Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

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AndreaH
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So 31. Mär 2024, 23:37

Nauplios hat geschrieben :
Sa 30. Mär 2024, 21:25

"Platons Welt" - das trifft es gut, denn was Platon in diesen Dialogen aufschließt, das ist tatsächlich eine Welt, eine Denklandschaft, eine Haltung ... und keine Theorie. Man spricht ja auch gerne von einer Lehre. Er läßt im Symposion Reden abhalten, läßt Sokrates eine Geschichte erzählen, bringt Gleichnisse ...

Dieser platonische Sokrates ist vermutlich eine von Platon "frisierte" Figur, von der nicht verbürgt ist, daß sie den historischen Sokrates richtig wiedergibt. Die Memorabilien von Xenophon charakterisieren ihn ein wenig anders; aber auf den historischen Sokrates, der nichts geschrieben hat (Haltung statt Theorie) kommt es hier nicht an.
Das ist sehr interessant das hier Sokrates etwas anderes beschrieben wurde.




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AndreaH
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Mo 1. Apr 2024, 00:04

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 30. Mär 2024, 17:51
Nauplios hat geschrieben :
Sa 30. Mär 2024, 17:37
Was wohl vorab gesagt wird, daß mit dem Guten etwas gemeint ist, "was jede Seele anstrebt und um dessentwillen alles tut, ahnend, es gäbe so etwas, aber doch nur schwankend und nicht recht treffen können." (505e)

Ist das Gute damit bloß ein Allgemeinbegriff, der das allen Tugenden Gemeinsame beschreibt, oder ein Inbegriff? Ich neige zur zweiten Auffassung (zumindest legt das der Fortgang des Dialogs nahe), daß das Gute Gegenstand eines eigenen Wissens ist.
Hm, ist es verkrampft, wenn man denkt, dass man das Gute definieren könnte? Was jede Seele anstrebt, scheint mir ungenügend. Denn böse Menschen streben Böses an (Schlechtes). Ich denke, man könnte das Gute durchaus ein wenig definieren. Zum Teil wissen wir a priori was gut ist. Aber wie zeigt sich dann das Gute? Es muss sich in den Handlungen eines guten Menschen zeigen. Also das Gute auf die Menschen bezogen offenbart sich in deren Handlungen. Nehmen wir das Kochen einer Speise. Das ist in der Regel gut. Auch wenn ein böser Mensch auch kochen kann, wird dadurch das Kochen a priori nicht schlecht. Und wieder einmal schimmert die Normalität durch. Gut ist, was ein normaler Mensch tut. Was normale Menschen arbeiten, was für Berufe sie haben. Auch das Putzen der Wohnung ist in der Regel gut. So kann man weiterdenken und kommt so zu einer Beschreibung des Guten mittels konkreter Tätigkeiten.
Mhm, ich hätte das Gute eher interpretiert als etwas das man intuitiv fühlt.
Nicht im abwägen und beurteilen in "gut und böse".
Etwas bei dem man gar nicht erst überlegen muß, sondern man weiß es, dass es das richtige Handeln ist, auch ganz unabhängig von dem was die Gesellschaft für Gut und Schlecht hält.
Diese Bildung des Fühlens könnte Platon im Symposion auch etwas deutlicher zum Ausdruck gebracht haben. Diotima erklärt dort die Stufen der Liebe.
Ich würde es so interpretieren, dass das Gute welches Platon meint, stark mit dieser fortschreitenden wachsenden Liebe zusammenhängt.




Timberlake
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Mo 1. Apr 2024, 00:04

Nauplios hat geschrieben :
Sa 30. Mär 2024, 19:02

Das Gute spielt bei Platon gewissermaßen die Hauptrolle.

.. könnte man so sehen. Wenn man denn, um auf mein Beitrag 75989 und dem darin erwähnten „Seelenwagengleichnis" zurück zu kommen ..
  • "Der Götter Rosse und Wagenlenker nun sind alle sowohl selbst gut als von guter Abkunft; die Art der anderen aber ist gemischt. Und zwar was uns betrifft, so lenkt der Führer erstens ein Doppelgespann; sodann ist ihm das eine der Rosse sowohl selbst edel und gut als von solcher Abkunft, das andere aber sowohl von gegenteiliger Abkunft als selbst das Gegenteil. Schwierig und unbeholfen ist da notwendig die Wagenlenkung bei uns"
    Platon .. Phaidros
.. des "Götter Rosse und Wagenlenker" , weil sowohl selbst wie auch von der Abkunft gut , beispielsweise jene Hauptrolle zu gesteht. Was allerdings uns selbst betrifft , so lenkt der Führer ein Doppelgespann, bei dem beiderlei , also das Gute wie auch das Böse, eine Hauptrolle spielt. ...
www.philomag.de hat geschrieben : Blumenberg und die Wirklichkeit

Heute vor 28 Jahren ist Hans Blumenberg gestorben. Für ihn hatte jede Epoche ihre eigene Wirklichkeit, die durch das Studium ihrer Metaphern entschlüsselt werden kann. Um nämlich mit den übermächtigen Realitäten fertigzuwerden, erzählen sich die Menschen seit jeher Geschichten, aus denen die Geschichte hervorgeht.


