Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Jörn Budesheim
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Wenn ich mich frage, ob es im Kühlschrank Bier gibt, kommt Bier offenbar in der Frage vor, daraus folgt aber nicht, dass Bier im Kühlschrank vorkommt. Wie sollte das auch folgen? Was in Fragen vorkommt, kommt dort gemäß der "Anordnungsregeln" dieses bestimmten Bereichs vor, nämlich dem entsprechenden Sprachspiel. Bier in Fragen kann man jedoch wohl kaum trinken. Die SFO behauptet in Bezug auf all diese Dinge nichts ungewöhnliches, wie ich finde.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:06
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 09:35
Wenn ich eine Theorie entwerfe, die den Bereich aller Bereiche zu formuliert, oder Welt, oder ein metaphysisches Ganzes gibt es dann diesen Bereich gemäß Gabriel oder gibt es ihn nicht?
Es gibt ihn gemäß Gabriel nicht.
Warum?
Was ist das Auschlußkriterium?
Es gibt also Hexen, aber nicht die Welt.
Die Begründung dafür, dass es Hexen gibt, ist, dass die dargestellt werden. Welche andere Begründung gibt es noch?
Die Welt als Ganzes wird aber auch dargestellt, warum gibt es sie dann nicht? Damit existiert sie und steht in einen Sinnfeld, z.B phil. Theorien.
Was ist mit logisch unmöglichen Dingen? Gibt es sie oder nicht? Und warum?

Wir brauchen durchgängige Kriterien.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mo 19. Feb 2018, 10:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:22
Wenn ich mich frage, ob es im Kühlschrank Bier gibt, kommt Bier offenbar in der Frage vor, daraus folgt aber nicht, dass Bier im Kühlschrank vorkommt. Wie sollte das auch folgen? Was in Fragen vorkommt, kommt dort gemäß der "Anordnungsregeln" dieses bestimmten Bereichs vor, nämlich dem entsprechenden Sprachspiel. Bier in Fragen kann man jedoch wohl kaum trinken. Die SFO behauptet in Bezug auf all diese Dinge nichts ungewöhnliches, wie ich finde.
Bei Herr K.'s nicht exisiterender Schwester spielte das auch keine Rolle und dass in ihr kein Blut fließt störte niemanden, es wurde als Fixierung auf die phxsische Welt und damit als Fehler gedeutet. Mal Hü, mal hott.

Daraus, dass kein Bier im Kühlschrank ist, sollte man Gabriel zufolge gerade nicht schließen, dass es generell überhaupt kein Bier gäbe.
Etwas existiert, wenn es irgendwo vorkommt, hingeschrieben und mit ein paar Eigenschaften ausgestattet reichte bislang dafür aus, Herr K.'s Schwester, Hexen, Einhörner ... bei Welt als Ganzem soll genau dasselbe Kriterium nicht mehr ausreichen, warum nicht?



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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:23
Wir brauchen durchgängige Kriterien.
Durchgängige Kriterien haben wir. Alles, was in einem Bereich vorkommen kann, kann gemäß der Anordnungsregeln des Bereichs existieren. Die Welt kann nicht in einem Bereich vorkommen, also kann sie gemäß des Kriteriums nicht existieren.

Egal, wie man sich ausdrückt - also egal, ob man sagt, "etwas gibt es", "es existiert", "es kommt vor" ... oder was auch immer, es muss immer ein Index mitgedacht werden, der angibt, wo es vorkommt. Bei der Welt geht das nicht, weil sie sonst nicht unter den Begriff "Welt" fallen würde.




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Jörn Budesheim
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Mo 19. Feb 2018, 10:47

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:29
Daraus, dass kein Bier im Kühlschrank ist, sollte man Gabriel zufolge gerade nicht schließen, dass es generell überhaupt kein Bier gäbe.
So ist es. Deswegen hab ich diesen speziellen Bereich, in dem ich nach dem Bier Ausschau gehalten habe, ja auch gekennzeichnet: es war der Kühlschrank.




