Können Apps etwas wissen?

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
Tosa Inu
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Tommy hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 13:31
Das kann aber auch zur Besessenheit werden. Man kann Dinge auch zerreden (oder zerdenken?) und darüber entscheidungs- und handlungsunfähig werden.
Klar, aber wieso sollte mehr Wissen zwingend zur Handlungsunfägigkeit führen?
Tommy hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 13:31
Was wissen wir - deiner Meinung nach - eigentlich überhaupt?
Nichts, oder?
Doch, natürlich.
Das man existiert ist eine unbezweifelbare Wahrheit. Danach beginnt bereits das Reich der Spekulation, aber darüber, wie konsistent man argumentiert kann man viel ableiten.
Tommy hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 13:31
Ach, keine Ahnung. So wichtig ist mir das Thema ehrlich gesagt auch nicht.
Ich bin mit meinem "Begriff" von Wissen bisher eigentlich ganz gut durchs Leben gekommen.
Es ist zwar interessant zu erfahren welche Probleme es dabei gibt, aber im Alltag tangiert mich das alles nicht wirklich.
Geht mir auch so. Aber Philosophie ist eben nicht immer Alltag und zu einem hohen Prozentsatz vermutlich Neigung.
Tommy hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 13:31
Viel Spaß beim Ackern. Ich bin morgen im Urlaub für eine Woche. Strand und Meer sind dann mein Thema.
Schönen Urlaub, ich bin nächste Woche damit dran, zwar nur kurz, aber immerhin.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 17. Mai 2018, 19:16
Daher können die Ouputs der Apps auch in unsere Begründungen eingehen ("ich hab das gegoogelt", "bei Wikipedia nachgeschaut" oder dergleichen mehr) aber selbst Begründungen geben können sie natürlich nicht, da sie von den Verpflichtungen, die sie eingehen, wenn das Display blinkt, gar nichts wissen.
Wenn man das mit den Begründungspraktiken ernst nimmt, stellt sich allerdings die Frage, ich ein Verweis auf Google oder Wiki tatsächlich als Begründung von Wissen taugt.

Für Tommy war ja gerade im Lexikon zu blättern der Paradefall des Nichtwissens. Es passt für mich nicht zusammen, etwas als Nichtwissen zu deklarieren, sich im Kern der Begründungspraxis aber auf genau diese Nichtwissenspraxis zu berufen.



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Jörn Budesheim
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Fr 18. Mai 2018, 08:47

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 07:02
Wenn man das mit den Begründungspraktiken ernst nimmt, stellt sich allerdings die Frage, ich ein Verweis auf Google oder Wiki tatsächlich als Begründung von Wissen taugt.
Begründungspraktiken bestehen einfach darin, dass überhaupt begründet wird und begründet werden kann. Auch missglückte Begründungen sind immerhin noch eins: Begründungen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 07:02
Für Tommy war ja gerade im Lexikon zu blättern der Paradefall des Nichtwissens. Es passt für mich nicht zusammen, etwas als Nichtwissen zu deklarieren, sich im Kern der Begründungspraxis aber auf genau diese Nichtwissenspraxis zu berufen.
Ich hab jetzt das entsprechende Zitat von Tommy nicht rausgesucht. Ich vermute, dass er nur meint, dass das Lexikon nichts weiß, auch wenn wir es zur Externalisierung unseres Wissens nutzen können.




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Es ist aber so.

Wenn ich eine Baum App habe, die zuverlässig Bäume erkennt, dann kann man sie auch noch so programmieren, dass sie auf die Frage: "Woher weißt du das?", korrekt antwortet: "Das weiß ich von xxx, der/die hat mich programmiert." Die Kritik wäre, dass die App zwar auch hier wahrheitsgemäß und richtig antwortet, aber wiederum nicht weiß, was sie da tut. Sie imitiert ein Sprachspiel.

