Thomas Auinger: Gedanken im Kopf? Wittgenstein über die Art und den Ort des Denkens

Gemeinsame Lektüre und Besprechung philosophischer und anderer Literatur.
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Jörn Budesheim
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Di 10. Apr 2018, 05:51

Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Apr 2018, 15:24
Es kann jeder, sofern er des Zeichnens mächtig ist, mittels einer Zeichnung die mit dem Begriff verbundene Vorstellung ausdrücken.
Sicher? Wie sieht es z.b. aus mit dem Begriff Gemütlichkeit?

Ich erinnere mich an folgende Szene: ein ganz kleines Kind mit seinem Vater auf dem Spielplatz. Das Kind spielte mit einem Ball, den es, soweit es überhaupt konnte, "kraftvoll" auf dem Boden warf. Natürlich machte der Ball, was er wollte und sprang mal hier und mal da hin. Aber der Vater brachte ihn immer sofort wieder zurück, so dass das Kind mit dem Spiel weiter machen konnte. Dabei rief das Kind immer wieder: Ball Ball Ball ... Und lachte und lachte, so wie es nur kleine Kinder können.

Wie plausibel ist es, dass das Wort "Ball" Ausdruck einer inneren Vorstellung im Geiste des Kindes war?




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Jörn Budesheim
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Di 10. Apr 2018, 06:24

Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Apr 2018, 15:24
Es kann also nicht sein, dass diese Ideen grundsätzlich etwas rein Privates sind, weil wir ansonsten diese Vermittlung von Vorstellungsinhalten nicht leisten könnten.
Die Ideen werden von Locke als etwas rein Privates eingeführt, so zumindest stellt es Georg W Bertram dar. Und wenn Ideen diese Vermittlung von Vorstellungsinhalten nicht leisten können, dann müssen wir eben diese psychologistische Bedeutungstheorie fallen lassen, meine ich.




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Alethos
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Di 10. Apr 2018, 10:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 06:24
wenn Ideen diese Vermittlung von Vorstellungsinhalten nicht leisten können, dann müssen wir eben diese psychologistische Bedeutungstheorie fallen lassen
Das sehe ich ähnlich. Nur bin ich mir nicht sicher, ob wir uns dennoch auf die Formel verständigen können, dass Gedanken auch im Kopf entstehen, weil ein individueller, persönlicher Anteil der Gedankeninhalte geformt wird durch die Psyche des Einzelnen. Damit behaupteten wir nicht einen Psychologismus, sondern würden der Tatsache Rechnung tragen, dass es Individuen sind, die denken.
Was spricht deiner Auffassung nach gegen eine solche Vorstellung?

Dass ein Kind nach dem Ball ruft und dadurch indiziert, dass er diesen Gegenstand meint, zeigt, dass die Bedeutung des Begriffs auf diesen Gegenstand gerichtet ist. Die Bedeutung dessen, was Ball ist, scheint diesem Gegenstand 'Ball' beigelegt zu sein. Die Bedeutung, was Ball meint, ist eine objektive Bestimmung des Gegenstandes.
Aber dennoch kannst du mit meiner Äusserung des reinen Begriffs 'Ball' keine Angaben darüber machen, was ich über die Tatsache eine kugelförmigen Objekts hinaus meine. Die Bedeutung, die ich dem Objekt meiner Vorstellung zusätzlich beimesse, bleibt verschlossen, d.h. er ist nicht apriori im Begriff enthalten. Aber selbst, wenn ich ihn präzise beschriebe, meine Vorstellung bliebe in ihrer absoluten Identität von deiner Vorstellung getrennt. Vorstellungen können daher auch nicht rein objektiv sein in der eindeutigen Form eines gegebenen physischen Gegenstandes.



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Friederike
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Di 10. Apr 2018, 13:13

Alethos hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 10:34
Aber dennoch kannst du mit meiner Äusserung des reinen Begriffs 'Ball' keine Angaben darüber machen, was ich über die Tatsache eine kugelförmigen Objekts hinaus meine. Die Bedeutung, die ich dem Objekt meiner Vorstellung zusätzlich beimesse, bleibt verschlossen, d.h. er ist nicht apriori im Begriff enthalten. Aber selbst, wenn ich ihn präzise beschriebe, meine Vorstellung bliebe in ihrer absoluten Identität von deiner Vorstellung getrennt. Vorstellungen können daher auch nicht rein objektiv sein in der eindeutigen Form eines gegebenen physischen Gegenstandes.
Hm, das scheint mir aber mehr auf die Unterscheidung von Allgemeinem, d.h. Begriff und Besonderem, d.h. dieser Gegenstand , hinauszulaufen als darauf, daß es sich bei dem Besonderen oder Konkreten um eine Vorstellung eines Einzelnen handelt. Was ist denn mit Begriffen, die man nicht bildlich vor-sich-stellen kann?




