Gott ist nicht tot

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
Tosa Inu
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Sa 5. Mai 2018, 07:22

Friederike hat geschrieben :
Fr 4. Mai 2018, 18:35
Was Du über die psychoanalytische Theorie oder die "Affinität zum Unglück" geschrieben hast, sind, soweit ich informiert bin, doch ohnehin keine Erklärungen, die beanspruchen, auf jede Art des Leidens und Erleidens zuzutreffen und für alle Menschen in jedem Fall gültig zu sein, oder?
Ja, das sind Erklärungen für Menschen, bei denen der Verdacht aufkommt, der Wiederholungszwang könne eine relevante Deutung sein.
Auf die Idee kommt man am ehesten bei Menschen, die immer wieder "zufällig" an die falschen Partner geraten, Gewalt erfahren und deren Pechsträhne einfach nicht abreißen will.

Schon diese Idee ist bei uns auffällig unpopulär. Wir haben es sehr gerne, Opfer ganz und gar er zufällige Opfer zu deklarieren, übrigens, in aller Regel auch ohne sie zu fragen. Daraus erwachsen eigene, erhebliche Probleme, die man schon im Rahmen unseres Weltbildes zunehmend mehr entdeckt. Schon die Psychoanalyse versucht man gerne mit unterschiedlichsten Argumenten, die in der Regel keine sind, in eine Ecke zu stellen, die salopp gesagt, etwas für harmlose Spinner ist, die vor allem gelangweilten amerikanischen Hausfrauen das Geld aus der Tasche ziehen.

In der Schmerztherapie sind allerdings gerade Mediziner dabei, die Bedeutung desselben Musters für chronische Schmerzen zu entdecken. Schmerztherapeuten, die vom Patienten Eigeninitiative fordern und das für Schmerzpatienten typische Katastrophisieren (man 'weiß', die schlimmste aller Möglichkeiten wird im eigenen Fall eintreffen) anzugehen, sind natürlich - obwohl dies wissenschaftlich abgesichter ist - unbeliebt.

Beides keine dusseligen Nischen, sondern die Alternative ist, die Patienten in der Rolle des passiven Opfers zu belassen, mit diversen opioidhaltigen Schmerzpflastern zu bekleben und die Dosis dieser Mittel einfach immer weiter zu steigern, bis zum Einbau einer Schmerzpumpe oder in den Staaten, einer Verteilung von Opioiden wie Smarties, mit der Folge, dass daran kontinuierlich steigend jedes Jahr Menschen in hoher Anzahl sterben, derzeit im Bereich 60.000 Tote durch eine iatrogen induzierte Sucht, was einfach heißt, dass Menschen durch Ärzte wortwörtlich angefixt sind.

Das u.a. deshalb, weil man den Menschen die so brutale Wahrheit nicht zumuten kann, dass man ihnen helfen kann, wenn sie sich nicht nur als passives Opfer sehen, was natürlich so ein grauenhafter Übergriff ist, dass man viel lieber den Tod infolge einer schweren Suchterkrankung in kauf nimmt.
Beides hat direkt mit unserem Weltbild zu tun.
Das Problem ist einfach, dass es kein Weltbild gibt, dass nicht an irgendeiner Stelle ethische Unwuchten erzeugt. Wir sind nur in aller Regel nicht bereit diejenigen unseres Weltbildes zu sehen und infrage zu stellen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Tosa Inu
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Sa 5. Mai 2018, 08:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 06:09
Ich frage mich gerade selbst, was ich denn gerne hören würde ... dies hier: ich würde gerne hören, wie du deine Ansichten argumentativ vertrittst und mit den Konsequenzen und Fragen umgehst, die sich aus ihnen ergeben.
Ich weiß nicht genau, was flechtlicht dazu meint und will ihm seine Antwortmöglichkeit nicht nehmen, aber mir scheint das insgesamt kein größeres Rätsel zu sein.

Das Hauptproblem ist m.E. dass man es nicht schafft, sich ganz in ein Weltbild einzudenken (oder einfach mit Vorsatz keinerlei Bereitschaft mitbringt, es u versuchen).

Unser Weltbild ist uns halbwegs geläufig. Es gibt ein Leben, in dem das ethische Punktekonto irgendwann eröffnet ist, wenn man die Folgen seiner Handlungen überschauen kann. Wenn man, salopp gesagt, auch anders gekonnt hätte. Ansonsten kommt man ethisch als weißes Blatt auf die Welt, natürlich ohne jede Vorgeschichte.