Wenn wir auf die Frage: "Woher weißt du das?" antworten, dass wir das bei wiki gelesen haben, dann wissen wir zwar um die Bedeutung unserer Aussage, wir könnten noch mehr zu wiki, unseren Motiven der Suche etc, erzählen, aber der Kern dessen, was wir nun jenseits unseres Wissens um unser Festlelegtsein auf die wiki Eingabe inhaltich wissen, z.B. wie alt Hammerhaie gewöhnlich werden, entspricht einfach dem, was Tommy als Nichtwissen deklariert hat. Wir nehmen etwas auf und geben es weiter, es passt wie das X ins X-Loch.



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Fr 18. Mai 2018, 11:09

Weder erkennt die App etwas, noch kann sie überhaupt antworten.

Ich weiß nicht genau, welche Bedingungen alle erfüllt sein müssen, damit etwas eine Antwort sein kann. Aber: Diejenige, die antwortet, muss sich zumindestens aufs Sprechen verstehen. Sie muss erkennen, dass sie ihrem Gegenüber gegebenenfalls Antwort sogar schuldet. Sie muss ihr Gegenüber überhaupt erstmal als Gegenüber verstehen/erkennen, das geht sicherlich nicht voraussetzungslos.

In so etwas scheinbar einfaches wie eine Antwort geben, wirkt bereits die Frage hinein, was wir uns gegenseitig schulden. Denn an der falschen Stelle eine Antwort zu verweigern, kann bereits eine Forme der Respektlosigkeit sein. All diese Fähigkeiten, die du der App umstandslos zurechnest, sind immer mit anderen Fähigkeiten verknüpft, die sie sicherlich ebensowenig hat und nicht mal simulieren kann.

In der Regel braucht man nur wenige Sekunden, um zu erkennen dass solche Dinger sich auf nichts von dem verstehen, auf dass sie sich verstehen müssten, damit man auch nur auf den Gedanken kommen kann, ihnen diese personalen/rationalen Eigenschaften zuzuschreiben.

In der Tierforschung wird immer sehr ausführlich vor Anthropomorphismus gewarnt, und genau so sollte man es beim Betrachten von Computern oder sonstigen Maschinen auch halten.




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Fr 18. Mai 2018, 12:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 11:09
Weder erkennt die App etwas, noch kann sie überhaupt antworten.

Ich weiß nicht genau, welche Bedingungen alle erfüllt sein müssen, damit etwas eine Antwort sein kann. Aber: Diejenige, die antwortet, muss sich zumindestens aufs Sprechen verstehen. Sie muss erkennen, dass sie ihrem Gegenüber gegebenenfalls Antwort sogar schuldet. Sie muss ihr Gegenüber überhaupt erstmal als Gegenüber verstehen/erkennen, das geht sicherlich nicht voraussetzungslos.
Das ist dann aber gleich wieder überfrachtet und das Problem, wo Wissen beginnt ist damit nun nicht gelöst.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 11:09
In so etwas scheinbar einfaches wie eine Antwort geben, wirkt bereits die Frage hinein, was wir uns gegenseitig schulden. Denn an der falschen Stelle eine Antwort zu verweigern, kann bereits eine Forme der Respektlosigkeit sein. All diese Fähigkeiten, die du der App umstandslos zurechnest, sind immer mit anderen Fähigkeiten verknüpft, die sie sicherlich ebensowenig hat und nicht mal simulieren kann.

In der Regel braucht man nur wenige Sekunden, um zu erkennen dass solche Dinger sich auf nichts von dem verstehen, auf dass sie sich verstehen müssten, damit man auch nur auf den Gedanken kommen kann, ihnen diese personalen/rationalen Eigenschaften zuzuschreiben.
Dass das Verstehen eine der Grenzen ist, wurde ja nie bezweifelt.
Nur fällt als inferentielle Konsequenz dann eben das implizite Wissen raus und man kann nun konsisterweise sagen, dies sei auch kein Wissen oder sagen, es sei doch Wissen, dann ist aber Diskurstauglichkeit gerade nicht die Antwort, an der man festhalten kann, erneut aus rein logischen Gründen.



