Wer, wie, was ist "ich"?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Jörn Budesheim
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Mi 20. Jun 2018, 10:25

Wie bitteschön wollen wir hier ein Gespräch führen, wenn das, was wir sagen, keinen Inhalt hat bzw. du dir nicht vorstellen kannst, was es bedeutet, dass das was wir sagen etwas bedeutet? Sprachliche Aussagen haben einen Inhalt, der wahr oder falsch sein kann. Wenn wir das ablehnen, begehen wir kognitiven Selbstmord, wie es so "schön" heißt.
Die Darstellung eines Inhalts ist nicht der Inhalt.
Die notwendigen materiellen Voraussetzungen sind nicht das Erleben.
Und dass Elektromagnetismus ohne Gewicht auskommt, ändert ja nichts an der Frage, wie man sich raumzeitlichen Aspekte vorstellen soll. Zudem sind die Fragen, ob etwas kein Gewicht hat oder ob das Prädikat "Gewicht" überhaupt sinnvoll angewendet werden kann, zwei verschiedene.
Der Raum der Gründe ist nicht einfach eine Metapher, sondern da geht es um die Tatsachen der Vernunft, die im übrigen ganz selbstverständlich auch nichts raumzeitliches sind.
Es geht auch nicht darum, alles was die Hirnforscher raus gefunden haben durchs Klo spülen, sondern Auskünfte wie die, dass das "Ich" ein Produkt des Gehirns ist als den Unsinn auszuweisen, die sie ist.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 07:54
  • Das Ich als Akteur im Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen
  • Das Ich als Brennpunkt/Schwerpunkt/Zentrum der Wahrnehmungs-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erfahrung, als Zentrum der Erkenntnis-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erkenntnis (Ich weiß es, es ist mein Wissen.) Das Ich als Träger des Bewusstseins, das was wahrnimmt und empfindet, sich selbst und seine Umgebung
  • Das Ich als das Zentrum jedes "Hier" und “Jetzt”
  • Das Ich als Zentrum der Perspektive auf das Ich. Das Ich, das sich selbst unmittelbar gegeben ist
  • Das Ich als Urheber der eigenen Handlungen.
  • Das Ich als Player im Spiel des Gebens und Nehmens der Gründe. Als Autorität und Verantwortlicher für den eigenen Einsatz, das Gesagte und Getane.
  • Das Ich als Zentrum der eigenen Autobiografie, der diversen Geschichten.
  • Das Ich als Subjekt der Freiheit
  • Das Ich, das sich (mit)konstituiert, indem es sich eine Bild von sich selbst macht.
  • Das Ich als das Begehrende
  • Das Ich, das geboren wurde und sterben muss.
  • Das Ich als das Zentrum jedes "Hier" und “Jetzt”
  • Das Ich, welches sich im Antlitz des Gegenübers spiegelt.
Ja, alles richtig.

Dazu kommt noch:
Gerhard Roth hat geschrieben : „In Entsprechung zu den oben genannten Bewusstseinszuständen, ist das Ich modular, d.h. aus funktional unterschiedlichen Untereinheiten aufgebaut. Hierzu gehören:

(1) das Körper-Ich (dies ist mein Körper),
(2) das Verortungs-Ich (ich befinde mich gerade an dem und dem Ort),
(3) das Ich als Zentrum individuellen Verhaltens und Erlebens (perspektivisches Ich),
(4) das Ich als Subjekt perzeptiver, kognitiver und emotionaler Leistungen und Zustände (ich habe diese Wahrnehmungen, Ideen, Gefühle),
(5) das Handlungs-Ich (ich tue gerade das und das),
(6) das Autorschafts- bzw. Zurechnungs-Ich (ich bin Verursacher und Kontrolleur meiner Gedanken und Handlungen),
(7) das autobiographische Ich (ich bin derjenige, der ich gestern / früher war),
(8) das sprachliche Ich (Reden über sich selbst als überdauernde Einheit),
(9) das (selbst-)reflexive Ich (Nachdenken über sich selbst), und
(10) das ethische Ich bzw. das Gewissen.“
(Gerhard Roth, Wie das Gehirn die Seele macht, Vorlesung vom 22. April – 27. April 2001, online: https://www.lptw.de/archiv/vortrag/2001 ... erhard.pdf, S. 8f)
Und weiter:
Kernberg hat ein System von 4 Stufen der Pathologie und/oder Organisation des Ichs + einer Definition dass Persönlichkeit aus Charakter (innen) + Verhalten (außen), Vorstellungen von sich und bedeutsamen anderen, Wertesystem und Temperament.

