Gott ist nicht tot

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
Tosa Inu
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Sa 7. Apr 2018, 09:13

Habe mir in Etappen die Sendung angesehen, insgesamt sehr brav, sehr hübsche Moderatorin, fand ich.
Tetens habe ich schon mal im philosophischen Radio gehört, damals konnte er mich nicht überzeugen.
Inhaltlich haben beide fair argumentiert, aber nichts gesagt, was man nicht kennt.

Ein parar lose Anmerkungen zu dem was in der Sendung besprochen wurde und/oder hier kursiert:
- Aus den fraglosen Erklärungslücken des Naturalismus, kann man m.E. nicht guten Gewissens einen Theismus ableiten, aber das macht Tetens auch nicht.
- Ockhams Messer ist zwar selbst kein Naturgesetz – insofern wundere ich mich manchmal, dass er von Naturalisten so oft angeführt wird – aber auch wenn eine Zusatzhypothese eingeführt ( bzw. der theoretische Rahmen anders gesteckt) wird – in dem Fall: Gott – wäre es ja schön, wenn die was erklärt, das kann ich nun auch nicht sehen.
- Die Existenz eines endlichen Geistes erzwingt logisch keinen unendlichen Geist, den wir Gott nennen könnten.
- Das Zusammenführen von Glauben, rationaler Theologie und meditativen Erfahrungen finde ich immer unglücklich, weil das alles eher wenig miteinander zu tun hat.

Tetens‘ These in der Sendung ist im Grunde konsistent. Er argumentiert nicht als Glaubender, sondern als Philosoph. Er betont, völlig zurecht, dass auch die Position des Naturalismus eine metaphysische Position ist, in dem Sinne, dass sie von bestimmten, gesetzten Voraussetzungen ausgeht.
Sein Argument ist, dass Gott eine ordnende und rationale Größe in der Welt ist und dass es nicht absurd ist, an Gott zu glauben. Er gesteht, dass es bei der Idee von Gott als Basis zwar Erklärungslücken gibt, z.B. die Theodizee, aber, und das ist sein Argument, dass die Erklärungslücken des Naturalismus ebenfalls erheblich sind.
Wir haben es, als im Naturalismus sozialisierte Wesen nur gelernt, über die Widersprüche des Naturalismus großzügig hinwegzusehen und dieselben als Webfehler in einer ansonsten konsistenten und alles in allem die Welt bestens erklärenden und sehr rationalen Theorie zu akzeptieren (und erst gar nicht zu hinterfragen), gleichzeitig blicken wir aber naserümpfend auf die Idee, dass es Gott als vorgeschaltetes ordnendes Prinzip geben könnte, obwohl die Erklärungslücken vergleichbar sind.

Ein Anfang ohne Ursache, das ist im Naturalismus nicht überzeugend (die Standardmodelle der Kosmologie passen nicht zusammen und sind aktuell durchgehend in der Diskussion), das Problem des Bewusstseins, ist der andere Klotz am Bein, der zwar naturalistisch konsistent, aber m.E. nicht überzeugend erklärt wird. Dass ein, auch in der Sendung angesprochener, Teil des Naturalismus inzwischen in mehrfachen Aussagen besteht, man müsse eben akzeptieren, dass man bestimmte Einblicke vermutlich niemals gewinnen wird, macht den Naturalismus im Grunde erkennbar zu einer Glaubenssache, die sich im Wesen nicht von der Aussage unterscheidet, dass das Geschöpf den Willens des Schöpfers nicht immer verstehen kann und dies sogar eine Anmaßung wäre.

