Der Begriff "Kultur"

Kultur- und Geisteswissenschaften im erweiterten Umfeld der Philosophie
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Friederike
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So 3. Mär 2019, 15:01

TsukiHana hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 14:38
Nee, neeee, Duuu... den Ausdruck "Kulturdialekt" habe ich keineswegs erfunden! :lol: Und ginge er dennoch auf meine Kappe, so würde ich eindeutig die plattdeutsche Sprache darunter verstehen wollen. Diesen kurzen Anflug von Lokalpatriotismus möge man mir verzeihen und nachsehen... :D (besonders die Schwaben unter uns)
*begöscher* Liebste TsukiHana, ich bitte kniefällig um Vergebung. Nein, wie konnte ich glauben ... ja, das Platte gehört unter diesen veränderten Umständen dann zweifellos zu den Kulturdialekten. Sage, kannst Du richtig plattdütsch reden? Bei mir langts nur zum Missingsch.




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TsukiHana
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So 3. Mär 2019, 16:04

Friederike hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 15:01
Bei mir langts nur zum Missingsch.
Wat? Wohnen wir vielleicht ganz nahe beieinander? :D
Min Grooutmodder het mi noch in`ner Kinnertiet dat moje Leed gesungen:
Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann,
Do weer de Welt so groot


https://www.youtube.com/watch?v=of-6GC5HNqs
(wie man hier kleine Videos einbindet, lerne ich vielleicht auch noch)

Uns Sabbel-Ina bringt es noch mit meeeehr Gefühl rüber :D
https://www.youtube.com/watch?v=VbcYCw7YiIo



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Stefanie
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So 3. Mär 2019, 18:17

Ich versuche es mal anders.
Es sind nicht nur meine Eindrücke, sondern von allen Menschen in meinem Umkreis. Einer der meist gesagten Sätze ist ein altbekannter Klassiker...Ist das schon Kunst, oder kann das weg? Zweite Aussage ist, gut es ist Kunst, ja aber was zeigt es denn, was soll ich da sehen, was bedeutet es usw.
Diese Aussage fallen in der Regel bei Kunstwerken, die gemeinhin mit moderner Kunst bezeichnet werden.
Letztens stolperte ich bei Facebook über diesen Artikel:
https://www.nzz.ch/feuilleton/bin-ich-b ... ld.1330092

So richtig finde ich mich nicht wieder, zum einen bin nicht blöd und ungebildet, habe auch keine Angst, Unwissen zu zeigen, und ich brauche keine Kunstkompetenz für meine soziale Stellung, bzw. meine, diese haben zu müssen.

Trotzdem hat mich dieser Artikel irgendwie schockiert. Auch das Bild am Anfang des Artikels, welches meiner Meinung nach im Zusammenhang mit dem Text ein Vorurteil, welches die Kunst hat, darstellt.

Die Aufführung von Maria Stuart war furchtbar. Es wurde in diesem Fall Schiller durch das Bühnenbild und die Kostüme etwas "angedichtet", was er nie im Leben vorhersagen konnte, mal abgesehen davon, dass die Bezugnahme zur Nazizeit in Richtung Relativierung dieser Zeit ist. Lasst die Klassiker in der Zeit, in der sie spielen, und nicht vor dem Hintergrund der nach ihnen entstandenen Historie interpretieren.
2016 sah ich in der Semper Oper don giovanni von Mozart. Ich war begeistert. Das Bühnenbild zeigte die heutige Welt, die Kleidung ware modern, es gab Telefon und Handy... aber man hat Mozart Mozart sein lassen. Da wurde nichts reininterpretiert, was vielleicht Mozart sich hätte ausgedacht über das 21. Jahrhundert.

Leichtigkeit meint nicht, bitte nur seichtes, oder Friede Freude Eierkuchen, oder nix politisches. Sondern, dass vielleicht manchmal weniger mehr ist.
Ich überlege gerade, ob es ein modernes Kunstwerk gibt, das Leichtigkeit ausstrahlt, Freude am Leben zeigt, durchaus auch kritisch ist, und das gleichermaßen von Betrachtenden, Kritikern und Künstlern gleichermaßen bejubelt wurde bzw. wird?
Christo? Niki de Saint Phalle? Magritte? Keine Ahnung.



