Gedichte

Das ist die Rubrik für die ewige Wiederkunft des Gleichen: Ohrwürmer, Humor und Anekdoten, Buchempfehlungen etc. Einfach für alles, was gut ist und immer wieder kommt.
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Jörn Budesheim
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Mo 18. Jun 2018, 14:11

Wahre Worte sind nicht schön,
schöne Worte sind nicht wahr.
Tüchtigkeit überredet nicht,
Überredung ist nicht tüchtig.
Der Weise ist nicht gelehrt,
der Gelehrte ist nicht weise.
Der Berufene übt keinen Besitz aus.
Je mehr er für andere tut,
desto mehr besitzt er.
Je mehr er anderen gibt,
desto mehr hat er.
Des Himmels Sinn ist fördern, ohne zu schaden.
Des Berufenen Sinn ist wirken, ohne zu streiten.

Laotse




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Friederike
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Mo 18. Jun 2018, 15:19

Nein, nicht mein Lieblingsgedicht und auch nicht eines meiner Lieblingsgedichte, aber ein sehr Schönes, wie ich finde, ein Liebesgedicht wohl ...

Dieser Abend, Bettina, es ist
Alles beim alten. Immer
Sind wir allein, wenn wir den Königen schreiben
Denen des Herzens und jenen
Des Staats. Und noch
Erschrickt unser Herz
Wenn auf der anderen Seite des Hauses
Ein Wagen zu hören ist.

-Sarah Kirsch-




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Jörn Budesheim
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Mo 18. Jun 2018, 15:56

Aufgrund des Gedichtes hab ich bei Wiki geguckt und gefunden: "Als Erstunterzeichnerin der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wurde sie 1976 aus der SED und dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Im Jahr darauf, 1977, erhielt Sarah Kirsch die Erlaubnis, mit ihrem Sohn nach West-Berlin zu übersiedeln."

Al sich noch ein sehr junger Mann war, war ich in zwei Lyrikvereinen, weil ich Gedichte geschrieben habe (bitte nicht weiter erzählen). Einer dieser Vereine hat mal eine sehr schöne Aktion gemacht. Er hat viele mehr oder weniger bekannte Dichter/innen angeschrieben und sie um ihr letztes Gedicht gebeten. Die Gedichte wurde auf Plakate gedruckt und in der ganzen Stadt verteilt. Sarah Kirsch war auch dabei! Ein Gedicht an das Meer über einen Urlaub und eine Postkarte. Die letzte Zeile ging ungefähr so: "... auf der Rückseite schreist du" (Wobei "du" das Meer ist, wenn ich mich recht entsinne. Das muss so ungefähr um 1977 gewesen sein ...




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Jul 2018, 19:36

Personen:
1. Person
2. Person
3. Person
4. Person
Vier Personen treten eilig auf. Eine spricht im Aufgehen:

1. Person:
so
hilde
und so

hilde
so
und so

so
und so
hilde

und so
hilde
so

1. und 2. Person:
die tassen

1. Person:
bette stellen sie die tassen auf den tesch

2. Person:
perdon

1. Person:
stellen sie die tassen auf den tesch

2. Person:
perdon

1. Person:
die tassen auf den tesch

2. Person:
perdon

1. Person:
auf den tesch

2. Person:
perdon

1. Person:
nöhmen
nöhmen
nöhmen sö söch
nöhmen sö söch eune
nöhmen sö söch eune tass
eune tass

2. Person:
donke
donke

1. Person:
eun stöck zöcker
zweu stöck zöcker
dreu stöck zöcker

2. Person:
donke
zörka zweu stöck
zöcker

1. Person:
follen
follen
hünuntergefollen
auf dön töppüch

2. Person:
neun
nur dör hönker üst wög

1. Person:
pördon

2. Person:
bötte bötte

3. Person:
babba
babba
toobaba
toobaba
tohuubaba
tohuubaba
tohuwaababa
tohuwaababa
tohuwaboobaba
tohuwaboobaba
tohuwabohuubaba
tohuwabohuubaba
tohuwaboobaba
tohuwaababa
tohuubaba
toobaba
babba

Ernst Jandl


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Jörn Budesheim
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Do 16. Aug 2018, 06:29

Bertolt Brecht: Der Radwechsel

Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gerne, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gerne, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?




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Stefanie
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Mi 19. Dez 2018, 21:46

Auch eine Art Gedicht:
1. Korinther 13 Hohelied der Liebe
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Luther Bibel



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Friederike
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Do 20. Dez 2018, 09:21

Eine meiner Lieblingsstellen.

(Wozu mir einfällt, daß eine mittelalterliche Gefühlstheorie die Liebe dem Willen zuordnet (Liebe ist Wille) und nicht den Affekten. "Gefühlstheorie" stimmt insofern nicht, weil die Instanzen andere als die modernen sind).




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 07:20

Da ich ein Knabe war...

Da ich ein Knabe war,
Rettet' ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.

Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!

O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Daß ihr wüßtet,
Wie euch meine Seele geliebt!

Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Aethers,
Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt ich
Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.

(Hölderlin)




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 07:26

Gestern Abend war ich auf einer wunderbaren, sehr erstaunlichen Veranstaltung. Drei MusikerInnen namen die Wünsche des Publikums, bestimmte Gedichte spontan in Gesang und Musik zu "übersetzen", entgegen.

Einige Gäste hatten sogar eigene, also selbstgeschriebene Gedichte mitgebracht. Sie trugen ihr Gedicht vor, dann überreichen sie es den drei MusikerInnen, die lasen das Gedicht noch einmal laut (und sehr schon) vor, gingen dann für vielleicht ein oder zwei Minuten in sich, bis sich dann langsam ein Musikstück daraus entwickelte. Das war sehr beeindruckend. Insbesondere schön war, wie aus den tastenden, zumeist erst recht leisen drei (noch einzelnen) Stimmen sukzessive ein gemeinsames Stück entstand.