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Jörn Budesheim
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Di 10. Apr 2018, 15:06

Wenn Georg W Bertram Argumente triftig sind, was mir der Fall zu sein scheint, dann hat Locke ein ernsthaftes Problem mit seinem semantischen Psychologismus. Das sind allerdings nicht die einzigen Probleme, die sich in dieser Konzeption ergeben. Ein weiteres Problem firmiert unter dem Titel semantischer Atomismus. Ich sitze hier gerade im Park und fasse Bertrams Erläuterung dazu in freier Rede mit einigen Zitaten garniert für euch zusammen :)

Locke ist, wie man oben gesehen hat, der Ansicht, dass die Bedeutung eines Wortes die Vorstellung ist, die für das Wort steht. Das heißt, jedes einzelne Wort gewinnt für sich allein, als einzelnes Atom, ganz unabhängig von allen anderen Wörtern seine Bedeutung. Dass dies keine harmlose These ist,dürfte auf Basis des Textes, den wir hier zusammen diskutieren, klar sein.

Wie könnten wir uns mit Hilfe von Locks Theorie vorstellen, wie vor diesem atomistischen Hintergrund zum Beispiel überhaupt so etwas wie ein Satz zustande kommt? Ein Satz ist ein schließlich ein sinnvoller Zusammenhang von Wörtern. Den Satz gewinne ich ja nicht dadurch, dass ich diejenigen Wörter einfach kombiniere, die für eine Hasen-Vorstellung eine Wunschvorstellung und eine Möhren Vorstellung stehen. Es wäre kein wohlgeformter Satz zu sagen: “Hase Wunsch Möhre” die wollten eigentlich sagen, dass sich der Hase eine Möhre wünscht.

Locke postuliert um das Problem zu lösen - gemäß seinem subjektivistischen Programm - geistige Fähigkeiten, die die Verbindung der Vorstellungen bewerkstelligen sollen. Jedoch gelingt es ihm nach Bertram nicht, den spezifischen Charakter von Sätzen einzuholen. Wie ein Satz einen Sachverhalt auszudrücken vermag, bleibt dabei im Unklaren. Problematisch bleiben darüber hinaus logische Beziehung. Der Satz “der Hase ist ein Tier und wünscht sich eine Möhre” ist nicht einfach die Zusammenstellung zweier Gedanken. Es wird vielmehr das Zugleichbestehen von zwei Sachverhalten behauptet. Besteht eine der beiden Sachverhalte nicht, ist die Aussage falsch. Die Bedeutung des “und” rührt also nicht einfach von einer bestimmten geistigen Tätigkeit her. Ähnliches gilt noch Bertram für andere logische Bestandteile der Sprache wie z.b. die Formulierung “wenn... dann...”

Bertram resümiert: Lockes Rekurs auf eine geistige Aktivität, die Vorstellungen zu Gedanken verbindet und wiederum solche Verbindungen in Aussagen zum Ausdruck bringt, erweist sich somit als problematisch. Diese Aktivität ist ihrerseits höchst erklärungsbedürftig. Locke bemüht am Ende einfach einen unerklärten Erklärer.

Die Struktur von Aussagen (und anderen Sätzen) kann nicht einfach als Zusammenstellung erklärt werden. In Aussagen werden keine Elemente zusammengestellt, die unabhängig voneinander für sich funktionieren. Eine Aussage und der von ihr ausgedrückte Gedanke ist vielmehr ein (holistischer) Gesamtzusammenhang.




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Jörn Budesheim
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Di 10. Apr 2018, 15:20

Alethos hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 10:34
Dass ein Kind nach dem Ball ruft
Der Witz des Beispieles sollte jedoch nicht nur darin bestehen, dass das Kind nach dem Ball ruft, sondern darin , dass das Kind tatsächliche Erfahrungen mit dem hüpfenden ihm entfleuchenden Ball gemacht hat, den ihm sein Vater, der ihm vermutlich das Wort eingeflüstert hat, immer wieder zurückbrachte.

Ich wollte damit die Loksche Vorstellung, Wörter seien im Wesentlichen so etwas wie ein Gedanken-Bringdienst ein wenig konterkarieren :)




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Mi 11. Apr 2018, 06:39

Alethos hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 10:34
Nur bin ich mir nicht sicher, ob wir uns dennoch auf die Formel verständigen können, dass Gedanken auch im Kopf entstehen, weil ein individueller, persönlicher Anteil der Gedankeninhalte geformt wird durch die Psyche des Einzelnen. Damit behaupteten wir nicht einen Psychologismus, sondern würden der Tatsache Rechnung tragen, dass es Individuen sind, die denken.
Was spricht deiner Auffassung nach gegen eine solche Vorstellung?
Gestern saß ich ja im Park, um den Text für diesen Thread ins Tablet zu diktieren. Auf der Wiese saßen ein paar junge Leute und hörten sich ziemlich laut Punk Musik an. Von links zog an mir vorbei ein Business-Pärchen in feinen grauen Leinen. Von rechts kam eine Frau im Ökolook mit ihren Neugeborenen im Tuch.