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Mo 19. Feb 2018, 10:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:46
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:23
Wir brauchen durchgängige Kriterien.
Haben wir. Alles, was in einem Bereich vorkommen kann, kann existieren.
Ja.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:46
Die Welt kann nicht in einem Bereich vorkommen, also kann sie gemäß des Kriteriums nicht existieren.
Warum sollte sie das nicht können, das kann sie fraglos.
Ich schreibe gerade das Buch "Die Welt - Eine Geschichte des Ganzen". Voilà.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:46
Egal, wie man sich ausdrückt - also egal, ob man sagt, "etwas gibt es", "es existiert", "es kommt vor" ... oder was auch immer, es muss immer ein Index mitgedacht werden, der angibt, wo es vorkommt. Bei der Welt geht das nicht, weil sie sonst nicht unter den Begriff "Welt" fallen würde.
In meinem Buch.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:56
Ich schreibe gerade das Buch "Die Welt - Eine Geschichte des Ganzen". Voilà.
Das ist aber nicht der Bereich aller Bereiche. Also nicht die Welt, von der wir gerade sprechen, sondern eben allein ein Element des fraglichen Buches.




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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:56
In meinem Buch.
Genau. Im Buch, aber eben nicht ohne Bereich, also als Bereich aller Bereiche.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 11:04
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:56
Ich schreibe gerade das Buch "Die Welt - Eine Geschichte des Ganzen". Voilà.
Das ist aber nicht der Bereich aller Bereiche. Also nicht die Welt, von der wir gerade sprechen, sondern eben allein ein Element des fraglichen Buches.
Sinnfelder gibt es ja erst mal auch nur als Behauptung in einem Buch. Dort sind sie Thema, werden als theoretische Möglichkeit vorgstellt.
Dass es sie gibt, ist einzig eine Behauptung

Dann gibt es eben ein anderes Buch: "Die Welt - Eine Geschichte des Ganzen". In dem Buch könnte es darum gehen, dass Welt nicht in einzelne Bereiche, Systeme oder Sinnfelder zerfällt, sondern zu guter Letzt immer ein metaphysisches Ganzes übrig bleibt, ein Bereich aller Bereiche, ein Sinnfeld aller Sinnfelder.

Wie immer man das inhaltlich bewertet, mich überzeugt, wie gesagt, die Eigenweltlichkeit von Bereichen nicht, die von anderen abhängig sind, ist hier zunächst egal. Die Reduzierung und Deontologisierung durch Bemerkungen wie die, dass das doch nur irgendwo in einem Buch steht, ist nicht statthaft, wie wir bei den Hexen sahen, die auch nur irgendwo in einem Buch stehen.



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Alethos
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Mo 19. Feb 2018, 18:48

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 07:56
Wenn jemand eine Theorie entwirft und hinschreibt, in der die Welt ein metaphysisches Ganzes ist, dann gibt es Welt als metaphysisches Ganzes. Wenn man nun sagt: "Ja, ja, jedoch nur im Sinnfeld der Theorie von X", aber nicht in allen, wird man Gabriels Voraussetzungen untreu. Denn existieren heißt eben gerade NICHT in allen Sinnfeldern erscheinen zu müssen, sondern in mindestens einem.
Das ist korrekt. Die SFO sagt, Erscheinung in einem Sinnfeld (oder mehreren) heisst Existenz. Und deshalb gibt es die Welt ja auch, und zwar in der SFO und in vielen anderen Theorien. Es gibt schliesslich den Begriff "Welt", also muss die Welt existieren.

Aber zu sagen, und das ist das Missverständnis, das wir hier austragen, dass etwas in einem Sinnfeld vorkommt, bedeutet nicht, dass dieses Sinnfeld die Welt ist. Ein Sinnfeld ist Teil von allem, was der Fall ist, um mit Heidegger zu sprechen. Die Welt sei alles, was der Fall ist. Gegen Heidegger wendet nun die SFO ein, dass das der Fallsein von Welt selbst ein Fall sein muss, der selbst wiederum der Fall ist. Und dieses der Fallsein des Fallseins ist wiederum der Fall etc. ins Unendliche fortgesetzt. Deshalb irre Heidegger, wenn er sagt, dass Welt alles sei, was der Fall sei, weil Welt den Fall ihres eigenen Fallseins gar nie beinhalten könne.