„Human kind / Cannot bear very much reality“, heißt es in einem Gedicht von T. S. Eliot. „Der Mensch / Verträgt nicht sehr viel Wirklichkeit“, das könnte auch als Motto über den Schriften des Philosophen Hans Blumenberg (1920 – 1996)
.. einer übermächtigen Realität , mit der fertig zu werden , wahrlich nicht jeder geschaffen ist .
  • "Was aber die anderen Seelen betrifft, so erheben einige, die ihrem Gott am rüstigsten folgten und gleich kommen, ihres Wagenlenkers Haupt hinaus in den äußeren Raum und werden durch den Umschwung mit herumgeführt, obgleich von den Rossen verwirrt und mühsam das Seiende erblickend: andere aber erheben sich bald, bald sinken sie unter, und bei dem Ungestüm der Rosse sehen sie zwar einiges, anderes aber nicht. Die übrigen aber, nach dem Oberen strebend, folgen zwar alle; indessen, da ihnen die Kraft fehlt, werden sie in die Tiefe untersinkend zusammen umgetrieben, einander tretend und drängend, indem eine der anderen voranzusein sich bemüht. Da gibt es nun Verwirrung und Wetteifer und Kampfschweiß im höchsten Maß, wobei dann durch Schlechtigkeit der Wagenlenker viele gelähmt werden, viele viel Gefieder einbüßen, alle aber, nachdem sie viele Mühsal gehabt, als Ungeweihte, die nicht zum Schauen des Seienden gelangt sind, zurückkommen und zurückgekommen im Gebiet der Meinung ihre Nahrung finden.
    Platon .. Phaidros"

... insbesondere wenn man zu jenen anderen Seelen zählt. die sich erst gar nicht auf diesen hier von Platon so eindrucksvoll beschriebenen Kampf ein lassen. Wozu dazu viel Gefieder einbüßen ? Wenn man doch ohne diese Mühsal , vor dem Publikum, mit einem intakten Gefieder glänzen kann. Übrigens ein sehr schönes Beispiel dafür , wie man seine eigene Wirklichkeit, durch das Studium einer Metapher entschlüsseln kann. Gehe ich doch einmal davon aus , dass nicht nur Epochen , sondern auch Menschen ihre eigene Wirklichkeit haben und dem zu folge gleichfalls mit Metaphern beschrieben werden können.




Timberlake
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Mo 1. Apr 2024, 01:06

Nauplios hat geschrieben :
So 31. Mär 2024, 17:48
Bevor Platon zu den drei zentralen Gleichnissen der Politeia kommt, bemüht er zu Beginn des sechsten Buches noch ein weiteres Gleichnis. Es geht dabei um die Frage, wer die Hüter des Staates sein sollen. Diese Hüter dürfen natürlich nur Menschen sein, die das Seiende (das sind bei Platon die Ideen) sehen können; sie dürfen dafür nicht blind sein. Wer kommt dafür in Frage? - Natürlich die Philosophen.
Nun ja .. kommt ganz auf ihr "Gefieder" an . Wenn diese Philosophen vor dem Publikum stolz mit einen intakten Gefieder .. einherschreiten , dürften sie dafür eher nicht in Frage kommen. ;)
  • "Wenn sie aber angekommen, stellt der Wagenlenker die Rosse an die Krippe, wirft ihnen Ambrosia vor und tränkt sie dazu mit Nektar. Und dieses nun ist das Leben der Götter!"
    Platon .. Phaidros
Wie dem auch sei , wer dort angekommen ist, den wird man ganz sicher nicht zum Hüter des Staates haben wollen. Ganz im Gegenteil .. ..
  • "Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte, sahe er wieder das Volk an und schwieg. »Da stehen sie«, sprach er zu seinem Herzen, »da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren.
    Muß man ihnen erst die Ohren zerschlagen, daß sie lernen, mit den Augen hören? Muß man rasseln gleich Pauken und Bußpredigern? Oder glauben sie nur dem Stammelnden?
    Sie haben etwas, worauf sie stolz sind. Wie nennen sie es doch, was sie stolz macht? Bildung nennen sie's, es zeichnet sie aus vor den Ziegenhirten."
    Nietzsche .. Also sprach Zarathustra
Dazu nochmals zum Vergleich ... "Mit dieser neuen Wahrnehmung der Welt , möchte er zurück zu seinen Freunden ...seine Stimme ist ein verzerrtes Echo und sein Körper ein grotesker Schatten. Sie können seine fantastischen Geschichten über die Welt , außerhalb der Höhle, nicht verstehen , Für sie wird sie nie existieren .. "





