Wer, wie, was ist "ich"?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Tosa Inu
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Di 19. Jun 2018, 11:17

@ Jörn:

Das sind die Fragen, die mich tatsächlich interessieren und die glaube ich das Thema weiterbringen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 09:42
Weil eben die Frage, was [statt dass - korrigert, T.I.], wenn wir von einer anderen Welt (oder ontologischen Ebene) reden, diese denn nun sein soll und viel mehr, wie wir aus dieser denn Informationen bekommen, keine ist, die gerade der Philosoph vernachlässigen darf. Das ist der Bereich, den Du am ehesten erklären müsstest, oder eben, was die Rede von der Nichtdinnghaftigkeit des Ich nun bedeuten soll. Wie ist denn für Dich das Verhältnis vom Ich zum Gehirn?
Wenn das Ich mit dem Hirn nichts zu tun hat, wie kommt es dann das Medikamente, Drogen, Tumore und Drogen unser Denken, Fühlen, unsere Wahrnehmung und Körperbeherrschung bis zum Körperbild verändern können? Und zwar so spezifisch, dass es klare Korrelationen zwischen Durchblutungsstörungen und körperlichen, emotionalen, motivationalen und kognitiven Ausfällen gibt, wie Du auf jeder beliebigen Schlaganfall Station im Krankenhaus beobachten kannst.
Wenn man sagt, das Hirn sei notwendig, aber nicht hinreichend, wo befindet sich dann noch dieses andere?
Wo anders finden reale Beziehungen statt, als hier in dieser Welt? Wo anders als im Gehirn könnten oder sollten diese Erfahrungen abgespeichert sein?

Tatsächlich weisen Forscher die einen nichtnaiven Ich-Begriff verfolgen aber darauf hin, dass die Suche im Biologischen ebenfalls nicht naiv ist. Man geht derzeit davon aus, dass das Ich nicht eine Stelle im Gehirn ist - diese hat man in der Tat nie gefunden - auch nicht irgendwo oder überall zugleich ist, sondern es gibt 7 oder 8 Bereiche im Hirn, die allesamt aktiv sind, wenn das Ich angesprochen ist. Und dieses Ich umfasst von der Position im Raum und einem Bewusstsein der eigenen Körperlichkeit bis hin des Ich als reflektierendes Agens alles.
Unbekannt ist, wer oder was diese Bereiche koordiniert.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 10:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 07:50
Warum ist das überhaupt wichtig? Die Missachtung von Teil und Ganzem führt oft zu Fehlschlüssen, die man in der Regel mereologische Fehlschlüsse nennt. So ein Fehlschluss liegt zum Beispiel vor, wenn man einem Teil - dem Gehirn - etwas zuschreibt, was man eigentlich dem ganzen - der Person - zuschreiben sollte.
... Was wäre denn bei dem oben zitierten Punkt nun anders, als der Unterschied zwischen 1. und 3. Person?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Di 19. Jun 2018, 13:25

Das folgt nicht, weil daraus, dass etwas eine notwendige Voraussetzung ist nicht folgt, dass es auch eine hinreichende Voraussetzung ist.




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Jörn Budesheim
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Di 19. Jun 2018, 14:12

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 11:17
Das sind die Fragen, die mich tatsächlich interessieren und die glaube ich das Thema weiterbringen.
Nur bin ich die falsche Adresse dafür, weil ich das meiste gar nicht vertrete, was du mir zuschreibst.

Du fragst: "Weil eben die Frage, was wenn wir von einer anderen Welt (oder ontologischen Ebene) reden ..." Warum fragst du mich das? Ich rede nicht von einer anderen "ontologischen Ebene".
Du fragst: "Wenn das Ich mit dem Hirn nichts zu tun hat ..." Ich behaupt nicht, dass das Ich mit dem Hirn nichts zu tun hat. Ohne Hirn kein Ich. Das Gehirn ist notwendig.
Du fragst: "... Was wäre denn bei dem oben zitierten Punkt nun anders, als der Unterschied zwischen 1. und 3. Person?" Dazu kann ich nichts sagen, weil ich nicht verstehe, was du damit meinst.