Wilber hat an guten Tagen 14 Stufen des Ich gefunden, meistens aber 10 dargestellt, die hierarchisch aufeinander folgen.

Ich könnte weiter machen.

Nun ist die Frage, reden die alle von was anderem? Hat halt jeder so sein Ich, oder schlimmer noch, jeder sein knappes Dutzend oder ist es möglich da eine sinnvolle Ordnung reinzubringen, die mehr als zufällig ist? Dabei ist es so, dass Stufen nichts sind, was "an sich" vorkommt. Sie einzuführen wäre also ein erkennntnistheoretischer Akt.
Die Frage ist nun, ob manche Stufen einfach aus Willkür eingeführt würden, oder ob es korrespondierende Ereignisse gibt. Bspw. ist die Pubertät ja auch nichts, was als Signal rot zu leuchten beginnt, dennoch geht der Eintritt in dieselbe mit einer solchen Zahl an drastischen Inneren und äußeren und beziehungsmäßigen Veränderungen einher, dass man der Meinung sein kann, das sei nicht einfach die nahtlose Fortsetzung der Kindheit.

Wenn man all diese Ichbausteine mal sorgsam übereinander legt und Ähnlichkeiten und Unterschiede rausarbeitet, dann kann man viel von den ausgeschütteten Säcken zusammen fassen und im besten Fall erkennt man, dass z.B. bestimmte gesellschaftliche Präferenzen mit einer Entwiciklung des Ich korrelieren, die mehr als purer Zufall ist, sondern deren innere Verwandtschaft einen geradezu anspringt.

Übrigens dann irgendwann auch der 'organische' Zusammenschluss von Psychologie, bzw. der Entwicklung des Ich und Philosophie, der Neigung philosophische über die Welt nachzudenken.

Dazu und gleichzeitig zur Beschreibung des reifen, reflexiven Ichs:
Ken Wilber hat geschrieben : „Das Auftauchen der formal-reflexiven Basisstruktur eröffnet die Möglichkeit der D-5-Selbstentwicklung: eine hochdifferenzierte, reflexive und introspektive Selbststrukturierung. Das D-5-Selbst ist nicht mehr unreflektiert an soziale Rollen und konventionelle Moral gebunden; zum ersten Mal kann es sich auf seine eigenen individuellen Prinzipien von Vernunft und Gewissen stützen (Kohlbergs postkonventionelles, Loevingers gewissenhaft-individualistisches Selbst etc.). Zum ersten Mal kann das Selbst eine mögliche (oder hypothetische) Zukunft konzipieren (Piaget) mit ganz neuen Zielen, neuen Möglichkeiten, mit neuen Wünschen (Leben) und neuen Ängsten (Tod). Es kann mögliche Erfolge und Misserfolge abwägen auf eine Art, die es sich zuvor nicht vorstellen konnte. Es kann nachts wachliegen vor Sorge oder Begeisterung über alle seine Möglichkeiten. Es wird Philosoph, ein Träumer im besten und höchsten Sinn; ein innerlich reflexiver Spiegel, staunend über seine eigene Erkenntnis. Cogito, ergo sum.
"Identitätsneurose" bezeichnet spezifisch alle Dinge, die beim Auftauchen dieser selbstreflexiven Struktur schiefgehen können. Ist sie stark genug um sich von Regel/Rollen-Geist freizumachen und für ihre eigenen Gewissensprinzipien einzustehen? Kann sie, wenn nötig, den Mut fassen, nach einer eigenen Melodie zu marschieren? Wird sie es wagen, selbst zu denken? Wird sie von Angst und Depressionen erfasst angesichts ihrer eigenen Möglichkeiten? Diese Dinge – die leider von vielen Theoretikern der Objektbeziehungen auf die D-2-Dimension von Trennung und Individuation reduziert werden – bilden den Kern des D-5-Selbst und seiner Identitätspathologie. Erikson (1959, 1963) hat die vielleicht definitiven Studien über die D-5-Selbstentwicklung geschrieben („Identitiät vs. Rollenkonfusion“). Hier kann nur die Beobachtung hinzugefügt werden, dass philosophischen Probleme ein integraler Bestandteil der D-5-Entwicklung sind und philosophische Erziehung ein integraler und legitimer Bestandteil der Therapie auf dieser Ebene ist.“
(Ken Wilber, Das Spektrum der Psychopathologie, in: Wilber, Engler, Brown et al., Das Spektrum der Befreiung, Scherz 1988, S.124f)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 20. Jun 2018, 11:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 10:25
Der Raum der Gründe ist nicht einfach eine Metapher, sondern da geht es um die Tatsachen der Vernunft, die im übrigen ganz selbstverständlich auch nichts raumzeitliches sind.
Sondern was?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 20. Jun 2018, 11:51

