Ärger im Paradies - Walter Benjamin und die Magie der Sprache
Ein früher Hinweis:
"Es ist eine weitverbreitete, ja die fast allerorten als Selbstverständlichkeit herrschende Meinung, daß das Schrifttum die sittliche Welt und das Handeln des Menschen beeinflussen könne, indem es Motive von Handlungen an die Hand gibt. In diesem Sinne ist also die Sprache nur ein Mittel der mehr oder weniger suggestiven Vorbereitung der Motive, die in dem Innern der Seele den Handelnden bestimmen. Es ist das Charakteristische dieser Ansicht, daß sie eine Beziehung der Sprache zur Tat, in der nicht die erste Mittel der zweiten wäre, überhaupt gar nicht in Betracht zieht. Dieses Verhältnis betrifft gleichermaßen eine ohnmächtige, zum bloßen Mittel herabgewürdigte Sprache und Schrift als eine ärmliche, schwache Tat, deren Quelle nicht in ihr selbst, sondern in irgendwelchen sagbaren und aussprechbaren Motiven liegt. [...] In wievielerlei Gestalten auch die Sprache sich wirksam erweisen mag, sie wird es nicht durch die Vermittlung von Inhalten, sondern durch das reinste Erschließen ihrer Würde und ihres Wesens tun."
Walter Benjamin; Briefe I, 126) -
Der Brief an Martin Buber gibt einen allerersten Hinweis auf Benjamins Sprachverständnis. Die Sprache als ein Instrument der Verständigung, als System von Zeichen und Lauten würdigt die Sprache "herab" zu einem bloßen "Mittel". Die Sprache hat ihre eigene "Würde", welche sich in ihrem "Wesen" zeigt. Benjamin stellt sich hier in eine Tradition, deren Pfade ein wenig abseits der großen Heerstraßen liegen, welche das Gebiet der "Sprachphilosophie" durchziehen. Diese Tradition verbindet sich mit Namen wie Johann Georg Hamann, Martin Knutzen, Friedrich Schlegel, F.W.J. Schelling u.a. - Hinzu kommt die für Benjamin typische Genesis-Adaption - die Welt als ausgesprochenes Wort Gottes - , so daß die Sprache gleichsam als Palimpsest betrachtet wird, in dem sich verbirgt, was diskursive Vernunft nicht zu erschließen imstande ist.
Als Rickert-Schüler begleiten die Ausführungen Benjamins in seiner Studie Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916) auch die Auffassungen des Neukantianismus, insbesondere die Subjekt/Objekt-Unterscheidung.
[Von der Moderation editiert.]
"Es ist eine weitverbreitete, ja die fast allerorten als Selbstverständlichkeit herrschende Meinung, daß das Schrifttum die sittliche Welt und das Handeln des Menschen beeinflussen könne, indem es Motive von Handlungen an die Hand gibt. In diesem Sinne ist also die Sprache nur ein Mittel der mehr oder weniger suggestiven Vorbereitung der Motive, die in dem Innern der Seele den Handelnden bestimmen. Es ist das Charakteristische dieser Ansicht, daß sie eine Beziehung der Sprache zur Tat, in der nicht die erste Mittel der zweiten wäre, überhaupt gar nicht in Betracht zieht. Dieses Verhältnis betrifft gleichermaßen eine ohnmächtige, zum bloßen Mittel herabgewürdigte Sprache und Schrift als eine ärmliche, schwache Tat, deren Quelle nicht in ihr selbst, sondern in irgendwelchen sagbaren und aussprechbaren Motiven liegt. [...] In wievielerlei Gestalten auch die Sprache sich wirksam erweisen mag, sie wird es nicht durch die Vermittlung von Inhalten, sondern durch das reinste Erschließen ihrer Würde und ihres Wesens tun."