Nehmen wir ein Beispiel, um zu erklären was ich mit "ist kein Ding" meine: Max und Moritz flirten. Was gehört alles dazu? Vielleicht romantische Musik, ein schönes Abendessen, geistreiche Gespräche, gegenseitige Blicke in die Augen und vieles, vieles mehr. Meines Erachtens ist es sinnlos, zu glauben, ein Flirt sei ein Ding. Und die Frage, wo sich der Flirt befindet - im Gehirn Max' oder im Gehirn Moritz' - ist offenbar sinnlos, denn ein Flirt ist kein raumzeitlicher Gegenstand, den man entsprechend lokalisieren kann. Ebenso sinnlos ist es nach dem Gewicht eines Flirts zu fragen. Ohne jeden Zweifel würde es diesen Flirt nicht geben, wenn nicht sehr, sehr viele Voraussetzungen erfüllt wären, darunter auch das biologische Geschehen im Gehirn. Das ist eine notwendige Voraussetzung. Aber es gibt sehr vieles anderes, was den Flirt ausmacht. Romantische Musik ist nicht einfach Schall plus Hirn. Wenn auch romantische Gefühle ohne Hirn nicht existieren würden, aber dennoch findet man sie nicht im Gehirn. Wenn auch das Kompliment Max ohne Luft und Schall und Ohr und Hirn nicht in dieser Welt vorkäme, so ist es ein Kompliment nur wenn wir die richtigen "Zutaten" betrachten: Also Max und Moritz, die miteinander sprechen und sich verstehen. Das gehört ebenso zu den notwendigen Bedingungen. Ein Kompliment ist ebenso kein Ding, wie ein Flirt oder ein Kuss. Aber all das gehört als es selbst in unsere Wirklichkeiten. Man kann es auf nichts zurückführen, weil es das, was es ist, nur zwischen Personen ist. Subjektivität ist unvertretbar real. Wenn man das Verstehen (Fühlen, Lieben, etc.) "abzieht", dann ist es kein Kompliment, kein Kuss oder sonstwas mehr. Diese Zutaten sind unabdingbar, weil nur mit ihnen verstanden wird, was da überhaupt vor sich geht. Die gegenteilige Position muss leugnen, dass es so etwas wie Flirts überhaupt gibt.

Ein Flirt ist also nach meiner Auffassung kein materielles Ding. Aber das heißt nicht, wie du mir unterstellen willst, dass er "von einer anderen Welt" ist. Das ergibt in meinen Augen keinen Sinn, denn so etwas behaupte ich nicht.




anahi
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Di 19. Jun 2018, 15:24

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 10:18
anahi hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 09:25
Was aber wohl heutzutage unbestreitbar ist, ist, dass unser Gehirn das ich "erzeugt". (es gibt sicher bessere Verben).
Eine Voraussetzung oder Bedingung könnte die Formulierung sein, die Du suchst.
Nicht nur, aber auch in der Philosophie gibt es die Unterscheidung zwischen notwendiger und hinreichender Bedingung.
. . . . . . . .
anahi hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 09:28
Natürlich braucht das Gehirn eine Umwelt, oder Sinneserfahrungen, oder Input, oder wie man das nennen will.
Ja, so sieht es aus.
Auf der anderen Seite verfügen einige biologische Systeme über die Fähigkeit zur Selbststimulation.
Wenn man sich hinsetzt oder -legt und meditiert, dann ist eines der wesentlichen Prinzipien der Meditation das, was man etwas lieblos als Außenreizverarmung bezeichnen könnte. Man versucht jede äußere und innere Ablenkung loszuwerden und zu schauen, was dann passiert. Erstaulicherweise passiert da nicht nur relativ viel, sondern dies auch noch relativ geordnet. D.h. man kann zwar nicht im Einzelfall genau, aber doch im Großen und Ganzen sagen, was jemand, der einen bestimmten inneren Weg geht, dabei erlebt. Betreten wir dabei eine andere Welt oder (metaphorisch) unser Gehirn?

. . . . . . .
Selbstverständlich ist die Existenz eines Hirns eine notwendige Bedingung für das Ich. Damit ist nicht viel gesagt. Beinahe wage ich es, zu sagen, die Bedingung ist auch hinreichend, aber es könnte Ausnahmen geben. Andererseits, vielleicht könnte man diesen Ausnahmen vorbeugen, indem man das Hirn mit ein paar Adjektiven schmückt: lebend, gesund, funktionsfähig usw.



Ich habe kein Gehirn. Mein Gehirn hat mich.

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Tommy hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 13:14
Es ging ja gerade darum dass die Hirnforscher sich mit dem Bewusstsein beschäftigen, und nicht mit dem philosophischen Ich.
Zu Jörn musst Du Jörn fragen, Hirnforscher suchen und untersuchen aber das Ich. Anders als Philosophen, aber das liegt in der Natur der Sache.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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@ Jörn:

Natürlich ist ein Flirt ein rauszeitliches Ding, denn alle dazgehörigen Praktiken sind raumzeitlicher Natur.
Dass die Welt allein im Hirn stattfindet, meinen nur Neurokonstruktivisten, dass aber Welt nicht raumzeitlich ist, kann ich icht sehen.
Damit auch Praktiken wie: tiefer als angemessen in die Augen schauen, Komplimente machen, lächeln, also bestimmte Gesten und Themen zu forcieren, andere zu meiden. Was daran findet nicht in Raum und Zeit statt und warum?