Wie gesagt, war das schon bei den Griechen anders, die ein moralisches Erbe durch Generationenfolgen darstellten.
Gern vergessen ist, dass wir auch im christlichen Kontext bereits schuldig zu Welt kommen, durch die Erbsünde, und dies nicht erst relevant wird, wenn man etwas Schlimmmes getan hat.
Also, an den Wurzeln unserer Kultur sieht die Welt bereits anders aus, als heute.

Der ferne Osten hat nun nicht nur eine Karmalehre, sondern mindestens drei große, verschiedene. Mal mit, mal ohne persönliche Kontinuität durch die Kette der Inkarnationen. Auch das Ziel ist ein anderes, nämlich nicht wiedergeboren werden zu müssen. Man beachte den schroffen Kontrast zu unserem Traum, der aus Ewigkeit Unendlichkeit macht und die Dauer des Lebens nach Möglichkeit ins Endlose verlängern will.

Vor diesem Hintergrund kommt niemand als weißes Blatt auf die Welt, sondern immer mit einer sehr langen Vorgeschichte und allein die Tatsache, dass jemand geboren wird, zeigt, dass da noch etwas karmisch auszugleichen ist. Ist man karmisch im Gleichgewicht, muss man nicht reinkarnieren (kann sich aber bewusst dazu entscheiden, um der Menschheit zu dienen).

Es gibt in der Lehre der Bardozustände, die eine der populärsten Versionen der Wiedergeburtsidee ist (als das tibetische Totenbuch bekannt), die Möglichkeit sein Leben vorher zu überblicken und sich mehr oder minder bewusst in einem der Bardoreiche, die Zwischenreiche sind, dafür entscheiden noch mal zu inkarnieren, in aller Regel vergisst man dies aber, wenn man wieder inkarniert.

Es gibt neben dieser Version vorgeburtlicher Entscheidung, auch Versionen der Karmalehre, in denen man, bereits inkarniert noch Einfluss nehmen kann (das sind die Versionen, die besonders im Westen populär wurden), aber auch Versionen, in denen man das eigene Karma einfach erdulden muss.
Was bei den Indern gerne verteufelt wird, das Kastensystem, ist in der eurpopäischen Version als Calvinismus, eine Variante der evangelischen Lehren durchgewunken worden.

Das ist ein gröbster Abriss, der bereits vielfältig feiner diskutiert wurde, mal mehr, mal weniger anspruchsvoll.

Man muss das nun nicht gut finden, aber wie bereits in der Antwort an Friederike gesagt, ist kein System unproblematisch.
Und all diese Entwürfe sehen das Universum als große Gerechtigkeitsmaschine, alle haben das Problem, dass sie erklären müssen, wie diese VErsion mit einer augenscheinliche ungerechten Welt in Übereinstimmung zu bringen ist.

Auf die Idee, Gerechtigkeit radikal fallen zu lassen, kann man natürlich auch kommen, aber soweit ich mich erinnere war das mindestens für Ottington ein Grund das alte Forum zu verlassen. Ob die Idee, dass Universum könnnte und das menschliche Leben sollte doch besser ein ungerechter Ort sein so absolut verlockend ist, kann man dann bei Bedarf diskutieren.

Dusselige und fundamentalistische Interpreten gibt es immer, aber die Idee, doch einfach das Beste aus allen System zusammenzuschütten ist ein Rohrkrepierer, probiert wurde das in einigen schlechten Varianten esoterischer Ansätze. Ethik ist und kann keine Größe sein, die man im Bedarfsfall rausholt, nämlich wenn es einem selbst schlecht geht und ansonsten großzügig ignoriert, wenn es anderen schlecht geht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Sa 5. Mai 2018, 09:12

@T.I., ich habe mich mit einer Frage, die nicht hierher gehört, mit Dir ins "Kaffeestübchen" verzogen.