Burkart
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Mo 1. Apr 2024, 10:54

Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt? Ist das in wenigen Sätzen kompakt vermittelbar?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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AufDerSonne
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Mo 1. Apr 2024, 11:53

AndreaH hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 00:04
Etwas bei dem man gar nicht erst überlegen muß, sondern man weiß es, dass es das richtige Handeln ist, auch ganz unabhängig von dem was die Gesellschaft für Gut und Schlecht hält.
Ich glaube eher, man muss sich immer wieder neu überlegen, ob man das Gute tut. Ob es immer noch gut oder jetzt vielleicht schlecht ist. Auch dieses Stufendenken bei den alten Griechen finde ich sehr typisch. Es gibt bei ihnen oft das Höhere und das Niedrigere. Das Übergeordnete und das Untergeordnete. Bei Aristoteles waren die Handwerker weniger schlau als die Künstler oder Weisen usw. Dieses hierarchische Denken ist zwar oft sehr bequem, aber trifft vielleicht die Sache nicht immer richtig. Aber zurück zum Guten. Man ist wirklich verleitet, das Gute als eine Art a priori Gefühl zu denken. Etwas Intuitives, das einfach gegeben ist. Wenn es so ist, dann ok. Wenn es aber nicht so ist, dann wäre es nicht gut, das anzunehmen.
Nehmen wir Atomkraftwerke. Als man diese zu bauen begann, dachten wahrscheinlich viele, dass jetzt die Energieprobleme gelöst seien, und das AKWs gut seien. Erst viel später hat sich herausgestellt, dass es erhebliche Probleme mit dem radioaktiven Müll gibt von den AKWs und Unfällen usw. Bei der Klimaerwärmung ist es ähnlich. Erst nach langer Zeit konnte man sagen, dass die Verbrennung von fossilen Brennstoffen vielleicht doch nicht die beste Lösung ist. Daraus folgt: Oft weiss man nicht intuitiv sofort, was gut und was schlecht ist. Die Intuition könnte sogar falsch sein.
Und man sieht auch, dass das lange Prozesse sein können, wo man herausfinden muss, ob es etwas gut oder schlecht ist.



Ohne Gehirn kein Geist!

Nauplios

Mo 1. Apr 2024, 16:18

Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54

Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt?
Ich antworte mit einem Gleichnis. ;)

Was liebt man an einer Frau? (*) - Es ist die Schönheit, sowohl die der Seele als auch die des Körpers, ihre Klugheit, ihre Frische, ihre Authentizität, ihre Offenheit für Poesie und andere Künste u.v.m. - All das macht sie begehrenswert und für die wahre Liebe gibt es dabei keine Beschränkung auf ein Alter, denn die wahre Liebe kennt keine Limitierung durch die Zeit.

Spräche ab jetzt Sokrates, würde es so weitergehen:

- "So wie die Liebe zu einer Frau vom göttlichen Eros bestimmt wird, so denke dir nun die Liebe als Grund für das Begehren nach einem philosophischen Text. So vernimm denn, oh Burkart, daß jenes, das die Schönheit einer Frau ausmacht auch jenes ist, das die Schönheit eines platonischen Dialogs bestimmt. Ist es nicht die Schönheit des philosophischen Denkens, die aus den Texten Platons sonnengleich hervorschaut?

- "So ist es, oh Sokrates."

- "Ist es nicht die Schönheit der griechischen Sprache und ihre äußere Gestaltung, die den Verliebten in ihren Bann zieht?"

- "Wie könnte es nicht, oh Sokrates."

- "Und ist es nicht die Klugheit, die zu uns aus Platons Texten spricht und uns Bescheidenheit lehrt?"

- "Das ebenso."

- "Und jetzt sage mir, oh Burkart, ob es ein frischeres Denken in den vielen Texten der Heutigen gibt."

- "Keineswegs gibt es das."

- "Und sind die Originalität und Authentizität des philosophischen Denkens, dessen Spiegel diese Texte sind, einzigartig?"

- "Beim Zeus, sie sind es."

- "Und nun sage mir, oh Burkart, ob die Offenheit zur Poesie, diese Texte mit unerschöpflichem Deutungsreichtum versehen hat, mehr noch als es die Orakelsprüche von Delphi vermöchten."

- "Über alle Maßen, oh Sokrates."