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Fr 18. Mai 2018, 12:48

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 12:28
Nur fällt als inferentielle Konsequenz dann eben das implizite Wissen raus
Warum ich finde, dass das nicht ohne weiteres stimmt, habe ich ja begründet. Bis Gegengründe kommen, die mich überzeugen, bleibe ich bei der Ansicht :-)




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Fr 18. Mai 2018, 12:50

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 12:28
Das ist dann aber gleich wieder überfrachtet und das Problem, wo Wissen beginnt ist damit nun nicht gelöst.
Ich hab argumentiert, dass die App nicht mal antwortet. Wie verhält sich diese Bemerkung dazu? Ich erkenne den Zusammenhang leider nicht.




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Fr 18. Mai 2018, 12:52

Wie kann man sich auf implzites Wissen berufen und das als Begründung ansehen?
Ich kann mir das im Metarahmen vorstellen, indem man sagt, man habe sich auf die eigene Intuition stets verlassen können.
Das ist m.E. durchaus ein guter Grund, aber damit wir der Rekurs auf implizites Wissen legitimiert, nicht das implizite Wissen selbst.



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Fr 18. Mai 2018, 12:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 12:50
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 12:28
Das ist dann aber gleich wieder überfrachtet und das Problem, wo Wissen beginnt ist damit nun nicht gelöst.
Ich hab argumentiert, dass die App nicht mal antwortet. Wie verhält sich diese Bemerkung dazu? Ich erkenne den Zusammenhang leider nicht.
In einem gewissen Sinne 'antwortet', in dem sie tut, was sie tut und Bäume erkennt.
Dass sie nicht versteht was sie tut, ja.
Aber ihr nichtverstehendes Tun, ihre VURDs sind analog dem, was der Operateur macht, der einfach seinen Bauchgefühl traut und in diesem speziellen Punkt, dort wo er auf seine Intuition vertraut, auch nicht anders agiert, als eine App. In ihm läuft irgendein Programm ab, das erfolgreich ist, warum, weiß er nicht genau zu sagen, seine Legitimation könnte sein, dass er erfahren ist und die Intution ihn selten um Stich ließ.



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Sa 19. Mai 2018, 06:04

Tommy hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 00:18
Mensch und Maschine sind nicht gleich. Sie sind sich auch nicht mal ähnlich. Sie sind etwas Grundverschiedenes.
Yepp. Zum Beispiel sind Maschinen ein "All" und der Menschen als Individuum, Organismus und soziales Wesen ist ein "Gesamt", welches in diverse weitere Gesamtheiten eingebettet ist und nur aus diesen Zusammenhängen heraus zu verstehen ist.

Ein "All" ist verstehbar mit Blick auf seine Elemente. Für ein Gesamt gilt das nicht. Denn (nicht nur) nach Aristoteles, Hegel und John Mill gilt bis heute: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Teilen führen dabei zu neuen, emergenten Eigenschaften, welche die Teile selbst nicht besitzen. Diese höherstufigen Eigenschaften werden ihrerseits wirksam. Darüber hinaus sind wir als Personen Teil eines mindestens ebenso komplexen sozialen Zusammenhangs, ohne den wir unsere einzigartige Individualität gar nicht entwickeln und verstehen könnten. Das gilt natürlich auch für den "Körper des Wissens" jedes Einzelnen.

Das heißt, wir haben es hier mit sehr vielen wechselwirkenden und ineinander verschachtelten Komplexitäten zu tun, die man nicht nach der simplen Logik eines Ein- Ausschalters verstehen kann. (Vergleiche dazu zum Beispiel: Sandra Mitchell, "Komplexitäten. Warum wir erst jetzt anfangen, die Welt langsam zu verstehen., edition unseld" Das wäre auch mal ein lohnender Thread.)

Allein schon der Fokus auf einzelne Aussagen, wie "das ist eine Tanne" ist dazu geeigenet, die ungeheure Komplexität der Fragestellung zu verdecken, wie ich weiter oben bereits skizzenhaft geltend gemacht habe. Meines Erachtens ist das auch der Hauptmangel der klassischen Defintion sowie Gettiers Kritik daran.




