Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Herr K.
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Mi 16. Aug 2017, 13:45

Tommy hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 23:33
Herr K. hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 23:02
Ja, Einhorn-Ideen existieren wirklich. Ich meine mit "Einhorn" aber keine Einhorn-Idee, sondern eben ein Einhorn.
Ich habe keine Ahnung worüber Du dann redest, bzw was die Buchstabenfolge E-i-n-h-o-r-n dann meint. Wenn sie nicht auf eine Idee zeigt, worauf verweist sie dann?
Doch, Du weit sehr wohl, worüber ich rede, wenn ich über Einhörner rede, siehe Deine Definition oben ("Ein Pferd mit Horn das magische Fähigkeiten hat und unsterblich ist"). Da es keine realen Einhörner gibt und ich auch nicht meine, dass es fiktive Einhörner gibt, verweist "Einhorn" auf nichts, d.h. die Extension von [Einhorn] ist leer.

Falls man jedoch meinte, dass es fiktive Entitäten gäbe und es diese auch tatsächlich gäbe, dann würde "Einhorn" auf das fiktive Objekt [Einhorn] verweisen. Die jedoch auch in diesem Falle keine Idee wäre, da es Eigenschaften hätte, die eine Idee nicht haben kann, (z.B. "hat 4 Beine").
Tommy hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 23:33
Was ist dann ein "Einhorn"? Wenn nichts von all dem oben? Du benutzt einen mir vollkommen unbekannten Begriff. Ich kenne kein Einhorn.
Ich kenne nur EInhorn-Ideen, Einhorn-Abbildungen, Aussagen über Einhörner etc.... Aber Einhorn... Nein, tut mir leid, so etwas habe ich noch nie gehört oder gesehen. Das ist für mich folglich ein leerer Begriff. So wie ein "Schnibbelwatz". Existieren Schnibbelwatze?
"Einhorn" ist definiert, hat eine Bedeutung (s.o.), ist also kein leerer Begriff, "Schnibbelwatz" hat jedoch keine Bedeutung, (zumindest keine mir bekannte).




Tosa Inu
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Mi 16. Aug 2017, 13:54

Herr K. hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 22:23
Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Deinen beiden Sätzen nicht so ganz. Viele Geschichten sind wohl einfach nur Phantasien, aber wieso sollte daraus folgen, dass sie niemanden beeinflussen könnten, was Du anscheinend hier annimmst?
Nein, ich nehme das nicht an.
Ich glaube nur, dass es vielfach angenommen wird und es scheint mir recht offensichtlich zu sein, dass dies immer noch und immer wieder der Fall ist.
Dass man aber dennoch konsistent glauben kann, etwas würde nicht existieren = sei nur Phantasie oder eingebildet und habe dennoch einen kausalen Einfluss, ist mir bekannt.
Herr K. hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 22:23
Die Frage hier ist aber doch, ob es alles dasjenige, das vorgestellt, phantasiert, an das gedacht, vom dem erzählt, was behauptet oder das erlogen wird, gibt und falls ja, inwiefern?
Vielleicht ist ja genau dies der Punkt, dass man eine gewisse Neigung hat, (physikalisch) Existierendem eher eine Wirkung, Möglichkeit der Beeinflussung zuzuschreiben, als physikalisch nicht Existierendem.

Herr K. hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 22:23
Inwiefern nicht ausreichend bzw. was möchtest Du z.B. über reale Hexen aussagen was Du nicht könntest, wenn es keine realen Hexen gäbe?
Nein, anders.
Wenn man die Auffassung vertritt, es würde x sowieso nicht geben = es würde physisch nicht existieren, dann kann man die Auffassung vertreten, dass, weil es x sowieso nicht gibt, es auch egal sei, was man über x sagt, da dies eben nicht existiert, ein Fake oder eine Erfindung ist. Aber es wäre dennoch falsch zu behaupten, die Hexe in Händel & Gretel sei vergiftet worden, denn sie ist in den Ofen geschmissen worden.