Walter Benjamin; Briefe I, 126) -
Der Brief an Martin Buber gibt einen allerersten Hinweis auf Benjamins Sprachverständnis. Die Sprache als ein Instrument der Verständigung, als System von Zeichen und Lauten würdigt die Sprache "herab" zu einem bloßen "Mittel". Die Sprache hat ihre eigene "Würde", welche sich in ihrem "Wesen" zeigt. Benjamin stellt sich hier in eine Tradition, deren Pfade ein wenig abseits der großen Heerstraßen liegen, welche das Gebiet der "Sprachphilosophie" durchziehen. Diese Tradition verbindet sich mit Namen wie Johann Georg Hamann, Martin Knutzen, Friedrich Schlegel, F.W.J. Schelling u.a. - Hinzu kommt die für Benjamin typische Genesis-Adaption - die Welt als ausgesprochenes Wort Gottes - , so daß die Sprache gleichsam als Palimpsest betrachtet wird, in dem sich verbirgt, was diskursive Vernunft nicht zu erschließen imstande ist.
Als Rickert-Schüler begleiten die Ausführungen Benjamins in seiner Studie Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916) auch die Auffassungen des Neukantianismus, insbesondere die Subjekt/Objekt-Unterscheidung.
[Von der Moderation editiert.]
Für den Fall, daß dieses Thema hier nicht besprochen werden soll oder das Thema selbst der vorherigen Rücksprache mit einer Mehrheit von Interessierten bedarf oder ein sonstiges Abstimmungsverfahren zu durchlaufen hat, bitte ich um Verschiebung des Beitrags bzw. um Mitteilung, ob ich dieses Thema der Sprachmagie Benjamins weiter verfolgen kann.
Ein nächster Schritt der Annäherung an die Sprachauffassung Benjamins kann darin bestehen, einen Blick ans Ende des Aufsatzes Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen zu werfen. Dort zitiert Benjamin den für ihn wichtigen Gewährsmann Johann Georg Hamann:
"Alles, was der Mensch am Anfange hörte, mit Augen sah und seine Hände betasteten, war lebendiges Wort; denn Gott war das Wort. Mit diesem Worte im Munde und im Herzen war der Ursprung der Sprache so natürlich, so nahe und so leicht, wie ein Kinderspiel." (Walter Benjamin; Gesammelte Schriften, II/1, S. 151) - Wenn Hamann hier von einem "Ursprung der Sprache" spricht, dann ist damit nicht eine Glottogonie, also eine Sprachentstehungstheorie, gemeint wie sie etwa die Paläolinguistik im Blick hat, von empirischen Befunden ganz zu schweigen. Der Bezugsrahmen bei Hamann ist vielmehr ein theologischer. Denn entnommen ist das Zitat von Hamann einer kleinen Schrift mit dem wundervollen Titel Des Ritters von Rosencreutz letzte Willensmeynung über den göttlichen und menschlichen Ursprung. Aus einer Caricaturbilderurschrifft eilfertig übersetzt vom Handlanger des Hierophanten (1772) - Hierophanten nannte man die Hohenpriester im Tempel der Demeter. Die Etymologie verweist auf eine Kombination von hieros (heilig) und phaino (ich zeige); in diesem Sinne versteht auch Hamann sich als "Zeigender" von Geheimnissen göttlichen Ursprungs. (Der grammatische Zusammenhang von phaino und phainomenon (als Partizip: ein SICH Zeigendes, ein Erscheinendes) ist bedenkenswert, weil es bei Benjamin nämlich genau um diese Selbstmitteilung der Dinge geht.) -
"Rede, daß ich dich sehe! - Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt, die eine Rede an die Kreatur durch die Kreatur ist; denn ein Tag sagt´s dem andern, und eine Nacht thuts kund der andern. Ihre Losung läuft über jedes Klima bis an der Welt Ende und in jeder Mundart hört man ihre Stimme." (J.G. Hamann, Sämtliche Werke, II, S. 198) - Die Schöpfung als göttliche Anrede an den Menschen ist hier noch vom Klimawandel unbetroffen, weil sie ihrerseits keinem Wandel unterliegt. Diese Anrede ist bei Hamann mit dem theologischen Gedanken der Katabasis Gottes in das Reich des Menschlichen verbunden. Indem Gott zum Menschen herabsteigt, sich gleichsam herabläßt, wird die Deszendenz zu einer doppelten, im Sinne des Herabsteigens und im Sinne der Selbsterniedrigung Gottes. Hamann versteht die Schöpfung also ganz im Sinne eines Sprachgeschehens. Dies zielt natürlich ab auf die Genesis, in der Gott die Dinge durch Sprachbefehl schafft. Was dem Menschen daran zuteil wird ist zwar die sinnlich wahrnehmbare Erscheinung, aber dahinter verbirgt sich das lebendige Wort Gottes, vielleicht könnte man auch sagen das Geheimnis dieses lebendigen Worts, das der Hierophant vernimmt. -
All das hat natürlich mit einem Verständnis der Sprache als einem Zeichensystem nichts zu tun. Das gilt für Hamann und für Benjamin gleichermaßen. Wenn man das so sagen darf, geht es um die Sprache vor dem Sündenfall, um die Sprache im Paradies bevor der Ärger mit den Begriffen u.ä. begann, der den Menschen den göttlichen Ursprung der Sprache hat vergessen lassen. Hamann und Benjamin liefern uns die Anamnese-Akten dieses Ärgers.