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Sa 19. Mai 2018, 08:58

Tommy hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 00:18
Ich verstehe diese Analogie nicht.
Ich merk's.
Tommy hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 00:18
Wie kann ein Computerprogramm "Intuition" haben, wie ein "Bauchgefühl"?
Gar nicht, darum geht's auch nicht, wie schon hinlängilich und breit ausgeführt.

Aber ob Mensch, Affe, Katze, Hamster, Biene, Baum, Roboter oder App.
Wer nicht weiß, warum er tut, was was tut, weiß es eben nicht. Ob er zu seinem Nichtwissen (was das implizite Wissen dann wäre), wenn es denn eines ist ein dickes Buch schreibt, es aufwendig begründet, oder "weiß ich doch nicht" sagt, zufrieden grunzt oder schlicht gar keinen Kommetat dazu abgibt, weil er diesbezüglich nichts versteht, ist irrelevant.



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Sa 19. Mai 2018, 09:52

Wen soll ich bei der Fragestellung denn sonst vergleichen? Kellerasseln und Mineralwasser?
Es gibt ein Wesen, von dem wir sicher wissen, dass es weiß, der Mensch.
Und die Frage ist nun, ob Apps etwas wissen können, das sind zwar nun mal kleine Programme.



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Sa 19. Mai 2018, 10:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 08:47
Begründungspraktiken bestehen einfach darin, dass überhaupt begründet wird und begründet werden kann. Auch missglückte Begründungen sind immerhin noch eins: Begründungen.
Klar, aber missglückte Begründungspraktiken zeigen, dass jemand den Versuch unternimmt, zu begründen. Misslingt was, wurde er nicht verstanden oder das, was er sagte, ist falsch. Falsches zu äußern oder falsch zu begründen ist aber gerade kein Wissen.

Zudem ist das Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen nun eine der letzten gebliebenen Defnitionen des Menschseins, eine der (beiden) letzten Grenzen, durch die wir uns von allen anderen unterscheiden. Das kann man schlecht als Vergleich dafür nehmen, was das vermeintliche Wissen einer App betrifft, das kann sie nicht leisten können. Das wäre nur dann nur eine Pseudofrage, die qua Definition längst beantwortet ist.

Mir ist nicht klar, warum Du den Unterschied zwischen Inhalt des Wissens und seiner Begründung nicht erkennst, nehme das aber mal so hin.
Mit der Begründung ist es nämlich so, dass man sich fragen kann, wo sie denn abbricht. Was muss ich noch bergünden können, was nicht mehr? Ich kann wissen, dass ich bestimte Farben, Geschmäcker, lieber mag und andere nicht, aber in den wenigsten Fällen werde ich erklären können, warum das so ist.
Um frei zu entscheiden, muss ich einfach wissen, dass ich lieber Nudeln als Kartoffeln esse, warum das so ist, wird kaum jemand sagen können.

Dazu kommt, dass wir selbst da wo wir begründen und zu wissen glauben, oft falsch begründen, wir wissen es also gerade nicht. In eindrucksvoller Weise hat Freud das erfahren, der über das Skurrile der Hypnoseexperimente, denen der beiwohnte hinaus blickte und dem schlagartig klar wurde, dass das sture Ausführen eines posthypnotischen Befehls, also etwas, was man zuvor in Hypnose vor vielen Zeugen einprogrammiert bekam, mit größter Sicherheit, als 1. eigene Willensleistung erklärt und 2. auch noch rational plausibel begründet wurde. Wie gesagt, Freuds Genie bestand u.a. darin zu erkennen, dass das nicht nur unser Verhalten in Extremsituationen ist, sondern unser Verhalten im Alltag. Das Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen wurde schon von Freud entdeckt, er nannte das ganze Rationalisierung. Wir behaupten zu wissen, tun das aber in vielen Fällen nicht einmal (oder gerade) dann (nicht), wenn es um unsere ureigenen Motive geht.

Psychologie, Philosophie und Neurowissenschaften arbeiten sich bis heute daran ab.