"Buntes Völkchen hier...“ in irgendeiner Art und Weise "entstand" dieser Gedanke, wie du schreibst, in meinem Kopf. Schallwellen und Photonen prasseln auf meine Körper-Oberfläche, chemische Vorgänge im Gehirn... Jetzt sitzt du ein paar 100 km entfernt irgendwo in der Schweiz und kannst diesen Gedanken erfassen.

Wenn der Gedanke im Kopf ist, wie sollte das möglich sein? Wenn der Gedanke wortwörtlich im Kopf wäre, müsste das dann nicht heißen, dass du in meinem Kopf hineingreifen musst, um ihn zu erfassen? Das wäre ja absurd...

Im ist eine Ortsangabe. Und das passt nicht auf Gedanken. Auf der anderen Seite ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass ich es bin, der einen bestimmten Gedanken fasst.




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Alethos
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Mi 11. Apr 2018, 11:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 06:39
Auf der anderen Seite ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass ich es bin, der einen bestimmten Gedanken fasst.
Danke für deine erhellenden Ausführungen. An diesem Beispiel deiner Gedanken im Park lassen sich doch verschiedene 'Elemente' aufzeigen, die bei der Gedankenproduktion eine Rolle spielen.
Einerseits sind das die Menschen, die du aufgezählt hast, die Töne und Bewegungen: das sind ganz offensichtlich ausser dir liegende Inhalte eines etwaigen Gedankens. Sie werden als Gegenstände deiner Umwelt zu Fragmenten eines Gedankens, den du hast.

Andererseits bist es ja du, der diesen Gedanken hat. Dasjenige, mit welchem diese äusseren Elemente wechselwirken, ist nicht ein toter Rezeptor, irgendein Scanner, der Gegenstände abscannt, sondern es ist ein Wesen mit eigenen Gedanken, mit einer Stimmung und mit einem Lebenshintergrund. Die Elemente des Denkens bestehen nicht aus diesen Fragmenten des Äusseren allein, sondern auch aus diesen Anteilen, die du in sie hineinlegst durch dein Gerichtetsein auf sie. Es ist durch dieses Gerichtetsein, dass die äusseren Elemente in dieser Art zueinander in Bezug gesetzt werden, dass dieser Gedanke entsteht und nicht ein anderer.

Dann übermittelst du mir über dieses spezifische Medium des Forums resp. deines Beitrags deine Gedanken, indem du deine Gedanken wiederum in Zeichen und Sätze packst, die 'transportfähig' sind, also die in der Art verschlüsselt oder codiert sind, dass sie übermittelt werden können. Sie werden durch mich verstanden wegen dieser öffentlichen Codierung, die nun eben unsere Sprache ist.

Angesichts dieser komplexen Konfigurationen der Elemente des Denkens ist es sicherlich wenig hilfreich nach einem Wo zu fragen, weil die Gedanken nun eben nicht lokalisiert werden können an einem Ort: Das Denken findet sowohl in den Tatsachen der Szenerie des Parks statt als auch im Medium der Sprache, durch die du sie begreifst und durch die wir uns verständigen.

Das Denken ist also in vielfältiger Hinsicht öffentlich. Öffentlich ist es, weil er von etwas handelt, das öffentlich im Sinne von prinzipiell intersubjektiv zugänglich ist, es ist öffentlich, weil die Sprache, in der es verfasst und übermittelt wird, öffentlich ist.
Es findet in dieser Hinsicht also nicht im Kopf statt, weil alles, durch das es als Vermittelbares konstituiert ist, öffentlich ist.

Aber das heisst ja nicht, dass der Kopf leer ist und in ihn bloss öffentliches Denken hinein- und wieder herausfliesst. :) Etwas geschieht ja im Kopf, es werden Gedanken geformt, modifiziert. Das Individuum synthetisiert die disparaten Elemente zu einem kohärenten Gedanken. Wir sind es, die den Begriffen einen Ort geben im Satz, so dass er eben Ausdruck eines Gedankens ist und nicht bloss eine Aneinanderreihung von Begriffen in einem Begriffsnetz. Wir halten uns dabei an Regeln, das ist klar, ohne diese Regeln könnten wir keine Bedeutung ermitteln und vermitteln, aber ohne unsere Denkleistungen wüssten unsere Begriffe nicht, in welcher Art und Weise sie nach dieser Regel angewendet gehören, damit ein Gedanke ist. Das, was wir sagen wollen, das gibt uns die Regel nicht vor, sie ermöglicht lediglich unserem Sagenwollen das Sagenkönnen.