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Di 19. Jun 2018, 17:29

anahi hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 15:24
Selbstverständlich ist die Existenz eines Hirns eine notwendige Bedingung für das Ich. Damit ist nicht viel gesagt. Beinahe wage ich es, zu sagen, die Bedingung ist auch hinreichend, aber es könnte Ausnahmen geben. Andererseits, vielleicht könnte man diesen Ausnahmen vorbeugen, indem man das Hirn mit ein paar Adjektiven schmückt: lebend, gesund, funktionsfähig usw.
Ja, das ist die Natur dieses Streits.
Die einen sagen, dass Hirn + Zutaten der Außenwelt: sowohl Dinge, als auch soziale Praktiken, als auch Gefühle etc pp. reichen, um ein Ich zu erklären.
Andere sagen, dass das nicht reicht.

Der Kern des Streit ist aber, dass es einen Unterschied zwischen 'reicht nicht' = es muss da noch was geben und 'können wir nicht erklären' gibt.
Es kann sein, dass die Welt vollkommen materiell ist, aber wir das was in ihr vorkommt: Liebe, Intuition, Phantasie, Kreativität ... nicht sonderlich gut auf diesem Wege erklären können.
Dann stellt sich die Frage, ob das was das zur Erklärung noch fehlt ggf. nicht von dieser raumzeitlch physikalischen Welt ist (die Energie im Sinne der modernen Physik mitberücksichtigt), oder ob das was felt durchaus von dieser Welt ist, nur einfach zu komplex, als das wir es erklären könnten.

Das philosophosche Problem ist, grob gesagt, dass sowohl Philosophen als auch Hirnforscher beide genötigt sind Sprache zu benutzen.
Bislang ist es nicht gelungen die ungleich reichere Sprachpraxis in Neuroaktivität zu übersetzen. Viel von dem, was wir sprachlich spielend ausdrücken, hat überhaupt kein darstellbares neurologisches Korrelat, also keine konstante Entsprechung.
Würde es aber gelingen eine Ebene zu erreichen, die unserre Semantik und mehr umschließt ... wie anders als mit Begriffen sollte man die ausdrücken? Das stellt eine natürliche Grenze dar, die in unserem Erkenntnisvermögen liegt.



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Di 19. Jun 2018, 17:33

Tommy hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:18
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:08
Tommy hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 13:14
Es ging ja gerade darum dass die Hirnforscher sich mit dem Bewusstsein beschäftigen, und nicht mit dem philosophischen Ich.
Zu Jörn musst Du Jörn fragen, Hirnforscher suchen und untersuchen aber das Ich.
Die suchen im Gehirn nach dem philosphischen ICH?
Dann kann ich Jörn sehr gut verstehen, wenn er andeutet die wären verrückt.
Anders als Philosophen, aber das liegt in der Natur der Sache.
Jaja, schon klar. Mir geht's hier auch nicht um die Methode, sondern schon um den Gegenstand.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Hirnforscher im Hirn nach dem ICH sucht (und nicht etwa nach dem Bewusstsein).
Das wäre ja total hirnrissig.
Naja, wenn man sich einigt und sagt, dass da so jeder sein Ich hat, eines für die Hirnis, eines für die Philos, noch eines für die Psychos und dann jeder im Alltag auch noch was anderes darunter versteht, dann ist der Begriff doch ziemlich unscharf, oder?



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Herr K.
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Di 19. Jun 2018, 17:44

Ansgar Beckermann: Es gibt kein Ich, es gibt nur mich

Diesem Text schließe ich mich an, ich finde, es ist notorisch unklar, was jemand meint, wenn er von "dem Ich" redet. Ist es synonym zu "Person" gemeint? Oder ist damit das (ich nenne es mal so) "hier-und-jetzt-Erleben" gemeint, (mir scheint, dass anahi dies unter "dem Ich" versteht)? Oder noch etwas anderes?

Im Alltag ist übrigens "das Ich" eine mE sehr ungewöhnliche Ausdrucksweise; ich kann mich nicht erinnern, das im Alltag überhaupt mal gehört zu haben.