"Alles, was der Mensch am Anfange hörte, mit Augen sah und seine Hände betasteten, war lebendiges Wort; denn Gott war das Wort. Mit diesem Worte im Munde und im Herzen war der Ursprung der Sprache so natürlich, so nahe und so leicht, wie ein Kinderspiel." (Walter Benjamin; Gesammelte Schriften, II/1, S. 151) - Wenn Hamann hier von einem "Ursprung der Sprache" spricht, dann ist damit nicht eine Glottogonie, also eine Sprachentstehungstheorie, gemeint wie sie etwa die Paläolinguistik im Blick hat, von empirischen Befunden ganz zu schweigen. Der Bezugsrahmen bei Hamann ist vielmehr ein theologischer. Denn entnommen ist das Zitat von Hamann einer kleinen Schrift mit dem wundervollen Titel Des Ritters von Rosencreutz letzte Willensmeynung über den göttlichen und menschlichen Ursprung. Aus einer Caricaturbilderurschrifft eilfertig übersetzt vom Handlanger des Hierophanten (1772) - Hierophanten nannte man die Hohenpriester im Tempel der Demeter. Die Etymologie verweist auf eine Kombination von hieros (heilig) und phaino (ich zeige); in diesem Sinne versteht auch Hamann sich als "Zeigender" von Geheimnissen göttlichen Ursprungs. (Der grammatische Zusammenhang von phaino und phainomenon (als Partizip: ein SICH Zeigendes, ein Erscheinendes) ist bedenkenswert, weil es bei Benjamin nämlich genau um diese Selbstmitteilung der Dinge geht.) -
"Rede, daß ich dich sehe! - Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt, die eine Rede an die Kreatur durch die Kreatur ist; denn ein Tag sagt´s dem andern, und eine Nacht thuts kund der andern. Ihre Losung läuft über jedes Klima bis an der Welt Ende und in jeder Mundart hört man ihre Stimme." (J.G. Hamann, Sämtliche Werke, II, S. 198) - Die Schöpfung als göttliche Anrede an den Menschen ist hier noch vom Klimawandel unbetroffen, weil sie ihrerseits keinem Wandel unterliegt. Diese Anrede ist bei Hamann mit dem theologischen Gedanken der Katabasis Gottes in das Reich des Menschlichen verbunden. Indem Gott zum Menschen herabsteigt, sich gleichsam herabläßt, wird die Deszendenz zu einer doppelten, im Sinne des Herabsteigens und im Sinne der Selbsterniedrigung Gottes. Hamann versteht die Schöpfung also ganz im Sinne eines Sprachgeschehens. Dies zielt natürlich ab auf die Genesis, in der Gott die Dinge durch Sprachbefehl schafft. Was dem Menschen daran zuteil wird ist zwar die sinnlich wahrnehmbare Erscheinung, aber dahinter verbirgt sich das lebendige Wort Gottes, vielleicht könnte man auch sagen das Geheimnis dieses lebendigen Worts, das der Hierophant vernimmt. -
All das hat natürlich mit einem Verständnis der Sprache als einem Zeichensystem nichts zu tun. Das gilt für Hamann und für Benjamin gleichermaßen. Wenn man das so sagen darf, geht es um die Sprache vor dem Sündenfall, um die Sprache im Paradies bevor der Ärger mit den Begriffen u.ä. begann, der den Menschen den göttlichen Ursprung der Sprache hat vergessen lassen. Hamann und Benjamin liefern uns die Anamnese-Akten dieses Ärgers.