Sinn als Privatsache finde ich eine ebenfalls eher wackelige These des Naturalismus, da er ja oft das Gegenteil postuliert und das evolutionäre Streben nach Überleben, Fortpflanzung als biologisiertes Angebot parat hat, was dann in reichlich primitiven Triebtheorien nicht die Liebe zu Violinkonzerten, Meditation und philosophischen Diskussionen erklären soll und regelmäßig in seiner grobschlächtigen Reduktion nicht aufgeht. Für Flachdenker wie Dawkins, der erstaunlicherweise in diesen Diskussionen noch nicht einmal mehr erwähnt wird – so als wäre da nie etwas gewesen – ist schon nicht einsehbar, dass es zwei Triebe gibt, alles muss auf primären biologischen Egoismus reduziert sein. Philosophie ist dann der Trieb, dem anderen eigentlich mit der groben Keule den Schädel zertrümmern zu wollen, aber da wir ja irgendwie kultiviert sind, fechten wir mit dem Florett und tauschen statt dessen Argumente aus.
Aber eigentlich, eigentlich, eigentlich röhrt in uns das Tier und wir warten nur auf eine gute Gelegenheit zu töten, zu vergewaltigen und so weiter.
So lustig und harmlos ist das gar nicht, wenn aus dem Gebräu Gesellschaftstheorien gestrickt werden, dann kommt die eigene Theorie als Boomerang zurück oder anders gesagt, man hat Angst vor der eigenen Projektion. Seinen Feuerbach kennt man dem Zitat nach noch, dass der Mensch eben Gott geschaffen hat, nicht umgekehrt und findet es halbwegs lächerlich diese Projektion aufrecht zu erhalten. Doch die egoistischen Urtriebe, die nur darauf warten, dass irgendwo mal eine Überwachungskamera ausfällt, erkennt man dann nicht mehr als Projektion.

Hübl argumentiert, m.E. durchaus nachvollziehbar und nicht unangenehm, gegen den Glauben an Gott, aber nicht gegen die rationale Option Gott, die Tetens im Sinn hat.
Es könnte aber sein, dies als Verbindung zum Auinger/Wittgenstein-Thread, dass die gefühlte Arbeitsteilung, die Philosophie sei für die rationalen Argumente zuständig und die Psychologie irgendwie für den Erklärung der lästigen Gefühle, ein weiteres mal nicht hinreicht. Nicht nur Sprache, nicht nur Religion und die Sinnfrage, auch Moral, Ästhetik und auch Gesellschaftstheorien kommen ohne die Berücksichtigung der Emotionen kaum über die Runden.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

herbert clemens
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Sa 7. Apr 2018, 14:06

Den „ Auinger/Wittgenstein-Thread“ kenne ich nicht, bin philosophisch nicht so bewandert. Die Folgerungen hören sich interessant an. Das wäre interessant ausgeführt zu bekommen.
Insgesamt finde ich den Gedankengang gut formuliert von Tosa Inu wiedergegeben. Im Folgenden habe ich von der Möglichkeit eines Gottesglaubens ausgehend den Beginn eines Glaubens veranschaulicht.
Ich „denke“, dass Tetens nicht so vermessen oder dramatisch ist, einen Meilenstein zu setzen. Für mich bringt er die Plausibilität des philosophischen Redens von Gott zur Sprache.
Ich „denke“, dass die Rezensenten richtig bemerkt haben, dass Geist nicht per se „Gott“ impliziert.
Ich „glaube“, dass für die Perspektive des Vertrauens auf eine göttliche Dimension der Wirklichkeit vieles spricht. Naturwissenschaftlich lässt sich unsere Welt in der LebensPraxis als sinnvoll geordnet erleben. Ich kann mich täglich darauf verlassen, dass die Natur in ihrer grundsätzlichen Ordnung mir zur Verfügung steht, und ich als geistiges Wesen frei bin, für mich und meine Mitmenschen zu handeln.
Ich ahne, dass Gott die „Liebe“ ist und ich frei bin, dies wahrzunehmen und in mir lebendig zu machen.
Frühlingsspaziergang: Wahrnehmen des Wunders der sprießenden Natur: Buschwindröschen in gleißender Fülle ausgebreitet, versteckt Veilchen violett in sattem Grün, …
Doch habe ich die Freiheit an mich und allem zu zweifeln.