- "Das war des Bildes Sinn, lieber Burkart. Doch nun wollen wir zum Haus des Agathon eilen. Dort werden am Abend bei einem Trinkgelage Reden auf den Eros gehalten. Auch wird der schöne Alkibiades erwartet."

;)

(*) Als weißer alter Mann, schreibe ich wie ein weißer alter Mann.




Nauplios

Mo 1. Apr 2024, 18:30

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 11:53

Auch dieses Stufendenken bei den alten Griechen finde ich sehr typisch. Es gibt bei ihnen oft das Höhere und das Niedrigere. Das Übergeordnete und das Untergeordnete.
Ja, das ist gut beobachtet. Bei Platon ist das geradezu ein Strukturprinzip seiner Dialoge. Das beginnt ganz unauffällig in der Politeia und gibt sich den Anschein des Vernachlässigbaren. Schon in der Rahmenerzählung ist die Rede von der Katabasis (κατάβασις - das ist eigentlich eine Unterweltfahrt), dem Abstieg "zum Piräus" und von der Anabasis (ἀνάβασις - der Hinaufmarsch) "zur Stadt" (327a).

Den Scheitelpunkt dieser Bewegung bildet innerhalb der Politeia wieder das Höhlengleichnis mit seiner Anabasis aus der Höhle heraus zum sonnenhaften Licht des Wissens und der anschließenden Katabasis hinab zu den noch in der Höhle Gefangenen. Im Liniengleichnis mit seiner hierarchischen Struktur hat man es wieder. Das zeigt das kunstvolle Ineinander von formalen Rahmungen und inhaltlichen Denkbewegungen.

Die christliche Platondeutung hat verstanden, sich dies religiös-metaphysisch anzueignen. Die Wirklichkeit geht hervor aus dem überwirklichen Einen und kehrt am Ende in diesen Ursprung zurück (πρόοδος > ἐπιστροφή).




Timberlake
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Mo 1. Apr 2024, 21:37

Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54
Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt? Ist das in wenigen Sätzen kompakt vermittelbar?
Wo hier schon mal von Platons Liniengleichnis die Rede war . Dazu nur ein einziger Satz. Mich reizt .. auf unser Heute bezogen! .. an Platon, dass er die Wirklichkeit in Stufen abzubilden wusste , die .. bis Heute! .. Gültigkeit haben. So zumindest meine Meinung.




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Mo 1. Apr 2024, 22:00

Nauplios hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 16:18
Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54

Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt?
Ich antworte mit einem Gleichnis. ;)

Was liebt man an einer Frau? (*) - Es ist die Schönheit, sowohl die der Seele als auch die des Körpers, ihre Klugheit, ihre Frische, ihre Authentizität, ihre Offenheit für Poesie und andere Künste u.v.m. - All das macht sie begehrenswert und für die wahre Liebe gibt es dabei keine Beschränkung auf ein Alter, denn die wahre Liebe kennt keine Limitierung durch die Zeit.

Spräche ab jetzt Sokrates, würde es so weitergehen:

- "So wie die Liebe zu einer Frau vom göttlichen Eros bestimmt wird, so denke dir nun die Liebe als Grund für das Begehren nach einem philosophischen Text. So vernimm denn, oh Burkart, daß jenes, das die Schönheit einer Frau ausmacht auch jenes ist, das die Schönheit eines platonischen Dialogs bestimmt. Ist es nicht die Schönheit des philosophischen Denkens, die aus den Texten Platons sonnengleich hervorschaut?

- "So ist es, oh Sokrates."

- "Ist es nicht die Schönheit der griechischen Sprache und ihre äußere Gestaltung, die den Verliebten in ihren Bann zieht?"

- "Wie könnte es nicht, oh Sokrates."

- "Und ist es nicht die Klugheit, die zu uns aus Platons Texten spricht und uns Bescheidenheit lehrt?"

- "Das ebenso."

- "Und jetzt sage mir, oh Burkart, ob es ein frischeres Denken in den vielen Texten der Heutigen gibt."

- "Keineswegs gibt es das."

- "Und sind die Originalität und Authentizität des philosophischen Denkens, dessen Spiegel diese Texte sind, einzigartig?"

- "Beim Zeus, sie sind es."

- "Und nun sage mir, oh Burkart, ob die Offenheit zur Poesie, diese Texte mit unerschöpflichem Deutungsreichtum versehen hat, mehr noch als es die Orakelsprüche von Delphi vermöchten."

- "Über alle Maßen, oh Sokrates."

- "Das war des Bildes Sinn, lieber Burkart. Doch nun wollen wir zum Haus des Agathon eilen. Dort werden am Abend bei einem Trinkgelage Reden auf den Eros gehalten. Auch wird der schöne Alkibiades erwartet."

;)

(*) Als weißer alter Mann, schreibe ich wie ein weißer alter Mann.