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Jörn Budesheim
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Di 19. Jun 2018, 17:58

@Tosa Inu: bist du der Ansicht, dass der Inhalt eines Satzes ein raumzeitliches Ding ist? Der Inhalt müsste dann eine Ausdehnung im Raum haben und Zeit haben. Woraus besteht so ein Inhalt, aus welchem "Material"? Welche raumzeitliches Aspekte hat die Wahrheit? Wiegt sie etwas? Wie groß ist sie? Kannst klären, wie du dir das vorstellst?

Wie steht es mit dem phänomenalen Erleben? Was soll ich mir darunter vorstellen, dass unser Erleben ein raumzeitliches Ding ist?




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Di 19. Jun 2018, 18:04

Tommy hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:18
Das wäre ja total hirnrissig.
Was ist den Belegstellen, die ich beigebracht habe?




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Di 19. Jun 2018, 18:29

Herr K. hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:44
"das Ich"
Der Thread-Titel lautet: Wer, wie, was ist "ich"? Wenn du dich an der Großschreibung störst, kannst du dich auch dem kleingeschriebenen "ich" zuwenden. Das wird hier sehr gemischt gehandhabt.




anahi
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Di 19. Jun 2018, 18:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:29
anahi hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 15:24
Selbstverständlich ist die Existenz eines Hirns eine notwendige Bedingung für das Ich. Damit ist nicht viel gesagt. Beinahe wage ich es, zu sagen, die Bedingung ist auch hinreichend, aber es könnte Ausnahmen geben. Andererseits, vielleicht könnte man diesen Ausnahmen vorbeugen, indem man das Hirn mit ein paar Adjektiven schmückt: lebend, gesund, funktionsfähig usw.
Ja, das ist die Natur dieses Streits.
Die einen sagen, dass Hirn + Zutaten der Außenwelt: sowohl Dinge, als auch soziale Praktiken, als auch Gefühle etc pp. reichen, um ein Ich zu erklären.
Andere sagen, dass das nicht reicht.

Der Kern des Streit ist aber, dass es einen Unterschied zwischen 'reicht nicht' = es muss da noch was geben und 'können wir nicht erklären' gibt.
Es kann sein, dass die Welt vollkommen materiell ist, aber wir das was in ihr vorkommt: Liebe, Intuition, Phantasie, Kreativität ... nicht sonderlich gut auf diesem Wege erklären können.
Dann stellt sich die Frage, ob das was das zur Erklärung noch fehlt ggf. nicht von dieser raumzeitlch physikalischen Welt ist (die Energie im Sinne der modernen Physik mitberücksichtigt), oder ob das was felt durchaus von dieser Welt ist, nur einfach zu komplex, als das wir es erklären könnten.

Das philosophosche Problem ist, grob gesagt, dass sowohl Philosophen als auch Hirnforscher beide genötigt sind Sprache zu benutzen.
Bislang ist es nicht gelungen die ungleich reichere Sprachpraxis in Neuroaktivität zu übersetzen. Viel von dem, was wir sprachlich spielend ausdrücken, hat überhaupt kein darstellbares neurologisches Korrelat, also keine konstante Entsprechung.
Würde es aber gelingen eine Ebene zu erreichen, die unserre Semantik und mehr umschließt ... wie anders als mit Begriffen sollte man die ausdrücken? Das stellt eine natürliche Grenze dar, die in unserem Erkenntnisvermögen liegt.
Vielen Dank, Tosa inu, für die hilfreiche Erklärung, du hast die Problematik sehr gut zusammengefasst



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Jörn Budesheim
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Di 19. Jun 2018, 19:05

Den Beitrag von Beckermann finde ich ziemlich langweilig, aber diese Replik ist sehr gut:

"Wenn es mich gibt, dann gibt es auch das Ich.

Auf Ansgar Beckermanns Plädoyer, auf die Rede von dem Ich zu verzichten, ist mit Fichte und Robert Nozick zu antworten. Beide haben darauf aufmerksam gemacht, dass eine Person nur dann weiß, dass sich der Ausdruck ‚ich‘ auf sie selbst bezieht, wenn sie weiß, dass sie selbst diesen Ausdruck erzeugt hat. Über dieses Wissen verfügt eine Person aber nicht allein kraft der Verwendungsregel des Ausdrucks ‚ich‘. Diese Regel besagt nur, dass der Ausdruck ‚ich‘ sich auf denjenigen Sprecher bezieht, der den Ausdruck verwendet. Dass ich selbst derjenige Sprecher bin, der den Ausdruck ‚ich‘ verwendet, ist damit nicht gesagt. Anders gesagt: Die Verwendungsregel des Ausdrucks ‚ich‘ stellt mir nicht das Wissen zur Verfügung, dass ich selbst es bin, der den Ausdruck ‚ich‘ verwendet. Dieses Wissen ist vielmehr bei der Verwendung des Ausdrucks ‚ich‘ vorausgesetzt. Die Rede von dem Ich lässt sich daher mit Fichte und Nozick mit dem Argument begründen und gegen ihre Liquidation verteidigen, dass sie sich auf das ausgezeichnete selbstreflexive Wissen einer Person bezieht, dass sie selbst die/derjenige ist, die/der den Ausdruck ‚ich‘ verwendet. Die Rede von dem Ich drückt den Sachverhalt aus, dass es dieses selbstreflexive Wissen gibt und dass es in der Verwendungsregel des Ausdrucks ‚ich‘ allein nicht enthalten ist. Wenn Ansgar Beckermann von sich selbst sagt: ‚Es gibt mich‘, und dies auch weiß, dann gibt es auch für ihn das Ich."