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Jörn Budesheim
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So 3. Mär 2019, 18:46

Stefanie hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 18:17
Auch das Bild am Anfang des Artikels, welches meiner Meinung nach im Zusammenhang mit dem Text ein Vorurteil, welches die Kunst hat, darstellt.
Welches Vorurteil, das dort dargestellt wird, hat denn die Kunst?




szimmer
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So 3. Mär 2019, 18:54

[*] Hi
Stefanie hat geschrieben :
Sa 2. Mär 2019, 23:46
Ich gehe davon aus, dass die Befragten, wie ich auch, in diesem Zusammenhang unter Kultur Oper, Theater, Konzerte (klassisch) verstanden haben.
Aber gerade diese Trennung in der Kultur schafft schon Hindernisse und erschwert den Zugang.

Warum interessieren sich so viele Menschen kaum oder gar nicht für Kunst und Kultur?
Dies ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass es zu wenige Bildungsmöglichkeiten gerade für Kinder und Jugendliche gibt, um gerade bei zukünftigen Erwachsenen Interesse zu wecken.
Es geht um "Abgehobenheit", und um das Gefühl, es ist nur für einen bestimmten Personenkreis bestimmt. Kultur kommt oft exklusiv daher, die moderne Kunst baut Hürden auf, die dazu führen, dass es sich manche zweimal überlegen, bevor sie in Museum oder in eine Ausstellung gehen. Es bestehen Berührungsängste. Und die bestehen nicht nur wegen angeblich fehlender Bildung.
Deutschland ist ein Museumsland. Die Besucherzahlen sind total unterschiedlich. Die meisten Besucher haben technische, historische und archäologische Museen, weit abgeschlagen sind Museen und Ausstellungen zur modernen Kunst. Die Documenta mal außen vorgelassen, diese ist nicht Alltag.
Man muss sich trauen, sich moderne Kunst anzuschauen, oder Opern/Theateaufführungen in den sog. modernen Inszenierungen.
Ich war noch nie in einer Galerie, bzw. in Ausstellungen in einer. Das habe ich auch nicht vor... es ist so, als ob dort unsichtbare Schilder hängen mit der Aufschrift "geschlossene Gesellschaft".
Und das geht wahrscheinlich vielen so, wenn sie nur in ein Museum oder in eine Oper "sollen".
Mich interessiert aus diesem Grund der Ansatz von Nora Sternfeld. Sie macht es einen allerdings nicht leicht, herauszubekommen, wie das in der Praxis ablaufen soll.
In der Oberstufe hatten wir von der Schule aus ein Theaterabo für die Oper und Theater. In besonderer Erinnerung geblieben ist mir u.a. eine negative Aufführung, Maria Stuart von Schiller.
Das war furchbar. Eine dieser sog. modernen Inszenierungen. Eine Metalltreppe wurde immer hoch und runter gefahren, und alle "Bösen" trugen Gestapomäntel. Da gehen 16- 18 jährige in ein Theaterstück, haben vorher in der Schule eine kurze Einführung und erwarten klassische Kostüme etc. aus der Zeit, in der das Stück spielt. Das war so abgehoben, wir fanden es alle ätzend, fragten uns, was sollten die Anspielungen auf die Nazi Zeit, und überhaupt was soll das? (Übrigens nicht nur wir, es wurde sogar gepfiffen von den teuren Plätzen.) Seit dem ist meine Neugierde auf Theaterstücke, vor allem auf die Klassiker, nicht gerade ausgeprägt. Wer weiß, was damit angestellt wird.

