Der Begriff "Kultur"

Kultur- und Geisteswissenschaften im erweiterten Umfeld der Philosophie
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Friederike
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Mo 11. Mär 2019, 08:36

Danke @Stefan (+ fürs Haiku Dank an Dich, @TsukiHana). Und überhaupt, ich bin ganz gerührt. :oops:




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TsukiHana
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Mo 18. Mär 2019, 19:41

Friederike hat geschrieben :
Mo 11. Mär 2019, 08:36
Danke @Stefan (+ fürs Haiku Dank an Dich, @TsukiHana). Und überhaupt, ich bin ganz gerührt. :oops:
@ `Friederike` ...und überhaupt... Rührung be.rührt jetzt auch mich! :D
Gern geschehen, zumal es so gut in die Schneggigkeit passte... *flööööt*



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TsukiHana
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Sa 23. Mär 2019, 05:14

Max Fuchs hat geschrieben :
Begrifflichkeiten

„Das Wort ‚Kultur‘ ist wohl eines der komplexesten in unserer Sprache“ – so beginnt Terry Eagleton (2001:7) seine Einführung in die Kulturtheorie. Was für das Englische gilt, gilt erst recht für die deutsche Sprache: Der Kulturbegriff ist in aller Munde. In den Wissenschaften gibt es fast überall einen „cultural turn“ (Bachmann-­Medick 2006). Die aktuelle Konjunktur des Kulturbegriffs weist darauf hin, dass mit ihm etwas erfasst wird, was bisherige Konzepte und Begriffe offenbar übersehen haben. Seine vielseitige Verwendung in vielfältigen Praxis-­ und Wissenschaftskontexten lässt zudem erwarten, dass man es mit einer Pluralität unterschiedli­cher Definitionen zu tun hat. Eine Vielfalt von Kulturen – was auch immer darunter verstanden wird – entspricht einer Vielfalt der Kulturbegriffe und ­-theorien. Es kann sich aber auch um Paradigmenwechsel in den Wissenschaften handeln, die ihre Ursache in der Untauglichkeit bislang verwendeter Konzepte haben oder auch bloß Moden sind (Fuchs 2008b).

„Kultur“ ist jedenfalls ein Pluralitätsbegriff, ein Begriff, der Relevanz in Theorie und Praxis hat, ein Begriff, an dem sich bestimmte Professionen festmachen. Er hat mit Entwicklung zu tun. Seine Vielfältigkeit und seine Dynamik weisen zudem darauf hin, dass man nicht sicher über seinen Gegenstandsbereich sein kann. Dirk Baeckers (2000:33) Vorschlag, „Kultur“ aus all den genannten Gründen als Suchbegriff zu verstehen, macht deshalb Sinn. Auf welche Problemlagen reagiert man also bei der Verwendung des Kulturbegriffs? Wie kommt seine Attrak­tivität zustande? Welche Problemlage verdeckt aber auch möglicherweise der Kulturbegriff?

Als erste Orientierung sollen zwei Kulturbegriffe wiedergegeben werden. „Kulturphilo­sophie“, so Ralf Konersmann (2003:26), „ist die verstehende Auseinandersetzung mit der endlichen, von Menschen gemachten Welt – und das ist die Kultur.“ Es geht darum, dass der Mensch handelnd in die Welt eingreift, um diese zu seiner Welt zu machen und auch sich selbst in diesem Prozess gestaltet. Damit wird die Beschäftigung mit der Kultur (als Menschenwerk) zur komplementären Ergänzung von Anthropologie (als Lehre vom Menschen selbst): Kultur­theorie und Anthropologie sind zwei Seiten derselben Medaille. Die tätige Auseinandersetzung mit der Welt, dieser Prozess der Selbst-­ und Weltgestaltung will verstanden werden – auch dies ist offenbar eine Mitgift der Anthropogenese: der Bedarf an Deutung. „Kultur“ kann sich daher sowohl auf Dinge und Prozesse, aber auch auf Geistiges beziehen. Der Kulturbegriff stellt eine Brücke zwischen Basis und Überbau dar (vgl. Eagleton 2001)...
Quelle: Kulturbegriffe, Kultur der Moderne, kultureller Wandel von Max Fuchs
https://www.kubi-online.de/artikel/kult ... ler-wandel