.. und Adeimantos würde dir vermutlich ins Wort fallen.. ..

" ... O Sokrates, gegen diese vorzüglichen Eigenschaften möchte wohl niemand imstande sein einen Widerspruch zu erheben; dagegen aber ist hier eine andere Einrede am Ort. Denn die Zuhörer deiner Beweisführungen, wie du sie eben da lieferst, machen allemal diese ärgerliche Erfahrung: Aus Unerfahrenheit in der Kunst des Fragens und Antwortens meinen sie von deiner begrifflichen Schlußkette bei jeder Frage nur um einen ganz kleinen Schritt von ihrer Ansicht abgeleitet zu werden; wenn aber die kleinen Schritte am Ende der Erörterungen summiert werden, so erscheint der Irrgang ein großer und mit den ersten Sätzen im Widerspruch. Und gerade wie die im Brettspiel Ungeübten von den dann Geschickten endlich eingeschlossen werden und nicht mehr zu ziehen wissen, so glauben auch jene sich eingeschlossen und wissen gleicherweise bei dieser anderen Art von Brettspiel, aber nicht mit Steinen, sondern mit Begriffen, nichts mehr vorzubringen, obgleich sie der Ansicht bleiben, daß die eigentliche Wahrheit nichtsdestoweniger auf der Seite ihrer ursprünglichen Meinung stehe. Diese Bemerkung mache ich aber zunächst im Hinblick auf den vorliegenden Fall."
Platon .. Der Staat




Nauplios

Di 2. Apr 2024, 18:04

Auch die Zirkelhaftigkeit, die darin besteht, "daß man mit der Philosophie immer schon angefangen haben muß, um mit ihr anfangen zu können" (s.o.), ist eine Denkbewegung, die Platons Welt vertraut ist. Das zeigt sich auch hier wieder, wenn es um die Frage der Staatslenkung geht. Einerseits werden die Philosophen im Alter "wunderlich", andererseits sollen sie an der Spitze des Staates stehen und Wächter der Polis sein. Der gefährliche Einfluß der öffentlichen Meinung in Form von Volksversammlungen, Gerichtssitzungen, Theateraufführungen u.ä. hat zur Folge, daß die jungen Männer, die schon sehr früh in der Philosophie unterwiesen worden sind, in den Sog des Disputierens und des Rechthaben-Wollens hineingerissen werden und auf diese Weise eine Anfälligkeit für sophistische Streitstrategien entwickeln. Sie wissen dann zwar über die Stimmungen in der Polis Bescheid und verstehen es, erfolgreich auf dieser Klaviatur der Stimmungen (der "Vielen") zu spielen; was aber die eigentliche Philosophie betrifft, der es um das Wissen der Ideen geht, bleibt ihnen verschlossen.

"Philosophisch also, sprach ich, kann eine Menge unmöglich sein." [494] (φιλόσοφον μὲν ἄρα, ἦν δ᾽ ἐγώ, πλῆθος ἀδύνατον εἶναι.)

Der Staat (die reale Polis Platons) macht es für die jungen Menschen fast unmöglich, zu Philosophen zu werden; zu groß sind die Verlockungen, in der Öffentlichkeit zu glänzen und darüber die Ideen zu vergessen. Andererseits sollen die Philosophen aber dennoch an der Spitze des Staates stehen, was den idealen Staat voraussetzt, der sie jedoch erst ermöglicht.

Platons Ausweg:

"Kleine Wesen und Kinder sollen mit wenig Gelehrsamkeit und Philosophie behandelt werden ..." [498b] (μειράκια μὲν ὄντα καὶ παῖδας μειρακιώδη παιδείαν καὶ φιλοσοφίαν μεταχειρίζεσθαι ...)

Erst im reifen Alter sollte man sein Leben der Philosophie widmen und nicht bereits zu einer Zeit, da das Kind noch heranwächst. Reif meint hier natürlich nicht im Rentenalter. Aber gerade damit sie im Alter nicht "wunderlich" werden, sollte man kleine Kinder nur mit "wenig mit Gelehrsamkeit und Philosophie behandeln".




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AufDerSonne
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Di 2. Apr 2024, 18:55

Also diese beiden Arten hast du nun, das denkbare und sichtbare. (Seite 244)

Nimmt Platon hier Rationalismus und Empirismus vorweg? Für mich ist das denkbare der Rationalismus und das sichtbare der Empirismus. Wenn man es locker nimmt mit der Interpretation. Ich finde aber diese beiden Worte, denkbares und sichtbares, besser. Man kann sich, oder ich kann mir, mehr darunter vorstellen. Das Sichtbare müssen ja nicht zwingen nur materielle Objekte sein. Sichtbar ist etwas, wenn man es sehen kann, auch im Sinne von verstehen. Siehst du es es jetzt? Ja, ich sehe es (ich verstehe es). Auch das Denkbare ist der feinere Begriff als das Rationale. Denkbar ist viel, rational ist beschränkt. Das Denkbare enthält auch die Vernunft. Die Phantasie. Die Vorstellung. Das Sichtbare kann von den Augen ausgehen. Kann aber eben auch verstehen bedeuten.