(Jürgen Stolzenberg)




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Di 19. Jun 2018, 20:01

anahi hat geschrieben :
So 17. Jun 2018, 23:38
Nun, Jörn, ich glaube nicht, dass der Gebrauch des Possessivpronomens eine so große Rolle spielt.
Das glaube ich schon. Es geht dabei natürlich nicht nur um ein einzelnes Wort und etwas Sprachhygiene, also seinen richtigen und falschen Gebrauch. Es geht um viel mehr: Wenn man erst einmal die "ontologische Rückführung" unseres geistigen Lebens auf Hirnprozesse geschaffen hat, dann wird der Wunsch, dem eine "sprachlich/begriffliche Rückführung" folgen zu lassen, nicht lange auf sich warten lassen. Genau genommen ist er sogar schon da. Einige Philosophen halten die Art, wie wir über uns und unseresgleichen sprechen, unsere Alltagspsychologie für eine Art empirische Theorie, die wir von einander haben. Nach ihrer Ansicht ist diese empirische Theorie verfehlt, weil die Dinge in der Welt eben anders liegen, als wir es uns ausmalen. Da, wo wir glauben ein Rendezvous zu erleben, gibt es in Wahrheit nur neuronales Feuern. Warum also dieses verfehlte mentalistische Vokabular beibehalten? Es entspricht nach ihrer Ansicht nicht den Tatsachen. Es wäre sogar noch viel schöner und effektiver, wenn das Sprechen gleich ganz ließe und unsere Hirne direkt miteinander "verdrahtet": »Man stelle sich vor, was dies für Hockey-Mannschaften, Ballettgruppen oder Forschungsteams bedeuten würde! Wenn die gesamte Bevölkerung so ausgerüstet wäre, könnte es durchaus geschehen, dass jede Art gesprochener Sprache völlig verschwinden würde – ein Opfer des Prinzips ›Warum kriechen, wenn man fliegen kann?‹. Bibliotheken wären nicht mit Büchern gefüllt, sondern mit langen Aufzeichnungen beispielhafter Abfolgen neuronaler Aktivität.« (Paul Churchland)




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Mi 20. Jun 2018, 05:41

GEO hat geschrieben : Wie das Ich in den Kopf kommt

GEO: Sie beklagen in Ihren Arbeiten die "Cerebralisierung" der Gesellschaft. Was meinen Sie damit?

Jan Slaby: Ich meine damit die Tendenz, alle möglichen Phänomene auf Prozesse im individuellen Nervensystem zurückzuführen: ...

... Ein Beispiel: Just in dem Moment, als England Probleme mit gewalttätigen Jugendlichen in verarmten Wohnvierteln bekam, begann dort die Erforschung des "Teenager-Gehirns" zu boomen. Anstatt die Probleme der Kids in der verheerenden Sozialpolitik neoliberaler Regierungen zu suchen, ließ sich nun über die Gefahrenpotenziale des adoleszenten Gehirns diskutieren. Da werden komplexe soziale Problemlagen auf einfache individuelle Hirnmechanismen reduziert. Leider haben viele Hirnforscher durch die Übertreibung ihrer Ergebnisse zu dieser verkürzten Sicht beigetragen. ...

...Unser Selbstverständnis bekommt eine gefährliche Schlagseite in Richtung des Individuell-Biologischen, das dann als unveränderlich betrachtet wird. Andere Formen des Wissens über den Menschen werden hingegen diskreditiert. ...