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Friederike
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Sa 5. Mai 2018, 09:58

flechtlicht hat geschrieben :
Fr 4. Mai 2018, 12:41
Der Täter ist Werkzeug meines Schicksals, von mir gerufen, von Gott und den Engeln meistens abgemildert zugelassen. Glaubt jemand allen Ernstes, all die Greueltaten der Menschheitsgeschichte wären zufällige Ereignisse und Gott mit seinen Engeln wäre überfordert, das Schicksal jedes einzelnen Menschen gerecht zu lenken?[...]
Also, irdisch gesehen begeht der Räuber tatsächlich Unrecht aber als Werkzeug Gottes zu meiner Heilung benutzt.
Also, wenn ich diese Sätze lese ... mich grausts. Gesprächsbedarf habe ich nicht. Das ist ein krudes Zeugs und irgendwie spricht es dem ganzen Liebesgedöns drumherum Hohn.




flechtlicht
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Sa 5. Mai 2018, 10:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 06:09
Ich frage mich gerade selbst, was ich denn gerne hören würde ... dies hier: ich würde gerne hören, wie du deine Ansichten argumentativ vertrittst und mit den Konsequenzen und Fragen umgehst, die sich aus ihnen ergeben.

Es ist meine Absicht aus der scheinbaren Ungerechtigkeit unseres Daseins den mir einzig möglichen Weg, bedingungsloser Liebe, zu vertreten, in dessen Konsequenz Fragen nach Schuld als Vorwurf und Rechtfertigung für Strafe oder schreckliche Ereignisse in den Hintergrund rücken. Streng genommen bräuchten wir dazu nicht einmal Gott, so wundervoll wirkt die stärkste Kraft des Universums unmittelbar auf unser tägliches Leben, dass ich es nur noch als einziges Wunder erfahren kann. Meine Erfahrungen/Argumente bedürfen allerdings der Überprüfung im Leben jedes einzelnen. Wer dazu nicht bereit ist, für den wird das Leben sich weiterhin je nach gewohntem Weltbild entfalten.

Die Frage nach Gott im Holocaust wird von den Juden selbst vielfältiger und in den Extremen sehr viel gewaltiger diskutiert als man vielleicht meinen möchte.

Aus einem Bericht des Deutschlandfunk von Jens Rosbach:
Im Bundestag steht ein grauhaariger Mann am Rednerpult. Er hat tiefe Furchen im Gesicht, und seine linke Hand spielt unruhig mit einer Büroklammer: Elie Wiesel, 83 Jahre alt, Shoah-Überlebender. Der amerikanische Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger spricht, am Holocaust-Gedenktag im Jahr 2000, nicht nur die Frage nach der deutschen Schuld an. Sondern noch eine andere – nicht minder brisante – Frage: Ob auch Gott Schuld habe am Massenmord an den Juden.

"Nicht einmal Gott, den Gott Israels, schien es zu rühren. Mehr noch als das Schweigen der andern war Gottes Schweigen ein Geheimnis, das vielen von uns rätselhaft bleibt und uns bedrückt bis auf den heutigen Tag. Doch dies ist ein Thema, das wir am heftigsten diskutieren, wenn wir unter uns sind."

"Ich habe mehreren Erhängungen beigewohnt. Nie habe ich einen der Verurteilten weinen sehen, denn ihre ausgemergelten Körper hatten seit langem den bitteren Trost der Tränen vergessen. Mit Ausnahme einer Vollstreckung."
Hat Gott im Holocaust sein Angesicht verborgen?

In seinem autobiografischen Buch "Die Nacht" äußert sich der ehemalige KZ-Häftling Elie Wiesel noch klarer, noch radikaler über Gott. In der Schlüssel-Szene kommen drei Lager-Insassen an den Galgen, darunter ein Kind. Alle anderen Inhaftierten werden gezwungen zuzuschauen.

"Wo ist Gott, wo ist er?" fragte jemand hinter mir… Auf ein Zeichen des Lagerchefs kippten die Stühle um. Die beiden Erwachsenen lebten nicht mehr. Aber der dritte Strick hing nicht leblos, der leichte Knabe lebte noch. Mehr als eine halbe Stunde hing er so und kämpfte vor unseren Augen zwischen Leben und Sterben seinen Todeskampf. Hinter mir hörte ich denselben Mann fragen: "Wo ist Gott?" Und ich hörte eine Stimme in mir antworten:

"Wo er ist? Dort hängt er, am Galgen..."
http://www.deutschlandfunkkultur.de/jue ... _id=376897

Aus Wikipedia Holocaust-Theologie:

Antworten des orthodoxen und ultraorthodoxen Judentums

Viele Anhänger des ultraorthodoxen Judentums sehen die Schuld für den Holocaust darin, dass zahlreiche europäische Juden die jüdischen Traditionen aufgegeben und stattdessen Ideologien wie den Sozialismus, den Zionismus oder andere nicht-orthodoxe jüdische Strömungen angenommen hatten. Andere meinen, Gott habe die Nationalsozialisten geschickt, um die Juden zu ermorden, weil die orthodoxen europäischen Juden nicht genug getan haben, um diese Trends zu bekämpfen, oder weil sie nicht den Zionismus unterstützten. Nach dieser ultraorthodoxen Theodizee waren die Juden Europas Sünder, die es verdient hatten zu sterben, und Gott, der dies erlaubte, handelte richtig und gerecht.

