Meditation und ihr philosophischer Gehalt

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
flechtlicht
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Sa 18. Aug 2018, 00:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Aug 2018, 16:36
Am meisten Probleme bereitet mir in der Praxis übrigens, eine gerade und bequeme Sitzposition zu finden!
Der ursprüngliche Zweck von Yoga ist es, den Körper sanft zu stärken und ihn auf die Meditation vorzubereiten, während der Meditation erlaubt es, aus einer unangenehm werdenden Position übergangslos in eine angenehme Stellung zu fließen.
Zuletzt geändert von flechtlicht am Sa 18. Aug 2018, 00:56, insgesamt 1-mal geändert.




flechtlicht
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Sa 18. Aug 2018, 00:49

Gedanken und Empfindungen nicht still halten zu können, ist Ausdruck seelischer Schwäche. Die Ursache liegt im Verrat unserer geschwisterlichen Einheit, dem Fall, der Ur und Erbsünde. Ein Leugnen der Wirklichkeit kann nur in einem Zustand unaufhörlichen Überbrüllens der Wahrheit durch Denkereien, Gefühlsgezappel und Geschäftigkeit ertragen werden. Es bedarf des gesamten seelischen Vermögens eines Menschen, um sich aus dem verführerischen Schlangentanz äußeren Denken und Fühlens dauerhaft herauszuwinden, bedingungslose Liebe ist die einzige Kraft, die unsere grenzenlose Gier zügeln und uns zur erfüllenden Bestimmung als liebevolle Schöpferwesen zurückfinden lässt.

Das innere Stillsein ist unsere natürliche Verfassung, ohne Ängste und Begierden stünden wir in dieser Welt, niemandens Knecht oder Herr, ein jedes nur Bruder oder Schwester aller anderen.
Man kann es als Gottesverwirklichung bezeichnen, als Paradies, Nirvana, Land des Lächelns ...
Es geschieht nicht, es ist die seelentiefe Entscheidung bei vollem Bewusstsein wieder wahr zu werden.

Wir stehen inmitten der Schönheit und Kraft des reinen Seins, das sich gebiert im Gleichgewicht aus Liebe und Freiheit, Freude und Frieden. Reine Energie ohne Wechselwirkung, reines Bewusstsein seiner selbst ohne Inhalt.

Ein Bauersmann war Holz sammeln im Wald und mit einem schweren Bündel auf den Schultern nach Hause unterwegs, plötzlich erfuhr er Erleuchtung, warf seine Last freudestrahlend in den Graben und führte ein ausgelassenes Tänzchen auf, anschließend lud er sich sein Bündel erneut auf und ging frohgemut seines Weges.

Erleuchtung ist doppelte Illusion, währen man sie erlebt, erkennt man, erinnert sich, lässt zu, dass es nichts anderes je wirklich gegeben hat und geben kann - es gibt keine Erleuchtung, nur den verzweifelten Versuch nicht wirklich zu sein und an Zufall zu glauben.
Sie ist mit keinerlei Privilegien verbunden, schlechte Gewohnheiten und karmische Verstrickungen bleiben bestehen und bedürfen weiterer sorgfältiger Heilung.

Es gibt auch keine Meister, nur Schüler die glauben, dass es einen Meister gibt und Menschen die ihnen liebevoll ihre Illusion erfüllen, indem sie so tun, als wären sie der Meister - mit der Absicht sie schonend zur Aufrichtigkeit zu führen.
Genausowenig wie es Eltern und Kinder gibt, nur Kinder, die andere Kinder aus Höflichkeit wie Eltern behandeln - mit der Absicht ihnen beizustehen, wenn die Illusion zerbricht.



Im Wesen der Liebe ist ein Wort mit eingeschlossen, das immer und überall, wo Liebe sich ereignet, nachgesprochen wird:

Ich bin für Dich da.


(Cicely Saunders, Begründerin der Hospizbewegung)




flechtlicht
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Sa 18. Aug 2018, 06:04

Wer will, mag sich jetzt das wahrhaftige Verhältnis zwischen Gott und Mensch vorstellen.