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Sa 19. Mai 2018, 12:25

Treten wir noch mal einen Schritt zurück und fragen, welches Problem die Forderung nach der Begründung des Wissens lösen sollte: Jemand mag zwar eine Ansicht haben, die sogar das Privileg besitzt, wahr zu sein, aber das bedeutet noch nicht automatisch, dass wir von einem Wissen sprechen können. Wer einfach rät, wie die Lottozahlen lauten, hat auch dann kein Wissen, wenn er richtig liegt. Wer nur zufällig richtig liegt, hat kein Wissen. Diese und ähnliche Fälle sollten in der Definition ausgeschlossen werden. Nun gehört implizites Wissen aber nicht zu den Fällen der geratenen oder ganz zufälligen wahren Ansichten. Es bietet sich daher nicht an, sie damit in einen Topf zu werfen.

Nehmen wir ein weiteres Problem, das vielleicht sogar noch gravierender ist. Wie steht es nämlich um die logischen Formen? Wie wollten wir sie begründen, ohne sie nicht schon voraus zu setzen? Unsere logischen Intuitionen lassen sich nicht ohne weiteres begründen. Dieses intuitive Wissen ist ein »nicht-inferenzielles Wissen. "Nicht-inferenziell" heißt: Wir leiten unsere Urteile nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt. Wir können also aus prinzpiellen Gründen, implizites und intuitives Wissen nicht per se aus dem Bereich des Wissens ausschließen, da wir sonst überhaupt kein Wissen hätten, denn an diesen Grundformen hängen auch viele andere Formen.

Vielleicht können wir hier sogar die Richtung umkehren: Nichts und niemand, dass nicht über diese Grundfertigkeiten zumindest in einem gewissen Ausmaß verfügt, kann jemals etwas wissen.

Die Forderung nach Begründungen bewegt sich also immer schon in diesem Rahmen, denke ich. Wobei meines Erachtens wichtig ist, zu sehen, dass die Fähigkeit etwas zu begründen keineswegs einheitlich sein kann oder muss: Je nach Wissensbereich können ganz und gar erschiedene Fertigkeiten gefragt sein.




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Sa 19. Mai 2018, 12:52

Nun ist natürlich nicht jedes intuitive oder implizite Wissen dieser Art. Oft sind Intuitionen ja erst das Ergebnis von ausführlichen Lernprozessen und nicht deren Voraussetzung. So ist es zum Beispiel beim Schachspieln so, dass man dann, wenn man bereits größere Fähigkeiten erworben hat und auf Erafhrungen zurück blickt, mit den Intuitionen oft sogar besser fährt, als mit Überlegungen und Begründungen. Dennoch haben wir es natürlich auch hier nicht einfach mit geratenem oder zufälligem Wissen zu tun, die Intuitionen gründen sozusagen auf dem anderen Wissen und sind in dieser Weise be-/gegründet.