Ich durchschaue alle Ihre Tricks.
Kann sein, aber Sie fallen auf alle rein.
(aus Ernst Lubitsch Ärger im Paradies. 1932)
Zwei Meisterdiebe, die sich gegenseitig bestehlen und vor dem Diebstahl ihrer Herzen und ihrer Erinnerungen nicht zurückschrecken. Lubitsch, der Meister der Andeutung und Virtuose der Auslassung, zeigt sich in dieser Boudoir-Komödie als Hierophant des Frivolen. Das Anstößige erhält einen Anstoß durch die Andeutung, die sich an nichts stößt und damit das Unaussprechliche in ihrem Horizont mitführt. Weil der Trick so gut zu durchschauen ist, fällt man so gerne auf ihn rein. Das Lachen ist befreiend und befreit. Es ähnelt darin dem jüdischen Witz. - Truffaut: "In Lubitschs Emmentaler ist jedes Loch genial." Aussprechen durch Auslassen als szenische Technik des Films - das ist im Grunde ein Paradox, das sich wie alle Paradoxa nur zeitlich entfalten läßt:
Sie sind der Eitel.
Aber attraktiv.
Sie sind ...
Halt den Mund. Küss mich.
Kann sein, aber Sie fallen auf alle rein.
(aus Ernst Lubitsch Ärger im Paradies. 1932)
Zwei Meisterdiebe, die sich gegenseitig bestehlen und vor dem Diebstahl ihrer Herzen und ihrer Erinnerungen nicht zurückschrecken. Lubitsch, der Meister der Andeutung und Virtuose der Auslassung, zeigt sich in dieser Boudoir-Komödie als Hierophant des Frivolen. Das Anstößige erhält einen Anstoß durch die Andeutung, die sich an nichts stößt und damit das Unaussprechliche in ihrem Horizont mitführt. Weil der Trick so gut zu durchschauen ist, fällt man so gerne auf ihn rein. Das Lachen ist befreiend und befreit. Es ähnelt darin dem jüdischen Witz. - Truffaut: "In Lubitschs Emmentaler ist jedes Loch genial." Aussprechen durch Auslassen als szenische Technik des Films - das ist im Grunde ein Paradox, das sich wie alle Paradoxa nur zeitlich entfalten läßt:
Sie sind der Eitel.
Aber attraktiv.
Sie sind ...
Halt den Mund. Küss mich.
Was die Literatur zu Walter Benjamin angeht, so gibt es natürlich eine Fülle von Arbeiten, insbesondere seit Erscheinen der Werkausgabe (Ende der 70er) und des Passagenwerks (1982). - Aus dem was man gerne "Sekundärliteratur" nennt, darf man die für das Benjamin-Verständnis im deutschsprachigen Raum prägende Studie von Winfried Menninghaus erwähnen: Walter Benjamins Theorie der Sprachmagie (1980), ebenso Regina Kather Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen: die Sprachphilosophie Walter Benjamins.
Die online-Version vom Originaltext wurde bereits an anderer Stelle verlinkt. Der Zufall will es, daß in diesem Jahr der Benjamin-Text auch in einer Einzelausgabe erschienen ist zu einem sehr günstigen Preis. Herausgegeben wird diese Ausgabe von Fred Lönker, ein Freiburger Germanist, der auch ein sehr instruktives Nachwort dazu verfaßt hat. - Derrida hat sich ausgiebig mit Benjamin beschäftigt in Babylonische Türme. Wege, Umwege, Abwege, in: Übersetzung und Dekonstruktion; S. 119-165, und er schreibt speziell über den Benjamin-Aufsatz: "allzu rätselhaft".
Die online-Version vom Originaltext wurde bereits an anderer Stelle verlinkt. Der Zufall will es, daß in diesem Jahr der Benjamin-Text auch in einer Einzelausgabe erschienen ist zu einem sehr günstigen Preis. Herausgegeben wird diese Ausgabe von Fred Lönker, ein Freiburger Germanist, der auch ein sehr instruktives Nachwort dazu verfaßt hat. - Derrida hat sich ausgiebig mit Benjamin beschäftigt in Babylonische Türme. Wege, Umwege, Abwege, in: Übersetzung und Dekonstruktion; S. 119-165, und er schreibt speziell über den Benjamin-Aufsatz: "allzu rätselhaft".