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Aug 2018, 06:07

die Übungen, die ich im Moment (geführt) mache, dauern immer 10 Minuten und ich bin jedes Mal enttäuscht, wenn sie schon vorbei sind :)




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Aug 2018, 06:36

Bild

Nam June Paik, TV Buddha

dann muss ich denken, wenn ich von meinem Tablet sitze und eine digitale geführte Meditation mache :)




Tosa Inu
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Sa 18. Aug 2018, 11:45

Bitte auf Fremdberichte zur Meditation und Spiritualität weitgehend verzichten.
Was A erlebte, B dazu meinte und C über die Interpretation von B meint, wird zu dem allseits bekannten und leider allzu beliebten Kräftemessen qua Autorität derer, auf die man sich beruft.

Eigene Erfahrungen, gerne auch von Anfägern, vor allem inneren - schmerzende Knochen hat zu Beginn jeder - und Überlegungen, was diese nun eigentlich für das Leben und das eigene Welterleben bedeuten, immer gerne. Das kann ruhig spekulativ sein, denn das sind die anderen Bereiche des Lebens auch, mehr, als wir glauben.

Wir sind nie im Jetzt, sondern wir erinnern und sehnen uns zurück, in ein (oft verklärtes, aber auch das zu sehen ist lehrreich) Damals und eine erhoffte oder befürchtete Zukunft und noch da nahe Jetzterleben überarbeiten wir sofort mit Spekulationen darüber, wie man jetzt dasteht, dass man andere daran teilhaben lassen muss usw.

Zu einem spirituellen Weg gehört daher immer auch das Schweigen, nicht aus Elitarismus oder Geheimniskrämerei, sondern um mit den Erfahrungen allein zu bleiben, was heute schon eine eigene Grenzerfahrung ist. Der Thread verlangt zwar das Gegenteil, nämlich plaudern aus dem eigenen Nähkästchen, aber wer sich zu einem spirituellen Weg im Anschluss berufen fühlt, kann das Schweigen problemos nachholen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 05:25

Friederike hat geschrieben :
Do 16. Aug 2018, 12:31
Was ist denn eigentlich der Antrieb in unserer, der westeuropäischen Gesellschaft, Meditationsformen auszuprobieren? Meine These, auch begründet durch eigene Erfahrung, lautet, daß der Impuls von einer Art von Unglücklichsein gegeben ist. Dem Wunsch und der Erwartung, Meditation könne das Lebens-Gefühl verbessern.

Aufhebung (Erich Fried)

Sein Unglück
ausatmen können

tief ausatmen so dass man wieder einatmen kann

Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte

Und weinen können

das wäre schon fast wieder Glück




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Friederike
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So 19. Aug 2018, 10:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 18. Aug 2018, 11:45
Zu einem spirituellen Weg gehört daher immer auch das Schweigen, nicht aus Elitarismus oder Geheimniskrämerei, sondern um mit den Erfahrungen allein zu bleiben, was heute schon eine eigene Grenzerfahrung ist. Der Thread verlangt zwar das Gegenteil, nämlich plaudern aus dem eigenen Nähkästchen, aber wer sich zu einem spirituellen Weg im Anschluss berufen fühlt, kann das Schweigen problemos nachholen.
Das, finde ich, ist ein beachtenswerter Aspekt der Veränderungen, die sich möglicherweise und der inneren Logik von "Meditation" gehorchend, für den einzelnen Menschen auf dem meditativen Weg ergeben. Das Bedürfnis der Selbstmitteilung, des Austausches über dies und das, allgemein gesagt, das kommunikative Bedürfnis, verschwindet? Man denkt, ein Grundbedürfnis? Im Zusammenhang mit der Frage, was eigentlich mit dem "Ich" passiert oder was dem "Ich" geschieht, könnte es so sein, daß das normale Alltags-Ich sich über die Begegnung mit anderen "Ichs" immer wieder neu seiner selbst versichern muß. Vielleicht, weil diese Bestärkung und Bestätigung nicht mehr benötigt werden -deswegen, weil das "Ich" einen anderen Zustand in der Meditation annimmt- vielleicht verschwindet aus diesem Grunde auch der Wunsch mit Anderen zu sprechen?