Ohne Gehirn kein Geist!

Nauplios

Di 2. Apr 2024, 19:11

Bevor Platon mit dem Sonnengleichnis beginnt - er leitet es damit bereits ein - kommt er auf die Sinne zu sprechen und stellt fest, daß das Sehen einen Vorrang vor dem Hören und den anderen Sinnen hat. Beim Hören vergeht der Gegenstand des Hörens noch während des Hörvorgangs. Er verflüchtigt sich sogleich wieder. Das Gesehene dagegen hat Bestand. Es löst sich nicht durch den Akt des Sehens wieder auf.

Um aber etwas sehen zu können, muß dieses natürlich sichtbar sein. Und an der Stelle hat das Licht (s.o.) seinen Auftritt. Das Licht sorgt für die notwendige Helligkeit.

In der alttestamentarischen Tradition ist es dagegen das Hören der Stimme Gottes, bei Heidegger später das "Hören auf das Sein", welches das Sehen zu überbieten sucht.

("Die Stimme Greta Garbos behauptet sich gerade deswegen im Tonfilm, weil sie in jedem ihrer Filme in einem bestimmten Moment imstande war, nicht allein die innere Veränderung der Heldin als affektive Bewegung auszudrücken, sondern Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vulgäre Intonationen, Liebesgurren, kaltherzige Entscheidungen, lebhaft vergegenwärtigte Erinnerungen und sehnsüchtige Imagination zu einem Ganzen zusammenzuführen." (Gilles Deleuze; Kino. Bd. 2; Das Zeit-Bild; S. 308)




Nauplios

Di 2. Apr 2024, 20:08

Nur als Nachtrag: Gadamer hat von einer "Okularität der griechischen Philosophie" gesprochen (Hans Georg Gadamer; Über das Hören. in: Thomas Vogel (Hg.); Über das Hören; S. 197).
AufDerSonne hat geschrieben :
Di 2. Apr 2024, 18:55
Also diese beiden Arten hast du nun, das denkbare und sichtbare. (Seite 244)

Nimmt Platon hier Rationalismus und Empirismus vorweg? Für mich ist das denkbare der Rationalismus und das sichtbare der Empirismus. Wenn man es locker nimmt mit der Interpretation. Ich finde aber diese beiden Worte, denkbares und sichtbares, besser. Man kann sich, oder ich kann mir, mehr darunter vorstellen. Das Sichtbare müssen ja nicht zwingen nur materielle Objekte sein. Sichtbar ist etwas, wenn man es sehen kann, auch im Sinne von verstehen.
Ja, in gewisser Weise ist das so, obschon es zu Platons Zeit diese Diskussion (Empirismus/Rationalismus) natürlich noch nicht gab. Die Hierarchiestufen zwischen dem Sichtbaren und dem Denkbaren spielen im Sonnengleichnis natürlich eine zentrale Rolle. Und die Gewichtung und der Vorrang des Sehens zeigt sich noch bei Kant, wo dem Verstand als sinnliches Pendant die "Anschauung" gegenübersteht. Dieser Vorrang des Sehens vor dem Hören hat die philosophische Ästhetik nachhaltig geprägt.

Ganz anders dagegen:

"Du kannst mein Antlitz nicht schauen, denn kein Mensch schaut mich und lebt." (Ex 32, 20)

Das ändert sich im Neuen Testament und mit der Vorstellung von Gottnähe in Form der visio beatfica. "Schauen von Angesicht zu Angesicht" heißt es bei Paulus (1 Kor 13,12) Je intensiver diese Nähe zu Gott gedacht wird, desto mehr wird die Metaphorik des Hörens zu einer des Sehens.




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Di 2. Apr 2024, 23:37

Nauplios hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 16:18
Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54

Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt?
Ich antworte mit einem Gleichnis. ;)

Was liebt man an einer Frau? (*) - Es ist die Schönheit, sowohl die der Seele als auch die des Körpers, ihre Klugheit, ihre Frische, ihre Authentizität, ihre Offenheit für Poesie und andere Künste u.v.m. - All das macht sie begehrenswert und für die wahre Liebe gibt es dabei keine Beschränkung auf ein Alter, denn die wahre Liebe kennt keine Limitierung durch die Zeit.