Wir sind es nicht unbedingt gewohnt, es mit „Entitäten“ die es nicht (physisch) gibt, sehr genau zu nehmen, evtl. weil wir denken, das sei vertane Zeit, da diese ja nicht existieren. Das ist zumindest immer wieder mal mein Eindruck.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 16. Aug 2017, 13:58

Segler hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 20:55
epitox hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 20:41
Offensichtlich läuft hier die Diskussion notwendigerweise am Thema vorbei, weil Existenz als Eigenschaft aufgefasst wird.
Darf ich das so verstehen, dass es keine Eigenschaft des Existierenden ist, zu existieren?
Das Problem ist, dass man Eigenschaften zuschreibt, Existenz aber die Voraussetzung dafür ist, dass man etwas zuschreiben kann.
Man muss ein "Etwas" haben, über das man sagen kann, es sei grün oder gütig, aber wenn man ein "Etwas" hat, über das man sagt, es existiere, ist das doppelt gemoppelt, denn ein "Etwas" zu sein, heißt bereits zu existieren.



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Mi 16. Aug 2017, 14:03

Tommy hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 21:38
Hexen und Einhörner existieren als Ideen. Ganz klar.
Was heißt oder bedeutet Existenz für Dich?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 16. Aug 2017, 14:09

Herr K. hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 22:13
Der eigentliche Knackpunkt ist hier, dass "Einhorn" normalerweise keine Idee bezeichnet.
Was ist denn eigentlich eine Idee? Sie handelt ja immer von etwas. Ich hatte die Idee, dass ... .
Exisitieren Ideen?

PS:

Ich sehe gerade, dass Du das bereits beantwortet hast,
Herr K. hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 22:23
Ja, Einhorn-Ideen existieren wirklich.
Wo meinst Du existieren Ideen?
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Mi 16. Aug 2017, 14:14, insgesamt 2-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Mi 16. Aug 2017, 14:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 05:53
Herr K. hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 16:21
Ich kenne zwar das Beispiel mit den Quadraten, sehe aber nun nicht, inwiefern es hier einschlägig ist.
Nicht so schnell!

Du kannst die vorliegende Situation nämlich in derselben Art und Weise erörtern, wie die "Quadrate etc" Situation. Du kannst also bei der Betrachtung ein anderes Sinnfeld in den Blick nehmen. Und du kannst natürlich auch über mehrere Bereiche in einem einzigen Satz sprechen: Schauspieler, die Macbeth and Lady Macbeth darstellen.

In Sinn und Existenz liegt Gabriel folgendes Beispiel vor:

"Dies lässt sich auch anhand des Falls der vielen Hände illustrieren: Meine linke Hand ist sowohl eine Hand als auch eine Anordnung von Elementarteilchen. Sie ist ebenso eine Anordnung von Zellen oder ein Gegenstand mit einer bestimmten Bedeutsamkeit, und sie mag auch ein Kunstwerk werden, wenn ich etwa irgendwann von einem berühmten Tattoo-Künstler ein 3-D-Tattoo, das ​etwa meine linke Hand auf meiner linken Hand abbildet, erhalten sollte. In allen genannten Hinsichten erscheint meine Hand in verschiedenen Feldern. Die Suche nach der wahren oder wirklichen Hand hinter all diesen Händen wäre ein verfehltes metaphysisches Forschungsprojekt. Die Hand erscheint in vielen Sinnfeldern, von denen keines metaphysisch privilegiert ist, wenn es auch viele pragmatische Gründe dafür gibt, eine Hand vorzuziehen, die als intakter Körperteil an einem Organismus existiert."
Um ein wenig zusammenzufassen: die Frage war, ob es Hexen gibt, z.B. in Macbeth. Einig waren wir uns, wenn ich mich nicht irre, soweit, dass es Beschreibungen von Hexen gibt und Darstellungen von Hexen, z.B. auf einer Theaterbühne. Nicht einig waren wir uns bei der Frage, ob es Hexen z.B. in Macbeth gibt. Gabriel und Du meinen, dass dem so sei, ich meine das nicht. Wie nun das Beispiel mit der Hand dabei weiterhelfen könnte, ist mir leider unklar.

Macbeth ist der Entwurf eines Szenarios, in dem Hexen vorkommen. Der Entwurf, die Darstellung oder die Beschreibung eines Szenarios ist aber nicht das Szenario, ebensowenig wie eine Landkarte das Gelände ist. Die Frage wäre daher, ob das entworfene Szenario existiert, erst dann würden nämlich auch die darin vorkommenden Hexen existieren.