Tosa Inu
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So 19. Aug 2018, 11:02

@ 'Friederike'

Ja, das zum einen, die andere Seite ist glaube ich, dass man nicht unbedingt scharf darauf ist, sich ständig eine blutige Nase zu holen, weil niemand versteht, was man meint, da niemand praktiziert, was man selbst tut. Denn der Austausch mit Menschen, die ähnliches erlebt haben, ist dann durchaus wieder beglückend.

Ich habe einige Jahre einen integralen Salon geleitet und da habe ich mit vielen geredet, die regelmäßig meditierten und durchaus auch über fortgeschrittene Erfahrungen verfügten und darüber hinaus oft auch noch sehr intelligent waren. So ein Austausch ist klasse, auch weil er den Klischees widerspricht, Meditierende seinen nur an Sensationen und Übernatürlichem interessiert. Wenn alle über sehr ähnliche Erfahrungen verfügen, ist die reine Tatsache, dass man meditiert und dabei auch sonderbare Dinge erlebt hat, schnell Nebensache, da das eben jeder kennt und nichts mehr ist, mit dem man glänzen könnte oder müsste und man kann versuchen, die Erlebnisse spirituell, philosophisch und psycholgisch einzuordnen.

Aber die andere Seite stimmt auch, dass man sich in gewisser Weise selbst genügt. Dieser unmittelbare Drang sich zu verbreiten, der verschwindet insofern aus einer inneren Logik, wie Du sagst, weil die Praxis der Meditation ja immer auch eine Praxis der Impulskontrolle ist.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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So 19. Aug 2018, 13:35

Tosa Inu hat geschrieben :
So 19. Aug 2018, 11:02
Aber die andere Seite stimmt auch, dass man sich in gewisser Weise selbst genügt. Dieser unmittelbare Drang sich zu verbreiten, der verschwindet insofern aus einer inneren Logik, wie Du sagst, weil die Praxis der Meditation ja immer auch eine Praxis der Impulskontrolle ist.
Das ist mir zu wenig @T.I. Du hattest eingangs nach der Funktion bzw. der Bedeutung des "Ich" gefragt, was Ihr in der Folge im Gespräch vertiefend umkreist hattet, und dieser Punkt scheint mir in Verbindung mit dem Schweigen wichtig. "Sich selbst mehr oder weniger genügen", das trifft mE nicht die -auch- philosophische Erkundung des "Ich", das aus meiner Sicht engstens mit "Identität" und "Selbst-Bild" verknüpft ist. Meine Überlegung geht also in die Richtung, inwieweit sich in der fortlaufenden Meditationspraxis dieses "Ich" verändert. Ich nehme ein Bild zu Hilfe, um mich verständlicher zu machen. Anfangs ist das "Ich" wie ein fester Knoten, der im Kontakt mit Anderen gelockert und auch wieder fester gezogen werden kann. Damit es aber ein Knoten bleibt, sind die Anderen als Spiegel unverzichtbar. Ich stelle es mir nun so vor, daß über eine lange Zeit, in der Meditation geübt wird, sich dieser Knoten zunehmend lockert, d.h. Selbst-Bilder verschwimmen, werden immer diffuser und zwar deswegen, weil sie nicht mehr benötigt werden. Alles, was ich von mir und über mich sagen könnte, ist gesagt und irgendwas anderes tritt an die Stelle der tausende von Selbstbeschreibungen, mit denen ich mein "Ich" konstituiert habe. Meine Güte, ich weiß gar nicht, wie ich es richtig ausdrücken soll, weil ich mein "Ich" noch nie anders als in dem Knoten-Bild erfahren habe. Entscheidend scheint mir jedenfalls bei der "Ich"-Entwicklung im Rahmen der Meditation, das wiederhole ich, daß mit der Auflösung der Selbst-Bild-Notwendigkeit auch die Kommunikations-Notwendigkeit abnimmt.




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Jörn Budesheim
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Mo 20. Aug 2018, 06:35

innen/außen
Was ist damit in diesem Zusammenhang eigentlich gemeint? Die physischen Körpergrenzen ja wohl nicht ... Was?