Aber auch die umgekehrte Ansicht gibt es: Die Religiösen Zionisten verstehen den Holocaust als kollektive Strafe für die fortgesetzte jüdische Untreue gegenüber dem Land Israel. Rabbi Mordecai Atiyah war ein führender Vertreter dieser Idee. Rabbi Zwi Jehuda Kook und seine Schüler vermieden für sich diese harte Position, aber auch sie verbinden den Holocaust mit dem Wiedererkennen von Zion. Kook schreibt: „Wenn das Ende kommt und Israel erkennt es nicht wieder, wird eine grausame göttliche Handlung erfolgen, durch die das jüdische Volk aus seinem Exil entfernt wird.“[3] Auch hier wird der Holocaust in eine eschatologisch notwendige Abfolge von Ereignissen eingebettet.

Rabbi Chaim Ozer Grodzinsky behauptete 1939, die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten beruhe auf den Fehlern der nicht-orthodoxen Juden.

Emil Fackenheim

Emil Fackenheim ist bekannt für seine vorsichtige Betrachtungsweise des Holocaust, in dem er eine neue Offenbarung Gottes zu finden glaubt. Für Fackenheim ist der Holocaust ein „epochemachendes Ereignis“. Im Gegensatz zu Richard Rubensteins bekannten Ansichten sagt Fackenheim, die Menschen müssten weiterhin ihren Glauben an Gott und Gottes kontinuierliche Rolle in der Welt bekräftigen. Fackenheim meint, der Holocaust offenbare uns ein neues biblisches Gebot: „Du sollst Hitler keine postumen Siege überlassen!“

Harold Kushner, William Kaufman und Milton Steinberg

Die Rabbiner Harold Kushner, William E. Kaufman und Milton Steinberg glauben, dass Gott nicht allmächtig ist, und deshalb sei er nicht verantwortlich, wenn die Menschen ihren freien Willen missbrauchen. Es gibt daher keinen Widerspruch zwischen der Existenz Gottes und der Ausübung böser Taten durch Teile der Menschheit. Die Vertreter dieser Ansicht berufen sich dabei auch auf klassische jüdische Autoritäten wie Abraham ibn Daud, Abraham ibn Ezra und Gersonides.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Holocaust-Theologie

Und auch der Gedanke der Seelenwanderung wird diskutiert:

Aus jüdische Info:

Eine der größten Herausforderungen auf dieser Welt besteht darin, dass wir nicht verstehen können, warum es auf dieser Erde so viel Leid gibt. Wenn wir Krisen, Traumen oder Trauer erleben, dann suchen wir oft intuitiv nach dem Sinn und Grund. Die furchtbare Erkenntnis, dass wir vielleicht niemals die Antworten, nach denen wir suchen, finden werden, verunsichert uns. Eine Möglichkeit, mit der die kabbalistischen Schriften unseren Glauben wieder herzustellen versuchen, ist die Darstellungen der Reinkarnation und Seelenwanderung. Obwohl es zu diesem Thema in den Heiligen Schriften keine direkten Abhandlungen gibt, legt der berühmte Kabbalist Arisal in dem Werk „Schaar HaGilgulim – Das Tor der Wiedergeburt“ seine Prinzipien der Reinkarnation dar.

https://de.chabad.org/library/article_c ... nation.htm




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Jörn Budesheim
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Sa 5. Mai 2018, 10:38

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 08:07
Das Hauptproblem ist m.E. dass man es nicht schafft, sich ganz in ein Weltbild einzudenken (oder einfach mit Vorsatz keinerlei Bereitschaft mitbringt, es u versuchen).
Wir haben uns übrigens genau in diesem Thread sehr ausführlich in das Weltbild Holm Tetens eingedacht, mit ausführlichen Zitaten, Quellenrecherche und Diskussion. Tetens belässt es als Philosoph nämlich nicht beim Verkünden, sondern ist stets beim Begründen, auch da, wo er mit Setzungen operiert, die nicht beweis- oder widerlegbar sind, erläutert und begündet er sein Vorgehen ausführlich und nachvollziehbar. Der Text ist so angelegt, dass er für Einwände offen ist, ebenso verfährt Tetens in Gesprächen und Interviews.