Oder, wenn wir Gabriels Nomenklatur verwenden wollen (Prof. Dr. Markus Gabriel, Existenz, realistisch gedacht, S. 16):

"es gibt mindestens eine Hexe in Faust (man kann sich streiten, ob die Hexe in der Hexenküche ein Halluzinogen braut, so daß etwa die Walpurgnisnacht nur eine Halluzination innerhalb der Dramawelt ist), "

dann wäre die Frage, ob die Dramawelt existiert. Ich meine, dass nicht.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 05:53
Herr K. hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 16:21
Um das zu vermeiden, wäre es hilfreich hier zu unterscheiden, z.B. so: Hexe[real] und Hexe[Geschichte].
Ich finde das nicht besonders hilfreich, weil man damit Geschichten aus der Realität verbannt hätte. Zudem hätte man damit gleichsam im Vorgriff den Ausgang der Diskussion festgelegt. Denn die Frage, was existiert, was real ist, ist ja gerade strittig.
Nein, man hätte damit keineswegs Geschichten als solche aus der Realität verbannt, lediglich denjenigen Inhalt der Geschichten, der lediglich fiktiv ist. Und zwischen Realem und Fiktivem zu unterscheiden erscheint mir weiterhin recht sinnvoll.

Ein bisschen verwirrend finde ich nun Deinen zweiten Satz, denn Gabriel meint wohl nicht, dass nur Reales existiere, da er ja anscheinend annimmt, dass die Dramawelt "Macbeth" (was nicht dasselbe ist wie das Theaterstück "Macbeth") existiere.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 05:53
Allerdings gibt es ja ein Äquivalent dessen, was du dir wünschst. Existenz Angaben enthalten immer auch eine Ortsangabe, egal ob man sie ausspricht oder nicht. In die eckigen Klammern könnte man also den Bereich einfügen, solange man nicht einen einzigen Bereich, wie du es anscheinend verlangst, den anderen gegenüber als "metaphysisch privilegiert" ansieht.
Es geht nicht darum, dass ich etwas als "metaphysisch privilegiert" ansehe, sondern dass ich meine, dass Einiges, von dem Gabriel meint, dass es existiere, nicht existiert. Z.B. eben Hexen in Macbeth oder auch Einhörner in Polizeiuniformen auf der Rückseite des Mondes, (ein anderes Beispiel von Gabriel von etwas, das angeblich existiere). Es mag solche Ideen, Beschreibungen und Abbildungen geben, aber daraus folgt eben nicht, dass es das Imaginierte auch gibt. Ich unterscheide zwischen Bedeutung und Referenz eines Begriffes.




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Mi 16. Aug 2017, 14:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 06:59
Kommt drauf an, was mit "in Wirklichkeit" gemeint sein soll. Denn du könntest das Problem gar nicht vorbringen, wenn nicht in irgendeinem Bereich, ich vermute in ihrer Fantasie, sie selbst als Hexe vorkommen würde.
Ja, in dem Fall würde ich ich Phantasie und Wirklichkeit trennen und wissen, was damit gemeint ist. Grob sowas wie physische Existenz und reale, objektive Entsprechungen. Dass die Frau, die sich Hexe nennt z.B. tatsächlich zaubern kann.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 06:59
Im Bereich der Natur, verstanden als Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften, im Bereich der Biologie, im Universum und in Bochum und Köln... dort überall kommen jedoch keine Hexen vor. Wenn mit "in Wirklichkeit" z.b. das Universum oder einer der anderen Bereiche gemeint ist, dann gibt es kein Problem mit der von dir gewünschten Ausdrucksweise. Wenn jedoch damit "alles" gemeint ist, dann entsteht sehr wohl ein Problem, denn in in ihrer Fantasie kommt sie selbst - wie gesagt - als Hexe ja vor. Das lässt sich schwerlich leugnen ohne selbstwidersprüchlich zu werden.
Ja, das würde auf die banale und gebräuchliche Deutung hinaus laufen, dass es (außer in den Phantasie früherer Zeiten und heutiger Exzentriker) keine Hexen gibt. Hexe = Phantasie = nicht existent.

Es geht also um das „alles“ und darum, was dieses „alles“ ausmacht und welchen ontologischen Status es nun hat. Bei Gabriel ist der Status „existiert“ ebenso gesetzt, wie in landläufiger Ontologie der Status „exisitert nicht“ gesetzt ist. Es kommt also in beiden Fällen auf die Herleitung oder Begründung an.