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Jörn Budesheim
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So 8. Apr 2018, 06:49

herbert clemens hat geschrieben :
Sa 7. Apr 2018, 14:06
Naturwissenschaftlich lässt sich unsere Welt in der LebensPraxis als sinnvoll geordnet erleben.
Hübl und Tetens waren sich im Grunde in sehr vielen Punkten ja einig. Ich fand sogar, dass die Sendung darunter etwas gelitten hat.

Wenn ich mich nicht komplett täusche, waren sie auch in diesem Punkt einer Meinung. Naturwissenschaftlich ist unsere Welt eben gerade nicht sinnvoll oder sinnhaft geordnet, sondern wird von blinden Naturgesetzen bestimmt. Die naturwissenschaftliche oder genau genommen naturalistische Sicht macht uns metaphysisch heimatlos. In diesem Rahmen sind wir das zufällige Ergebnis eines blinden Geschehens, die Welt und nichts überhaupt hat uns gemeint.

Wenn ich mich recht entsinne wurde das wiederholt thematisiert, z.b. an der Stelle wo es um den Existenzialisten Albert Camus ging.




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Jörn Budesheim
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So 8. Apr 2018, 06:59

In der neuen Information Philosophie stellt Holm Tetens seine Position dar. Unter der Überschrift zur Erkenntnistheorie des religiösen Gottesglaubens vertritt er vier Thesen, die er ausführlich begründet.

Die vier Thesen lauten folgendermaßen:
  1. Der Gottesglaube hat wie der atheistische Naturalismus (und auch alle anderen denkbaren metaphysischen Optionen) den Status einer transzendentalen Rahmenannahme, die es uns ermöglichen soll, in ihrem Lichte die Welt und unsere Stellung in der Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen und zu verstehen.
  2. Sowie auf den atheistischen Naturalismus muss man auch auf den Theismus logisch begriffliche Fantasie verwenden und ihm Zeit einräumen, bevor wir erfahren und beurteilen können, wie er uns die Welt und unsere Stellung in der Welt erfahren lässt.
  3. In eine Metaphysik sind legitimerweise auch normativ praktische Selbstverständnisse eingearbeitet, die es erneut und zusätzlich rechtfertigen, dass jemand mit einer gewissen Hartnäckigkeit erst einmal an seiner Metaphysik festhält, das trifft jedenfalls offenkundig auf den Theismus zu.
  4. Der Theismus vermag, was auch der Naturalismus leisten sollte, nämlich selbstkonsistenz seinen eigenen Status als transzendentale Rahmen-Annahme, die weder definitiv beweisbar noch definitiv widerlegbar ist, selbstreflexiv einzuholen.




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Jörn Budesheim
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So 8. Apr 2018, 07:02

Ich will versuchen in den kommenden Tagen und Wochen einige dieser Aspekte in meinen eigenen Worten zusammenzufassen.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 06:59
In der neuen Information Philosophie stellt Holm Tetens seine Position dar. Unter der Überschrift zur Erkenntnistheorie des religiösen Gottesglaubens vertritt er vier Thesen, die er ausführlich begründet.

