Gründe und Argumente

Im Zettelkasten können Zitate und Begriffe hinterlegt werden, auf die du andere Mitglieder des Forums aufmerksam machen möchtest.
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Jörn Budesheim
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Fr 27. Okt 2017, 08:03

Gründe und Argumente - die beiden Begriffe werden oft synonym gebraucht. Ich meine aber, dass sie nicht generell synonym sind.

"Wir könnten sagen, dass Tatsachen uns Gründe liefern", wenn sie für etwas sprechen, meint Parfit. Das ist auch meine Ansicht: Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen. Ein Beispiel: Dass dort jemand liegt und blutet, spricht direkt dafür, einen Krankenwagen zu rufen. Dass hat nicht die Form eines Argumentes, wo aus mehreren Prämissen eine Konklusion folgt, scheint mir.

Ein anderer möglicher Unterschied: Die Tatsache, dass es dort qualmt, spricht dafür, dass brennt. Das ist aber kein Schluss mit "Notwendigkeit", meine ich.




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Jörn Budesheim
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Fr 27. Okt 2017, 12:34

Nehmen wir ein bekanntes Beispiel. Hans ist in der Wüste, eine tödliche Schlange nähert sich ihm. Sie ist für unbewegliche Körper fast blind, während sie bewegliche todsicher erkennt und vergiftet. Diese Tatsache liefert Hans einen guten Grund still zustehen. Leider glaubt Hans jedoch, dass seine einzige Chance die Flucht ist, was ihm das Leben kostet. Gründe sind also nicht im Kopf ... aber das soll hier nicht der Punkt sein. Wie kommen jetzt Argumentationen ins Spiel? Hier ist der Zettelkasten, da darf man sich auch mal verzetteln.




Segler
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Fr 27. Okt 2017, 21:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 27. Okt 2017, 08:03
Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen.
Anders herum wird ein Schuh daraus. Tatsachen sind Gründe. Nicht alle Gründe sind notwendig Tatsachen.

Argumente sind etwas völlig anderes. Mit Gründen wird argumentiert.




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Jörn Budesheim
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Sa 28. Okt 2017, 05:35

Segler hat geschrieben :
Fr 27. Okt 2017, 21:22
Nicht alle Gründe sind notwendig Tatsachen.
Z.b.?




Segler
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Sa 28. Okt 2017, 14:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 28. Okt 2017, 05:35
Segler hat geschrieben :
Fr 27. Okt 2017, 21:22
Nicht alle Gründe sind notwendig Tatsachen.
Z.b.?
Wenn ich mich über einen Sachverhalt irre, ist dieser keine Tatsache. Dennoch kann er ein Grund für mich sein, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, eine Handlung auszuführen oder zu unterlassen. Ich kann diesen Grund auch in ein Argument einbringen.

Setzt man Gründe und Tatsachen gleich, so unterstellt man damit, dass Gründe immer wahr sind. Das sind sie aber offensichtlich nicht. Es wird regelmäßig mit falschen Begründungen argumentiert.




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Jörn Budesheim
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Sa 28. Okt 2017, 15:47

Die Gründe, die jemand hat und die Gründe, die jemand zu haben glaubt, können verschieden sein, das sehe ich auch so. Weiter oben habe ich dazu am (Schlangenbeispiel) schon etwas gesagt.




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Jörn Budesheim
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Mi 18. Apr 2018, 20:32

"Rational denken heißt. In solcher Weise systematisch denken, dass jeder, der mir dabei über die Schulter blickt, imstande sein sollte, es als richtig zu erkennen. Eben diese Allgemeinheit ist es, die vom Relativisten und Subjektivisten bestritten wird. Selbst wenn sie eine Ersatzfigur dafür einführen - etwa in der Form einer Bedingung des Konsenses im Rahmen der sprachlichen, wissenschaftlichen oder politischen Gemeinschaft -, handelt es sich um die falsche Art von Allgemeinheit, denn an ihrem Außengrenzen ist sie nicht rational sondern statistisch." (Thomas Nagel)




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Do 19. Apr 2018, 05:34

Damit die Aussage "X ist nicht n, sondern m" stimmt, müssen n und m keinen Gegensatz bilden.




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Do 19. Apr 2018, 07:49

Tommy hat geschrieben :
Do 19. Apr 2018, 01:11
Was ist hier mit "als richtig zu erkennen" gemeint? In welcher Weise richtig?
Dazu kann ich nichts sagen, denn die Frage verstehe ich nicht.




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Do 19. Apr 2018, 08:44

Tommy hat geschrieben :
Do 19. Apr 2018, 01:11
Ist "statistisch" wirklich das Gegenteil von "rational"?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 19. Apr 2018, 05:34
Damit die Aussage "X ist nicht n, sondern m" stimmt, müssen n und m keinen Gegensatz bilden.
Tommy hat geschrieben :
Do 19. Apr 2018, 08:06
Daraus folgt meiner Meinung nach z ist nicht y
Was jedoch nicht heißt, dass z und y einen Gegensatz bilden.




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Do 19. Apr 2018, 10:02

Tommy hat geschrieben :
Do 19. Apr 2018, 08:06
Ist es irrational?
Wenn ja, warum?
Nein, irrational ist nicht gemeint. Der Grund dafür ist folgender: Irrationalität wird (wenn auch negativ) natürlich an den Maßstäben der Rationalität gemessen, irrational ist etwas nur in Bezug auf dieses maß. "Statistisch" würde ich hingegen aus dem Zusammenhang des Textes heraus so verstehen, dass die Übereinstimmung nicht gemäß der Vernunft erfolgt, sondern sich statt dessen kontingenten Umständen verdankt: Man stimmt zum Beispiel aufgrund ähnlicher Sozialisation - also einer falschen Art von Allgemeinheit - überein.