Gleichzeitig nun behauptet die SFO, dass es alles gebe, was es gibt. Und im Rahmen dieses Vorkommens von allem kommt in einem Bereich oder in mehreren Bereichen die "Welt" vor. Dass aber die Welt in einem Bereich vorkommt, widerspricht der Vorstellung von der "Welt" als dem Bereich aller Bereiche, denn in einem Bereich vorzukommen bedeutet gerade, nicht der Bereich aller Bereiche sein zu können. Also gibt es "die Welt als Bereich aller Bereiche" aber nur in einer Theorie von Welt, eines Gedankens an Welt oder einer Vorstellung von Welt. Diese Welt erscheint als etwas, als ein Gedanke, eine Theorie oder eine Vorstellung, in diesem Sinne gibt es sie, nirgends gibt es sie aber als Bereich aller Bereiche. Die ontologische Dimension des Weltseins beschränkt sich auf jenen Sinn, in welchem Welt vorkommt und jener Sinn ist nicht derjenige, der Bereich zu sein, in dem alle anderen Bereiche vorkommen.



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Alethos
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Mo 19. Feb 2018, 18:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 11:12
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 10:56
In meinem Buch.
Genau. Im Buch, aber eben nicht ohne Bereich, also als Bereich aller Bereiche.
Ja, genau. Die Welt ist ein bereichsloser Bereich, weshalb es sie nicht geben kann.



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Herr K.
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Di 20. Feb 2018, 07:51

Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:53
Die Welt ist ein bereichsloser Bereich, weshalb es sie nicht geben kann.
Das Universum (die Gesamtheit von Raum, Zeit und aller Materie und Energie darin) ist wohl ebenso ein bereichsloser Bereich, d.h. es ist nicht in einem anderen Bereich enthalten. Ergo gibt es auch das Universum nicht?




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Jörn Budesheim
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Di 20. Feb 2018, 08:19

Willkommen zurück :-)




Tosa Inu
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Di 20. Feb 2018, 10:16

Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Das ist korrekt. Die SFO sagt, Erscheinung in einem Sinnfeld (oder mehreren) heisst Existenz. Und deshalb gibt es die Welt ja auch, und zwar in der SFO und in vielen anderen Theorien. Es gibt schliesslich den Begriff "Welt", also muss die Welt existieren.
Ja.
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Aber zu sagen, und das ist das Missverständnis, das wir hier austragen, dass etwas in einem Sinnfeld vorkommt, bedeutet nicht, dass dieses Sinnfeld die Welt ist. Ein Sinnfeld ist Teil von allem, was der Fall ist, um mit Heidegger zu sprechen. Die Welt sei alles, was der Fall ist. Gegen Heidegger wendet nun die SFO ein, dass das der Fallsein von Welt selbst ein Fall sein muss, der selbst wiederum der Fall ist.
Nur der Form halber: Das war Wittgenstein, aber der Gedanke ist klar geworden.
Der spricht aber nicht von einem Fallsein der Welt, also nicht davon, dass Welt ein Fall/Vorkommnis (unter anderen) in einer aufgespalteten Welt ist, sondern im Gegenteil: alles, was der Fall ist, nennt er Welt. Wittgenstein ist hier (wie auch bei der Sprache) Holist.
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Und dieses der Fallsein des Fallseins ist wiederum der Fall etc. ins Unendliche fortgesetzt. Deshalb irre Heidegger, wenn er sagt, dass Welt alles sei, was der Fall sei, weil Welt den Fall ihres eigenen Fallseins gar nie beinhalten könne.
Nur denkt Wittgenstein so gerade nicht. Der Fall ist die Summe der Dinge, des Gedachten, Gesagten, Gefühlten, der Logik ...