Die vier Thesen lauten folgendermaßen:
  1. Der Gottesglaube hat wie der atheistische Naturalismus (und auch alle anderen denkbaren metaphysischen Optionen) den Status einer transzendentalen Rahmenannahme, die es uns ermöglichen soll, in ihrem Lichte die Welt und unsere Stellung in der Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen und zu verstehen.
  2. Sowie auf den atheistischen Naturalismus muss man auch auf den Theismus logisch begriffliche Fantasie verwenden und ihm Zeit einräumen, bevor wir erfahren und beurteilen können, wie er uns die Welt und unsere Stellung in der Welt erfahren lässt.
  3. In eine Metaphysik sind legitimerweise auch normativ praktische Selbstverständnisse eingearbeitet, die es erneut und zusätzlich rechtfertigen, dass jemand mit einer gewissen Hartnäckigkeit erst einmal an seiner Metaphysik festhält, das trifft jedenfalls offenkundig auf den Theismus zu.
  4. Der Theismus vermag, was auch der Naturalismus leisten sollte, nämlich selbstkonsistenz seinen eigenen Status als transzendentale Rahmen-Annahme, die weder definitiv beweisbar noch definitiv widerlegbar ist, selbstreflexiv einzuholen.
So habe ich Tetens auch verstanden.
Der letzte Punkt ist wohl der einzige, der strittig sein kann. Er ist wohl tatsächich eher Glaubenssache.
Konsistenz allein kann dabei kein hinreichender Maßstab sein, da auch Verschwörungstheorien konsistent sind.



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epitox
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So 8. Apr 2018, 12:07

Tosa Inu hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 08:12
So habe ich Tetens auch verstanden.
Der letzte Punkt ist wohl der einzige, der strittig sein kann. Er ist wohl tatsächich eher Glaubenssache.
Konsistenz allein kann dabei kein hinreichender Maßstab sein, da auch Verschwörungstheorien konsistent sind.
Konsistent ist der Naturalismus im Gegensatz zum Theismus allerdings nicht. Das darf man nicht vergessen. Es ist für diese Diskussion hier in diesem Forum übrigens fatal, wenn die Philosophen auch noch den aktiven Part bzgl der Darstellung der Glaubensposition übernehmen müssen, der eigentlich allein der Theologie vorbehalten ist. Das führt im allg. zu Missverständnissen und Fehldeutungen. Ich bekomme es in Studium und Praxis zwar wenig mit Atheisten zu tun, aber auch bei gläubigen Christen verursachen solche Diskussionen erhebliche Verwirrungen.

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So 8. Apr 2018, 12:13

epitox hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 12:07
Konsistent ist der Naturalismus im Gegensatz zum Theismus allerdings nicht. Das darf man nicht vergessen.
Es scheint mir darauf hinauszulaufen, dass der Naturalismus erheblich inkonsistenter ist, als wir glauben, oder meinetwegen auch: deutlich mehr Glauben voraussetzt und auch mittendrin noch einfordert und dass der Theismus hier zwar tatsächlich weniger Erklärungslücken hat (es war dann eben Gott), aber man darüber streiten kann, ob man mit diesen Erklärungen glücklich sein kann, darf, soll.



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epitox
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So 8. Apr 2018, 12:41

Tosa Inu hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 12:13
epitox hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 12:07
Konsistent ist der Naturalismus im Gegensatz zum Theismus allerdings nicht. Das darf man nicht vergessen.
Es scheint mir darauf hinauszulaufen, dass der Naturalismus erheblich inkonsistenter ist, als wir glauben, oder meinetwegen auch: deutlich mehr Glauben voraussetzt und auch mittendrin noch einfordert und dass der Theismus hier zwar tatsächlich weniger Erklärungslücken hat (es war dann eben Gott), aber man darüber streiten kann, ob man mit diesen Erklärungen glücklich sein kann, darf, soll.
Die Deutung der Begriffe "Gott" und "Glauben", die deinem Vergleich beider Positionen zugrunde liegt, ist allerdings theologisch nicht haltbar und folglich muss ich den Satz zurückweisen. :)

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Tosa Inu
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So 8. Apr 2018, 12:53

Was ist falsch und wie würdest Du es definieren?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

herbert clemens
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So 8. Apr 2018, 13:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 06:49
herbert clemens hat geschrieben :
Sa 7. Apr 2018, 14:06
Naturwissenschaftlich lässt sich unsere Welt in der LebensPraxis als sinnvoll geordnet erleben.
Hübl und Tetens waren sich im Grunde in sehr vielen Punkten ja einig. Ich fand sogar, dass die Sendung darunter etwas gelitten hat.

