Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim C. Fest
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@T.I., ich bin mit meiner Antwort ins "freestyle" abgezogen.
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Ich zitiere die Stelle nur, weil sie mir gefällt. Und wichtig finde ich, daß Arendt sagt, dies sei eine Art des Denkens, zu der jeder Mensch fähig sei. Das trifft wohl zu und gilt deswegen für alle Zeiten und Umstände.H. Arendt hat geschrieben : Nun, mit sich selbst zusammenleben heißt natürlich mit sich selbst sprechen. Und dies Mit-sich-selbst-Sprechen ist ja im Grunde das Denken. Und zwar eine Art von Denken, das nicht technisch ist, dessen jeder Mensch fähig ist. Also die Voraussetzung des Satzes ist: Ich habe Umgang mit mir. Und: Es mag Situationen geben, in denen ich mit der Welt so uneins werde, dass ich nur noch auf den Umgang mit mir zurückfallen kann – und vielleicht noch mit einem Freund, also mit dem anderen Selbst, wie Aristoteles mal so schön gesagt hat: autos allos. Dieses, meiner Ansicht nach, ist die eigentliche Situation der Ohnmacht. Und diejenigen Menschen, die tatenlos aus dieser Sache herausgegangen sind, waren diejenigen, die sich zugestanden, dass sie ohnmächtig waren, und an diesem Satz, der der Satz des Denkenden in der Ohnmacht ist, festhielten.
Arendt beendet ihre Sätze sehr häufig mit einem "nicht wahr?" Auffallend häufig (Mayröcker tut dies übrigens in ihren Prosa-Gedichten auch) - und ich komme nicht drauf, warum man/frau so sagt ...
In der Tat ist Hannah Arendt so etwas wie eine philosophische Pop-Ikone. Als ich in der Virtual Reading Group des Hannah Arendt Center hörte, dass nach Trumps Wahlsieg Arendts "Origins of Totalitarianism" auf einmal in den Bestsellerlisten war, hielt ich das zunächst für eine Art Selbstbeweihräucherung, bis der Deutschlandfunk und die New York Times dies auch meldeten. Vielleicht ist Arendt auch deswegen wieder so populär, weil sie sich ja nicht gern festlegen ließ und sich gerne zwischen alle Stühle setzte. Dies macht sie auf eine gewisse Art und Weise sympathisch.Tosa Inu hat geschrieben : ↑Do 28. Jun 2018, 10:56Ich weiß nicht, ob man sich zu schnell auf die Arendt Deutungen einlassen sollte. Sie ist mir auch plötzlich ein wenig zu sehr und schnell repopularisiert worden, mitunter aus durchaus dubiosen Kreisen, die gerne mal Verschwörungstheorien raushauen. Das kann man Arendt nicht anlasten, ich finde es nur auffällig.
Ich habe aber inzwischen den Eindruck, dass Arendt zwar politische Mechanismen brilliant analysiert, aber bei der Problemlösung ein wenig hinkt. Letzendlich existieren ja politische Mechanismen nicht einfach so, sondern sind von Menschen gemacht. Demnach wäre - meine Meinung - die menschliche Natur so etwas wie die eigentliche Ursache für viele Prolbeme - sei es der Totalitarismus oder auch die ökologische Krise. Hier scheint mir Hannah Arendt aber zu kurz zu greifen oder dies zu wenig zu thematisieren.
Joachim
"Under the most diverse conditions and disparate circumstances, we watch the development of the same phenomena - homelessness on an unprecedented scale, rootlessness to an unprecedented depth." Hannah Arendt
Und steht dadurch auch ein wenig in der Gefahr, dass sie vereinnamt wird, aber das lässt sich wohl nie vermeiden.
