Tommy hat geschrieben : ↑ Sa 19. Mai 2018, 20:49
Tosa Inu hat geschrieben : ↑ Sa 19. Mai 2018, 09:52
Wen soll ich bei der Fragestellung denn sonst vergleichen? Kellerasseln und Mineralwasser?
Natürlich nicht. Aber Du schreibst ja über Intuition, über "Bauchgefühle".
Was hat das mit Maschinen zu tun?
Nichts.
Intuitionen haben nichts mit Maschinen zu tun, und 'Bauchgefühle' erst recht nicht, nicht zuletzt ist das dem Unstand geschuldet, dass Maschinen keinen Bauch haben.
Aber auch Maschinen erkennen etwas aufgrund von etwas, und selbst, wenn sie dieses Erkennen nicht holistisch bewerkstelligen, z.B. weil sie die Erkenntnis nicht aus einem ineinander geschachtelten Bedeutungsnetzwerk ziehen, so haben sie doch einfach einen simplen Unterschied durch Abgleich festgestellt. Und nichts anderes tun wir, wenn wir den Unterschied zwischen einer Eiche und einer Birke feststellen. Wir nehmen den Unterschied wahr und wissen, a ist ungleich b.
Das obige Argument mit dem Durchblättern eines Lexikons hinkt. Auch ein Lexikon weiss nichts, stimmt, denn in ihn ist bloss ein Wissen programmiert. Wer weiss, sei der, der aus dem Lexikon ein Wissen zieht resp. der, der seine Informationen aktiv abgreifen und auswerten kann. Das Lexikon tut dies nicht, also weiss es nichts. Und, da die App auch einfach nur externalisiertes Wissen sei, wisse sie nichts, so das Scheinargument. Aber die App tut eben genau das, was wir tun und nicht das, was das Lexikon nicht tut: Sie zieht Wissen aus einer Datenbank und interagiert abgleichend mit der Umwelt. Lexikon und App sind deshalb nicht zu vergleichen. Ein Vergleich ist als Argument unzulässig.
Und deshalb disqualifiziert auch das vergleichende Beispiel mit der Murmelbahn den Vorgang in der App nicht als Wissen: Eine Murmel fällt durchs Loch, weil sich die Murmel erstens bewegt und zweitens durchs Loch passt. Da findet kein aktives Abgleichen mit dem passenden Loch statt, es findet kein Abgreifen von Informationen in der Unwelt statt. Es gibt also kein unterscheidendes, verarbeitendes Tun der Murmel als Leistung, sie ruft keine Datenbank ab, um den mit Sensoren erfassten Gegenstand mit den Gegenständen in dieser Datenbank abzugleichen. Das tut aber eine App, sie interagiert mit der Umwelt und verwandelt gegebene Daten um, sie verarbeitet sie, und gibt einen Output. Und auch wir fragen uns: 'Was ist das für ein Gegenstand?' und gleichen es ab mit dem Gegenstand im Lexikon und können sagen: 'Das ist eine Birke!'
Dass wir uns im Kontext von bestehenden Begriffen fragen resp. dass wir diese Frage überhaupt stellen können, das ist eine Frage der Sprachpraxis und unserer sozialen Werdung. Aber ob wir fragen: 'Was ist das?', um den Unterschied zwischen diesem und jenem abzufragen, weil wir soziale Wesen sind, oder ob es eine App abfragt, weil sie so programmiert wurde, das tut der Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um Informationsverarbeitung handelt, keinen Abbruch.
Nun kann man sagen, der App fehle ein eigenes Wissen. Das, was sie tue, tue sie nicht, weil sie etwas weiss, sondern es sei nur unser Wissen, das in sie programmiert ist, das sie abspult. Die App
simuliere ein Wissen.