Benjamins Aufsatz Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916) bleibt zu Benjamins Lebzeiten unveröffentlicht. Es handelt sich um eine Art Selbstverständigung Benjamins und es ist doch einigermaßen erstaunlich, daß Benjamin darauf bedacht war, das Manuskript nur einem sehr kleinen Kreis von Vertrauten zukommen zu lassen. Es gibt lediglich vier Typoskripte, eines mit handschriftlichen Korrekturen und drei weitere Durchschriften, eine davon vermutlich angefertigt von Gretel Adorno in Amerika; alle vier Typoskripte befinden sich heute im Benjamin-Archiv in Berlin.
In seinen Briefen an Scholem, Ernst Schoen und Gretel Adorno ist Benjamin akribisch darum bemüht, daß keines dieser Typoskripte den Kreis der Vertrauten verläßt, einzig Werner Kraft, "Krankenwärter, Reservelazarett Ilten bei Hannover" wird in einem Brief an Scholem (30.06.1917) in diesen Kreis aufgenommen und Ludwig Strauß.
Aus den Briefdaten läßt sich ziemlich präzis der Abfassungszeitraum von Über Sprache überhaupt rekonstruieren: 04. bis 11. November 1916, also binnen einer Woche. Am 11. November schreibt Benjamin an Scholem: "Vor einer Woche begann ich einen Brief an Sie, der bei achtzehn Seiten Länge abschloß. Es war der Versuch einige der nicht geringen Anzahl der Fragen, die Sie mir vorgelegt haben, im Zusammenhang zu beantworten. Indessen mußte ich mich entschließen, um den Gegenstand genauer zu fassen, ihn zu einer kleinen Abhandlung umzuarbeiten, mit deren Reinschrift ich jetzt beschäftigt bin. [...] Im übrigen aber versuche ich in dieser Arbeit mich mit dem Wesen der Sprache auseinander zu setzen und zwar - so weit ich es verstehe: in immanenter Beziehung auf das Judentum und mit Beziehung auf die ersten Kapitel der Genesis." (Walter Benjamin; Briefe, 128f) -
Die "kleine Abhandlung" ist also hervorgegangen und in ihrer frühen Form verfaßt als ein privater Brief Benjamins an den Freund Gershom Scholem. Später wird Benjamin den Freund bitten, die "kleine Abhandlung" ins Hebräische zu übersetzen, um den Klang seiner Sätze "in der Ursprache zu hören". -
Es ist Benjamin nicht anders ergangen als aktuell Michel Foucault, dessen vierter Band von Sexualität und Wahrheit in diesen Tagen erschienen ist, nachdem er 35 Jahre von seinem Lebensgefährten unter Verschluß gehalten worden ist, weil Foucault verfügt hatte, keine Werke von ihm posthum zu veröffentlichen.
Die "kleine Abhandlung" gewinnt vor diesem Hintergrund geradzu etwas Intimes. Texte aus dem Nachlaß zu veröffentlichen, ist jetzt nicht so ungewöhnlich - Blumenberg unkte in seinen Vorlesungen mal, daß es Autoren gäbe, die bestimmte Texte regelrecht für ihren Nachlaß schrieben - doch wie ist das mit diesem doch sehr persönlichen Dokument, daß hundert Jahre nach seiner Abfassung nun "online" einsehbar ist, derweil sein Verfasser darum bemüht war, es zu seinen Lebzeiten nur einem ganz kleinen Kreis von Freunden und Vertrauten zugänglich zu machen? Gibt uns der hermeneutische Geist oder die Wirkungsgeschichte das Recht auf Einblick? - Darf uns an der Stelle ein Moment des Unbehagens erfassen? - Oder um es anders auszudrücken: Schulden wir dem Text etwas? -
In seinen Briefen an Scholem, Ernst Schoen und Gretel Adorno ist Benjamin akribisch darum bemüht, daß keines dieser Typoskripte den Kreis der Vertrauten verläßt, einzig Werner Kraft, "Krankenwärter, Reservelazarett Ilten bei Hannover" wird in einem Brief an Scholem (30.06.1917) in diesen Kreis aufgenommen und Ludwig Strauß.