Der Naturbegriff ist leider selbst fürchterlich unterbestimmt, aber ich ahne, was Du meinst. Leider wird in beiden Lagern übertrieben. Den Biologismus siieht man inzwischen offiziell kritisch (obwohl gerade wieder so eine kleine 'alles genetisch' Welle läuft), auf der anderen Seite wird die Ansicht über die kulturelle Dehnbarkeit der Natur und unserer Körperlichkeit auch gerne mal bis ins Unsinnige überzogen.Joachim hat geschrieben : ↑Fr 29. Jun 2018, 22:47Ich habe aber inzwischen den Eindruck, dass Arendt zwar politische Mechanismen brilliant analysiert, aber bei der Problemlösung ein wenig hinkt. Letzendlich existieren ja politische Mechanismen nicht einfach so, sondern sind von Menschen gemacht. Demnach wäre - meine Meinung - die menschliche Natur so etwas wie die eigentliche Ursache für viele Prolbeme - sei es der Totalitarismus oder auch die ökologische Krise. Hier scheint mir Hannah Arendt aber zu kurz zu greifen oder dies zu wenig zu thematisieren.
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
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Ja, das wäre eine Option. Du könntest den Text auch einfach direkt einstellen. Ich hab das vor einem Jahr mit einem Vortragstext gemacht, den ich hier gepostet habe > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... ?f=20&t=16 Aufgrund der Zeichenbegrenzung muss man längere Texte dann über mehrer Beiträge verteilen.
Ich fände gut, wenn du das probieren würdest.
Ich hänge die Hausarbeit als PDF-Datei an, da es insgesamt rund 20 Seiten sind. Ich habe nur alle persönlichen Infos vom Deckblatt entfernt.
Ihr genießt die Sonne, ich nun einen Spätdienst.
Joachim
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Dafür wäre mE. hauptsächlich die psychologische Disziplin zuständig. Zumindest um einen Natur-Rahmen abzustecken und natürlich in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie Soziologie, historischer Anthropologie und Philosophie.Tosa Inu hat geschrieben : ↑Sa 30. Jun 2018, 08:28Der Naturbegriff ist leider selbst fürchterlich unterbestimmt, aber ich ahne, was Du meinst. Leider wird in beiden Lagern übertrieben. Den Biologismus sieht man inzwischen offiziell kritisch (obwohl gerade wieder so eine kleine 'alles genetisch' Welle läuft), auf der anderen Seite wird die Ansicht über die kulturelle Dehnbarkeit der Natur und unserer Körperlichkeit auch gerne mal bis ins Unsinnige überzogen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die letztes Jahr stattgefundene Konferenz des HAC: "Crises of Democracy. Thinking in Dark Times" hinweisen: http://hac.bard.edu/con2017 .
Einer der Redner auf dieser Konferenz war Marc Jongen, Philosophiedozent aus Karlsruhe, ehemaliger Assistent von Sloterdijk und so etwas wie philosophisches Mastermind der AfD. Ich selbst war leider nicht dort, habe die Konferenz aber per Webstream verfolgt. Jongens Auftritt sorgte für Aufsehen in der "Arendt Community" und man warf dem HAC bzw. Direktor Roger Berkowitz vor, mit Jongens Auftritt Populisten/Nazis eine Bühne geboten zu haben ohne dass Jongen widersprochen worden wäre. Ein Vorwurf, den ich nicht teilen kann und der interessanterweise vor allem von Leuten kam, die gar nicht an der Konferenz teilgenommen hatten.
Die einzelnen Teile der Konferenz findet man auch im YouTube-Channel des HAC: https://www.youtube.com/channel/UCHYEkn ... NnTCTwsEkQ
Joachim
Einer der Redner auf dieser Konferenz war Marc Jongen, Philosophiedozent aus Karlsruhe, ehemaliger Assistent von Sloterdijk und so etwas wie philosophisches Mastermind der AfD. Ich selbst war leider nicht dort, habe die Konferenz aber per Webstream verfolgt. Jongens Auftritt sorgte für Aufsehen in der "Arendt Community" und man warf dem HAC bzw. Direktor Roger Berkowitz vor, mit Jongens Auftritt Populisten/Nazis eine Bühne geboten zu haben ohne dass Jongen widersprochen worden wäre. Ein Vorwurf, den ich nicht teilen kann und der interessanterweise vor allem von Leuten kam, die gar nicht an der Konferenz teilgenommen hatten.
Die einzelnen Teile der Konferenz findet man auch im YouTube-Channel des HAC: https://www.youtube.com/channel/UCHYEkn ... NnTCTwsEkQ
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"Under the most diverse conditions and disparate circumstances, we watch the development of the same phenomena - homelessness on an unprecedented scale, rootlessness to an unprecedented depth." Hannah Arendt