Spräche ab jetzt Sokrates, würde es so weitergehen:

- "So wie die Liebe zu einer Frau vom göttlichen Eros bestimmt wird, so denke dir nun die Liebe als Grund für das Begehren nach einem philosophischen Text. So vernimm denn, oh Burkart, daß jenes, das die Schönheit einer Frau ausmacht auch jenes ist, das die Schönheit eines platonischen Dialogs bestimmt. Ist es nicht die Schönheit des philosophischen Denkens, die aus den Texten Platons sonnengleich hervorschaut?

- "So ist es, oh Sokrates."

- "Ist es nicht die Schönheit der griechischen Sprache und ihre äußere Gestaltung, die den Verliebten in ihren Bann zieht?"

- "Wie könnte es nicht, oh Sokrates."

- "Und ist es nicht die Klugheit, die zu uns aus Platons Texten spricht und uns Bescheidenheit lehrt?"

- "Das ebenso."

- "Und jetzt sage mir, oh Burkart, ob es ein frischeres Denken in den vielen Texten der Heutigen gibt."

- "Keineswegs gibt es das."

- "Und sind die Originalität und Authentizität des philosophischen Denkens, dessen Spiegel diese Texte sind, einzigartig?"

- "Beim Zeus, sie sind es."

- "Und nun sage mir, oh Burkart, ob die Offenheit zur Poesie, diese Texte mit unerschöpflichem Deutungsreichtum versehen hat, mehr noch als es die Orakelsprüche von Delphi vermöchten."

- "Über alle Maßen, oh Sokrates."

- "Das war des Bildes Sinn, lieber Burkart. Doch nun wollen wir zum Haus des Agathon eilen. Dort werden am Abend bei einem Trinkgelage Reden auf den Eros gehalten. Auch wird der schöne Alkibiades erwartet."

;)

(*) Als weißer alter Mann, schreibe ich wie ein weißer alter Mann.
Nauplios, dank dir für das vermutlich Platon-typische Gleichnis, die Dialog-Struktur passt jedenfalls. Inhaltlich muss man ja nicht unbedingt immer übereinstimmen ;)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Burkart
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Mi 3. Apr 2024, 00:27

Timberlake hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 21:37
Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54
Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt? Ist das in wenigen Sätzen kompakt vermittelbar?
Wo hier schon mal von Platons Liniengleichnis die Rede war . Dazu nur ein einziger Satz. Mich reizt .. auf unser Heute bezogen! .. an Platon, dass er die Wirklichkeit in Stufen abzubilden wusste , die .. bis Heute! .. Gültigkeit haben. So zumindest meine Meinung.
Ja, es hat schon eine gewisse Gültigkeit, aber auch (dieses) Stufenmodel(le) ist halt ein Abbild und Abbilder sind nicht die (einzige) (perfekte) Realität.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Beiträge: 505
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
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Mi 3. Apr 2024, 00:45

Nauplios hat geschrieben :
Fr 29. Mär 2024, 13:08


Die Sonne spendet Licht, so daß wir etwas sehen können, so daß uns überhaupt Dinge erscheinen können, uns etwas einleuchtet, etwas im Lichte der Wahrheit steht, etwas ans Licht der Wahrheit kommt, ans Tageslicht kommt, etwas hell und klar wird, Aufklärung erfährt.
Laut Überlieferung des Diogenes Laertios, dürften Platon und Diogenes von Sinope nicht das beste Verhältnis gehabt haben.
Als ein gegenseitiges Verhöhnen beschreibt es Laertios.
Zumindest suchten beide nach dem „Guten“.
Mit einer Laterne ging Diogenes von Sinope beim helllichten Tag auf dem Marktplatz von Athen umher und leuchtete damit den Menschen ins Gesicht.
Als er gefragt wurde, was er denn mache, antwortete er:
Er suche einen Menschen, ein guter, wahrer Mensch sollte es sein.




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AndreaH
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Mi 3. Apr 2024, 01:10

Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54
Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt? Ist das in wenigen Sätzen kompakt vermittelbar?
Es ist diese Nähe die Platon schafft. Etwas Kompliziertes oder Tiefgründiges wird mit Hilfe von einer Geschichte und Dialog für viele erreichbar und greifbar.
Ich finde die Art wie Platon seine Schriften aufgebaut hat wirklich spannend.
Außerdem finde ich es auch immer interessant, in alten Texten und in einer anderen Zeit zu stöbern, man findet dann oft markante Merkmale, welche diese Menschen damals beschäftigte.




Nauplios

Mi 3. Apr 2024, 11:25

Burkart hat geschrieben :
Di 2. Apr 2024, 23:37

Nauplios, dank dir für das vermutlich Platon-typische Gleichnis, die Dialog-Struktur passt jedenfalls. Inhaltlich muss man ja nicht unbedingt immer übereinstimmen ;)
Die Form des Gleichnisses bot sich als für Platon typische Darstellungsform geradezu an und natürlich ist es bewußt ein wenig überzeichnet. Es scheint, daß mit dieser Form dem Inhalt ausgewichen wird, aber das Schöne hat tatsächlich eine zentrale Stellung in Platons Philosophie.