Sehr kurzes Interview mit Jan Slaby > https://www.geo.de/magazine/geo-magazin ... bertreiben




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Mi 20. Jun 2018, 07:54

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 09:42
M.E. sind die Hirnforscher bei ihrem Versuch krachend gescheitert, zu zeigen, dass die genannten Möglichkeiten, die wir sprachlich der 1. Person zuschreiben, sich in die Sprache der 3. Person übersetzen lassen. Das heißt, dass es nicht gelungen ist, die Möglichkeiten des Semantischen, auf die uns zugängliche Sprache des Neuronalen zu übersetzen. In der Version der Singers und Roths ist das vermutlich zu ruppig und naiv angegangen worden. Daraus folgt, dass die Übersetzung und somit Erklärung misslungen ist. Daraus folgt nicht, dass das Ich nicht Produkt des Hirn oder sogar "im Hirn" seinen Platz finden könnte.

Man müsste dann definieren, was man unter den Begriff "Ich" versteht. Wer sagt, dass das Hirn als Ort absurd ist, muss auch sagen, warum oder was ihm weniger absurd vorkommt. Das Herz? Die Kniescheibe? Das Kronenchakra, 50 cm über meinem Kopf? Im nächsten Funkturm?
Du hattest nun aber gar keinen anderen raumzeitlichen Ort wählen wollen sondern möchtest da gleich ganz aussteigen ...
Was soll das heißen, dass ich "gleich ganz aussteigen" will? Das entspricht einfach nicht dem, was ich wirklich schreibe.

Du schreibst: "Man müsste dann definieren, was man unter den Begriff "Ich" versteht. Wer sagt, dass das Hirn als Ort absurd ist, muss auch sagen, warum oder was ihm weniger absurd vorkommt." John Searle hat mal in einem schönen Aufsatz über das Bewusstsein mit dem Missverständnis aufgeräumt, dass zu Beginn jeder Untersuchung eine Definition des Gegenstands der Untersuchung stehen müsse. In vielen Fällen ist es nämlich genau umgekehrt: die Definition ist das Ziel der Forschung und zu Beginn wird der Gegenstand quasi nur vage eingekreist. Zudem liegen natürlich bei Fragen nach dem "ich" und dem "Bewusstseins" die Dinge etwas, anders als bei der Erforschung des Magnetismus zum Beispiel, da wir beim Bewusstsein und beim Ich selbst im Zentrum der Untersuchung stehen und zumindest jeder ein präreflexives Verständnis der Infrage stehenden Begriff hat. Vermeiden sollte man meines Erachtens, die Wahrheit der Dinge, die man dabei faktisch und unzweifelhaft erlebt und erkennt zu leugnen, weil man seine eignen metaphysischen Vorurteile nicht in Gefahr bringen will. Außerdem ist es in Anbetracht des Fortgangs des Threads ja keineswegs so, dass es nicht eine ganze Reihe von Skizzen und Vorschlägen gab, was denn "das tief Geheimnisvolle!" (Wittgenstein) ausmacht:
  • Das Ich als Akteur im Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen
  • Das Ich als Brennpunkt/Schwerpunkt/Zentrum der Wahrnehmungs-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erfahrung, als Zentrum der Erkenntnis-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erkenntnis (Ich weiß es, es ist mein Wissen.) Das Ich als Träger des Bewusstseins, das was wahrnimmt und empfindet, sich selbst und seine Umgebung
  • Das Ich als das Zentrum jedes "Hier" und “Jetzt”
  • Das Ich als Zentrum der Perspektive auf das Ich. Das Ich, das sich selbst unmittelbar gegeben ist
  • Das Ich als Urheber der eigenen Handlungen.
  • Das Ich als Player im Spiel des Gebens und Nehmens der Gründe. Als Autorität und Verantwortlicher für den eigenen Einsatz, das Gesagte und Getane.
  • Das Ich als Zentrum der eigenen Autobiografie, der diversen Geschichten.
  • Das Ich als Subjekt der Freiheit
  • Das Ich, das sich (mit)konstituiert, indem es sich eine Bild von sich selbst macht.
  • Das Ich als das Begehrende
  • Das Ich, das geboren wurde und sterben muss.
  • Das Ich als das Zentrum jedes "Hier" und “Jetzt”
  • Das Ich, welches sich im Antlitz des Gegenübers spiegelt.
Dass man bei der Untersuchung Ergebnisse auch der Naturwissenschaften kritisiert, etwa weil sie auf (in der Philosophie seit langem) bekannten Fehlschlüssen und Irrtümern beruhen, etwa dem Homuculus- und dem mereologischen Fehlschluss, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Wer diese Fehlschlüsse begeht, muss klar machen, wie er zu den Problematik steht.