Tosa Inu
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@ ‚Friederike‘

Mit dem Bild vom Knoten kann ich viel anfangen. Wilber benutzt ein ähnliches und sieht das Ich als Kontraktion, was mich auch spontan angesprochen hat. Ein fester Knoten entspricht einer großen Kontraktion und einem kleinen, engen Ich. Umgekehrt weist dann ein großes Ich eine sehr geringe oder gar keine Kontraktion mehr auf, der Knoten wäre irgendwann einmal gelöst.

In der Meditation findet man häufig zunächst, bei den ersten zehn Versuchen, ganz viel Ich, weil alles neu ist und man merkt, was alles weh tut, stört usw. Aber irgendwann beruhigt sich das Ich und der Knoten lockert sich.
In Begegnungen mit anderen verändert sich das Ich laufend, da bestimmte Ich-Arten, wenn man es so sagen will, sich ja dominant aus Begegnungen mit Welt und vor allem mit anderen konstituieren
Friederike hat geschrieben :
So 19. Aug 2018, 13:35
Alles, was ich von mir und über mich sagen könnte, ist gesagt und irgendwas anderes tritt an die Stelle der tausende von Selbstbeschreibungen, mit denen ich mein "Ich" konstituiert habe.

Das finde ich ebenfalls sehr passend. An anderer Stelle lese ich dazu gerade, dass das Selbst eine Erzählung ist, über die andere uns und wir die anderen kennen lernen. Irgendwann ist dann vielleicht wirklich einmal alles gesagt, vor allem ist auch die Qualität dessen entscheidend, was man für mitteilenswert hält. Qualität heißt hier nicht unbedingt, für wie interessant man die Geschichte hält, die man da erzählt, sondern ob man überhaupt vom Ich abstrahieren und aus dem generellen Modus von „Kinder, was ich alles schon erlebt habe, ihr glaubt es nicht“ heraus kommt. Das gilt natürlich auch für die Meditation, denn, dass man allein damit zum Glück nicht mehr bei allen punkten kann, heißt ja nicht, dass man es nicht dennoch, in einem bestimmten Umfeld kann.

Da das Ich dynamisch ist und im guten Fall auch empathiefähig, kann es aber auf der anderen Seite auch nicht darum gehen, sich immer mehr zu vergeistigen und alles „Niedere“ mehr oder weniger angestrengt von sich abzustreifen und hinter sich zu lassen. Jeder hat seine Geschichte und sein eigenes Temperament, aber die zu hochnäsige Attitüde, habe ich in den meisten Fällen als eher unglückliche Show erlebt. Es kann ja nicht sein, dass Erleuchtung heißt, eins mit allem zu sein und gleichzeitig mit nichts und niemandem in der Welt mehr etwas zu tun zu haben. Das ist eher Solipsismus und die Erkenntnis der Aufbruch zum Mahayana-Buddhismus vor 1000 Jahren gewesen.
Eher scheint mir das Gegenteil richtig, dass man immer mehr Schatten abbaut und ins Ich hinein nimmt. Dass das Ich immer mehr verdrängte Bereiche erobert, also ebenfalls den Knoten lockert, war schon Freud bewusst.
Schwieriger zu verstehen als zu leben, ist vielleicht das Verhältnis von Offenheit und Distanz. Denn das immer größer und damit immer luzider werdende Ich, ist einen kein psychotischer Ich-Verlust und auch kein Verlust der Impulskontrolle, wie bei einer Borderline-Störung. Eine generelle Offenheit, die auch die Angst verliert, dass der eigene gute Ruf mit „Niederem“ kontaminiert wird, heißt dennoch nicht, dass man alles mitmachen muss.
Wenn man – darum rede ich so gerne von Archetypen – einen bestimmten Typus von Erfahrungen kennt, kennt man ihn, kann jederzeit mitmachen, es aber auch bleiben lassen. Ein größeres Ich bedeutet immer mehr Freiheit, man hat die Wahl sich da einzuklinken, muss es aber nicht dranghaft tun.