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Friederike
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So 24. Mär 2019, 15:32

Nur, damit Du Bescheid weißt @TsukiHana, daß Dein Hinweis auf offene Ohren bzw. Augen getroffen ist. Ich habe den Fuchs-Aufsatz vom ersten bis zum letzten Wort gelesen. Ich weiß nur gar nicht, an welcher Stelle ich einhaken könnte/sollte/wollte.Bild




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TsukiHana
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So 24. Mär 2019, 15:36

Nur, damit Du Bescheid weißt @ Friederike... ich werde den Aufsatz ein 2. Mal lesen, denn ich schwebe heute immer noch im Farbenrausch. :lol:
Herr Zimmermann verweilt gerade auf den Kanarischen Inseln, also können wir uns ruhig etwas Zeit lassen.



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Günter Franz
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Fr 5. Apr 2019, 05:30

Friederike hat geschrieben :
Fr 15. Feb 2019, 13:50
Noch ein vorerst letztes Wort. Die Beispiele, die Du gewählt hast, finde ich gar nicht schlecht geeignet, um den Begriff "Kultur" zu beackern. Fan-, Diskussions- oder politische Kultur zeigen doch sehr schön, daß wir oder daß man mit "Kultur" meint, einem bestimmten Bereich mit einer Ordnung, Verhaltensregeln und Ritualen zu versehen, in dem, täte man dies nicht, wild, ungezähmt und unorganisiert agiert würde.
Kultur ist ja auch etwas, für das man etwas tun muss. Mir fiel da zum Beispiel eine Bakterien- oder Schimmelkultur ein, der man einen geeigneten Nährboden, eine passende Temperatur und genügend Zeit geben muss, um sie wachsen zu lassen. Dazu kommt dann noch, was man da kultiviert, Penicillium oder Yersinia. Und was dem einen giftig ist, ist dem anderen heilend. Was ist dann eine "Unkultur"? Damit will ich jetzt nicht zum "Unkraut" überleiten ;o) Gute Nacht, Günter




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Friederike
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Fr 5. Apr 2019, 09:36

Günter Franz hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 05:30
Kultur ist ja auch etwas, für das man etwas tun muss. Mir fiel da zum Beispiel eine Bakterien- oder Schimmelkultur ein, der man einen geeigneten Nährboden, eine passende Temperatur und genügend Zeit geben muss, um sie wachsen zu lassen. Dazu kommt dann noch, was man da kultiviert, Penicillium oder Yersinia. Und was dem einen giftig ist, ist dem anderen heilend. Was ist dann eine "Unkultur"? Damit will ich jetzt nicht zum "Unkraut" überleiten ;o) Gute Nacht, Günter
Guten Morgen, Günter! "Unkultur", ich glaube fast, dieses Wort existiert überhaupt nicht. Zumindest in der Alltagssprache kommt es nicht vor. Man sagt, jemand sei ein unkultivierter Mensch und meint damit einen Menschen, der "sich nicht zu benehmen weiß" (in dem Bereich, den "Knigge" erfaßt :lol: ). Achso, man sagt ja direkt, jemand habe ein "unkultiviertes Benehmen". Aber "Unkultur" scheint mir eher sowas wie ein Kunstwort zu sein, d.h. ein Wort, das man -wie wir hier- einführt, zu heuristischem Zwecke. Ansonsten ist es völlig ungebräuchlich.

Falls ich Deinen Vergleich richtig verstehe, würde sich aus ihm die Überlegung ergeben, unter welchen Bedingungen die Menschen gut gedeihen? Hmhm, d i e Menschen? "Was dem einen giftig" ... usw.




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TsukiHana
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Fr 5. Apr 2019, 15:29

Günter Franz hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 05:30
Was ist dann eine "Unkultur"? Damit will ich jetzt nicht zum "Unkraut" überleiten ;o) Gute Nacht, Günter
Da die Natur kein "Unkraut" kennt, nur Wildkräuter, deren Verwendung wir Menschen nur noch nicht erkannt haben, ist Deine Begründung für "Unkultur" wenig schlüssig, lieber Günter :D



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Jörn Budesheim
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Mo 8. Apr 2019, 05:43

Günter Franz hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 05:30
Was ist dann eine "Unkultur"?
Friederike hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 09:36
"Unkultur", ich glaube fast, dieses Wort existiert überhaupt nicht. Zumindest in der Alltagssprache kommt es nicht vor.
Ich kenne den Begriff aus der Alltagssprache: Wenn die Kollegen am Mittagstisch aufs Handy starren, statt sich an der Unterhaltung zu beteiligen, das nennt man in der Regel Unkultur. Wenn man wegen des Gedränges weder in die Straßenbahn rein kommt noch raus, haben wir ein Fall von Unkultur vor uns (oder hinter uns). Und wenn man im Kino vor lauter Knabber- und Trink-Geräuschen von dem Film nichts mitbekommen, haben wir weiteren Fall von Unkultur.