Es gibt auch moderne Inszenierungen von Opern, die sind toll. Der Unterschied zu Maria Stuart war der, bei den guten Aufführungen blieb man auf den Boden, bleibt am Stück, es wurden die Menschen mitgenommen. Heutzutage entsteht der Eindruck, die Inszenierung ist wichtiger, als das Stück, um das es geht. Bei mir in der Stadt gab es im letzten Jahr eine Verdi Oper, ich habe lange überlegt, ob ich hingehe. Allein schon die Vorstellung, alles auf modern getrimmt sehen zu müssen, das Risiko wollte ich nicht eingehen, und bin nicht gegangen. Opern von Verdi, oder Puccini in opulenten Aufführungen, den ursprünglichen Inszenierungen sehr nahe... das wäre mal was.

Gerade für Außenstehende entsteht der Eindruck, der Kunst und der Kultur im o.g. Sinne fehlt die Leichtigkeit, der Spaß, die anrührenden Emotionen, sie ist schwer, melancholisch, düster usw. und kommt mit dem künstlerisch, pädagogischen Zeigefinger daher.
Tut mir leid Stefanie aber anscheinend muss ich mich wiederholen: wenn eine Statistik schon von eingeschränkten pauschalen Begriffen ausgeht ist sie nicht tragbar. Oder erklär mal einem Autobastler für den ein Auto ein Kunstwerk ist oder ein Koch der Haute oder auch niedrige Cuisine macht oder die Höhlenmalerei der Steinzeit...oder ein Alphornbläser oder Lionel Messi oder...der Überlebenskünstler bei Hemingways altem Mann und das Meer...oder...
warum sie in der bewussten obigen Statistik gar nicht drin sind?
Das ist eine Statistik die sich rein auf Kunst als wahrnehmbare Hochkultur bezieht...aber nicht auf die grundlegenden Künste derselben...ohne die es die Hochkultur gar nicht gäbe...



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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Jörn Budesheim
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So 3. Mär 2019, 20:19

Die Umfrage hat meines Erachtens ungefähr folgende Struktur. Es gibt ein bestimmtes Angebot X. Und die Umfrage versucht heraus zu bringen, ob dieses Angebot X genutzt wird, bzw ob Interesse daran besteht.

Die Statistik bringt jedoch zu Tage, dass circa 60% der Deutschen angeben, sich kaum oder gar nicht für das Angebot X, nämlich die Kunst und Kulturszene zu interessieren. Und nur 10% geben an, ein besonderes Interesse zu haben. Für das Land der Dichter und Denker ein interessanter Befund.

Wie will man darauf reagieren? Nun kann man natürlich den Begriff der Kunst und Kulturszene in Zukunft so fassen, dass am Ende herauskommt, dass sich 100% der Deutschen dafür interessieren ...

Ich bin eher dafür, andere Maßnahmen zu ergreifen. Denn das Angebot X, um dass es in der Umfrage geht, ist ja da, es ist ein reales Angebot. Es gibt diese Kunst und Kulturszene. Es wird dafür viel Engagement, Zeit und Geld investiert. Man möchte schließlich, dass dieses Angebot genutzt wird und ein Publikum findet. Dazu könnte man eine Reihe von Maßnahmen in Betracht ziehen, z.b. verstärkte schulische Bildung oder Erhöhung der Attraktivität des Angebotes, interessantere Vermittlungsangebote etc.pp.




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TsukiHana
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So 3. Mär 2019, 21:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 20:19
Dazu könnte man eine Reihe von Maßnahmen in Betracht ziehen, z.b. verstärkte schulische Bildung oder Erhöhung der Attraktivität des Angebotes, interessantere Vermittlungsangebote etc.pp.
Ja, bei der verstärkten schulische Bildung würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen:
Kunsterziehung als Pflichtfach, dazu noch ein obligatorisches Praktikum im Museum/Theater/Oper/Bibliothek usw. für alle Schulformen!