Meine Beobachtungen sind, dass Begegnungen mit Menschen, Tieren, Landschaften, Literatur, Kunst, Philosophie, die Reflexion über diese Erlebnisse, gerade auch die äußerst verdichtete philosophische und Meditation, mit den Erfahrungen in diesem Bereich alle Hand in Hand gehen. Woran ich so gut wie immer scheitere, ist die meditative Haltung z.B. in den Beruf mitzunehmen. Auf der anderen Seite bin ich vor wenigen Sekunden, dank unseres Austauschs, zu der Überlegung gekommen, dass das vielleicht auch nicht die angemessene Haltung ist. Denn bereits seit längerer Zeit glaube ich immer weniger an die Idee, dass es darum geht, einen bestimmten Zustand zu erreichen, einen irgendwie meditativen, spirituellen oder erleuchteten und in diesem dann immer zu verweilen, sondern, dass es darum geht, ständig durch alle Zustände, Hohen und Tiefen zu wandern. Je größer die Spannbreite dessen, was man kennt und teilen kann, womit man in Empathie gehen kann, umso besser, so wie ich das sehe, nach oben und nach unten.
Wer ernsthaft sagt, er könne überhaupt nicht verstehen, wie man sowas machen oder so denken könne, hat da vermutlich noch viel nachzuholen.
Es gibt immer was, was man nicht sein möchte und man ist ständig bemüht oben zu schwimmen und sich keine Blöße zu geben, doch damit kämpft man eben auch unablässig um seine Rolle und sein virtuelles Ansehen, fast lächerlich möchte man meinen, andererseits äußerst ernst zu nehmen, da viele dieser Aufrechterhaltung eines digitalen Selbstbildes ungeheuer viel Energie widmen. Gehört heute bei vielen dazu.
Mehr Ich, also mehr gesundes, großes Ich heißt, über eine größere Amplitude zu verfügen, mehr Brüche zu leben, in alle archetypischen Kuchenstücke im Zweifel reinbeißen zu können, statt einige immer wieder zu meiden, weil diese zu süß, heiß, kalt oder eklig sind.

Was Meditation sehr gut kann, ist diese Dinge zusammen zu bringen. Eben nicht krampfhaft theoretisch, sondern durch achtsames Anschauen und Loslassen. Das Ich führt da oft Kleinkrieg, immer mit der Botschaft, dass ich so eigentlich nicht bin. Vielleicht war das gerade mal ein Ausrutscher, aber im Grunde bin ich ganz anders. Das was wir da verbergen wollen, ist unser Schatten, das, was wir nicht mögen, um keinen Preis sein wollen. Es ist sehr sehr schwer wirklich zu konfrontieren, dass man das und so auch ist, gerade wenn man im Leben viel investiert hat um sich und anderen unablässig zu beweisen, dass man so nicht ist.
Ein wirklich schwieriger Punkt, denn womit man in spirituellen Kreisen vielleicht noch durchkommt, mit Worten wie, dass man ja irgendwie jeder ist und alles und überall, andererseits aber auch nichts, nicht besser sein will als andere, aber irgendwie auch nicht schlechter, damit fällt man beim Psychologen durch.
Kann ja sein, dass der Check der Identitätsdiffusion beim erleuchteten Menschen nicht mehr adäquat ist, aber das kann man nicht einfach so behaupten, man muss es auch belegen. Aber bevor man niemand werden kann, ist es ganz gut jemand zu sein und das auch ausdrücken zu können und seinen Stil behält man auch bei, wenn man erleuchtet ist. Man ist zornig oder mitfühlend, intellektuell oder emotional.

Der nächste schwierige Punkt ist, dass das, was sich kenne und erkenne, auch wenn ich es mir nicht zuschreibe, dennoch in mir ist und ich es damit dennoch auch bin. Um diesen Punkt werden weiter ideologische Kriege geführt, Dethlefsen und Kernberg, haben ihn auf dem Boden vollkommen unterschiedlicher Ansätze beide klar erkannt, im Grunde ist das nur die Überwindung von Projektionen oder wohl noch öfter projektiven Identifikationen, aber was man schnell intellektuell begriffen hat, ist ungeheuer schwer zu integrieren.
Vermutlich bringen Psychotherapie und Meditation in Kombination das Ich eher in die Lage, diese Punkte zu konfrontieren.
Nicht nur das Ich hat Stufen oder Grade, auch der Schatten. (Kann man vielleicht noch mal näher beleuchten, würde jetzt zu weit führen.)