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Jörn Budesheim
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Mi 16. Aug 2017, 14:37

Herr K hat geschrieben : dann wäre die Frage, ob die Dramawelt existiert. Ich meine, dass nicht.
Warum? Was bedeutet existieren?




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Jörn Budesheim
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Mi 16. Aug 2017, 14:43

Hermeneuticus hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 12:41
Redet man von "Hinsichten" (oder synonym von "Aspekten"), will man damit zum Ausdruck bringen, dass diese von der jeweiligen Sicht eines Betrachters (oder mehrerer Betrachter) abhängen.
Hast du dir den Vortrag angeschaut?




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Herr K.
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Mi 16. Aug 2017, 14:52

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 13:54
Herr K. hat geschrieben :
So 13. Aug 2017, 22:23
Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Deinen beiden Sätzen nicht so ganz. Viele Geschichten sind wohl einfach nur Phantasien, aber wieso sollte daraus folgen, dass sie niemanden beeinflussen könnten, was Du anscheinend hier annimmst?
Nein, ich nehme das nicht an.
Ich glaube nur, dass es vielfach angenommen wird und es scheint mir recht offensichtlich zu sein, dass dies immer noch und immer wieder der Fall ist.
Mir erscheint das Gegenteil recht offensichtlich der Fall zu sein. Wäre es so, wie Du sagst, dann gäbe es z.B. keinen Verleumdungsparagraphen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 13:54
Dass man aber dennoch konsistent glauben kann, etwas würde nicht existieren = sei nur Phantasie oder eingebildet und habe dennoch einen kausalen Einfluss, ist mir bekannt.
Ich meine nicht, dass man das konsistent glauben kann. Wenn etwas nicht existiert, kann es auch keinen kausalen Einfluss haben.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 13:54
Wenn man die Auffassung vertritt, es würde x sowieso nicht geben = es würde physisch nicht existieren, dann kann man die Auffassung vertreten, dass, weil es x sowieso nicht gibt, es auch egal sei, was man über x sagt, da dies eben nicht existiert, ein Fake oder eine Erfindung ist. Aber es wäre dennoch falsch zu behaupten, die Hexe in Händel & Gretel sei vergiftet worden, denn sie ist in den Ofen geschmissen worden.
Wenn man sich dabei auf die Original-Geschichte von Hänsel und Gretel bezieht, dann wäre das falsch und nicht egal, ja, es wäre eine falsche Wiedergabe oder Aussage der/über die Geschichte. Woraus aber nicht folgt, dass Hänsel und Gretel oder die Hexe auf irgendeine Weise existieren würden.




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iselilja
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Mi 16. Aug 2017, 14:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 13:43
iselilja hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 13:14
also gibt es das was ich (aber auch Du) in seinem Vortrag jeweils erkenne.
Es hat nur keinen Sinn, in den Paraphrasen den entscheidenden Punkt, den Gabriel macht, einfach wegzulassen. Natürlich gibt es auch das, was du zu sehen glaubst, aber womöglich nur in deinem Kopf (in deinem Geiste) und nicht im Vortrag :-) Die meisten Paraphrasen hier laufen ja so, insbesondere, wenn sie in polemischer Absicht erfolgen :-)
Gut, dann folge ich Dir mal in dieser Hinsicht und frage, was ist denn der entscheidende Punkt, den ich weggelassen (oder übersehen?) habe?




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Jörn Budesheim
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Mi 16. Aug 2017, 16:29

iselilja hat geschrieben :
Fr 4. Aug 2017, 22:55
Gabriel hat verhältnismäßig viele Kritiker
Ja, es gibt eine internationale Debatte zu seinen Thesen - und das obwohl sie im Handumdrehen zu widerlegen sind :-)




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iselilja
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Mi 16. Aug 2017, 17:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 16:29
iselilja hat geschrieben :
Fr 4. Aug 2017, 22:55
Gabriel hat verhältnismäßig viele Kritiker
Ja, es gibt eine internationale Debatte zu seinen Thesen - und das obwohl sie im Handumdrehen zu widerlegen sind :-)
Hm. Das hört sich jetzt aber so an, als hättest Du bereits irgend ein Argument meinerseits (oder eines der Kritiker) zweifelsfrei widerlegt, ohne dabei eine Sinnfeldontologie-wohlwollende Deutung heranzuziehen. Ich gehe da lieber einen syllogistischen Weg, der eine periphere dritte Position heranziehen mag, um zu sehen wie gut diese oder jene Argumente sich im Gesamtzusammenhang bewähren. Und ich sehe da eben einige Punkte, die diesen Zusammenhang abstrus erscheinen lassen. Das hat auch nichts mit Polemik zu tun.