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Jörn Budesheim
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Mi 20. Jun 2018, 08:36

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:13
@ Jörn:

Natürlich ist ein Flirt ein rauszeitliches Ding, denn alle dazgehörigen Praktiken sind raumzeitlicher Natur.
Dass die Welt allein im Hirn stattfindet, meinen nur Neurokonstruktivisten, dass aber Welt nicht raumzeitlich ist, kann ich icht sehen.
Damit auch Praktiken wie: tiefer als angemessen in die Augen schauen, Komplimente machen, lächeln, also bestimmte Gesten und Themen zu forcieren, andere zu meiden. Was daran findet nicht in Raum und Zeit statt und warum?
Meines Erachtens beruht diese Antwort auf zwei miteinander verquickten Fehlschlüssen. Eine Art Petitio: Alles ist raumzeitlich, also ist alles (auch ein Flirt) raumzeitlich. Doch der Punkt, dass alles raumzeitlich ist, steht ja gerade infrage, deswegen kannst du das nicht einfach als gegeben setzen. Sowie der Schluss von den notwendigen Bedingungen, darauf, dass sie damit auch schon hinreichend wären. Ein wirkliche Begründung dafür, dass ein Flirt ein raumzeitliches Ding ist, kann ich dort nicht erkennen.

Zudem fehlen die Antworten auf die Fragen, "die mich tatsächlich interessieren und die glaube ich das Thema weiterbringen": bist du der Ansicht, dass der Inhalt eines Satzes ein raumzeitliches Ding ist? Der Inhalt müsste dann eine Ausdehnung im Raum haben und Zeit haben. Woraus besteht so ein Inhalt, aus welchem "Material"? Welche raumzeitliches Aspekte hat die Wahrheit? Wiegt sie etwas? Wie groß ist sie? Kannst klären, wie du dir das vorstellst? Wie steht es mit dem phänomenalen Erleben? Was soll ich mir darunter vorstellen, dass unser Erleben ein raumzeitliches Ding ist? Was soll es denn überhaupt heißen, dass (beispielsweise) das Gesichtfeld ein raumzeitliches Ding ist.




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Herr K. hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:44
Ansgar Beckermann: Es gibt kein Ich, es gibt nur mich

Diesem Text schließe ich mich an, ich finde, es ist notorisch unklar, was jemand meint, wenn er von "dem Ich" redet. Ist es synonym zu "Person" gemeint? Oder ist damit das (ich nenne es mal so) "hier-und-jetzt-Erleben" gemeint, (mir scheint, dass anahi dies unter "dem Ich" versteht)? Oder noch etwas anderes?

Im Alltag ist übrigens "das Ich" eine mE sehr ungewöhnliche Ausdrucksweise; ich kann mich nicht erinnern, das im Alltag überhaupt mal gehört zu haben.
Also, den Beckermann schätze ich gewöhnlich, hier überzeugt er mich allerdings auch nicht, weil ich seine Argumentation im Ganzen etwas widersprüchlich und unüberzeugend finde. Ein Ich-Begriff, der sich rasend verbreitet, von dem aber niemand weiß, was damit gemeint sein soll, das ist doch eher dünn. Und viele der Bedeutungen erschließen sich ja aus dem Kontext und sind gerade nicht nebulös, etwa, was Hirnforscher meinen, wenn sie behaupten, es gäbe kein Ich.
Ich frage mich auch, warum er für die Frage nach dem philosophischen Ich nicht den doch nicht ganz unwichtigen Kant nicht erwähnt, der auf die synthetische Kraft des Ich, das stets nur zu denken ist, hinweist.

Die Fähigkeit oder Unfähigkeit das eigene Ich (oder das anderer) in Tiefe beschreiben zu können ist sogar so signifikant und bedeutsam, dass sie Psychologen als wichtigstes Kriterium für die Diagnostik gilt, um schwere und leichte Persönlichkeitsstörungen (oder eine Ich-Schwäche) zu erkennen. Dabei wird nur gefragt: "Beschreiben Sie mir bitte Sich selbst, so dass ich mir ein lebendiges Bild von Ihnen machen kann. Was macht Sie aus? Was unterscheidet sie von anderen?" Und bei dieser denkbar einfachen Frage gibt es entweder passende Antwort, die in dem Fall einfach auf Kohärenz abgeklopft werden oder eine spezifisches Scheitern, das eben dianostische Rückschlüsse erlaubt.