Das heißt dem geforderten "Eindenken" muss etwas adäquates gegenüber stehen, nämlch die Bereitschaft die eigene Position überhaupt zu vertreten und zu begründen. Wenn aus dem, was man vorträgt etwas folgt oder auch bloß zu folgen scheint, dann ist man in einem philosophischen Forum gehalten, die Sachlage nachvollziehbar zu erläutern und zu begründen. Missliche Konsequenzen zu ignorieren, ist nicht der Königsweg der Philosophie. Tetens ist in dieser Hinsicht vorbildlich.




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Sa 5. Mai 2018, 10:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 10:38
Wir haben uns übrigens genau in diesem Thread sehr ausführlich in das Weltbild Holm Tetens eingedacht, mit ausführlichen Zitaten, Quellenrecherche und Diskussion.
Ich weiß, ich hab ja mitgemacht.
Ich finde Tentens nicht so überzeugend, weil ich nicht finde, dass die Schwäche des Naturalismus automatisch zu einer Stärke des religiösen Weltbildes wird, es sind dann einfach zwei schwächere Systeme da.

Die ethischen Implikationen des Naturalismus, das war mein Punkt, finde ich allerdings nicht unbedingt besser, ihre Schwächen liegen nur an anderen Stellen.



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Sa 5. Mai 2018, 10:57

@ Jörn:

Was mich aber noch interessiert: Was ist denn Gerechtigkeit Deiner Meinung nach?
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 5. Mai 2018, 11:52, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Sa 5. Mai 2018, 11:01

flechtlicht hat geschrieben : Die Frage nach Gott im Holocaust wird von den Juden selbst vielfältiger und in den Extremen sehr viel gewaltiger diskutiert als man vielleicht meinen möchte.
Das mag schon sein. Was aber bisher fehlt ist etwas anderes. Du bist nämlich offenbar der Ansicht, unsere Welt sei in der Weise gerecht, als dass es keinem der Millionen ermordeten Juden je schlechter erging als sie es selbst verursacht haben. Einer Klärung dieser Ungeheuerlichkeit weichst du beständig aus.




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Jörn Budesheim
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Sa 5. Mai 2018, 11:03

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 10:49
Ich finde Tentens nicht so überzeugend
Mich hat er in der Sache auch nicht überzeugt. Allerdings spreche ich oben über seine Vorgehensweise und seine Methode und die finde ich sehr überzeugend.




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Sa 5. Mai 2018, 11:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 11:01
flechtlicht hat geschrieben : Die Frage nach Gott im Holocaust wird von den Juden selbst vielfältiger und in den Extremen sehr viel gewaltiger diskutiert als man vielleicht meinen möchte.
Das mag schon sein. Was aber bisher fehlt ist etwas anderes. Du bist nämlich offenbar der Ansicht, unsere Welt sei in der Weise gerecht, als dass es keinem der Millionen ermordeten Juden je schlechter erging als sie es selbst verursacht haben. Einer Klärung dieser Ungeheuerlichkeit weichst du beständig aus.
Ich habe meinen Standpunkt klar beschrieben, der liebe Gott kümmert sich um jeden Einzelnen als gäbe es nur diesen einen Menschen, mein Vertrauen, dass es niemanden schlechter ergeht als er es selbst verursacht hat ist absolut und gilt für alle Dimensionen seiner Schöpfung. Ungeheuerlichkeit wurde von Dir Eingeführt, ohne dass Du sie erklärt hättest, ich könnte in Deinem Stil fragen: hältst Du Gott für ungerecht/unfähig/krank/bösartig?




flechtlicht
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Sa 5. Mai 2018, 11:58

Friederike hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 09:58
flechtlicht hat geschrieben :
Fr 4. Mai 2018, 12:41
Der Täter ist Werkzeug meines Schicksals, von mir gerufen, von Gott und den Engeln meistens abgemildert zugelassen. Glaubt jemand allen Ernstes, all die Greueltaten der Menschheitsgeschichte wären zufällige Ereignisse und Gott mit seinen Engeln wäre überfordert, das Schicksal jedes einzelnen Menschen gerecht zu lenken?[...]
Also, irdisch gesehen begeht der Räuber tatsächlich Unrecht aber als Werkzeug Gottes zu meiner Heilung benutzt.
Also, wenn ich diese Sätze lese ... mich grausts. Gesprächsbedarf habe ich nicht. Das ist ein krudes Zeugs und irgendwie spricht es dem ganzen Liebesgedöns drumherum Hohn.
Hallo Friederike
Danke für Deine aufrichtigen Worte und den tiefen Blick in Deine Seele.