Erleuchtung ist der Spaziergang durch alle Welten, ich glaube, im Bewusstsein der eigenen Wachheit, womit ich meine, dass man entscheidende Begegnungen und Situationen erkennt und nicht verschläft und eine gewisse Sicherheit darin hat, zu wissen, dass man jederzeit das richtige tun oder unterstützen kann. Da das innere Wege sind, die äußere Aktion nicht ausschließen aber auch nicht erzwingen, geht es eher darum zu erkennen, wenn irgendwo ein Fenster aufgeht und jemand bereit ist einen Schritt zu machen. Erleuchtung als Dauermodus der Predigt ist eher suspekt, man muss erkennen, wo es sich lohnt etwas zu tun.



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Mo 20. Aug 2018, 10:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 20. Aug 2018, 06:35
innen/außen
Was ist damit in diesem Zusammenhang eigentlich gemeint? Die physischen Körpergrenzen ja wohl nicht ... Was?
Das hast Du doch schon an mehreren Stellen gefragt und eingebracht.
Meditation ist die Technik, die diese Differenzierung vielleicht am radikalsten infrage stellt.



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Jörn Budesheim
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Mo 20. Aug 2018, 11:27

Aber worin besteht sie? Was wird in Frage gestellt?




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Mo 20. Aug 2018, 11:48

Die Trennung ist ein soziales Konstrukt, das insofern einen recht hohen Grad an Nachvollziehbarkeit hat, als ich Dir problemlos sagen kann: "Guck mal da, der Baum" und Du sofort weißt, was gemeint ist, aber Dir der unmittelbare Zugang zu: "Guck mal da, meine Migräneaura" fehlt.
Das lässt eine innen/außen Unterscheidung sinnvoll erscheinen.

Nun ist es aber so, dass z.B. Wittgenstein darauf hinweist, dass das mit dem Innen und Außen nicht so eindeutig ist, Freud, Austin, Habermas usw. tun das ebenfalls. Sellars und die Konstruktivsten wiederum sagen, dass das mit dem unmittelbaren Zugang zum Außen auch so eine Sache für sich ist und die Meditation wirft die Frage auf, was eigentlich nicht innen erlebt wird. Woran merkst Du denn, dass der Baum da draußen ist und was heißt draußen dann überhaupt?
Wenn wir einen Zugang zum Sein nicht teilen (Du kannst meine Migräneaura nicht sehen), einen anderen aber doch (Du kannst von meiner Migräneaura wissen), wo ist dann innen und außen?

Wenn wir uns begegnen und ich in einer bestimmten Stimmung bin, dann kannst Du das feststellen, Deine Stimmung gleicht sich meiner an und umgekehrt.
Im Rahmen intensiver psychotherapeutischer Begegnungen kommt es vor, dass zum Patienten gegengeschlechtliche Therapeuten das Gefühl entwickelt, wirklich zu verstehen, wie es ist, da andere Geschlecht zu sein. Man übertritt die geshlechtliche Grene. Man kann es sich nicht einfach nur ganz gut vorstellen, sondern die Erfahrung geht tiefer.
Ein Therapeut, der mit imaginativen Therapien arbeitet hat mal erzählt, dass er die inneren Bilder seiner Klienten sehen kann.
Das geht weiter, bis zur Legende des Erleuchteten, der zusammenzuckt, als ein Stein seiner Anhänger einen streunenden Hund trifft.

PS:
Und vergessen habe ich noch den ganzen Bereich er Projektionen, in denen man in der klassischen Projektion etwas an (verräterisch vielen) anderen bemerkt, was einen selbst ärgert, man selbst hat aber das Gefühl, damit nichts zu tun zu haben und auch nicht verstehen zu können, wie jemand so drauf sein kann.
In der projektiven Identifikation sieht man beim anderen eine Verhalten und meint obendrein genau zu wissen, warum der so und nicht anders agiert, was sein Motiv ist. Ich bin so nicht, weiß aber genau, warum der ist, wie er ist.