Dass man Ich dann doch einige etwas anderes meinen, hat damit zu tun, die es anders erleben.
Das gilt aber auch für Dutzende andere Begriffe wie Leben, Emotion, Sinn, Liebe, Intuition, selbst was Wissen oder Lernen ist, ist ja hinreichend unklar, der Erkenntnistheorie zum Trotz. Es liegt auch keinesfalls in der Natur philosophischer Begriffe, dass sie, einmal im Rennen, für alle Zeiten klar und präzise definiert sind und bleiben, gerade Philosophen drehen und wenden Begriffe ja immer wieder und das aus gutem Grund. Zu Sinn könnte ich auch fragen, ob man nicht Zweck sagen können und rätseln ob nun der Hörsinn oder der Sinn des Lebens gemeint seien.

Ich bin schon auch dafür, dass man sich trasndisziplinär einigt. Die Motive der "Es gibt kein Ich" Hirnforscher sind ja nun untersucht und ihre Argumente zerpflückt worden - gerade da haben Philosophen ja mal hervorragende Arbeit geleistet. Es scheint also zu gehen. Mein eigenes Lieblingsbeispiel ist immer, dass, wenn es tatsächlich kein Ich gibt, wie einige Neurologen, die wirklich die denkbar engste Verbindung mit den Psychiatern haben, behaupten, es dann sein kann, dass der Ich-Verlust, der bei Psychiatern Psychose genannt wird als Notfall gilt, bei dem man zurecht erhebliches Theater macht.

Tatsächlich enwickelt sich der Ich-Begriff (analog dem Weltbild-Begriff) konzentrisch, so dass unter Ich einerseits etwas immer anderes, andererseits aber eben für die jeweilige Stufe Spezifisches verstanden wird. Und es ist doch geradezu verblüffend, dass es so eine erhebliche Korrelation zwischen spezifischen Ansichten, Einsichten, Beschränkungen, Empfindungen und Verhaltensweise gibt, die sich in der Antwort auf die Bitte, das eigene Ich zu beschreiben geradezu dramatisch verdichten. Viel schlanker kann man es nun wirklich kaum haben.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Tosa Inu
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Mi 20. Jun 2018, 10:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:58
@Tosa Inu: bist du der Ansicht, dass der Inhalt eines Satzes ein raumzeitliches Ding ist? Der Inhalt müsste dann eine Ausdehnung im Raum haben und Zeit haben. Woraus besteht so ein Inhalt, aus welchem "Material"?

Mir ist nicht ganz klar, was Du hier unter Inhalt verstehst.
Aber, ein Satz ist eine Information, die eben durch bestimmte Anordnungen von Buchstaben, 0/1-Sequenzen und auf biochemischem Weg im Hirn dargestellt wird. Oder eben akustisch, aber auch da spielt die Information, also welche spezischen Laute ich benutze, die entscheidende Rolle. Dass diese Reize nun nicht im Gehirn verarbeitet werden, finde ich, ist die unplausiblere Theorie. Wo sonst? Wo ist der Raum der Gründe und wie kommt man dort hin, wenn dort die Argumenten gewälzt werden? Wenn er in dieser Welt ist, auf dieser ontologischen Ebene, muss man ja irgendwas diesbezüglich finden. Wenn die neurologische Aktivität parallel verläuft und der Raum der Gründe in einer anderen Welt liegt, wie kommt man dahin, wie werden die Daten hin und her übermittelt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:58
Welche raumzeitliches Aspekte hat die Wahrheit?

Da ich unter Wahrheit eine Eigenschaft von Aussagen verstehe, gilt auch für diese alles oben Gesagte.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:58
Wiegt sie etwas? Wie groß ist sie? Kannst klären, wie du dir das vorstellst?
Der Elektromagnetismus wiegt auch nichts, man stellt ihn sich gewöhnlich als Feld vor. ;)
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Jun 2018, 17:58
Wie steht es mit dem phänomenalen Erleben? Was soll ich mir darunter vorstellen, dass unser Erleben ein raumzeitliches Ding ist?
Darunter kann man sich vorstellen, dass jede Phantasie ihre Repräsentationen im Kopf, also Gehirn hat. Man kann es als etwas dünn empfinden, dass man darüber nicht mehr aussagen kann, dass da an bestimmten Stellen neuronale Aktivität stattfindet und bei der dümmlichen Arroganz, mit der die führenden Protagonisten auftraten bin ich gerne zu Polemik und Häme bereit, das haben sie sich redlich verdient, allerdings muss man nun wahrlich nicht alles, was die rausgefunden haben und was plausibel erscheint durchs Klo spülen. INzwischen ist das ja auch eine Disziplin wie jede andere, bzw. keine besondere Disziplin, jeder macht heute fMRT Bilder.
Den 'Raum der Gründe' metaphorisch zu verstehen beduetet nichts anderes, als ihn hier in dieser Welt zu lassen, wenn man sich nicht den schweren Rucksack des Dualismus aufsetzen will.



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