Aber wie gesagt, ich bin immer noch offen für gute Argumente, die ich vielleicht übersehen oder zu strikt beurteilt haben mag.

Mir kommt die Diskussion auch gerade ein wenig vor wie die Unterhaltung über ein Kunstwerk und dessen Sujet. :-)




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epitox
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Mi 16. Aug 2017, 18:01

Segler hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 20:55
epitox hat geschrieben :
Di 15. Aug 2017, 20:41
Offensichtlich läuft hier die Diskussion notwendigerweise am Thema vorbei, weil Existenz als Eigenschaft aufgefasst wird.
Darf ich das so verstehen, dass es keine Eigenschaft des Existierenden ist, zu existieren?
Un eine Eigenschaft haben zu können, muss der fragliche Gegenstand schon existieren.

Hinter diesen Fragen steht üblicherweise eine naive und oft unbewusste Container-Ontologie. Es gibt einen Container - wir nennen ihn mal Welt - und darin befinden sich nun alle Dinge die existieren. Ein erkennender Mensch hat nun die Aufgabe da mal reinzugucken, um festzustellen was es denn so alles gibt. Ob z.b. Hexen oder Einhörner darin gefunden werden können usw...

Diese Ontologie ist natürlich ein grosser Schwachsinn, aber leider der mainstream.

Epitox




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Herr K.
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Mi 16. Aug 2017, 18:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 14:37
Herr K hat geschrieben : dann wäre die Frage, ob die Dramawelt existiert. Ich meine, dass nicht.
Warum? Was bedeutet existieren?
Warum? Weil ich meine, dass Macbeth[Dramawelt] nicht dasselbe ist wie Macbeth[Theaterstück], dass vielmehr Zweiteres eine Darstellung von Ersterem ist. Und weil ich weiterhin meine, dass aus der Existenz von Zweiterem nicht die Existenz von Ersterem folgt. Und drittens, weil ich keinen guten Grund sehe, die Existenz von Ersterem anzunehmen.

"Existieren" kann ich nicht definieren, ich meine, dass das ein nicht-definierbarer basaler Begriff ist. Wir können aber vielleicht ersatzhalber an dieser Stelle einfach Gabriels Begriffbestimmung nehmen: "Existenz = Erscheinung in einem Sinnfeld". Also: ich meine demnach, dass die Macbeth[Dramawelt] in keinem Sinnfeld erscheint.

Nun, vielleicht gibt es jedoch mir bislang noch unbekannte gute Gründe, die Existenz der Macbeth[Dramawelt] anzunehmen, (bzw.: vielleicht könntest Du ein Sinnfeld nennen, das a) in einem anderen Sinnfeld erscheint und in dem b) Macbeth[Dramawelt] erscheint), darüber können wir auch gerne reden, aber das ist nicht mein eigentlicher Punkt, sondern der ist nach wie vor, dass ich darauf insistiere, dass Hexen weder in Theaterstücken, noch in Theateraufführungen, noch in Ideen, noch in Behauptungen, noch in Gedanke Hexen vorkommen können [*] - es sei denn, dass man derart definiert: "Hexe[Theaterstück] = Darstellung Hexe[real]". Was aber unplausibel wäre, denn in der Theateraufführung werden normalerweise Hexen dargestellt und keine Darstellungen von Hexen.

Nun mag es aber auch sein, dass mein Einwand ins Leere geht, weil Du und Gabriel sowieso nicht das Erscheinen von Hexen in Macbeth[Theaterstück] annehmt, sondern das Erscheinen von Hexen in Macbeth[Dramawelt] und ergo annehmt, dass Macbeth[Dramawelt] existiert. Dann könnten wir gleich zu den Argumenten pro Existenz von Macbeth[Dramawelt] springen.
----
[*] Anmerkung: das Argument dafür habe ich weiter vorne genannt. Wobei das nicht für Theateraufführungen gilt, insofern fallen die hier ein wenig aus der Reihe. In Theateraufführungen kann es jedoch keine Hexen geben, weil es keine realen Hexen gibt.