Du willst doch nicht im Ernst behaupten, dass du nicht weiß, was Vernunft und Gründe sind, oder?




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Mi 20. Jun 2018, 11:55

Ich möchte einfach, dass Du Deine Behauptung, dass Vernunft und Gründe nichts Raumzeitliches seien, begründest.
Es geht nicht darum, was ich glaube oder weiß, sondern ob Du eine Begrüdung hast.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 20. Jun 2018, 12:01

Ich habe meine Position weiter oben an einem anderen Beispiel bereits begründet.

Gründe sind Tatsachen, die für (oder gegen) etwas sprechen. Gründe haben daher einen normativen Aspekt. Normen sind nichts "raumzeitliches", sie haben keine Dauer, keine Ausdehnung - im Grunde nichts, was sie zum Kandidaten für Raumzeitliches machen.




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Mi 20. Jun 2018, 12:13

Ja, aber normativ zu sein und vom oder im Gehirn verarbeitet zu werden, ist kein Widerspruch.
So wenig, wie rot, süß oder eckig einander ausschließen, schließt es sich aus ein Grund und normativ zu sein und irgendwo, als dieser Grund, verarbeitet zu werden.
Da ist das Gehirn auch dann ein guter Kandidat, wenn es sich im einen sozialen Raum oder eine Beziehung zwischen zwei Menschen handelt.
Weil diesen Bezihungsraum, diesen Raum der Gründe und Werte zu betreten, ja einfach heißen könnte, dass jeder für sich bestimmten Einstellungen teilt, die er sozial oder öffentlich erlernt hat und sich dann auf dieser vorbewusst mitlaufenden Ebene im Rahmen eines gemeinschaftlich geteilten Weltbides zu begegnen.

Es geht auch anders, wenn nämlich einer von beiden ein anderes Weltbild hat, von anderen Prämissen ausgeht, dadurch ein anderes Wertesystem teilt und andere Gründe implizite Geltung bekommen. Dass das etwas ist was im Hirn verarbeitet wird, ist möglich und auch wahrscheinlich.
Nichts daran erscheint mir über die Maßen absurd zu sein.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 20. Jun 2018, 12:17

Du hast jetzt das Thema gewechselt. Die Frage lautete, ob es sich dabei (also zum Beispiel bei Gründen) um raumzeitliche Dinge handelt.

(Nur nebenbei: dass das Gehirn "Gründe" gibt, ist selbstverständlich ein mereologischer Fehlschluss, Gründe werden von Personen vorgebracht.)




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Mi 20. Jun 2018, 12:59

Personen haben gewöhnlich auch ein Gehirn.
Worin der Fehlschluss liegt, müsstest Du darstellen.
Ich weiß durchaus, dass es zwischen Ursache und Grund eine Differenz gibt, aber es ist eine erkenntnistheoretische.
Dass wir auf der Ebene der Neuroaktivität keine Gründe finden, heißt nicht, dass Gründe nicht von Hirnen verarbeitet werden, sondern es heißt erst mal nur, dass wir die Veranrbeitung nicht darstellen und redutkiv erklären könenn. Dir fällt ja auch nichts anderes ein, als dass Personen Gründe vorbringen. Ihre Kniescheibe? Klar, sagen tut's der Mund, schreiben die Hand, aber Du willst nicht ernsthaft sagenm, das Gehirn habe mit all dem nicht zu tun, oder doch?