Vielleicht würde dann der abgedroschene, muffige Treppenwizt "Ist das Kunst, oder kann das weg?" endgültig auf dem Müllplatz der Menschheitsgeschichte landen?
BOAH... ich kann es echt nicht mehr hören!!! :roll:



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Jörn Budesheim
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Mo 4. Mär 2019, 05:59

Stefanie hat geschrieben : Die Aufführung von Maria Stuart war furchtbar. Es wurde in diesem Fall Schiller durch das Bühnenbild und die Kostüme etwas "angedichtet", was er nie im Leben vorhersagen konnte, ...
Die Inszenierung muss ja wirklich einen nachhaltig negativen Eindruck auf dich gemacht haben - auf der anderen Seite hat dir Don Giovanni gefallen, da sind wir immerhin schon bei fifty fifty :)

Nehmen wir den hypothetischen Fall, dass ein Autor des 18. Jahrhunderts für sein Publikum des 18. Jahrhunderts ein Stück geschrieben hat, dass seinerseits im 18. Jahrhundert spielt. Daraus ergibt sich leicht ein Dilemma:

Für das Publikum des Autors war Stück möglicherweise höchst aktuell. Wie will man das angemessen inszenieren? Denn das, was für die Menschen des 18. Jahrhunderts aktuell war, muss es für uns nicht automatisch sein ... macht man ein Kostüm Stück daraus, dann gehen die Aktualität und die Brisanz des Stücks vielleicht verloren, denn man schafft damit möglicherweise eine Distanz des heutigen Publikums zum Stoff, die dem Stoff vielleicht ganz und gar unangemessen ist.

Bringt man das Stück hingegen in die Jetztzeit, wird man z.b. mit Requisiten und sonstigen Elementen arbeiten müssen, die es zur Zeit des Autors noch gar nicht gab ... dieses Dilemma ist nicht ohne weiteres aufzulösen und jede Inszenierung muss ihre eigene Antwort darauf finden.

Wie auch immer, ich bin auch nicht mit allen Theaterstücken, die ich hier in Kassel bisher gesehen habe, einverstanden. Meine Bilanz ist jedoch deutlich besser als deine, wie es scheint. Seit 5 Jahren habe ich ein Abo. Und in der Zeit habe ich ca 30 bis 40 Stück gesehen. Genau genommen haben mir nur zwei davon nicht gefallen. Ich finde das ist ein recht glückliches Verhältnis :-)




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Stefanie
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Mo 4. Mär 2019, 07:15

Meine Bilanz ist besser als 50 %. Es waren Beispiele.
Im Abijahr waren wir in Brecht "Die Gewehre der Frau Carrar". Das war toll. Gut, ich mag Brecht, und hier wurden zudem die technischen Möglichkeiten genutzt. Die Zuschauertribune war fahrbar, und wurde mal ganz nah an Bühne gefahren, mal weiter weg und das Geschehen wurde auch ins Publikum verlagert. Es gab auch noch andere Aufführungen, Frisch, Nestroy, Goethe. Das war o.k.

Ich konnte auch mal die Truppe von Pina Bausch sehen, interessant, war nur nicht meins.
Mit Opern hatten wir damals nicht so viel Glück, es gab nur zwei. Der fliegende Holländer von Wagner. Hmm, sage wir mal, ein Opernhaus einer mittelgrossen Stadt kann sich auch mal verheben...die Musik war zu mindestens nicht abschreckend. Ich wäre gern mal in Bayreuth. Der Maskenball von verdi war tragisch. Kurz vor der Aufführung gab es ein Feuer im Opernhaus und die Oper gab es als Konzert. Blöd gelaufen.

Zur Leichtigkeit. Hier hatte ich ein Beispiel im Kopf. Anatevka. Manchmal nennt man das Stück Musical mal komische Oper. Bis auf ein Lied, was zu einem Schlager mutierte, kannte ich es nicht. Also vorher die Handlung durchgelesen, und dabei festgestellt, die Handlung ist durchaus auch tragisch. Das Bühnenbild war schlicht und modern, aber so was von passend. Die Kostüme entsprachen der Zeit, in der es spielt. Die Kombination von Humor und Tragik wurde nicht mit der brechstange dargestellt, das Stück wurde nicht eingepresst, es wurde laufen gelassen, ohne die Tiefe auszublenden. Es war ausbalanciert und respektvoll, man lachte in dem einem Moment und musste kurz danach schlucken. Ich war schwer beeindruckt, vom Stück selber und wie es umgesetzt wurde. Es kommt als komische Stück daher, und ist doch mehr.