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Sa 19. Mai 2018, 13:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Treten wir noch mal einen Schritt zurück und fragen, welches Problem die Forderung nach der Begründung des Wissens lösen sollte: Jemand mag zwar eine Ansicht haben, die sogar das Privileg besitzt, wahr zu sein, aber das bedeutet noch nicht automatisch, dass wir von einem Wissen sprechen können. Wer einfach rät, wie die Lottozahlen lauten, hat auch dann kein Wissen, wenn er richtig liegt. Wer nur zufällig richtig liegt, hat kein Wissen. Diese und ähnliche Fälle sollten in der Definition ausgeschlossen werden.
Ja.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Nun gehört implizites Wissen aber nicht zu den Fällen der geratenen oder ganz zufälligen wahren Ansichten. Es bietet sich daher nicht an, sie damit in einen Topf zu werfen.
Implizites Wissen ist in der Weise mehr als Raten, weil es ja zumeist auf Erfahrungen rekurriert. Aber zum implizites Wissen gehört eben per def, dass man gerade nicht sagen kann, warum man tut oder weiß, was man irgendwie zu wissen glaubt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Nehmen wir ein weiteres Problem, das vielleicht sogar noch gravierender ist. Wie steht es nämlich um die logischen Formen? Wie wollten wir sie begründen, ohne sie nicht schon voraus zu setzen? Unsere logischen Intuitionen lassen sich nicht ohne weiteres begründen. Dieses intuitive Wissen ist ein »nicht-inferenzielles Wissen. "Nicht-inferenziell" heißt: Wir leiten unsere Urteile nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt. Wir können also aus prinzpiellen Gründen, implizites und intuitives Wissen nicht per se aus dem Bereich des Wissens ausschließen, da wir sonst überhaupt kein Wissen hätten, denn an diesen Grundformen hängen auch viele andere Formen.
M.E. stimmt das nicht, da wir sowohl bei der Erstbesteigung ais auch bei dem, was wir als Sprachpraxis und normative Richtigkeiten von anderen übernehmen induktiv viorgehen, aus Erlebtem allegmeien Gesetze ableiten und deren Gültigkeit an der Lebenswirklichkeit erproben.
Das hatten wir schon im Psychologismus Thread. Husserls und Freges Position einer platonischen Welt der Logik ist heute obsolet und darf aus gutem Grund bezweifelt werden. Der stärkste: Wie dringt die Logik, wenn ontologisch von uns getrennt zu uns durch?
Die Erklärung, dass wir Alltagserfshrungen auch in logischen Fragen abstrahieren, ist weit unproblematischer.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Vielleicht können wir hier sogar die Richtung umkehren: Nichts und niemand, dass nicht über diese Grundfertigkeiten zumindest in einem gewissen Ausmaß verfügt, kann jemals etwas wissen.
Das ist wieder eine ausdrücklich exklusive Definition.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Die Forderung nach Begründungen bewegt sich also immer schon in diesem Rahmen, denke ich. Wobei meines Erachtens wichtig ist, zu sehen, dass die Fähigkeit etwas zu begründen hochgradig keineswegs einheitlich sein kann. Je nach Wissensbereich können ganz erschiedene Fertigkeiten gefragt sein.
Was muss ich denn nun, von der App mal ganz abgesehen, als Mensch wissen oder können, damit Du mir zuschreiben würdest, dass ich über den Sachverhalt x etwas weiß?



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:52
Dennoch haben wir es natürlich auch hier nicht einfach mit geratenem oder zufälligem Wissen zu tun, die Intuitionen gründen sozusagen auf dem anderen Wissen und sind in dieser Weise be-/gegründet.
Ja, ich stimme dem durchaus zu und schätze obendrein den Wert der Intuitionen.
Nur machst Du mit einer solchen Formulierung aus einer Begründung einen Papiertiger. Eine Begründung, die ich eben nicht explizit geben kann, sondern bei der ich herumdrucksen muss, ist keine. Man kann mit Dennis Scheck sagen: "Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue.", aber bei flechtlicht hat Dich das nicht hinreichend überzeugt.



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So 20. Mai 2018, 14:21

Tommy hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 20:49
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 09:52
Wen soll ich bei der Fragestellung denn sonst vergleichen? Kellerasseln und Mineralwasser?
Natürlich nicht. Aber Du schreibst ja über Intuition, über "Bauchgefühle".
Was hat das mit Maschinen zu tun?
Nichts.
Intuitionen haben nichts mit Maschinen zu tun, und 'Bauchgefühle' erst recht nicht, nicht zuletzt ist das dem Unstand geschuldet, dass Maschinen keinen Bauch haben.

Aber auch Maschinen erkennen etwas aufgrund von etwas, und selbst, wenn sie dieses Erkennen nicht holistisch bewerkstelligen, z.B. weil sie die Erkenntnis nicht aus einem ineinander geschachtelten Bedeutungsnetzwerk ziehen, so haben sie doch einfach einen simplen Unterschied durch Abgleich festgestellt. Und nichts anderes tun wir, wenn wir den Unterschied zwischen einer Eiche und einer Birke feststellen. Wir nehmen den Unterschied wahr und wissen, a ist ungleich b.

