sybok hat geschrieben : ↑ So 12. Feb 2023, 12:10
Burkart hat geschrieben : ↑ So 12. Feb 2023, 09:02
Also wenn wir hier weiter über das eine oder andere daraus diskutieren wollen, gerne.
Interessiert mich sehr, ich bin jedenfalls dabei
Folgendes soweit mir die Geschichte bekannt / wie sich mir das jetzt nach meinem derzeitigen Kenntnisstand präsentiert:
Angefangen hat es mit Euklid und dem Parallelenpostulat (ein allg. gutes Buch, dass u.A. die überragende Bedeutung dieses Postulats für die Mathematik illustriert:
5000 Jahre Geometrie, man kann es kaum überschätzen). Das war beinahe 2000 Jahre lang ein Treiber in der Mathematik und die "Entdeckung" der nichteuklidischen Geometrie durch Lobatschevsky, Gauss und Andere im 19. Jhdt. hat dann gewissermassen die Krise eröffnet. Nämlich durch die Erkenntnis - eben über die so Andersartigkeit nichteuklidischer Geometrie - dass es scheinbar nicht
DIE Mathematik gebe, dass Axiome in dem Sinne nicht "natürlich" sind, sondern vielleicht willkürlich gewählt werden können, es ergeben sich dann einfach andere "Mathematiken".
Frege, Russell und Co. wollten das dann "retten", die Mathematik sauber und stringent auf Arithmetik, resp. Mengenlehre und Logik rückführbar machen und ein "natürliches", korrektes und konsistentes Set an Axiomen ausarbeiten. Das hat zu Problemen geführt, beispielsweise entdeckte man die Unabhängigkeit von einer Anzahl relativ bedeutender Aussagen/Axiome im naiv/natürlich vorherrschenden System, wie die berühmte Kontinuumshypothese, das Auswahlaxiom oder den Wohlordnungssatz. Und dann das "Platzen der Bombe", Gödel's Unvollständigkeitssätze, dass man ein beweisbar konsistentes System niemals hinkriegt, wenn es einigermassen Ausdrucksstärke besitzen soll - was dann den Logizismus begräbt (oder, naja, schwächer vielleicht: wenigstens nicht mehr als irgendwie ausgezeichnete Hintergrundphilosophie zulässt).
Deshalb sieht man dann den Formalismus als "Sieger" des Grundlagenstreits an, Mathematik ist demnach eine Sprache, ein Symbolmanipulationssystem. Es gibt keine "der Welt inhärente" resp. "natürliche" Axiomensysteme / Logiken, es gibt nur verschiedene formale Systeme. Statt Euklids unendlich grosses, in alle Richtungen ausgedehntes Blatt Papier kann ich in nichteuklidischer Weise einen unendlich weit entfernten "Fluchtpunkt" hinzunehmen und schwups schneiden sich auch parallele Geraden, es gibt keine "inhärente" Bewertung was "besser" oder "natürlicher" wäre und je tiefer man geht, desto komplizierter wird es.
Dank dir für den historischen Abriss.
Manchmal sind Konstrukte auch künstlich und machen z.B. nur abstrakt einen gewissen Sinn. Ich meine damit z.B. das Schneiden der parallen Geraden: Wenn sie immer einen konstanten Abstand > 0 haben, wird ihr Abstand nie 0 sein und damit die eigentliche Schnittbedingung nicht erfüllen können. Unendlich(keit) ist das aus meiner Sicht nur ein (für mich hier unpassendes) Hilfskonstrukt.
Dabei denke auch an etwas wie "Unendlich - unendlich = PI" und so'n (um Aufmerksamkeit heischender, in der Form eigentlicher) Blödsinn, wie auf youtube zu finden ist.
Ja, natürliche Axiomensysteme / Logiken gibt es nicht. Sie beruhen alle auf unseren Grundlagen, u.a. unsere Einschränkungen, z.B. hinsichtlich Dimension. 1+1=2 stimmt sozusagen nur im Eindimensionalen, zwei Wege (z.B. der Länge 1) im Zweidimensionalen sind zusammen oft kürzer als die Summe der Einzelwege.
Persönlich denke ich auch über das Entstehen einfacher Axiome nach wie (neben Zahlen als z.B. An-Zahl) die logischen Operation "und", "oder" und "nicht":
"Und" ist noch die einfachste Operation, sie besagt "nur", dass Eigenschaften A und B gemeinsam auftreten müssen.
"Oder" ist schon z.B. wegen aus- oder einschließendem Oder nicht mal ganz eindeutig in unserem Verständnis.
Und "Nicht" als Gegenteil kann leicht uneindeutig sein: Ist ein Nicht-weißer (Schach-)König nun schwarz oder die weiße Dame o.ä.?
So und ähnlich denke ich über mathematische Grundlagen nach.
Dass etwas wie "Mengen von Mengen, die sich nicht selbst enthalten" oder das Halteproblem durch Selbstreferenz scheitern, zeigt zwar jeweils die Unbeweisbarkeiten im Allgemeinen. Dafür werden aber beweisbare Untermengen aus meiner Sicht zu wenig betrachtet, die oft genug im Praktischen völlig ausreichen, ob nun bei Mengen oder doch beweisbar haltenden Programmen.
Das sehe ich insofern, als dass KI als quasi basierend auf einer Turingmaschine so leicht unterschätzt wird, weil man behauptet "das kann ja gar nicht gehen, siehe Gödel&Co". Dass Menschen aber letztlich den gleichen Restriktionen unterliegen, interessiert solche Kritiker nicht - bzw. das Gegenteil müssten sie erstmal (formal) beweisen und nicht mit "biologisch", "Leben" oder "Bewusstsein" u.ä. rumschwafeln.
Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.