Man muss Welt auch nicht, als in diesem Sinne statisch verstehen, sondern stetige Veränderung ist ihr Prinzip. Ansonsten ist mir das Listenargument von Gabriel bekannt und es ist richtig, richtet sich aber nur gegen eine bestimmte enge Definition von Welt.
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Gleichzeitig nun behauptet die SFO, dass es alles gebe, was es gibt. Und im Rahmen dieses Vorkommens von allem kommt in einem Bereich oder in mehreren Bereichen die "Welt" vor. Dass aber die Welt in einem Bereich vorkommt, widerspricht der Vorstellung von der "Welt" als dem Bereich aller Bereiche, denn in einem Bereich vorzukommen bedeutet gerade, nicht der Bereich aller Bereiche sein zu können. Also gibt es "die Welt als Bereich aller Bereiche" aber nur in einer Theorie von Welt, eines Gedankens an Welt oder einer Vorstellung von Welt.
Genau diesem letzten Gedankengang will Gabriel eigentlich austreiben. Diesem "Ach, das ist doch nur ein Gedanke", will er ja den Zahn ziehen mit seiner SFO. Denn was Du damit sagst, ist, dass es die Theorie der Welt als Ganzes zwar irgendwo geben mag, aber es sie nicht in Wirklichkeit gibt.

Dem würde ich zwar zustimmen, intuitiv und im Alltag auch jeder von uns, aber Gabriel nicht, denn das wäre genau der ontologische Vorrang, den es nicht geben soll.
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Diese Welt erscheint als etwas, als ein Gedanke, eine Theorie oder eine Vorstellung, in diesem Sinne gibt es sie, nirgends gibt es sie aber als Bereich aller Bereiche.
Wie gesagt, das ist der zweite Schritt vor dem ersten.
Aber selbst wenn wir für den Moment unterstellen, dass Gabriel recht hat, kauft er sich selbst das Problem ein, dass es Welt als Ganzes 'in Wirklichkeit' nicht gibt, im Buch von Tosa aber doch, genau diese Welt als Ganzes.

Damit wird aber genau de Asymmetrie beibehalten, die wir überall finden: Die Kluft zwischen Phantasie und Realität, Theorie und ob diese die Wirklich auch abbildet/einfängt/darstellt. Naturalisten/Physikalisten sagen ja auch, dass es die Rede über Hexen, phantasierte Schwestern usw. sehr wohl gibt ... als Rede, Gedanken, Phantasie, Traum aber nicht in Wirklichkeit.
Diese Differenz will Gabriel kassieren, was aber genau in dem Moment platzt, wo man zu etwas sagt, es sei doch nur eine Theorie oder existiere doch nur in dieser oder als diese. Und das ist es was Du sagst, aus Not. Aber die Not ist keine Schwäche von Dir, ich erlebe Dich hier als klugen und mutigen Denker, sondern sie ist eine Konsequenz aus Gabriels Ansatz.

Von Hexen wird ja auch gesagt ... aber eben von Naturalisten, dass es sie in Geschichten, Märchen, Sagen usw. gibt, aber man leitet daraus keinen ontologischen Anspruch ab, sondern weist den gerade zurück, mit dem Argument, den Begriff gebe es vielleicht er bezöge sich aber auf nichts in der wirklichen = physischen Welt. Vielleicht auf etwas in der fiktionalen Welt, aber damit kommt ihm, so der Naturalist, noch keine Existenz zu.
All das stellt Gabriel infrage und sagt: Nix da, existieren ist existieren und etwas kommt entweder vor, dann tut es auch auch und da hat keine Ebene irgendeinen Vorrang. Genau auf diesen dann doch wieder existenten Vorrang beziehst Du Dich, wenn Du davon redest, dass etwas nur irgendwo steht, aber natürlich nicht in Wirklichkeit existiert.
Es geht genau um die: Eine Theorie/ein Satz/ein Gedanke/eine Buchpassage ist doch keine Wirklichkeit Idee, die tief aus dem Herzen des Naturalismus kommt (und m.E. auch stimmt), gegen die Gabriel Einspruch erhebt und bei der er dann doch wieder landet, eben durch seine Theorie.
Siehe: Nur eine verrückte Idee von Tosa vs. so ist es wirklich.
Denn die Idee der 'Welt als metaphysisches Ganzes' taucht tatsächlich zwei mal auf und es sind beides mal Ideen: einmal als logische Forderung, in der ein Teil nicht ein Ganzes sein kann und einmal als Theorie, wonach Welt als Ganzes auch als Container aller Bereiche fungieren kann.
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:48
Die ontologische Dimension des Weltseins beschränkt sich auf jenen Sinn, in welchem Welt vorkommt und jener Sinn ist nicht derjenige, der Bereich zu sein, in dem alle anderen Bereiche vorkommen.
Gabriels These lebt wesentlich davon, dass man Welt so interpretiert, wie er es als falsch skizziert. Aber frag doch mal, für wen Welt überhaupt so etwas ist.
Wittgensteins Weltbegriff ist ein anderer, nämlich alles, was der Fall ist und nicht, alles, was Ding ist, gemessen wird ...

