine eigene Form zu übersetzen. Das für ein Werk gewählte Thema ist daher immer nur ‚Rohmaterial’; unabhängig davon, wie wichtig oder banal, wie umstritten oder simpel es ist, zeigt sich die künstlerische Qualität des Werks daran, was aus dem ‚Rohmaterial’ gemacht wird
Ich denke mal, dagegen gibt es kein Protest.
Aber das geht nicht grenzenlos, d.h. gerade dann, wenn es sich um Personen handelt, die wie in dem Fall auch noch brutal getötet worden sind, sind deren Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde auch durch die Kunst zu wahren. Ich habe mir noch mal das Gemälde und das Originalphoto angeschaut.
Nee geht gar nicht. Die Würde dieses jungen Mannes, die auch nach seinem Tod gilt, wahrt das Gemälde nicht. Erst wird er brutal ermordet, das erste mal wo er sich nicht wehren konnte, und dann jetzt ein zweites mal, wo er oder seine Erben sich nicht gegen diese Darstellung wehren können.
Die Kunst kann sich nicht auf ihre Autonomie, auf ihre Freiheit berufen, ohne dabei die Freiheit und Rechte ihres "Rohmaterials" zu achten.
Das hat die Künstlerin hier nicht gemacht.
Deshalb sollte das Kunstwerk nicht zerstört werden, oder gar nicht mehr ausgestellt werden. Auch nicht durch eine selbstzensur von Museen. Nur... einfach so tun, als ob Kunst, weil sie sich als autonom ansieht, alles darf, geht auch nicht.