Aus den Briefdaten läßt sich ziemlich präzis der Abfassungszeitraum von Über Sprache überhaupt rekonstruieren: 04. bis 11. November 1916, also binnen einer Woche. Am 11. November schreibt Benjamin an Scholem: "Vor einer Woche begann ich einen Brief an Sie, der bei achtzehn Seiten Länge abschloß. Es war der Versuch einige der nicht geringen Anzahl der Fragen, die Sie mir vorgelegt haben, im Zusammenhang zu beantworten. Indessen mußte ich mich entschließen, um den Gegenstand genauer zu fassen, ihn zu einer kleinen Abhandlung umzuarbeiten, mit deren Reinschrift ich jetzt beschäftigt bin. [...] Im übrigen aber versuche ich in dieser Arbeit mich mit dem Wesen der Sprache auseinander zu setzen und zwar - so weit ich es verstehe: in immanenter Beziehung auf das Judentum und mit Beziehung auf die ersten Kapitel der Genesis." (Walter Benjamin; Briefe, 128f) -
Die "kleine Abhandlung" ist also hervorgegangen und in ihrer frühen Form verfaßt als ein privater Brief Benjamins an den Freund Gershom Scholem. Später wird Benjamin den Freund bitten, die "kleine Abhandlung" ins Hebräische zu übersetzen, um den Klang seiner Sätze "in der Ursprache zu hören". -
Es ist Benjamin nicht anders ergangen als aktuell Michel Foucault, dessen vierter Band von Sexualität und Wahrheit in diesen Tagen erschienen ist, nachdem er 35 Jahre von seinem Lebensgefährten unter Verschluß gehalten worden ist, weil Foucault verfügt hatte, keine Werke von ihm posthum zu veröffentlichen.
Die "kleine Abhandlung" gewinnt vor diesem Hintergrund geradzu etwas Intimes. Texte aus dem Nachlaß zu veröffentlichen, ist jetzt nicht so ungewöhnlich - Blumenberg unkte in seinen Vorlesungen mal, daß es Autoren gäbe, die bestimmte Texte regelrecht für ihren Nachlaß schrieben - doch wie ist das mit diesem doch sehr persönlichen Dokument, daß hundert Jahre nach seiner Abfassung nun "online" einsehbar ist, derweil sein Verfasser darum bemüht war, es zu seinen Lebzeiten nur einem ganz kleinen Kreis von Freunden und Vertrauten zugänglich zu machen? Gibt uns der hermeneutische Geist oder die Wirkungsgeschichte das Recht auf Einblick? - Darf uns an der Stelle ein Moment des Unbehagens erfassen? - Oder um es anders auszudrücken: Schulden wir dem Text etwas? -
Zwölf Jahre nach Benjamins achtzehnseitigem Brief an Scholem, komponiert Leos Janacek sein zweites Streichquartett mit dem Titel "Intime Briefe". Der 74-jährige Komponist schreibt im Februar 1928 an seine ferne Geliebte und Muse - er nennt sie den "unerreichbaren Himmel" - die 36-jährige Kamila Stöslova:
"Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll ˋLiebesbriefe´ heißen."
Vielleicht sollte man Benjamins "kleine Abhandlung" wie einen "intimen Brief" lesen, in dem es am Ende um nichts weniger geht als jenen "unerreichbaren Himmel". -
"Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll ˋLiebesbriefe´ heißen."