So wie ein Ara nur so tut, als könne er sprechen, klingt Siri nur so, als würde es sprechen. Zum Sprechenkönnen fehlt Siri das holistisch erzeugte Wissen, das sich durch Lernen in komplexen sozialen Gefügen einstellt. Sprechen ist untrennbar an die Fähigkeit gebunden,
mit jemandem zu sprechen und dies setzt ein 'Mit' voraus, also diesen Jemanden überhaupt als Gegenüber anzuerkennen. Und so, wie Siri aus diesen Gründen nicht zu sprechen weiss, weiss eine App auch überhaupt nichts, sondern sie simuliert nur ein Wissen, indem sie etwas reproduziert, was in sie hineingelegt wurde: ohne einen Kontext zu haben, der konstitutiv ist für die Wissensfähigkeit. Dahin geht Jörns Argument. Ich würde ihm zustimmen, aber nicht die gleichen Konsequenzen ziehen für die Frage, was Wissen überhaupt sei.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 19. Mai 2018, 06:04
wir haben es hier mit sehr vielen wechselwirkenden und ineinander verschachtelten Komplexitäten zu tun, die man nicht nach der simplen Logik eines Ein- Ausschalters verstehen kann.
Ich sage, dass Wissen, in den basalsten Grundzügen, Informationen verarbeitendes Tun ist. Man kann mit dieser Definition einverstanden sein oder auch nicht, aber es gibt offenbar kein Argument das widerlegen würde, dass Wissen keine Informationsverarbeitung ist. Zwischen einer Ein-/Aus-Information und Wissen gibt es wohl viele ineinander fliessende Bereiche.
Informationsverarbeitung muss nicht zwingend Wissen in diesem komplex holistischen Sinn sein, damit es Wissen sein kann. Informationsverarbeitung ist kein Wissen, das implizit dieses und jenes mitmeint oder sich aus diesem und jenem ergibt. Es ist kein Wissen der ineinander geschachtelten Bedeutungen, sondern es ist ein Wissen, das sich aus dem Ineinander der Verarbeitungsprozesse einstellt. Nun müssen wir eingrenzen, wo denn Informationsverarbeitung ein Wissen zu sein beginnt, denn es gibt kein rein kausales Geschehen auf einer Murmelbahn und ein Wissen von uns Menschen und dazwischen nichts, sondern es gibt graduelle Unterschiede der Komplexität dieses Geschehens, so dass Wissen graduell emergieren kann.
Eine Kugel, die durch ein Loch fällt, weil sie die passenden Abmessungen hat, prozessiert keine Informationen (obwohl es natürlich wahr ist, dass sie in ihrem so und so geformt Sein, eine Art von Information trägt, die mit dem so und so Seins des Lochs wechselwirkt.) Aber es ist kein funktionales, ineinandergeschachteltes, gezieltes Tun der Kugel, sondern ein rein kausales. Eine durch eine App prozessierte Information geschieht aber zielgerichtet durch das Prozessieren bestimmter Informationen durch aktive, gezielte Interaktion mit etwas anderem, zum Beispiel durch Vergleichen eines Gegenstands mit einer Datenbank, mit dem Zweck eines Outputs. Dieses ist nicht einfach die Wirkung zu einer Ursache, wie das Fallen der Kugel durchs Loch die Wirkung der Ursache ist, dass die Kugel kleiner ist als das Loch. Das, was in der App geschiehr, ist ein interagierendes Vorgehen, es ist mehr als ein kausales Geschehen.
Selbstverständlich ist die App kein Agens, sie kann gar nicht wählen, ob sie tut oder nicht tut, insofern kann sie nicht einmal inter'agieren',' aber in der funktionalen Gerichtetheit ihres Tun vollführt sie eine Informationsbearbeitung, die Wissen darstellt, insofern sie Regeln anwendet, die ihr gegeben wurden. Es handelt sich dabei nicht um eine simple Wechselwirkung im Sinne eines Ein-/Aus-Mechanismus, wie bei einem Toaster, sondern um interagierende, in basalem Sinne, komplexe Informationsaggregation. Das Geschehen in einer App gleicht vielmehr dem, was wir Wissen nennen, als das Geschehen in einem Toaster oder auf einer Murmelbahn, ganz einfach wegen des ineinander geschachtelten Prozessierens von Informationen, aus dem mehr entsteht als die Summe der Teile. Es findet sich in einer App weniger ein 'All' und mehr ein 'Gesamt' als in einer Murmelbahn oder in einem Toaster.