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Mo 4. Mär 2019, 07:26

Stefanie hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 07:15
Meine Bilanz ist besser als 50 %.
Bild




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TsukiHana
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Mo 4. Mär 2019, 09:05

szimmer hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 18:54
Das ist eine Statistik die sich rein auf Kunst als wahrnehmbare Hochkultur bezieht...aber nicht auf die grundlegenden Künste derselben...ohne die es die Hochkultur gar nicht gäbe...
Solche Statistiken haben meistens nur einen geringen Aussagewert, doch offenbar dienen sie - selbst mit diesem geringen Gehalt - immer noch als "Argument", wem es gerade passt und wenn es opportun ist.
Goethe hat geschrieben : Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt.

Faust I, Hexenküche, Mephistopheles zur Hexe



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Friederike
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Mo 4. Mär 2019, 09:43

TsukiHana hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 09:05
szimmer hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 18:54
Das ist eine Statistik die sich rein auf Kunst als wahrnehmbare Hochkultur bezieht...aber nicht auf die grundlegenden Künste derselben...ohne die es die Hochkultur gar nicht gäbe...
Solche Statistiken haben meistens nur einen geringen Aussagewert, doch offenbar dienen sie - selbst mit diesem geringen Gehalt - immer noch als "Argument", wem es gerade passt und wenn es opportun ist.
Goethe hat geschrieben : Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt.
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Wahrscheinlich gehört es zum Selbstverständnis unserer -der dt. Gesellschaft-, daß das einfache Volks kein Interesse an der Kunst hat bzw. daß die Kunst zu abgehoben ist. Aus diesem Grunde müssen die Umfrageparameter immer so sein, daß eben dieses Ergebnis bei rauskommt. Würde man einen erweiterten Kunstbegriff zugrundelegen, dann käme man natürlich zu anderen Ergebnissen ... von denen man gar nicht will, daß sie bei rauskommen.




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Jörn Budesheim
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Mo 4. Mär 2019, 11:18

Ja, ganz bestimmt. Dann könnte man auch viel Geld sparen. Wofür ein Kulturbudget, wenn sich der Bedarf sozusagen aus begrifflichen Gründen von alleine deckt :-)




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Friederike
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Mo 4. Mär 2019, 13:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 11:18
Ja, ganz bestimmt. Dann könnte man auch viel Geld sparen. Wofür ein Kulturbudget, wenn sich der Bedarf sozusagen aus begrifflichen Gründen von alleine deckt :-)
Falls noch nicht gelistet: Kulturbudget .

Genau, die Kulturbudgets sind doch mehr Makulatur ... verglichen zumindest mit dem Etat für die Gorch-Fock-Sanierung und den sonstigen kleinen militärischen Gerätschaften. En richtiger Wille zur Ästhetisierung des einfachen Volkes ist, finde ich, nicht erkennbar.




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TsukiHana
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Mo 4. Mär 2019, 17:15

Friederike hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 13:08
...die Kulturbudgets sind doch mehr Makulatur ... verglichen zumindest mit dem Etat für die Gorch-Fock-Sanierung
Es ist nicht einfach verlässliche Zahlen zu finden. Da muss ich wohl (später!) noch etwas tiefer graben...
Auffällig oft wird das Jahr 2009 als Referenz genannt. Ein Schelm, wer - ausgerechnet an Rosenmontag - auch noch Pöses dabei denkt. :lol:
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-u ... uer-kultur

Was kostet Kultur? SZ, 25. Februar 2015
https://www.sueddeutsche.de/kultur/kult ... -1.2360767

Kein Scherz (und wenn doch, dann ein sehr bitterer) hingegen sind die völlig aus dem Ruder geratenen Sanierungskosten der Gorch Fock. :x
...Als das Segelschiff 2016 in die Werft kam, waren für die Wiederinstandsetzung des historischen Schiffs zehn Millionen Euro angesetzt worden. Schritt für Schritt steigerte sich dieser Preis auf heute satte 135 Millionen Euro.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 43453.html

Dennoch bin ich für den Erhalt des alten Seglers! Nicht nur, weil ich gerne selbst mit alten Segelschiffen in See steche. Nun wird ermittelt, welche "Ratten" sich da gar fürstlich bedient haben...
Da sag ich nur mit B. Brecht:

...Mit seinen Ratten, seinen Löchern,
Mit seiner Pest, mit Haut und Haar...