Wenn ich mich nicht komplett täusche, waren sie auch in diesem Punkt einer Meinung. Naturwissenschaftlich ist unsere Welt eben gerade nicht sinnvoll oder sinnhaft geordnet, sondern wird von blinden Naturgesetzen bestimmt. Die naturwissenschaftliche oder genau genommen naturalistische Sicht macht uns metaphysisch heimatlos. In diesem Rahmen sind wir das zufällige Ergebnis eines blinden Geschehens, die Welt und nichts überhaupt hat uns gemeint.

Wenn ich mich recht entsinne wurde das wiederholt thematisiert, z.b. an der Stelle wo es um den Existenzialisten Albert Camus ging.
Ich habe mich anscheinend unklar ausgedrückt. Ich erlebe die Natur/ die Welt als sinnvoll geordnet.Die Naturwissenschaften bringen diese Ordnung in für die Menschen handhabbare Gesetze. Die Wertung der Naturgesetze als blind kann ich nicht nachvollziehen. Die Natur ist in vielen Bereichen voraussehbar geordnet, nicht willkürlich und gerade dadurch für die menschliche Freiheit handhabbar. Von anderer Warte formuliert geht es mir darum, was die Rezensenten bei zu 3.) kosmologische Argumentation wiedergegeben haben. Für mich ist es so, dass der „Theismus“ sich nicht nur gut, wie dort beschrieben, mit einer naturwissenschaftlichen Betrachtung der Welt verträgt, sondern ich darüber hinausgehend die Natur als auf göttliche Weisheit, Schönheit, Liebe in mir lebendig machen kann. Mir erscheint also die „ transzendentale Rahmenannahme“ (Tetens) von Gott plausibel und ich versuche sie, durch die persönlichen Ergänzungen zu veranschaulichen.




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So 8. Apr 2018, 13:21

Ich denke, es ist eher so: Die naturwissenschaftliche, naturalistische Sicht und die theistische sich schließen sich gegenseitig aus. Ist die eine wahr, dann ist die andere falsch. Wobei hier der UmkehrSchluss nicht gilt; aus der Falschheit der einen Sicht, folgt nicht die Wahrheit der anderen.




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epitox
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So 8. Apr 2018, 14:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 13:21
Ich denke, es ist eher so: Die naturwissenschaftliche, naturalistische Sicht und die theistische sich schließen sich gegenseitig aus. Ist die eine wahr, dann ist die andere falsch. Wobei hier der UmkehrSchluss nicht gilt; aus der Falschheit der einen Sicht, folgt nicht die Wahrheit der anderen.
Nein, so einfach ist der Sachverhalt nicht.

Die Philosophie hat jeweils eigene Vorgehensweisen und Prinzipien nach denen sie arbeitet. Diese unterscheiden sich von denen der Theologie. Die Grundlage der Autonomie der Phil. ist daran zu erkennen, daß die phil. Vernunft ihrem Wesen nach auf die Wahrheit hin orientiert ist und auch über hinreichende Mittel verfügt, diese autonom zu verwalten und einzusetzen. Eine Philosophie, die sich dieser ihrer Verfasstheit bewusst ist, muß auch die Forderungen und Einsichten der geoffenbarten Wahrheit respektieren und anerkennen. Von daher halte ich den behaupteten Gegensatz zwischen phil. und theol. Wahrheiten für konstruiert, Denn das philosophische Engagement als Suche nach der Wahrheit im natürlichen Bereich bleibt zumindest implizit offen für das Übernatürliche. (besonders, wenn man sich der schwerwiegenden, durch die angeborene Schwäche der menschlichen Vernunft bedingten Grenzen bewußt ist)

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Jörn Budesheim
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So 8. Apr 2018, 14:16

Der Gegensatz, von dem ich sprach, war jedoch ein anderer. Es ging nicht um die Unterscheidung zwischen Philosophie und Theologie, sondern um den Unterschied zwischen den Naturalismus und dem Theismus.