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Do 19. Apr 2018, 10:20

Welche Argumente möchtest du mit deinen Fragen verbinden? Oder anders: Worauf willst du hinaus? Mir ist nicht klar, worum es dir geht.




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Do 19. Apr 2018, 10:51

Oh.

(Und das bekommst du heraus, indem du fragst "Was ist 'universale Vernunft'?")




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Mo 24. Jun 2019, 07:53

Dieser Thread ist leider etwas unverständlich geworden, weil nach dem Ausscheiden von Tommy aus dem Forum (versehentlich) auch seine Beiträge gelöscht wurden.




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Bild

Ich bin gerade an diesen Thread erinnert worden, bei der Lektüre eines Abschnittes in dem Buch Argumentationstheorie:

Doch wie steht es bei dieser Hochschätzung der Argumentationstheorie mit der Logik als Hort der Vernunft? Folgt man Theoretikern wie Perelman, Toulmin, Habermas oder Apel, dann wäre die Logik (zumindest in ihrer Rolle als Schlusslehre bzw. Syllogistik) angemessener als »spezielle« Argumentationstheorie zu bestimmen; als »spezielle« deshalb, weil sie nur argumentative Grenz- bzw. Ausnahmefälle berücksichtigt, nämlich solche Argumentationen, die schlüssig im strikt »logischen« Sinne sein können, weil sie strikt »analytisch« sind. [...] Solche analytischen Argumentationen sind erkennbar ebenso stringent, wie sie für die Argumentationspraxis wertlos sind; es gibt nämlich kaum Probleme, die sich mit ihrer Hilfe lösen ließen. [...] Die Praxis braucht nämlich etwas ganz anderes; Praxis braucht Argumentationen, die Ungewissheit durch methodisches Anschließen an geteilte Gewissheiten so weit zu reduzieren vermögen, dass sie ein auf bewährte Plausibilitätsannahmen gestütztes (!) und deshalb verantwortliches Reden und Handeln zulassen. Diese Argumentationen nennt Toulmin im Unterschied zu »analytisch«: »substanziell«. Substanzielle Argumentationen können gar nicht logisch stringent sein, weil sie sich an die Lösung von Problemen wagen, die mit den Mitteln analytischer Argumentation nicht einmal zugänglich wären. Entsprechend müssen sie ständig logische Toleranzgrenzen überschreiten. (Josef Kopperschmidt)




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Di 25. Jun 2019, 06:16

Der Autor macht geltend, dass man nicht das "Argumentationsprinzip kontraintuitiv als Deduktionsprinzip" missverstehen sollte. Argumente haben demnach eine ganz andere Form als die logische Deduktion. Ihre allgemeine Form ist:

p weil q
["p (gilt), weil q (gilt)"]

Ich hatte das Eingangs des Fadens noch vermutet, dass der Begriff "Argument" für das DeduktionsPrinzip steht. Jetzt bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob Deduktion, Argument und Grund nicht sogar drei verschiedene Dinge sind...




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Di 25. Jun 2019, 06:30

An anderer Stelle hier im Forum hatten einige User die Ansicht vertreten, Gründe seien Motive. Gründe/Argumente können jedoch etwas rechtfertigen, einen Geltungsanspruch einlösen, dazu sind Motive (und Ursachen) nicht hinreichend.

Ursachen und Motive kommen als Antworten auf Warum-Fragen in Frage, sie können aber keinen Geltungsanspruch begründen.




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Di 25. Jun 2019, 20:57

p weil q
Ich habe mal nach der Etymologie geschaut: Argument kommt vom lateinischen argūmentum, eigentlich ‘was der Erhellung und Veranschaulichung dient’, zu lat. arguere ‘deutlich zu erkennen geben, klarmachen, erhellen, beweisen’, eigentlich ‘im hellen Lichte zeigen’.




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Di 25. Jun 2019, 21:16

Notiz: Man handelt aus Gründen, aber nicht aus Argumenten.
kopperschmidt hat geschrieben : „Argumente (…) sind nur nötig, wenn Geltungsansprüche situativ problematisiert werden, und sie sind nur möglich, wenn es Geltungsansprüche gibt, die als unstrittig unterstellt werden können.“
Jana Gedeon hat geschrieben : Man argumentiert also nur dann, wenn sich zwischen mehreren Personen unterschiedliche Ansichten über den Geltungsanspruch einer Aussage entwickelt haben und es notwendig ist,
Aus Gründen handelt man jedoch auch, wenn man einsam auf einer Insel ist.




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Di 25. Jun 2019, 21:52

Ich bin auf der Suche nach den Unterschieden der Begriffe Logik, Argumentation und Grund. Das ist eine Erweiterung des ursprünglichen Thread-Themas.

Zur Zeit als ich den Startbeitrag geschrieben hatte, hatte ich noch eine ganz andere Vorstellung (offenbar falsche) von dem Begriff Argumentation. Nämlich dachte ich, es sei eher das, was oben als "spezielle Argumentationstheorie" verzeichnet ist.

Jetzt verstehe ich unter Argumentieren tendenziell eher so etwas wie ein Alltagsgeschäft. Wesentlich ist dabei, dass es nicht per se streng logisch deduktiv ist/sein muss. Argumentation gehört zur Rhetorik und es ist ein gesellschaftlicher Akt ist. Man argumentiert immer gegenüber anderen, man will sie überzeugen.

Jemand der auf einer einsamen Insel ist, muss nicht argumentieren. Diese Person wird sich aber dennoch an Gründen orientieren (müssen). Das heißt, dass sie Gründe erkennen und sie sich im Handeln und Denken zu eigen machen kann.

Das ist natürlich noch dünnes Eis und erst der Anfang...




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