Aber weil wir reduktiv nicht viel erklären können, machen wir auch überall eigenständige Benutzeroberflächen auf, reden von Ichen, Räumen von Gründen, Weltbildern, Kapitalismus und politischen Systemen, die natürlich als äußere Größen auf uns einwirken, wie der eigentümlich zwanglose Zwang der besseren Argumente, oder der Automatismus zwischen Arbeit und Freizeit zu unterscheiden, aber das und wie und als was man Welt allgemein erlebt, hat mit dem Ich zu tun, das in der Lage ist bestimmte Daten zu verarbeiten, an der Verarbeitung höhere Komplexitätsstufen aber ggf. scheitert.

Bei Kindern sieht man das häufig und exemplarisch, aber auch wir Erwachsene leben auf unterschiedlichen Ebene der Komplexität.
Das aber nicht bunt gestreut sondern mit durchaus typischen Andockstellen, kulturelle Magneten, Weltbilder oder eben Räume von Gründen in denen unterschiedliche Prämissen verarbeitet werden.

Die unterschiedlichen Ebenen der Komplexität, sowohl kulturell als auch personell benötigen nicht zwingend ein anderes als das naturalistische Raumzeit-Modell. Auch die Lebenswelt, die man als Kontrast anbieten könnte, fügt sich in der Version eines sanften Naturalismus ein, Habermas macht es vor.

Ein absoluter ontolgischer Bruch zwischen Ursachen und Gründen geht mit einem Dualismus einher. Descartes ist hier ja klassisch.
In einer monistischen Welt muss beides zusammengehen. Bei einer erkenntistheoretischen Trennung, behandelt man die Bereiche autonom, hat aber im Hinterkopf, dass sie letztlch zusammen gehören. (Der ontologische Pluralismus ist letztlich ein Dualismus, der verbergen möchte, dass er einer ist.)



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Mi 20. Jun 2018, 13:34

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 12:59
Dir fällt ja auch nichts anderes ein, als dass Personen Gründe vorbringen.
Warum auch? Was ist daran unzureichend?




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Mi 20. Jun 2018, 14:21

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 12:59
Ich weiß durchaus, dass es zwischen Ursache und Grund eine Differenz gibt, aber es ist eine erkenntnistheoretische.
Was willst du damit sagen?




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Do 21. Jun 2018, 09:35

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 13:34
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 12:59
Dir fällt ja auch nichts anderes ein, als dass Personen Gründe vorbringen.
Warum auch? Was ist daran unzureichend?
Daran ist unzureichend, dass Du im Bezug auf all das was nicht raumzeitlich verortet sein kann oder soll, wie Normen, Werte und Phantasie, mit dem Schritt vom Hirn zur Person keinen Fortschritt erzielst. Als juristisches Abstruktum ist Person etwas Virtuelles oder Indexikalisches.
Für die konkrete Einzelperson kommt aber nun all das ins Spiel, was für das Ich schon im Spiel ist.
Man kann das Verhältnis von Ich zu Person natürlich diskutieren, da gäbe es dann neben den Juristen auch noch C.G. Jung, aber das bringt uns dann auch nicht weiter.
Die Fragen, wo denn die Werte, Normen, Gründe etc. herkommen und verarbeitet werden und wo der Raum der Gründe denn nun, wenn nicht raumzeitlich zu verorten, zu finden ist, bleibt uns ja erhalten.



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Do 21. Jun 2018, 10:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 14:21
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 20. Jun 2018, 12:59
Ich weiß durchaus, dass es zwischen Ursache und Grund eine Differenz gibt, aber es ist eine erkenntnistheoretische.
Was willst du damit sagen?
Dass es keine ontologische ist.