Alles Liebe und Gute




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flechtlicht hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 11:56
Ich habe meinen Standpunkt klar beschrieben
Das finde ich keineswegs. Was soll es heißen, dass es einem gerade geborene Säugling, der bestialisch ermordet wird, nicht schlechter geht als er es selbst verursacht hat? Was soll es heißen, dass der liebe Gott sich um dieses Wesen so kümmert, als gäbe es nur diesen einen Menschen?




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epitox
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 12:35
flechtlicht hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 11:56
Ich habe meinen Standpunkt klar beschrieben
Das finde ich keineswegs. Was soll es heißen, dass es einem gerade geborene Säugling, der bestialisch ermordet wird, nicht schlechter geht als er es selbst verursacht hat? Was soll es heißen, dass der liebe Gott sich um dieses Wesen so kümmert, als gäbe es nur diesen einen Menschen?
Dieser Diskussion -glaube ich - liegt ein Missverständnis zugrunde: du oder wir gehen normalerweise davon aus, dass hier Leid, Unrecht oder sogar ein Verbrechen geschehen ist. Was man aus der Sicht der buddhistischen Lehre aber sagen kann ist, dass zwar alles Leben leidvoll ist, dass das Leid aber keine Realität an sich hat, sondern nur in unserer Wahrnehmung existiert und daher überwunden werden kann. Daher macht es keinen Sinn nach Leid-Verursachern zu fragen, denn Leid hat keine eigene Wirklichkeit. Leidwahrnehmung ist eher als eine Art "Haltung" den Dingen gegenüber zu verstehen. Es mag sich hier zwar scharf anhören, aber eher sind wir es die Leid mit unseren Forderungen und Ansprüchen verursachen. Ein lieber Gott oder ein paar fleißige Engel haben in dieser Betrachtung der Welt allerdings nichts verloren. Sie sind völlig überflüssig.

epitox




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Sa 5. Mai 2018, 13:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 12:35
flechtlicht hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 11:56
Ich habe meinen Standpunkt klar beschrieben
Das finde ich keineswegs. Was soll es heißen, dass es einem gerade geborene Säugling, der bestialisch ermordet wird, nicht schlechter geht als er es selbst verursacht hat? Was soll es heißen, dass der liebe Gott sich um dieses Wesen so kümmert, als gäbe es nur diesen einen Menschen?
Es heisst genau das was ich geschrieben habe. Wenn Du versuchst das Leid eines Kindes Gottes zu benutzen um Gott oder mir oder dem Kind eine namenlose Ungeheuerlichkeit zu unterstellen ohne sie auszusprechen oder zu erläutern kann ich Dir nicht mehr weiterhelfen.




flechtlicht
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Sa 5. Mai 2018, 13:22

epitox hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 13:05
. Ein lieber Gott oder ein paar fleißige Engel haben in dieser Betrachtung der Welt allerdings nichts verloren. Sie sind völlig überflüssig.

epitox
Das kann man so sehen aber sie sind halt trotzdem da.




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epitox
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flechtlicht hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 13:22
epitox hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 13:05
. Ein lieber Gott oder ein paar fleißige Engel haben in dieser Betrachtung der Welt allerdings nichts verloren. Sie sind völlig überflüssig.

epitox
Das kann man so sehen aber sie sind halt trotzdem da.
Ja klar doch! Als besondere Note! Wer will heute noch eine Religion von der Stange? Da muss doch noch eine individuelle, persönliche Note zur Lehre hinzukommen....

epitox




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Sa 5. Mai 2018, 14:40

Möglich, aber auch als erfahrene Realität.




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flechtlicht hat geschrieben :
Sa 5. Mai 2018, 14:40
Möglich, aber auch als erfahrene Realität.
Dann wird es für dich Zeit diese zu überwinden und deinen Egoismus und deine Individualität zu tilgen...

epitox




flechtlicht
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Sa 5. Mai 2018, 15:07

So Gott und die Engel mir beistehen. :P




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