Insofern der Naturalismus behauptet, dass es nur diejenigen Gegenstände gibt, von denen unsere besten Naturwissenschaften ausgehen, behauptet er damit ineins, dass es Gott nicht gibt.

Und wenn der Theismus behauptet, dass es jenseits des Gegenstandsbereich der Naturwissenschaft noch anderes gibt, nämlich einen allwissenden, allgutigen, allmächtigen Gott, behauptet er damit zugleich, dass in der Naturalismus falsch ist.




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So 8. Apr 2018, 14:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 14:16
Der Gegensatz, von dem ich sprach, war jedoch ein anderer. Es ging nicht um die Unterscheidung zwischen Philosophie und Theologie, sondern um den Unterschied zwischen den Naturalismus und dem Theismus.

Insofern der Naturalismus behauptet, dass es nur diejenigen Gegenstände gibt, von denen unsere besten Naturwissenschaften ausgehen, behauptet er damit ineins, dass es Gott nicht gibt.

Und wenn der Theismus behauptet, dass es jenseits des Gegenstandsbereich der Naturwissenschaft noch anderes gibt, nämlich einen allwissenden, allgutigen, allmächtigen Gott, behauptet er damit zugleich, dass in der Naturalismus falsch ist.
Wie ich schon mehrfach angedeutet habe, beruhen Überlegungen solcher Art auf einem Fehlschluss. Die Ursache davon ist erstens ein falsches unreflektiertes Selbstverständnis* (dieser Art von Philosopierens) und zweitens eine völlige Verfehlung im Argument aufgrund der begrifflichen Annahme dessen, was mit "Gott" gemeint ist.

*das ist hier nicht ad personam gemeint!

epitox

PS: Im Naturalismus wird Gott implizit erkannt, indem was er nicht ist. D.h. auch der Naturalismus bezeugt Gottes Unerkennbarkeit. Vergl. Gen 1.1. Hier wird der Naturalismus nur anders herum ausgedrückt. Die Philosophie und die Theologie sagen hier gleiches auf unterschiedliche Weise.




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So 8. Apr 2018, 14:52

In dieser Sequenz stehen jedoch die Auffassungen (von Hübl und) Tetens, die beispielhaft in dem fraglichen Video zu sehen sind, im Fokus.

Hier >





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So 8. Apr 2018, 15:13

Dort erläutert Tetens seine (wie er sagt traditionelle) Vorstellung von Gott (ab Minute 6.30), die ich hier mehr oder weniger frei weder gebe: Gott ist ein unendlicher Geist und vollkommener Geist, also er ist vergleichbar mit uns, wir sind Ich-Subjekte, das heißt wir können zu uns ich sagen - so stelle ich mir Gott auch vor. Und er hat bestimmte Vollkommenheitseigenschaften: Er denkt vollkommen, er ist allwissend, er ist allmächtig, er ist vollkommen vernünftig und vollkommen gut.




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So 8. Apr 2018, 15:20

Friederike hat geschrieben :
Fr 6. Apr 2018, 10:35
Wenn Tetens den Beweis seiner These lückenlos und fehlerfrei führen könnte, dann wäre dies wohl ein Meilenstein in der langen Streitgeschichte zwischen der Philosophie und der Theologie, oder ist das zu dramatisch ausgedrückt?
Was meinst du damit? Weiter oben wurde ja schon erwähnt, dass Tetens auf keinen Gottesbeweis aus ist. In dem Video sagt er bei Minute 10.40 "Ich glaube an keinen einzigen Gottesbeweis." Der Gedanke, dass es einen Gott geben könnte, ist für ihn eine sehr kühne These. Die These jedoch, dass es nur diese materielle Welt gibt, hält er für ebenso kühn. (Ich meine hingegen, sie ist einfach falsch, aber für einen Glauben an Gott fehlt mir die entsprechende "Musikalität", wie es manchmal heißt.)