Ein erkenntnistheoretischer Stillstand hat erstmal keine zwingenden ontologischen Konsequenzen, es heißt einfach nicht, dass man hier, mit diesem Ansatz, erklärend nicht weiter kommt.
Das kennen wir aber bestens. Selbst wenn man Physikalist ist, wird man eingestehen, dass man bereits auf der Ebene des Lebendigen mit dem Instrumentarium der Physik nicht mehr weit kommt, nichts mehr erklären kann.
Wollen Biologen ihrerseits menschliches Verhalten auf biologische Grundlagen zurückführen ist das oft auch nichts für schwache Nerven. Man kommt bis zu einem gewissen Punkt und ab da muss man schon streng gläubiger Biologist sein, um das noch überzeugend zu finden. Von der Physik haben wir uns inwzischen Meilen entfernt, man würde nicht mal im Traum auf die Idee kommen, den Physiker (in seiner Eigenschaft als Physiker) zu sozialen Systemen zu befragen.
Aber folgt daraus, dass Biologie oder meinetwegen Soziologie unphysikalisch sind? Haben sie mit Ereignissen zu tun, die nicht von dieser raumzeitlichen Welt sind? Sind soziale Systene etwas, was sich von einer andere Dimension oder Welt auf uns Menschen herabsenkt?
Nein. Denn wo die Erklärungen aussetzen, setzt nicht (zwingend) die Ontologie aus. Auch wenn die Physik nicht sagen kann, was der Frosch als nächstes tun wird, haben wir keine Not andere Welten oder ontologische Ebenen für ihn einzuführen. Der Vitalismus hat ja nun auch nichts gebracht.

Und natürlich kann man sagen, Leben oder Bewusstsein, Geistiges, Soziales, Logik oder gar Religiöses und Spirituelles, das sei nichts von dieser Welt. Und dass es nicht nur so sei, dass man da Erklärungslücken habe, sondern dass die ganze Theorie (des Naturalismus und seiner ontologisch physikalistischen Basis) nicht hinreichend sei, aber dann muss man sich auch den Schwierigkeiten stellen, die alternatve Ansätze wie Dualismus/Pluralismus aufwerfen.

Wenn es also eine körperliche, raumzeitliche und geistige, nicht raumzeitlche Welt gibt (in der z.B. Argumente verarbeitet werden), wie kommen diese Argumente dann zurück in unsere Welt, so dass ich sie zum Beispiel aufschreiben kann, unter Zuhilfenahme meines raumzeitlichen Körpers? Woher wissen meine Finger, was sie tippen müssen, wenn das was ich ausdrücken will ontologisch anderswo stattfindet.

Ich glaube, dass Du von der Natur des Ontologsichen eine andere Vorstellung hast, als ich.
Ich denke, dass Du bspw. einen Kategorienfehler automatisch als ontologischen Fehler einstufst, ich glaube nicht, dass das in allen Fällen so ist.



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Do 21. Jun 2018, 10:46

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 10:04
Und natürlich kann man sagen, Leben oder Bewusstsein, Geistiges, Soziales, Logik oder gar Religiöses und Spirituelles, das sei nichts von dieser Welt.
Sag ich aber nicht.




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Tommy hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 10:54
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 10:46
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 10:04
Und natürlich kann man sagen, Leben oder Bewusstsein, Geistiges, Soziales, Logik oder gar Religiöses und Spirituelles, das sei nichts von dieser Welt.
Sag ich aber nicht.
Sondern? Was genau sagst Du eigentlich?
Dass all diese Dinge nicht im Kopf, nicht im Individuum verortet sind, sondern... ja wo denn eigentlich genau?
Fände ich auch sinnvoll, mehr zum Thema beizutragen, als immer wieder Themen auf eine persönliche Ebene zu ziehen, zu sagen, was man alles schon gesagt hat und dann irgendwann mürrisch auf den Kummer, den man angeblich hat, zu reagieren.
Ich kann auch nicht viel damit anfangen, Jörn, immer wieder zu hören, was alles angeblich absurd ist, aus irgendwelchen Gründen nicht geht und was Du alles nicht gessagt oder gemeint hast. Sag doch einfach was Du meinst, am besten mit Begründung.