Vielleicht sollte man Benjamins "kleine Abhandlung" wie einen "intimen Brief" lesen, in dem es am Ende um nichts weniger geht als jenen "unerreichbaren Himmel". -
Die Benjamin-Rezeption hat Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen in einer Verbindung zum Essay Die Aufgabe des Übersetzers (1923) und zur Erkenntniskritischen Vorrede zum Ursprung des deutschen Trauerspiels (1928) gesehen. Zu erwähnen ist auch der kleine Aufsatz Über das Programm der kommenden Philosophie. Auch diese Schrift wurde erst posthum veröffentlicht; entstanden ist sie vermutlich 1918. -
Ein wenig stutzig macht der Titel des Aufsatzes: "Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen" - Das erweckt ja zunächst den Eindruck als sei die "Sprache des Menschen" ein Spezialfall einer "Sprache überhaupt". Der weitere Verlauf der Benjamischen Gedanken wird diesen Eindruck festigen. Benjamin löst den Sprachbegriff aus seinen engen Konnotationen eines sprachbegabten Wesens, dem die Sprache als ein biologisches oder anthropologisches Vermögen eignen würde. Dabei streitet Benjamin keineswegs die instrumentale Funktion der Sprache als ein System von Zeichen, Lauten, Bedeutungen u.ä. ab. Doch geht sein Interesse nicht in Richtung einer "Sprachphilosophie" wie wir sie heute etwa mit Disziplinen der Linguistik, der Semiotik, der Semantik oder der Kommunikationstheorie verbinden. -
Benjamin geht es um eine Art Sprachmetaphysik (an dem Begriff will ich nicht festhalten, er soll nur eine erste Orientierung geben), um eine spezifische "Würde" (s.o.) der Sprache. "Alle Natur [...] teilt sich in der Sprache mit, also letzten Endes im Menschen. Darum ist er der Herr der Natur und kann die Dinge benennen. Nur durch das sprachliche Wesen der Dinge gelangt er aus sich selbst zu deren Erkenntnis - im Namen." (II,1, 144) - Das ist ein Gedanke, der sich in einer frühen Form bereits in Schellings Philosophie der Kunst findet. Die Welt wird verstanden als das ausgesprochene Wort Gottes, wobei ineins mit dem Aussprechen der Zerfallsprozeß des ursprünglich Einen in Gang gesetzt wird. Aus-sprechen, damit ist ein Vorgang bezeichnet, den viel später die Systemtheorie mit Unterscheiden/Bezeichnen fassen wird. Was in Gott vereint war, im Göttlich-Einen, wird mit dem Aus-Sprechen, dem Aus-differenzieren zu einer Unterscheidung, mit der ein Beobachter operieren kann. Die Welt erscheint dann nicht nur als ein Geschaffenes, das aus den Bedingungen seiner Kreation entlassen wird, sondern das Wesen des Geschaffenen trägt den göttlichen Ursprung weiter in sich. Es bleibt den theologischen Umständen seiner Erschaffung weiter verbunden und kann auch nur aus diesen Umständen heraus verstanden werden. -
Gott erschafft die Welt - anders als der demiurgische Weltbaumeister Platons - indem er spricht. Einzig den Menschen erschafft er aus einem Material (Staub), für die Erschaffung Evas ist dann schon höherwertiges Material (eine Rippe Adams) vonnöten. Doch zunächst heißt es: "Es werde" bzw. "er nannte". Zur Erschaffung der Welt benötigt Gott aber erst einmal kein Rohmaterial. Es wird kein Objekt geschaffen, das dann als etwas durchs Benennen erkannt würde. Damit umgeht Benjamin auch den Verlegenheiten der Schelling´schen Spaltung des Absoluten in Geist und Materie. Denn dem Schöpfungsakt inhärent ist das Einverleiben des Geschaffenen im Benennen. Benjamin nennt dies auch die adamitische Sprache oder die paradiesische Sprache. Im Namen liegt die Wahrheit, aber diese Wahrheit bildet keinen Sachverhalt ab, der sich in einer grammatischen Struktur formalisieren ließe. Im Namen liegt keine prädikative Aussage. Die Dinge in ihrem intentionslosen Sein zu verstehen, das vorgängig Absolute in ihnen vor jeder Objekt-Prädikat-Relation aufzuspüren, ist das Anliegen von Benjamins Sprachtheorie. -
Bezüge zum Namen bei Proust (etwa Guermantes): reine Intensität als gesteigerte Fülle.