Aber was eine Unkultur im Unterschied zu einer Bakterienkultur ist, davon kann ich mir kein Bild machen :)




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Jörn Budesheim
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Mo 8. Apr 2019, 05:47

TsukiHana hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 15:29
Da die Natur kein "Unkraut" kennt, nur Wildkräuter ...
Sollten wir per se die Ordnung der Natur für die Begriffsbildung innerhalb der Kultur heranziehen? ;)




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TsukiHana
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Mo 8. Apr 2019, 10:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2019, 05:47
TsukiHana hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 15:29
Da die Natur kein "Unkraut" kennt, nur Wildkräuter ...
Sollten wir per se die Ordnung der Natur für die Begriffsbildung innerhalb der Kultur heranziehen? ;)
Beim UNwort "Unkraut" bin ich unbedingt dafür! Angelehnt an die treffliche Aussage von Oskar Kokoschka:
„Jäten ist Zensur an der Natur.“
Diese Zensur hatte durchaus auch religiöse Züge im Laufe der Geschichte bekommen, als die Christenmenschen anfingen die Gaben der Natur in Marienkräuter und Teufelskräuter zu unterscheiden. :D
(Nein, nein, nein! Das habe ich mir nicht ausgedacht!!!)



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Friederike
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Mo 8. Apr 2019, 11:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2019, 05:43
Ich kenne den Begriff aus der Alltagssprache: Wenn die Kollegen am Mittagstisch aufs Handy starren, statt sich an der Unterhaltung zu beteiligen, das nennt man in der Regel Unkultur. Wenn man wegen des Gedränges weder in die Straßenbahn rein kommt noch raus, haben wir ein Fall von Unkultur vor uns (oder hinter uns). Und wenn man im Kino vor lauter Knabber- und Trink-Geräuschen von dem Film nichts mitbekommen, haben wir weiteren Fall von Unkultur.
Mir sind für dergleichen Situationen zwar die Bezeichnungen "Un-Art" (betont wird das "Un") oder "Unsitte" geläufiger, aber über alltagssprachliche Gebräuchlichkeiten zu streiten ist müßig. Daß es sich bei den 3 von Dir ausgewählten Beispielen um Fälle von Un-Kultur handelt, darin sind wir uns zumindest sehr einig.




szimmer
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Mo 8. Apr 2019, 22:18

Für neue Verhaltensformen aus moralischer Entrüstung heraus auch gleich einen neuen Begriff, die Unkultur, zu nehmen ist durchaus authentisch bzw..adequat zu nennen. Dabei fällt mir auf dass Begriffe wie ungesittet oder gar ungehobelt zumindest in der Generation meiner Eltern (Kriegsgeneration) noch verwendet wurden. Das hat aber immer einen allgemein gültigen urteilenden Moralcharakter. Meiner Meinung nach wäre Smartphonejunkee, Ignorant, Narzisst mit sozialer Gleichgültigkeit etc. passender...aber vll. auch nur weil die Wut bzw. der Ärger bei mir da unkultiviert erstmal vorrangig zur wohlüberlegten moralischen allegemeingültigen Einordnung ist...frei nach dem Motto "jedem das Seine"... oder Irr/hrige 😈



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

Günter Franz
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Di 9. Apr 2019, 02:26

TsukiHana hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2019, 19:41
Friederike hat geschrieben :
Mo 11. Mär 2019, 08:36
Danke @Stefan (+ fürs Haiku Dank an Dich, @TsukiHana). Und überhaupt, ich bin ganz gerührt. :oops:
@ `Friederike` ...und überhaupt... Rührung be.rührt jetzt auch mich! :D
Gern geschehen, zumal es so gut in die Schneggigkeit passte... *flööööt*
Be-rührt zu werden, lässt uns immer wieder uns selbst spüren.
Das muss man nämlich selbst tun, aber man braucht paradoxerweise auch andere dazu. ;o)
Daher ist ein Dank hier und da dafür keine schlechte Idee.