Wenn Bewusstsein nichts Raumzeitliches ist, was ist es dann?
Wenn Gründe nicht nicht von dieser Welt sind (denn auch das hast Du ja nicht gesagt), also offenbar von dieser Welt sind, warum sind sie dann nicht raumzeitlich?
Was ist unsere Welt noch, außer raumzeitlich?
Wo werden Gründe verarbeitet, Deiner Meiung nach, wenn nicht im Kopf?
Wie werden denn Deiner Meinung nach soziale Gegebenheiten wahrgenommen?



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Tosa Inu hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 11:20
Sag doch einfach was Du meinst, am besten mit Begründung.
Das habe ich mehrfach ausführlich getan. Das könnt ihr zitieren und darauf werde ich auch antworten.




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Tommy hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 11:55
Es ist aber nicht klar geworden was Du meinst
Dann kannst du einfach den Absatz/Beitrag zitieren und dann kann ich versuchen zu es zu klären.




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Tosa Inu hat geschrieben :
Do 21. Jun 2018, 11:20
Wo werden Gründe verarbeitet, Deiner Meiung nach, wenn nicht im Kopf?
Gründe werden meines Erachtens überhaupt nicht "verarbeitet", sondern erwogen, diskutiert, erkannt, etc. Man könnte vielleicht auch sagen, dass sie vorliegen. Gründe sind auch nicht im Kopf, denn dazu müssten sie etwas raumzeitliches oder biologisches sein. Hier meine Erläuterung was Gründe sind: Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen. (Es gibt nach Ansicht von Parfit keine nicht zirkuläre Erläuterung, da der Begriff Grund basal ist.)

Normatives ist aber nichts raumzeitliches und Tatsachen sind natürlich nicht aus Atomen und Leere, sie bestehen oder bestehen nicht.

An anderer Stelle hab ich zu Gründen ein Beispiel dazu gebracht, das sich an einen Gedanken Derek Parfits anlehnt:

"Nehmen wir ein bekanntes Beispiel. Hans ist in der Wüste, eine tödliche Schlange nähert sich ihm. Sie ist für unbewegliche Körper fast blind, während sie bewegliche todsicher erkennt und vergiftet. Diese Tatsache liefert Hans einen guten Grund still zustehen. Leider glaubt Hans jedoch, dass seine einzige Chance die Flucht ist, was ihm das Leben kostet. Gründe sind also nicht im Kopf ... "

Der Grund "still zustehen, weil ..." liegt einfach vor, ob Hans davon weiß oder nicht. Gründe sind physikalisch ziemlich "leichtgewichtig" (ich glaub, so ähnlich drückt sich Parfit selbst aus) so nehmen sozusagen keinen Platz weg, weil sie kein physikalisches Sein haben. Damit Hans den Grund erkennen oder erfassen kann, braucht er natürlich ein funktionierendes Gehirn, aber das macht aus Gründen keine Dinge, die "verarbeitet" werden.

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Ebensowenig können Gedanken einfach im Kopf sein. Gedanken sind logische Gebilde, sie hängen inferenziell zusammen, durch Folgerungsbeziehungen. Biologische Phänomene sind jedoch keine logische Phänomene. Das logische Netz, dass unsere Gedanken zusammenhält, kann beliebig viele Gedanken umfassen, die wir nie zuvor gedacht haben, die aber zu diesem Netz gehören - auch daher können sie nicht im Kopf sein.

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Bewusstsein kann nicht im Kopf sein, da Bewusstsein (in veridischen Fällen) immer von etwas handelt, es ist Bewusstsein von etwas. Der Gegenstand des Bewusstsein ist jedoch nicht im Kopf, denn wenn ich die Wiese sehen, wäre das ein ernstes Problem für meinen Kopf: sie passt da nicht rein.

Nicht davon trage ich heute zum ersten Mal vor, das dürfte ich alles bekannt sein.




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Do 21. Jun 2018, 15:09

Welches Argument möchtest du mit der Frage verbinden?




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Do 21. Jun 2018, 15:29

Das hab ich erläutert: Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen.




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