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Mo 20. Aug 2018, 12:02

Anbei drei Seelenbilder von Salvador Dali
zuerst der gegallene Engel,
http://charmingpplincardigans.tumblr.co ... -was-doing

danach unser ursprünglicher Seinszustand, wie er während der Meditation annähernd erfahren werden kann.
https://www.redbubble.com/de/people/tan ... l=carousel

https://www.alamy.de/stockfoto-salvador ... 13268.html




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Aug 2018, 16:36
Am meisten Probleme bereitet mir in der Praxis übrigens, eine gerade und bequeme Sitzposition zu finden!
Auf dieser Seite findest Du bestimmt einen angenehmen Sitz: https://www.yogabasics.de/10343/meditat ... editation/

Es kommt beim Sitz darauf an, dass man eine zugleich stabile, entspannte und zentrierte Haltung einnimmt. Ich fühle mich am besten im halben Lotussitz mit einer eingerollten Decke unterm Hinterteil. Dabei ist das Gewicht stabil auf drei Punkte verteilt (Gesäß und Knie). Die Wirbelsäule ist auf entspannte Weise gestreckt, und der Bauch (das Zentrum) ist frei, so dass er beim Atmen bis hinunter in die Leistenbeugen nachgeben kann.




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Jörn Budesheim
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Mo 20. Aug 2018, 13:59

Ich hab knien und Lotussitz kurz probiert und war spontan dagegen. Mir gefällt es auf dem Stuhl besser :-) Aber eine gerade Haltung ist für jemand, der sich ansonsten eher hinfleetzt eher gewöhnungsbedürftig. Aber ich fange langsam an, mich dran zu gewöhnen, manchmal schätze ich es sogar :-) Heute morgen hatte ich das erste mal etwas "Widerwillen" mit der Meditation zu starten. Aber als ich dann dabei war, war es sehr schön :-)




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Friederike
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Di 21. Aug 2018, 09:04

Tosa Inu hat geschrieben : Ein größeres Ich bedeutet immer mehr Freiheit, man hat die Wahl sich da einzuklinken, muss es aber nicht dranghaft tun.
Das kurbelt mich an wie ... ich weiß nicht wie. Fühlt sich irgendjemand von Euch frei? Frei, andere Gefühle zu haben, frei, andere Gedanken zu haben, frei, andere Verhaltensmuster zu haben? Ich nicht.




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Di 21. Aug 2018, 09:43

Friederike hat geschrieben :
Di 21. Aug 2018, 09:04
Tosa Inu hat geschrieben : Ein größeres Ich bedeutet immer mehr Freiheit, man hat die Wahl sich da einzuklinken, muss es aber nicht dranghaft tun.
Das kurbelt mich an wie ... ich weiß nicht wie. Fühlt sich irgendjemand von Euch frei? Frei, andere Gefühle zu haben, frei, andere Gedanken zu haben, frei, andere Verhaltensmuster zu haben? Ich nicht.
Ich schon, aber nicht permanent. Dieses Freiheitsgefühl hängt mit meinem Vertrauen *) zusammen, und das ist abhängig von Stimmungen, Umständen und Ereignissen.

*) Hier wollte ich zuerst "Selbstvertrauen" schreiben. Aber das würde es nicht ganz treffen. Denn das Vertrauen, das ich in der Meditation erfahren habe, ist eher ein unbestimmtes "Urvertrauen", das sich nicht auf bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten oder überhaupt Personen stützt. Es ist gewissermaßen ein grund- und bodenloses Vertrauen. Oder ein Vertrauen ins Bodenlose. Ich habe diese Erfahrung schon einmal so formuliert: "Das Bodenlose trägt."

Das mag mancher vielleicht für Autosuggestion halten, die sich durch gewisse psychophysische Techniken - genannt "Meditation" - herbeiführen lasse. Aber selbst, wenn es nicht mehr sein sollte - wir wissen alle, dass wir de facto anders handeln, je nachdem, ob wir ängstlich oder angstfrei sind.




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