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Mi 16. Aug 2017, 18:18

epitox hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 18:01
Un eine Eigenschaft haben zu können, muss der fragliche Gegenstand schon existieren.
Soweit ich das in Erinnerung habe, hat Gabriel diese traditionelle Auffassung aber recht gut wiedergegeben im Vortrag. Das war an der Stelle mit der Aufforderung "Bringen Sie mir das Existierende." o.s.ä. - logischerweise müsste man ihm daraufhin alles bringen, was einem in die Hände kommt (offen lässt MG allerdings an dieser Stelle, ob man ihm auch nicht dingliche Sachen bringen müsste, wie etwa Schwerkraft, die es ja offenbar gibt). Demzufolge ist Existenz auch keine "klassische" Eigenschaft von etwas. Sondern die wesentliche Kategorie (oftmals auch das Unveränderliche genannt), an dessen Fortbestand sich die Eigenschaften sozusagen anhaften. Das ganze ist natürlich nur ein Modell, welches ebenfalls diverse Fallstricke von der Antike bis in die Neuzeit mit sich führt. Dennoch ist es das was unserem natürlichen Verständnis am nächsten kommt. Denn wenn wir uns an etwas stoßen, dann existiert dort eben etwas, an dem wir uns stoßen können. Wir stoßen uns eben nicht in multipler Hinsicht an verschiedenen Sinnhaftigkeiten. :-)




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Mi 16. Aug 2017, 18:19

epitox hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 18:01
Um eine Eigenschaft haben zu können, muss der fragliche Gegenstand schon existieren.
Dazu Gabriel (Prof. Dr. Markus Gabriel, Existenz, realistisch gedacht, S. 12):
Wenn Existenz eine eigentliche Eigenschaft wäre, müßte man den Satz:

(O) Obama existiert.

als Zuschreibung einer Eigenschaft an Obama auffassen. Damit Obama aber irgendeine Eigenschaft haben könne, müsse er existieren. Dies erzeuge insbesondere das Problem negativer Existenzaussagen, da aus

(E) Das Einhorn E existiert nicht.

prima vista folgen müßte, daß das Einhorn E existieren muß, damit es die Eigenschaft, nicht zu existieren, haben kann. Dabei handelt es sich aber um ein meines Erachtens leicht zu lösendes Problem, da man die etwa von Barry Miller ausgearbeitete Behauptung vertreten könnte, daß Existenz diejenige Eigenschaft ist, die die Eigenschaft hat, daß ihre Negation keine eigentliche Eigenschaft ist, ihre Behauptung aber schon.
Diesbezüglich stimme ich Gabriel zu.




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Jörn Budesheim
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Mi 16. Aug 2017, 18:32

Was bedeutet existieren eurer Ansicht nach?
Worauf bezieht sich der Ausdruck Welt?

Da ihr (fast alle) die Ergebnisse Gabriels zurückweist, wäre es nicht schlecht, mal zu erklären, was Existieren und Welt Eurer Ansicht nach in Wahrheit bedeutet, denn eure Kritik speist sich ja offensichtlich aus euren "intuitiven" Überzeugungen in Bezug auf diese beiden Fragen.




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Mi 16. Aug 2017, 18:48

Ich möchte hier in diesem Thema auch mal einen anderen Aspekt herein tragen, der gewisse Fragestellungen anders beleuchtet. Die Frage, warum es die Welt nicht gibt erweckt in mir unweigerlich Assoziationen mit einer Filmszene, die ich leider auf die Schnelle nur in Englisch gefunden habe. Vielleicht ist hier der Begriff Existenz von zentralerer Bedeutung als er ontologisch jemals erörtert wurde.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=M8aqYlanC5I[/youtube]




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epitox
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Herr K. hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2017, 18:19
Diesbezüglich stimme ich Gabriel zu.
Du siehst also ein, dass die naive mainstream-Ontologie schon bei nichtexistierenden Einhörnern versagt! :)

Man könnte auch so sagen: (E) Das Einhorn E existiert nicht. >> Um von E das Prädikat "Nichtexistenz" aussagen zu können, muss E existieren, damit der Satz (E) wahr ist. (wir haben es hier also mit einer erzwungenen Existenz bei Nichtexistenzbehauptungen zu tun)

epitox




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