Nun liegt aber in dieser individuellen Fähigkeit zum Denken etwas Privates, finde ich, weil es in mir verortet bleibt, was ich wie sagen will, aber auch, weil das, was die Begriffe je bedeuten, nicht im Begriff apriori vollumfänglich wiedergegeben wird, sondern die Bedeutung temperiert ist durch das Wechselspiel mit mir, der diesem Begriff eine Konnotation gibt, auch und nicht zuletzt dadurch, dass ich die Begriffe zueinander in dieser Art und Weise in Beziehung setze, wie ich das zur Übermittlung meines Gedankens möchte. Das ist doch dann nicht abwegig zu sagen, dass das Denken dann gleichsam auch in mir und durch mich stattfindet und nicht bloss öffentlich konstituiert wird?



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Jörn Budesheim
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Fr 13. Apr 2018, 09:05

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Aus einem Skizzenbuch von mir zu einer Ausstellung von Marcel Broodthaers in Kassel. Sind wir Papageien? Michel Foucault fragt: "Wie kann der Mensch das Subjekt einer Sprache sein, die seit Jahrtausenden ohne ihn gebildet worden ist... und innerhalb derer er von Anfang an sein Denken platzieren muss."

Ich will mir diese (pessimistische?) Position nicht unbedingt zu eigen machen, aber die Frage, wer oder was da eigentlich spricht, wenn es oder wir sprechen, ist nicht vollständig von der Hand zu weisen, oder? Spricht die Sprache, während wir nur innerhalb der vorgegebenen Strukturen unser Plätzchen finden?




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Fr 13. Apr 2018, 11:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 13. Apr 2018, 09:05
[...] Michel Foucault fragt: "Wie kann der Mensch das Subjekt einer Sprache sein, die seit Jahrtausenden ohne ihn gebildet worden ist... und innerhalb derer er von Anfang an sein Denken platzieren muss." Ich will mir diese (pessimistische?) Position nicht unbedingt zu eigen machen, aber die Frage, wer oder was da eigentlich spricht, wenn es oder wir sprechen, ist nicht vollständig von der Hand zu weisen, oder? Spricht die Sprache, während wir nur innerhalb der vorgegebenen Strukturen unser Plätzchen finden?
Andererseits wird die Sprache durch Subjekte gebildet, d.h. zunächst angeeignet, dann aber auch verändert, beobachtet, reflektiert, in der Kunst aufgelöst und neu gestaltet, dekonstruiert und (re-)konstruiert. Sicher, die Grammatik (Subjekt-Prädikat), die Geschlechterordnung der Wörter, das sind grundlegende Strukturen, die anzunehmen oder abzulehnen Subjekt, sofern es denkt und spricht, nicht frei ist. Im und durch den einzelnen Menschen sprechen also, um an das obige Zitat anzuknüpfen, seine und ihre Vorfahren, was, so meine ich, etwas anderes ist als der Gegenstand "Sprache", den man aus den Mündern der Subjekte hört.




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Alethos
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Sa 14. Apr 2018, 12:08

Wenn man Derridas Gedanken über die 'Spurfhaftigkeit' von Begriffsbedeutungen bei Wittgenstein unterbringen wollte, wie könnte man das tun? Wenn doch Begriffsbedeutungen dynamisch sind, können sie nicht statisch sein im Sinne einer eindeutigen Gegebenheit durch ihre immerselbe Verwendung. Und es gäbe nun eben doch eine différance zwischen den Begriffen und der in sie hineingelegten Begriffsbedeutung. Das würde bedingen, dass Begriffe mit einer Idee einhergehen müssen, also mit einer mit ihnen verbundenen Vorstellung gedacht würden, ohne die es keine Mehrdeutigkeit im Begriff geben kann.

Wenn ein Begriff seine Vorstellung ist, dann ist durch seine Form der eindeutige Inhalt bestimmt und es gäbe nichts, was zu ihm hinzukommen könnte als seine abweichende Bedeutung. Verstehen wäre sozusagen garantiert durch den Begriff selbst resp. durch seine sprachholistisch, referenziell gegebene Bedeutung, die sich aus seinem 'Festgezurrtsein' im Begriffsnetz einstellt. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall: Wir haben keine eindeutigen Begriffsassoziationen. Wenn es auch eine Stetigkeit in der Begriffsdeutung gibt, so gibt es doch keine Eindeutigkeit?



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