Das obige Argument mit dem Durchblättern eines Lexikons hinkt. Auch ein Lexikon weiss nichts, stimmt, denn in ihn ist bloss ein Wissen programmiert. Wer weiss, sei der, der aus dem Lexikon ein Wissen zieht resp. der, der seine Informationen aktiv abgreifen und auswerten kann. Das Lexikon tut dies nicht, also weiss es nichts. Und, da die App auch einfach nur externalisiertes Wissen sei, wisse sie nichts, so das Scheinargument. Aber die App tut eben genau das, was wir tun und nicht das, was das Lexikon nicht tut: Sie zieht Wissen aus einer Datenbank und interagiert abgleichend mit der Umwelt. Lexikon und App sind deshalb nicht zu vergleichen. Ein Vergleich ist als Argument unzulässig.

Und deshalb disqualifiziert auch das vergleichende Beispiel mit der Murmelbahn den Vorgang in der App nicht als Wissen: Eine Murmel fällt durchs Loch, weil sich die Murmel erstens bewegt und zweitens durchs Loch passt. Da findet kein aktives Abgleichen mit dem passenden Loch statt, es findet kein Abgreifen von Informationen in der Unwelt statt. Es gibt also kein unterscheidendes, verarbeitendes Tun der Murmel als Leistung, sie ruft keine Datenbank ab, um den mit Sensoren erfassten Gegenstand mit den Gegenständen in dieser Datenbank abzugleichen. Das tut aber eine App, sie interagiert mit der Umwelt und verwandelt gegebene Daten um, sie verarbeitet sie, und gibt einen Output. Und auch wir fragen uns: 'Was ist das für ein Gegenstand?' und gleichen es ab mit dem Gegenstand im Lexikon und können sagen: 'Das ist eine Birke!'

Dass wir uns im Kontext von bestehenden Begriffen fragen resp. dass wir diese Frage überhaupt stellen können, das ist eine Frage der Sprachpraxis und unserer sozialen Werdung. Aber ob wir fragen: 'Was ist das?', um den Unterschied zwischen diesem und jenem abzufragen, weil wir soziale Wesen sind, oder ob es eine App abfragt, weil sie so programmiert wurde, das tut der Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um Informationsverarbeitung handelt, keinen Abbruch.

Nun kann man sagen, der App fehle ein eigenes Wissen. Das, was sie tue, tue sie nicht, weil sie etwas weiss, sondern es sei nur unser Wissen, das in sie programmiert ist, das sie abspult. Die App simuliere ein Wissen.
So wie ein Ara nur so tut, als könne er sprechen, klingt Siri nur so, als würde es sprechen. Zum Sprechenkönnen fehlt Siri das holistisch erzeugte Wissen, das sich durch Lernen in komplexen sozialen Gefügen einstellt. Sprechen ist untrennbar an die Fähigkeit gebunden, mit jemandem zu sprechen und dies setzt ein 'Mit' voraus, also diesen Jemanden überhaupt als Gegenüber anzuerkennen. Und so, wie Siri aus diesen Gründen nicht zu sprechen weiss, weiss eine App auch überhaupt nichts, sondern sie simuliert nur ein Wissen, indem sie etwas reproduziert, was in sie hineingelegt wurde: ohne einen Kontext zu haben, der konstitutiv ist für die Wissensfähigkeit. Dahin geht Jörns Argument. Ich würde ihm zustimmen, aber nicht die gleichen Konsequenzen ziehen für die Frage, was Wissen überhaupt sei.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 06:04
wir haben es hier mit sehr vielen wechselwirkenden und ineinander verschachtelten Komplexitäten zu tun, die man nicht nach der simplen Logik eines Ein- Ausschalters verstehen kann.
Ich sage, dass Wissen, in den basalsten Grundzügen, Informationen verarbeitendes Tun ist. Man kann mit dieser Definition einverstanden sein oder auch nicht, aber es gibt offenbar kein Argument das widerlegen würde, dass Wissen keine Informationsverarbeitung ist. Zwischen einer Ein-/Aus-Information und Wissen gibt es wohl viele ineinander fliessende Bereiche.