Oh Himmel, strahlender Azur!
Enormer Wind die Segel bläh!
Lasst Wind und Himmel fahren! Nur
Lasst uns um Sankt Marie die See!





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Jörn Budesheim
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Mo 4. Mär 2019, 19:02

Friederike hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 13:08
Genau, die Kulturbudgets sind doch mehr Makulatur
Ich weiß nicht ... Verglichen, mit was auch immer, kann es vielleicht spärlich aussehen. Aber wie sieht es z.b. in meiner eigenen Umgebung aus: Ich wohne in Kassel - eine kleinere Großstadt. Sie hat kulturell sicherlich nicht so viel zu bieten wie zum Beispiel Frankfurt, aber dennoch kommt einiges zusammen.

Ungeordnet und nur ausschnittsweise zähle ich auf, was mir in den Sinn kommt:

Wir gönnen uns eine eigene Kunsthalle mit einem international anerkannten Programm. Im selben Haus gibt es einen sehr regen Kunstverein. Wir haben eine Gemäldesammlung von Weltrang. Wir haben ein Haus, welches Kunst des 17. und 18. Jahrhundert präsentiert sowie die klassische Moderne bis hin zu den documenta Einkäufen.

Wir haben ein gutes Dutzend kleinere Galerien, die auf privaten Initiativen* basieren. Wir haben ein sehr gutes Staatstheater mit Schauspiel, Oper und Tanz. Und in den Bereichen Musik, Theater und Tanz gibt es auch eine engagierte freie Szene in Kassel.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch viele Museen z.b. das Tapetenmuseum und das Sepulkralmuseum, bei dem es um Totenkult geht. Wie gesagt, das ist nur ein Ausschnitt. Es fehlt natürlich die documenta und soweit ich weiß, haben wir auch eine kleine Szene zum Thema Poesie und Schriftstellerei, eine eigene sehr gute Graffiti "Meile" mit regelmäßigen Ausstellungen und Veranstaltungen und sicherlich noch vieles mehr, was mir aus dem Stand nicht einfällt.

All das wird von der Stadt in unterschiedlichen Maßen finanziert/gefördert/unterstützt. Ich finde nicht, dass man das einfach unter Makulatur verbuchen sollte.

Da ich selbst sehr in dieser *Szene engagiert bin, finde ich es schade, wenn ich lese dass 60% der Menschen sich nicht mal dafür interessieren.




szimmer
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Mo 4. Mär 2019, 20:55

Nur Mal als Info zur Klärung der Begrifflichkeiten: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hochkultur_(Soziologie)
Was wir seit 200 Jahren erleben ist eine Demokratisierung der Hochkultur. Im Mittelalter fand Kultur im von Jörn angegebenen Bereich fast nur im Bereich der Kirche und Klöster statt. In der Neuzeit kam dann der Adel und die Oberschicht dazu. Mozart hat z.b. fast nur für die komponiert. Beethoven war dann der erste individuelle Komponist für "jedermann" über einen Verleger...dem schloss sich dann der Geniekult in der Romantik an...im gebildeten Bürgertum...mit Kaiser darüber.
Nachdem dann Atheismus, Sozialismus, Nietzsches "Gott ist tot", WK I mit Abdankung des Kaisers über die Bühne gingen, sprich Demokratie einer Mehrheit für angeblich alle die Norm wurde hat sich das natürlich auch auf DIE Hochkultur ausgewirkt. Ein Beispiel ist hier zeitgenössische neue statt klassische Musik, die fast nur bei Festivals interessierte Anhänger findet.
Und heute: Volkshochschule, Abitur für fast jede/n, Ballet- oder Reitunterricht, Knipskurse für Digitalfotografen, Meditationszentren, Yogaschulen...
ein fast nicht zu überschauendes Meer an Freizeitmöglichkeiten...und Jörn wundert sich über angebliches Desinteresse an der Kunstszene...
Apropos: es gibt Untersuchungen dass angeblich nur noch ca. 20% regelmäßige Kirchgänger sind und sich nur ca. 15% Prozent für Politik interessieren... voll Demo(k)Ratisch natürlich... 😊