Günter Franz
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Di 9. Apr 2019, 03:02

TsukiHana hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2019, 10:21
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2019, 05:47
TsukiHana hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 15:29
Da die Natur kein "Unkraut" kennt, nur Wildkräuter ...
Sollten wir per se die Ordnung der Natur für die Begriffsbildung innerhalb der Kultur heranziehen? ;)
Beim UNwort "Unkraut" bin ich unbedingt dafür! Angelehnt an die treffliche Aussage von Oskar Kokoschka:
„Jäten ist Zensur an der Natur.“
Diese Zensur hatte durchaus auch religiöse Züge im Laufe der Geschichte bekommen, als die Christenmenschen anfingen die Gaben der Natur in Marienkräuter und Teufelskräuter zu unterscheiden. :D
(Nein, nein, nein! Das habe ich mir nicht ausgedacht!!!)
Ja, lieber Jörn Büdesheim, es wäre ein trefflicher Ansatz, immer wieder das, was IST (soweit wir es erkennen können) als "Eichmaß" für unsere Denk-Konstrukte heranzuziehen, um möglichst wenig zu irren, in dem wir unsere Wahrnehmung für das Sein halten.
Weder Unbelebtes noch Pflanzen, Tiere oder deren Verhaltensweisen können irgendwie un... sein, basieren sie doch auf der "Natur" und können nicht aus ihrem "Rahmen" heraustreten.
Man kann "natürlich" (hier würde ein un davor passen) versuchen, die Natur zu "zensieren". Darauf hin wird sie uns dankenswerterweise zuverlässig lehren, wie flexibel sie ist und welche weit verzweigten Zusammenhänge wir übersehen haben, als wir dachten, so einfach in ein System einzugreifen, in dem Milliarden Jahre "Entwicklungserfahrung" stecken. :D
Allerdings räume ich ein, dass es praktisch ist, man schnell "un" zu sagen oder zu schreiben und damit eine eigene Erfahrung weiterzugeben, um nicht immer solche Absätze tippen oder sagen zu müssen wie den obigen. Doch was täten wir sonst hier Besseres?
Ach, eine Maria und ein Teufel machen noch keine Religion. Deren Verwendung in der "Kräutersache" ist meines Erachtens auch der Effizienz des Sprechens geschuldet und reichert zudem die Sprache mit interessanten Details an, die uns hier die grauen Zellen anregen und uns hindern, wieder einmal aus Langeweile dem Smartphone (es sei ob der Möglichkeiten, die es uns gibt, geehrt :o) zu verfallen. Was unterscheidet den Rechner, an dem ich tippe, vom Smartphone, außer, dass er (fast) nicht telefonieren kann?
Hui, kaum fängt man an, führt schon ein Wort zum anderen!
Bitte verzeiht mir! (@Tsuki: Weghören oder aufregen! ;o)




Günter Franz
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Di 9. Apr 2019, 03:20

szimmer hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2019, 22:18
Für neue Verhaltensformen aus moralischer Entrüstung heraus auch gleich einen neuen Begriff, die Unkultur, zu nehmen ist durchaus authentisch bzw..adequat zu nennen. Dabei fällt mir auf dass Begriffe wie ungesittet oder gar ungehobelt zumindest in der Generation meiner Eltern (Kriegsgeneration) noch verwendet wurden. Das hat aber immer einen allgemein gültigen urteilenden Moralcharakter. Meiner Meinung nach wäre Smartphonejunkee, Ignorant, Narzisst mit sozialer Gleichgültigkeit etc. passender...aber vll. auch nur weil die Wut bzw. der Ärger bei mir da unkultiviert erstmal vorrangig zur wohlüberlegten moralischen allegemeingültigen Einordnung ist...frei nach dem Motto "jedem das Seine"... oder Irr/hrige 😈
Das "Un" ist einfach praktisch, um schnell etwas negieren zu können. Auch ich kenne die von Dir genannten "un-"-Adjektive von meinen Eltern, da sie auch dieser Generation angehörten. Mein Problem dabei war, zuerst unbewusst, dann immer unvernebelter, das Gefühl, dass damit alle anderen "Qualitäten", die in der Sache oder dem Menschen wohnen, auf die oder den das "Un" angewandt wurde, nichts mehr zu "sagen" hatten.
Du sprichst das mit dem schrecklichen "allgemein gültigen urteilenden Moralcharakter" derart lebendig an, dass sich mir die Härchen aufstellen. In dieser Generalität kann ein solcher "wortgewaltiger" (wie treffend!) Sprachgebrauch letztlich "tödlich" sein, in welcher Form auch immer!