"Platon zuerst hat im Schönen als sein Wesensmoment die Ἀλήθεια [Alétheia] aufgewiesen, und es ist deutlich, was er damit meint: das Schöne, die Weise, in der das Gute erscheint, macht sich selbst in seinem Sein offenbar, stellt sich dar." (Hans-Georg Gadamer; Wahrheit und Methode; S. 491)

Dieser Begriff der Aletheia wird im Deutschen gern mit Wahrheit wiedergegeben. Doch das ist insofern irreführend, als wir ja mit Wahrheit in der Regel die Übereinstimmung einer Aussage mit der Wirklichkeit meinen. Das Urteil stimmt mit der zu beurteilenden Sache überein (veritas est adaequatio rei et intellectus). Das ist jedoch - folgt man Gadamer - eine Verkürzung des Wahrheitsbegriffs wie er sich bei Platon als Aletheia findet. Mit der Aletheia (wörtlich: Un-verborgenheit) ist gemeint, daß etwas offenbar ist - nicht offenbar wahr ist (damit würde man wieder in die verkürzende Form der Aussagenwahrheit zurückfallen). Daß etwas offenbar ist, daß es un-verborgen ist, macht seine Wahrheit (will man diesen Begriff unbedingt verwenden) aus.

Diese Wahrheit ist das Wesensmoment des Schönen. Und auch hier beim Schönen darf man nicht unser heutiges Verständnis von Schönheit zugrunde legen. Schönheit gilt uns als Ergebnis eines Geschmacksurteils. Dann ist man auch wieder nur auf der Ebene des Aussagens. Das Schöne bei Platon ist die "Weise, in der das Gute erscheint" (Gadamer). - Damit hat man die platonische Dreifaltigkeit zusammen: das Gute, das Schöne, das Wahre. Und auch das Gute ist nicht nur das moralisch Gute.

Schon an diesen wenigen Beispielen zeigt sich, daß die Übersetzungen (welche auch immer) ein gehöriges Potenzial an Mißverständnissen aufweisen. Und dann gewinnt man natürlich den Eindruck, man habe es bei einem Text von Platon mit unausgegorenem, "mythischem" und längst überholtem Zeug zu tun, einer Art primitiven Denkens, das die Beschäftigung mit ihm nicht mehr lohnt, weil wir doch heute viel weiter sind. Ein folgenschwerer Fehler.




Nauplios

Mi 3. Apr 2024, 12:01

Unter anderem diesen Fehler hatte wohl Hans Blumenberg vor Augen als er dieses Notat anlegte (ich hatte es kürzlich erwähnt):

"Die Philosophie hat nicht nur Geschichte, sie ist ihre Geschichte. Anders ausgedrückt: Jede ihrer Realisierungen in der Zeit ist konkurrenzfähig mit jeder anderen, obwohl es keine Renaissance im strengen Sinne in ihr geben kann, weil zugleich jedes philosophische Wort auch an das Welt- und Selbstverständnis seiner Zeitstelle gebunden bleibt." (Hans Blumenberg; "Was wäre eine Phänomenologie der Geschichte?" DLA Marbach, Bestandssignatur A: Titel: UNF 309)

Natürlich bleibt auch Platons "philosophisches Wort an das Welt- und Selbstverständnis seiner Zeitstelle gebunden". Und natürlich spielt die Sprache, die Kultur, das Wissen u.v.a. eine Rolle in diesem Welt- und Selbstverständnis. Jede Philosophie hat diese Gebundenheit an diese Zeitstelle. Unsere auch!

Aber: Jede Realisierung der Philosophie, auch wenn sie zeitgebunden ist, ist dennoch "konkurrenzfähig mit jeder anderen".

Denn: Philosophie hat nicht nur Geschichte, sie ist ihre Geschichte.

Deshalb ist Zurückhaltung und Skepsis angesagt, wenn vom Fortschritt in der Philosophie die Rede ist. Sicher, sie schreitet voran. In der Zeit. Von einer Zeitstelle zur nächsten. Insofern Fortschritt. Doch dieses Fort-schreiten allein ist ja nicht gemeint, sondern eine positiv bewertete Weiterentwicklung. Damit aber wird die "Konkurrenzfähigkeit" zeitlich früherer Realisierungen der Philosophie bestritten. Allenfalls werden sie als für die "damalige Zeit" beachtenswerte, aber dennoch nach "heutigem Stand" defiziente Vorformen anerkannt; so wie man einem Kind anerkennend den Kopf tätschelt. -




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