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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Stefanie
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Mo 4. Mär 2019, 21:38

Fakt ist aber auch, Kunstmuseen haben wesentlich weniger Besucher, als andere Museen. In Deutschland.



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Di 5. Mär 2019, 00:05

Ich weiß jetzt nicht auf welchen Faktencheck Du Dich berufst Stefanie...auf meinen Beitrag bestimmt nicht.
Mein Argument war jedenfalls nicht Masse statt Klasse...sondern Darstellung der Vermassung der am Kulturbetrieb Teilnehmenden in Zeiten von Demokratie und seine Konsequenzen!
Dass Qualität und um das geht es bei Kunst, nichts für die breite Masse ist, dürfte eigentlich bekannt sein. Was nicht heißt, dass sie nicht irgendwann weltbekannt ist.
Siehe Beispiel Van Gogh. Da ist im Herbst eine Ausstellung in Frankfurt und ich werde froh sein wenn ich rein komme.

Das wesentliche Kriterium bei Kunst ist für mich immer Qualität und nicht Quantität. Interessant ist wie ein/e Künstler/in ein Werk gestaltet und welche Wirkung es auf ein Individuum hat und nicht wie viel er/sie produziert, Likes oder Verkäufe hat...



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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TsukiHana
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Di 5. Mär 2019, 00:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 19:02
Friederike hat geschrieben :
Mo 4. Mär 2019, 13:08
Genau, die Kulturbudgets sind doch mehr Makulatur
Ich weiß nicht ... Verglichen, mit was auch immer, kann es vielleicht spärlich aussehen. Aber...
Gar so kryptisch sind die Vergleiche "mit was auch immer" nicht.
Man kann es auch ganz konkret, zum Beispiel an drastisch geschrumpften Förderungen für nicht ganz so etablierte Projekte machen.
Entweder finden sich private Sponsoren, oder die Projekte gehen unter. So einfach ist es!

Dazu lohnt ein Blick in die vom Deutschen Kulturrat herausgegebene Rote Liste, die eine ganze Reihe bedrohter Kultureinrichtungen führt. Alleine in meiner Gegend sind 7 Einrichtungen betroffen. Entweder sind sie bedroht, oder schon geschlossen.
https://www.kulturrat.de/thema/rote-liste-kultur/

@ Jörn, darunter sind auch Einrichtungen in Kassel und Umgebung.

Ich nehme mal ein Beispiel aus meiner Stadt:

für die Rettung des legendären Streis-Kinos war kein Geld da, dafür wurden Unsummen in ein umstrittenes Gebäude gesteckt, mit dem wir jetzt immerhin auf Platz zwölf im Ranking der teuersten Gebäude der Welt stehen. Ganz großes Kino!
Und würde man die tatsächlichen Kosten der Elbdisharmonie endlich offenlegen, könnte man sicherlich vielleicht sogar auf Platz 10, oder 9 landen. :cry:

https://www.handelsblatt.com/unternehme ... 2kHCDZ-ap6

Förderung kleiner Kulturprojekte? Ach! Ist doch nur Kunst, kann ja weg!
Dafür lässt sich jetzt vorzüglich Geschäfte machen, denn kaum jemand weiß, dass sich hinter der Glitzer-Fassade die teuersten Privatwohnungen der Stadt befinden... Preis je Quadratmeter soll zwischen 15.000 und 36.000 Euro liegen.

Und solltest Du jetzt immer noch meinen, das sein Vergleiche "mit was auch immer", so kann ich es noch viel konkreter machen, denn auch ich bin in der "Szene" engagiert. Und nicht erst seit gestern.



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