Und noch mal: Ich bin eigentlich ein Freund der Darstellung, dass Existenz mehr sein könnte, als physische Existenz, deshalb rege ich ja in meinem eigenen Thread an, mal über etwas wir Wirkung zu sprechen.
Die Märchen meiner Kindheit, mein Alptraum letzte Nacht, die gelassene Zuversicht des Arztes, eine Meditationserfahrung, ein Gedicht, der Glaube an Gott ... das alles kann riesigen Einfluss auf mich haben und die simple Erklärung, dass es das, worauf man sich da bezieht ja eigentlich alles nicht gibt, nicht so richtig, nicht so wie die Wasserflasche, den Baum und das Auto finde ich inzwischen nicht mal mehr langweilig, da die Versuche das alles zu erklären immer hilfloser anmuten. Nur sind wir damit bei der Frage nach ontologischen Implikationen noch gar nicht angelangt.



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Di 20. Feb 2018, 10:45

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 20. Feb 2018, 10:16
Aber selbst wenn wir für den Moment unterstellen, dass Gabriel recht hat, kauft er sich selbst das Problem ein, dass es Welt als Ganzes 'in Wirklichkeit' nicht gibt, im Buch von Tosa aber doch, genau diese Welt als Ganzes.
Nein, das Problem kauft er nicht. Denn die Welt, von der dein Buch handelt, ist eben nicht "genau diese Welt als Ganzes". Da in einem Buch vorkommen einfach etwas anderes ist als der bereichslose Bereich aller Bereiche zu sein. Und da Dinge die verschieden sind, nicht gleich sind, gibt es auch nicht das Problem von dem du sprichst. Ein Widerspruch besteht nur dann, wenn von etwas in der selben Hinsicht etwas und zugleich sein Gegenteil gesagt wird.

Wenn beide gleich wären, dann müsste es auf die Frage, wo sie je vorkommen (und jede andere Frage auch), immer die selbe Antwort geben. Das tut es aber nicht. Die eine Welt kommt in deinem Buch vor, die andere hat überhaupt keinen Ort.




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Jörn Budesheim
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Di 20. Feb 2018, 10:58

Herr K. hat geschrieben :
Di 20. Feb 2018, 07:51
Alethos hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 18:53
Die Welt ist ein bereichsloser Bereich, weshalb es sie nicht geben kann.
Das Universum (die Gesamtheit von Raum, Zeit und aller Materie und Energie darin) ist wohl ebenso ein bereichsloser Bereich, d.h. es ist nicht in einem anderen Bereich enthalten. Ergo gibt es auch das Universum nicht?
Bereiche sind nicht grundsätzlich raumzeitliche Etwasse - das nur zur Sicherheit vorneweg. Das Universum ist nicht "bereichslos", denn es gibt für ihn "Anordnungsregeln", das sind nach meinem Verständnis die Naturgesetze. Welche das sind, das erforschen unsere Naturwissenschaften. Inwiefern "unser" Universum für sich besteht, was es "jenseits" dieses Universums gibt oder ob es weitere Universen gibt, das ist eine empirische Frage, die die Naturwissenschaften erörtern. Dass es die Welt nicht gibt, ist hingegen eine logische Unmöglichkeit nach Gabriel. Das Gleiche gilt für das/die Universen oder Multiversen nicht.