Günter Franz
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Di 9. Apr 2019, 03:55

Friederike hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 09:36
Günter Franz hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2019, 05:30
Kultur ist ja auch etwas, für das man etwas tun muss. Mir fiel da zum Beispiel eine Bakterien- oder Schimmelkultur ein, der man einen geeigneten Nährboden, eine passende Temperatur und genügend Zeit geben muss, um sie wachsen zu lassen. Dazu kommt dann noch, was man da kultiviert, Penicillium oder Yersinia. Und was dem einen giftig ist, ist dem anderen heilend. Was ist dann eine "Unkultur"? Damit will ich jetzt nicht zum "Unkraut" überleiten ;o) Gute Nacht, Günter
Guten Morgen, Günter! "Unkultur", ich glaube fast, dieses Wort existiert überhaupt nicht. Zumindest in der Alltagssprache kommt es nicht vor. Man sagt, jemand sei ein unkultivierter Mensch und meint damit einen Menschen, der "sich nicht zu benehmen weiß" (in dem Bereich, den "Knigge" erfaßt :lol: ). Achso, man sagt ja direkt, jemand habe ein "unkultiviertes Benehmen". Aber "Unkultur" scheint mir eher sowas wie ein Kunstwort zu sein, d.h. ein Wort, das man -wie wir hier- einführt, zu heuristischem Zwecke. Ansonsten ist es völlig ungebräuchlich.

Falls ich Deinen Vergleich richtig verstehe, würde sich aus ihm die Überlegung ergeben, unter welchen Bedingungen die Menschen gut gedeihen? Hmhm, d i e Menschen? "Was dem einen giftig" ... usw.
Guten Morgen, Friederike!
Es kommt nicht oft vor, aber dann und wann kommt mir dieses Wort in den Sinn und scheint mir für den Fall sehr passend und vertraut. Sollte ich es erfunden haben, schenke ich es euch gerne zum weiteren Gebrauch, wenn es euch gefällt. :lol:
Danke, dass Du mich fragst, ob ich damit gemeint habe, dass man überlegen sollte, unter welchen Bedingungen Menschen gut gedeihen! Das steckt in der Tat darin und ist eigentlich das viel wichtigere Thema, jedenfalls für mich.
Im Moment, in dem ich in dem "Fluss" von giftig zu heilend zur (Un-)Kultur war, wollte ich sagen, dass es ein "Un-" gar nicht gibt, da etwas Beobachtbares ja nicht nicht existieren kann, womit ich mir, wie ich gerade bemerke, selbst widerspreche und Dir gern Recht gebe: Das Wort Unkultur kann gar nicht existieren, da es ja nur eine Kultur - sei sie nun gut oder schlecht - gibt.
In diesem Moment fällt mir dazu Yuval Harari ein, der in seiner "Kurzen Geschichte der Menschheit" schreibt, dass wir Menschen uns von allen anderen Wesen durch unsere Sprache unterscheiden, die es uns sogar ermöglicht, uns gemeinsam über etwas zu unterhalten, das es (noch) nicht gibt und durch sie (die Sprache) sogar in riesigen Gruppen kooperieren können, um es "Wirklichkeit" werden zu lassen.




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Jörn Budesheim
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Di 9. Apr 2019, 05:37

Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
Ja, lieber Jörn Büdesheim, es wäre ein trefflicher Ansatz, immer wieder das, was IST (soweit wir es erkennen können) als "Eichmaß" für unsere Denk-Konstrukte heranzuziehen, um möglichst wenig zu irren ...
Ja, das würde ich unterschreiben.
Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
das, was IST
Dabei fragt sich allerdings, was denn IST? Damit sind wir bei Grundfragen der Philosophie :) Was heißt es, dass etwas "ist"? Und, wenn das geklärt ist: "Was gibt es?" Das heißt, mit nur einem Schritt, sind wir bei Ontologie (und Metaphysik) gelandet.