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epitox
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So 8. Apr 2018, 15:39

Tosa Inu hat geschrieben :
So 8. Apr 2018, 12:53
Was ist falsch und wie würdest Du es definieren?
Ich zitiere mich mal selbst...:

.... aber im Verhältnis des Menschen zu Gott spricht die biblische Tradition allerdings von einer anderen Art von Relation. Sie definiert einen Gottesbegriff, der dem Vorwurf menschlicher Selbstprojektion standhalten kann. Sie spricht von Gott als dem »Schöpfer der Welt« in einem umfassenden Sinn: wir gehen aus von der Wirklichkeit unserer Erfahrung, Natur und Geschichte, Person und Gemeinschaft, Freude und Leid, Leben und Tod. Gott wird durch den biblischen Schöpfungsbegriff adäquat als der definiert, »ohne den nichts von all dem ist«. Damit ist gemeint: alle weltliche Wirklichkeit ist ein Zugleich von Sein und Nichtsein, von Sinn und Sinnlosigkeit. Es kann sich nur darum handeln, diese letzte Problematik der Welt anzuerkennen. Eine solche dialektische Gegensatzeinheit, wie sie jede weltliche Wirklichkeit darstellt, läßt sich nur so anerkennen und in ihrer Beschreibung von einem kontradiktorischen Widerspruch unterscheiden, daß man dafür zwei verschiedene Hinsichten angibt, die sich nicht wiederum ausschließen. Solche Hinsichten lassen sich nur im Relationsbegriff nennen: Bezogensein auf (deshalb Sein) – in Verschiedenheit von (deshalb Nichtsein). Geschaffensein »aus dem Nichts« bedeutet somit: In allem, worin wir uns vom Nichts unterscheiden, also in unserer ganzen Wirklichkeit in jeder Hinsicht, sind wir nichts als ein Bezogensein auf eine solche andere Wirklichkeit, die überhaupt nur durch dieses unser restloses Bezogensein auf sie definiert werden kann. Diese andere Wirklichkeit nennen die Christen Gott. Geschaffensein ist in dieser Interpretation keine Alternative zu anderen naturwissenschaftlichen Erklärungen der Welt. Die einzige Alternative ist Gottsein. Auch eine seit je existierende Welt oder eine Welt, deren Ordnung aus dem Spiel des Zufalls entsteht, wäre noch immer nichts als ein restloses: Bezogensein auf ... /in Verschiedenheit von ... . Die traditionelle Lehre vom zeitlichen Anfang der Welt würde nur besagen, daß auch die Zeit auf die Seite des Geschaffenen gehört. Es gibt nichts Abstrakteres als einen solchen »Gottesbeweis«. Denn Gott wird hier streng genommen nicht in sich selber erkannt, sondern wir erkennen immer nur das Verschiedene von ihm, das auf ihn verweist (Thomas).

epitox




Tosa Inu
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So 8. Apr 2018, 16:04

Kann man so sehen, aber je mehr Kontradiktionen und dergleichen man einführt umso mehr wertet man den Naturalismus wieder auf, der ja in sich nicht inkonsistent ist, wenn er sagt, dass es so und so ist, weil - sein stärkstes Argument - man ohne Hilfshypothesen auskommt, aber die genauen Zusammenhänge eben nicht erklären kann. Das ist dann Glaube, in den landläufigen Sinne, dass man drauf vertrauen muss, dass es die beste Hypothese ist.

Tetens' Argument war die Rationalität des Gesamtansatzes Religion/Gott, in Gegensatz oder Vergleich zum Naturalismus. Die Frage ist, wie viel Kröten der Naturalist zu schlucken bereit ist.



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