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Di 20. Feb 2018, 11:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 20. Feb 2018, 10:45
Nein, das Problem kauft er nicht. Denn die Welt, von der dein Buch handelt, ist eben nicht "genau diese Welt als Ganzes". Da in einem Buch vorkommen einfach etwas anderes ist als der bereichslose Bereich aller Bereiche zu sein. Und da Dinge die verschieden sind, nicht gleich sind, gibt es auch nicht das Problem von dem du sprichst. Ein Widerspruch besteht nur dann, wenn von etwas in der selben Hinsicht etwas und zugleich sein Gegenteil gesagt wird.
Kein gutes Beispiel, denn demnach dürfte es auch keine Sinnfelder geben, da diese ja auch nur theoretisch beschreiben, was ontologisch der Fall sein könnte. Wir bewegen uns in der Philosophie immer nur im Bereich von mehr oder weniger plausiblen Behauptungen.
Dann nimm logisch unmögliche Objekte, das ist analog.
Beruft man sich explizit auf Logik, kann es sie nicht geben, aber wenn von viereckigen Kreisen schreibe, dann gibt es diese Objekte.
Gibt es sie nun oder nicht?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 20. Feb 2018, 10:45
Wenn beide gleich wären, dann müsste es auf die Frage, wo sie je vorkommen (und jede andere Frage auch), immer die selbe Antwort geben. Das tut es aber nicht. Die eine Welt kommt in deinem Buch vor, die andere hat überhaupt keinen Ort.
Wenn man den Weltbegriff auf ein logisches Spiel reduziert, ein Weg den Gabriel hier geht, in SuE aber zugleich infrage stellt (den Vorrang der Logik).
Und dann hat eben entweder radikal nichts irgendeinen Vorrang, d.h. Existenz ist Existenz, egal wie, wo und warum, solange ein Sinnfeld existiert und dann gibt es eben Hexen, die Treizel (ganze Zahl zwischen 12 und 13), viereckige Kreise, Herr K.'s Schwester und natürlich auch die Welt.

Ob uns das im Bereich der Wahrheit dann tatsächlich weiter bringt steht noch mal auf einem anderen Blatt, weil nun buchstäblich alles existieren könnte, eben auch Dinge die nach naturwissenschaftlicher Empirie, mathematischem Verständnis, der Logik und allem was uns ja irgendwie auch Orientierung gibt nicht existieren könnten/dürften. Einfach, weil man sie hinschreibt, oder auch nur denkt.
Man müsste nun mühsam immer den Bereich angeben, ohne auch nur entfernt eine Orientierung zu haben, welche letztendlich zuständig sind und wie sie zu gewichten sind, weil man zu buchstäblich jeder Frage nun indefinit viele Sinnfelder findet, die pro x sind und indefinit viele die contra x sind.
Natürlich wissen wir, was wir meinen wenn wir wissen wollen ob jemand über Massenvernichtungswaffen verfügt, nach einem Vollbad in allen denkbaren Sinnfeldern allerdings mit Sicherheit nicht mehr.



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Di 20. Feb 2018, 11:55

Wie Gabriel zu logisch unmöglichen Dingen steht, hat @'Herr K.' ja bereits (vor seiner kurzen Verschnaufpause :-)) dargelegt.




Tosa Inu
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Di 20. Feb 2018, 12:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 20. Feb 2018, 11:55
Wie Gabriel zu logisch unmöglichen Dingen steht, hat @'Herr K.' ja bereits (vor seiner kurzen Verschnaufpause :-)) dargelegt.
Du wirst da ja irgendein Ergebnis im Auge haben. Welches wäre das?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 20. Feb 2018, 14:54

Herr K. hatte dazu eine Quelle gefunden, wenn ich mich recht entsinne.

Meine Einschätzung ist die selbe wie immer: Was in einem Bereich vorkommt ist immer nach Art des Bereiches. Papier ist geduldig. Doch daraus, dass man über runde Quadrate schreiben kann, folgt nicht, dass es sie im Bereich der Geometrie gibt. Daraus, dass ich mir Treizeln ausdenken kann, folgt nicht, dass es sie im Bereich der Zahlen gibt. Allgemein gesprochen: Daraus, dass etwas in Bereich A (Phantasien, Ideen, Lügen) vorkommt folgt nicht, dass es in einem beliebigen weiteren (Zahlen, Bagdad, Biologie) Bereich vorkommt.




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