Teil IV
Die Zeichen Gottes Geschichtsmacht
Die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeiten sind im AT und NT verknüpft mit der nahen Heilserwartung, aber immer im Gedenken (Anamnese) auch an vergangenes, geschehenes Leid und Unrecht. Zur Zeiten Christi waren das
- Das Leiden der Juden unter der Besatzungsmacht und durch den Machtmissbrauch ihrer Herrscher. Gleichzeitig aber in einer Heilserwartung, als Hoffnung auf den rettenden Messias, der das Volk endgültig aus den Notlagen des Lebens und der Bedrängnis fremder Herrschaft erlöst.
Es ist das ungeduldige Warten auf das eschatologische Handeln Gottes in der Geschichte, das mit der Hoffnung auf den Messias in einer Zeit der Auswegslosigkeit und allgemeiner Verelendung verbunden wird.
- Die Heilserwartung ist nicht frei von Umbrüchen und Verwerfungen, sondern erfolgt wie durch das Leiden hindurch
Die Erlösung ist mit Leid und Tod verbunden:
- Erlösungshandeln Christi geschieht durch freiwillige Annahme von Leid, ungerechter Strafe - bis zur Inkaufnahme des Todes - zur Rettung vieler (d.h. von allen)
Das Ziel der Geschichtsmacht Gottes:
- Gottes Handeln ist Widerlager mit der Macht der Schwachheit dem verbrecherischen Wahn der Menschen Einhalt zu bieten
- Gottes Handeln ermöglicht den Menschen Neuanfänge auch aus schier ausweglosen und katastrophalen Situationen heraus
- Gottes Handeln soll nicht nur Leidende trösten, sondern auch begangenes Unrecht korrigieren und seiner Gerechtigkeit in der Welt zum Durchbruch verhelfen
- Die Güte und Barmherzigkeit Gottes soll auch den schlimmsten Sünder gerecht werden lassen, indem er sich mit ihm versöhnt
Grund dieser eschatologischen Hoffnungen ist die Selbstoffenbarung Gottes in Leiden und Sterben Jesu Christi. Im Blick auf die Auferstehung wird dabei deutlich, dass Gott auch in den aussichtslosesten Situationen seinen heilenden Willen durchsetzen kann.
- In den Seligpreisungen der Bergpredigt lenkt Jesus den Blick der Apostel auf die vielfältige Arten und Folgen leidvoller Armut, Ihr sollen von nun an ungeteilt Sorge und Fürsorge gelten (und damit einhergehend eine Wirklichkeitsschulung)
Nur durch eine entwickelte Sensibilität und Achtsamkeit für die Not der anderen, durch ein bewußtwerden für fremdes Leid, werden wir fähig die Lebenswirklichkeit ausreichend zu erfassen, um dadurch handlungsfähig zu werden. Nur in der Anerkennung dieser Aufforderung zum Mittun am die Wirklichkeit würdigenden und das nicht-sein-sollende Leiden bekämpfenden Tun Gottes ist deshalb eine theodizee-sensible Rede vom Handeln Gottes in der Welt möglich.
- Unser Mittun am Handeln Gottes lässt im Vorgriff Wirklichkeit werden, was als erlösendes Heilshandeln an uns von Gott her gehofft und in Zukunft von ihm erwartet wird
- Tröstung des Trauernden, Heilung des Leidenden, Zuspruch für den Verängstigten, Überwindung des Unrechts und Etablierung einer niemanden ausschließenden Gemeinschaft versöhnter Verschiedenheit
Damit geht einher der eigene Anspruch, dem Fremden, dem Leidenen, dem Versklavten, dem Hungernden und dem Dürstenden nicht das zu versagen, was am Ende von Gott her erhofft wird und das uns als Christen schon durch ihm zugesprochen wurde.
Gottes Handeln in der Geschichte wird somit als ein Mithandeln verstanden, das die Verheißungen am Ende der Geschichte schon anfangshaft in dieser Zeit aufscheinen lässt, aber über das dennoch nur verletzlich und nicht frei von Irritation und Unsicherheit gesprochen werden kann.
- Der Mensch ist von Gott gewürdigt und befähigt, an der Verwandlung der Welt durch die Kraft der göttlichen Liebe mitzuwirken.
- Gottes Selbstzusage seiner Liebe wird um so mehr realisiert, je entschiedener Menschen aus Liebe zum Anderen/Nächsten handeln.
Durch dieses Liebeshandeln des Menschen am Nächsten, das immer schon auf Gott verweist, ist der Handelnde schon von Gott her ermächtigt dem Nächsten die göttliche Liebe zuzusprechen. Damit ist es zugleich Gottes Handeln, dass konkret hineinführt in das Liebesverhältnis, das er in sich selber ist und deshalb den Menschen frei gewähren kann.
Ablschließend noch ein paar Gedanken:
- Gott steht in seinem Handeln zu uns also nicht in einem Konkurenzverhältnis, sondern sein Handeln ist immer Mithandeln in unserem Handeln.
- Gottes Handeln ist Liebeshandeln. Er wirbt und lockt uns mit den Mitteln der Liebe. Er handelt durch und mit uns mit den Mitteln seiner Liebe, die er in sich schon selber ist.
- Durch die Wirklichkeit Gottes verliert der Mensch weder seinen Eigenstand noch seine Würde, sondern er kommt gerade durch Mithandeln am Willen Gottes zu sich selbst, seiner Freiheit, seiner Autonomie und damit zu seiner Würde.
epitox