Mein Einwand, auf den du reagiert hast, lief aber nicht darauf hinaus, dasjenige, was es gibt, nicht heranzuziehen für unsere Ansichten, sondern ganz im Gegenteil! Es gibt abrr nicht nur die Ordnung(en) der Natur, sondern viele andere Ordnungen auch. Diese Ordnungen und die Gegenstände dieser Ordnungen gehören eben auch zu dem, was es gibt. Also zu dem IST, an dem wir unsere Gedanken messen sollten, um zu erkennen, ob sie wahr, richtig oder angemessen sind.

Um ein Beispiel zu nehmen, das für diesen Thread besonders gut passt: es gibt eben auch die vielen verschiedenen Ordnungen der Kultur. Und diese Ordnungen kann man nicht grundsätzlich an den Ordnung der Natur bemessen, erkennen, verstehen, beurteilen ...

Damit möchte ich mich nicht für die Bezeichnung "Unkraut" einsetzen, das überlasse ich den Gärtnern und Gärtnerinnen :) mein Einwand galt nur dem Muster des Argumentes, dass es etwas deshalb nicht gibt, weil es es in der Natur nicht gibt. Ich schätze mal, in der Biologie hat der Ausdruck "Unkraut" nichts zu suchen, daraus folgt jedoch keineswegs, dass er nirgendwo anders etwas zu suchen hat.




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TsukiHana
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Mi 10. Apr 2019, 00:01

Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
Ach, eine Maria und ein Teufel machen noch keine Religion. Deren Verwendung in der "Kräutersache" ist meines Erachtens auch der Effizienz des Sprechens geschuldet und reichert zudem die Sprache mit interessanten Details an, die uns hier die grauen Zellen anregen...
Nee, neee Du... die Wirkung dieser Klassifikation der Pflanzen hatte schon gravierende Folgen. Es ging darum, jeglichen Rausch zu kontrollieren!
Was meinst Du, was früher so alles im Bier vergoren wurde? :D Und Bier wurde sehr viel getrunken, da es damals keimfreier als Wasser war.

Diesem Eingriff verdanken wir letztlich das älteste BTM-Gesetz der Welt, besser bekannt als "Reinheitsgebot" der Bieres.
Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
Hui, kaum fängt man an, führt schon ein Wort zum anderen!
Bitte verzeiht mir! (@Tsuki: Weghören oder aufregen! ;o)
Ach, sprich Dich ruhig in epischer Breite aus! Hier herrscht kein 17-Silben-Zwang. Gerne mäandernd, auf der Suche nach des Pudels Kern! :D



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Günter Franz
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Mi 10. Apr 2019, 06:51

TsukiHana hat geschrieben :
Mi 10. Apr 2019, 00:01
Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
Ach, eine Maria und ein Teufel machen noch keine Religion. Deren Verwendung in der "Kräutersache" ist meines Erachtens auch der Effizienz des Sprechens geschuldet und reichert zudem die Sprache mit interessanten Details an, die uns hier die grauen Zellen anregen...
Nee, neee Du... die Wirkung dieser Klassifikation der Pflanzen hatte schon gravierende Folgen. Es ging darum, jeglichen Rausch zu kontrollieren!
Was meinst Du, was früher so alles im Bier vergoren wurde? :D Und Bier wurde sehr viel getrunken, da es damals keimfreier als Wasser war.

Diesem Eingriff verdanken wir letztlich das älteste BTM-Gesetz der Welt, besser bekannt als "Reinheitsgebot" der Bieres.
Günter Franz hat geschrieben :
Di 9. Apr 2019, 03:02
Hui, kaum fängt man an, führt schon ein Wort zum anderen!
Bitte verzeiht mir! (@Tsuki: Weghören oder aufregen! ;o)
Ach, sprich Dich ruhig in epischer Breite aus! Hier herrscht kein 17-Silben-Zwang. Gerne mäandernd, auf der Suche nach des Pudels Kern! :D
Auf den Kern des Pudels hinmäandern zu dürfen freut mich! Ich hoffe bald die Reinheit des Jevers testen zu dürfen ;o)




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