Einer der Gäste hatte sich das Gedicht oben von Hölderlin gewünscht.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 07:38

Da ich gar nicht wusste, was mich bei der Veranstaltung erwartete, hatte ich leider kein Gedicht mitgebracht. Glücklicherweise hatten die Veranstalter vorgesorgt, es lagen eine Reihe von Gedichtenbänden aus. Ich habe mir ein Gedicht von Ringelnatz ausgesucht, dass ich gefühlt schon immer kenne und liebe :)




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 07:39

Überall


Überall ist Wunderland.

Überall ist Leben.

Bei meiner Tante im Strumpfenband

Wie irgendwo daneben.



Überall ist Dunkelheit.

Kinder werden Väter.

Fünf Minuten später

Stirbt sich was für einige Zeit.

Überall ist Ewigkeit.



Wenn du einen Schneck behauchst,

Schrumpft er ins Gehäuse.

Wenn du ihn in Kognak tauchst,

Sieht er weiße Mäuse.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 07:40

Der einzige Wermutstropfen: Die Veranstaltung war recht mager besucht. Inklusive der MusikerInnen waren wir nur acht Leute :(




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 09:10

Hier noch die Namen der KünstlerInnen: Kai Dumeier (Gitarre, Gesang), Martina Schäfer (Flöten, Perc., Gesang) und Heike Bollhorst (Stimme, Perc)




szimmer
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Sa 16. Mär 2019, 10:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Mär 2019, 07:40
Der einzige Wermutstropfen: Die Veranstaltung war recht mager besucht. Inklusive der MusikerInnen waren wir nur acht Leute :(
...das nennt man dann "per.so(e)n.lich+e Not.en" 😉

"Persona (von lat. personare = hindurchtönen) steht für:
Persona, die soziale Rolle in der Psychoanalyse und Psychologie..."
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Persona ... C3%A4rung)



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 11:57

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Ich habe dazu vor längerem mal eine Zeichnung gemacht. Soweit ich mich entsinne, habe ich aber mal gelesen, dass diese Herleitung des Begriffs mittlerweile in Frage gestellt ist.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 14:47

Ich kenne die Geschichte des Begriffs Person (relativ frei interpretiert) folgendermaßen. Der Ursprung ist die Maske im Theaterspiel. Diese Maske war so gebaut, dass die Stimme besonders gut hervortreten konnte. Etwas um die Ecke gedacht war sie so etwas wie ein Sonar. Eine Person ist demnach jemand, der in der Öffentlichkeit eine Rolle übernehmen und die Stimme freu erheben kann. Das ist frei wiedergegeben, basiert aber auf einer gängigen Erzählung. Aber ich meine auch, mal gelesen zu haben, dass das nicht mehr der letzte Stand der Forschung ist. Das macht aber nichts, die Geschichte ist auch so schön.




szimmer
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Sa 16. Mär 2019, 16:23

Klingt zumindest gut und plausibel....sozusagen ge"lungen"... 😙

Ich hatte den Begriff bislang auch eher auf etwas Eigen.tliches hinter der Maske des öffentlichen Auftretens bzw. Erscheinens oder Aufklingens bezogen. Seinen Atem oder den Anderer nimmt man ja doch eher bei Angenähertem d.h. näherem Hinhören wahr....

Wenn mich jemand zu einem persönlichen Gespräch einlädz stelle ich mir zumindest ein vertrauensvolles Treffen unter 4 Augen vor...Ich und Du sozusagen...und keine Gesellschaft drum herum...

»Persönlichkeit ist, was übrigbleibt, wenn man Ämter, Orden und Titel von einer Person abzieht.«
Wolfgang Herbst



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Sa 16. Mär 2019, 16:47

Ich habe daraus mal einen Thread gemacht > https://www.dialogos-philosophie.de/viewtopic.php?t=620




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Friederike
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So 17. Mär 2019, 12:45

szimmer hat geschrieben :
Sa 16. Mär 2019, 10:34
... das nennt man dann "per.so(e)n.lich+e Not.en" 😉
Deine kunstvolle ... oder nur unvertraute? Schreib-Art irritiert mich ... angenehm. Bild Die Lesarten werden vielfältiger. Über die 3 Pünktchen [...], die Du schätzt, bin ich bisher kaum hinausgekommen.




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Jörn Budesheim
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Do 4. Apr 2019, 18:31

Sich interessant machen

(für einen großen Backfisch)

Du kannst doch schweigen? Du bist doch kein Kind
Mehr! - Die Lederbände im Bücherspind
Haben, wenn du die umgeschlagenen Deckel hältst,
Hinten eine kleine Höhlung im Rücken.
Dort hinein mußt du weichen Käse drücken.
Außerdem kannst du Käsepfropfen
Tief zwischen die Sofapolster stopfen:

Lasse ruhig eine Woche verstreichen.
Dann mußt du immer traurig herumschleichen.
Bis die Eltern nach der Ursache fragen.
Dann tu erst, als wolltest du ausweichen,
Und zuletzt mußt du so stammeln und sagen:
"Ich weiß nicht, - ich rieche überall Leichen - ."

Deine Eltern werden furchtbar erschrecken
Und überall rumschnüffeln nach Leichengestank,
Und dich mit Schokolade ins Bett stecken.
Und zum Arzt sage dann: "Ich bin seelenkrank."

Nur laß dich ja nicht zum Lachen verleiten.
Deine Eltern - wie die Eltern so sind -
Werden bald überall verbreiten:
Du wärst so ein merkwürdiges, interessantes Kind.

Joachim Ringelnatz




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