Informationsverarbeitung muss nicht zwingend Wissen in diesem komplex holistischen Sinn sein, damit es Wissen sein kann. Informationsverarbeitung ist kein Wissen, das implizit dieses und jenes mitmeint oder sich aus diesem und jenem ergibt. Es ist kein Wissen der ineinander geschachtelten Bedeutungen, sondern es ist ein Wissen, das sich aus dem Ineinander der Verarbeitungsprozesse einstellt. Nun müssen wir eingrenzen, wo denn Informationsverarbeitung ein Wissen zu sein beginnt, denn es gibt kein rein kausales Geschehen auf einer Murmelbahn und ein Wissen von uns Menschen und dazwischen nichts, sondern es gibt graduelle Unterschiede der Komplexität dieses Geschehens, so dass Wissen graduell emergieren kann.

Eine Kugel, die durch ein Loch fällt, weil sie die passenden Abmessungen hat, prozessiert keine Informationen (obwohl es natürlich wahr ist, dass sie in ihrem so und so geformt Sein, eine Art von Information trägt, die mit dem so und so Seins des Lochs wechselwirkt.) Aber es ist kein funktionales, ineinandergeschachteltes, gezieltes Tun der Kugel, sondern ein rein kausales. Eine durch eine App prozessierte Information geschieht aber zielgerichtet durch das Prozessieren bestimmter Informationen durch aktive, gezielte Interaktion mit etwas anderem, zum Beispiel durch Vergleichen eines Gegenstands mit einer Datenbank, mit dem Zweck eines Outputs. Dieses ist nicht einfach die Wirkung zu einer Ursache, wie das Fallen der Kugel durchs Loch die Wirkung der Ursache ist, dass die Kugel kleiner ist als das Loch. Das, was in der App geschiehr, ist ein interagierendes Vorgehen, es ist mehr als ein kausales Geschehen.

Selbstverständlich ist die App kein Agens, sie kann gar nicht wählen, ob sie tut oder nicht tut, insofern kann sie nicht einmal inter'agieren',' aber in der funktionalen Gerichtetheit ihres Tun vollführt sie eine Informationsbearbeitung, die Wissen darstellt, insofern sie Regeln anwendet, die ihr gegeben wurden. Es handelt sich dabei nicht um eine simple Wechselwirkung im Sinne eines Ein-/Aus-Mechanismus, wie bei einem Toaster, sondern um interagierende, in basalem Sinne, komplexe Informationsaggregation. Das Geschehen in einer App gleicht vielmehr dem, was wir Wissen nennen, als das Geschehen in einem Toaster oder auf einer Murmelbahn, ganz einfach wegen des ineinander geschachtelten Prozessierens von Informationen, aus dem mehr entsteht als die Summe der Teile. Es findet sich in einer App weniger ein 'All' und mehr ein 'Gesamt' als in einer Murmelbahn oder in einem Toaster.



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Alethos
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So 20. Mai 2018, 14:43

Ich schlage deshalb, um diesen graduellen Unterschieden zwischen Geschehen, Tun und Handlung resp. zwischen Information, Informationsverarbeitung und Wissen Rechnung zu tragen, den Begriff des simulierten Wissens vor. Wir müssen Begriffe finden, um erklären zu können, wie Wissen in die Welt kommt, und wenn wir es mit holistischem, komplexem
Ineinandergeschachteltsein unseres geistigen Tuns erklären, so müssen wir die Schwelle eingrenzen können, wo reine Information als Wissen zu emergieren beginnt.

Es ist jedenfalls kein Argument, das Geschehen auf einer Murmelbahn mit dem Geschehen in einer App zu vergleichen. Dieses mechanistische Bild wird den komplexen ineinander wirkenden Prozessen in einer App nicht gerecht, aus denen aus dem Funktionieren der Elemente etwas entsteht, das mehr ist als diese Elemente. Gleichzeitig aber scheint es mir auch nicht richtig, dieses Geschehen in der App über einen menschlichen Wissensbegriff zu stülpen und ihn derart zu deformieren, dass er unbrauchbar wird, d.h. ihn so auszudehnen, dass er alles und nichts bedeutet.

Simuliertes Wissen wäre das künstliche Wissen der künstlichen Intelligenz, und es ist nicht mehr als das: Es ist keine Kopie des menschlichen Wissens, und wenn doch, dann eine sehr rudimentäre, an den Wissensbegriff nicht heranreichende Form des informativen Tuns.



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