Ein wenig stutzig macht der Titel des Aufsatzes: "Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen" - Das erweckt ja zunächst den Eindruck als sei die "Sprache des Menschen" ein Spezialfall einer "Sprache überhaupt". Der weitere Verlauf der Benjamischen Gedanken wird diesen Eindruck festigen. Benjamin löst den Sprachbegriff aus seinen engen Konnotationen eines sprachbegabten Wesens, dem die Sprache als ein biologisches oder anthropologisches Vermögen eignen würde. Dabei streitet Benjamin keineswegs die instrumentale Funktion der Sprache als ein System von Zeichen, Lauten, Bedeutungen u.ä. ab. Doch geht sein Interesse nicht in Richtung einer "Sprachphilosophie" wie wir sie heute etwa mit Disziplinen der Linguistik, der Semiotik, der Semantik oder der Kommunikationstheorie verbinden. -
Benjamin geht es um eine Art Sprachmetaphysik (an dem Begriff will ich nicht festhalten, er soll nur eine erste Orientierung geben), um eine spezifische "Würde" (s.o.) der Sprache. "Alle Natur [...] teilt sich in der Sprache mit, also letzten Endes im Menschen. Darum ist er der Herr der Natur und kann die Dinge benennen. Nur durch das sprachliche Wesen der Dinge gelangt er aus sich selbst zu deren Erkenntnis - im Namen." (II,1, 144) - Das ist ein Gedanke, der sich in einer frühen Form bereits in Schellings Philosophie der Kunst findet. Die Welt wird verstanden als das ausgesprochene Wort Gottes, wobei ineins mit dem Aussprechen der Zerfallsprozeß des ursprünglich Einen in Gang gesetzt wird. Aus-sprechen, damit ist ein Vorgang bezeichnet, den viel später die Systemtheorie mit Unterscheiden/Bezeichnen fassen wird. Was in Gott vereint war, im Göttlich-Einen, wird mit dem Aus-Sprechen, dem Aus-differenzieren zu einer Unterscheidung, mit der ein Beobachter operieren kann. Die Welt erscheint dann nicht nur als ein Geschaffenes, das aus den Bedingungen seiner Kreation entlassen wird, sondern das Wesen des Geschaffenen trägt den göttlichen Ursprung weiter in sich. Es bleibt den theologischen Umständen seiner Erschaffung weiter verbunden und kann auch nur aus diesen Umständen heraus verstanden werden. -
Gott erschafft die Welt - anders als der demiurgische Weltbaumeister Platons - indem er spricht. Einzig den Menschen erschafft er aus einem Material (Staub), für die Erschaffung Evas ist dann schon höherwertiges Material (eine Rippe Adams) vonnöten. Doch zunächst heißt es: "Es werde" bzw. "er nannte". Zur Erschaffung der Welt benötigt Gott aber erst einmal kein Rohmaterial. Es wird kein Objekt geschaffen, das dann als etwas durchs Benennen erkannt würde. Damit umgeht Benjamin auch den Verlegenheiten der Schelling´schen Spaltung des Absoluten in Geist und Materie. Denn dem Schöpfungsakt inhärent ist das Einverleiben des Geschaffenen im Benennen. Benjamin nennt dies auch die adamitische Sprache oder die paradiesische Sprache. Im Namen liegt die Wahrheit, aber diese Wahrheit bildet keinen Sachverhalt ab, der sich in einer grammatischen Struktur formalisieren ließe. Im Namen liegt keine prädikative Aussage. Die Dinge in ihrem intentionslosen Sein zu verstehen, das vorgängig Absolute in ihnen vor jeder Objekt-Prädikat-Relation aufzuspüren, ist das Anliegen von Benjamins Sprachtheorie. -
Bezüge zum Namen bei Proust (etwa Guermantes): reine Intensität als gesteigerte Fülle.
(Die Verheißungen des Lautlichen bei Proust ...
... Ansätze einer metaphysischen Onomastik ...
... Literarische In-Werk-Setzung phonetischer
Verheißungen in Combray, Balbec, Gilberte, Albertine ...
... bei Proust der Schwebezustand zwischen Wachheit/Schlaf
... gibt es den Gedanken einer "Empfängnis" bei Proust?
... oder evoziert alles die "memoire involontaire"?...
... das Flüstern des Namens der Geliebten ... "Gilberte" ...
... die Anrufung des Namens ... invocatio ...
"Der Name traf mich [...] mit einer Kraft, die in der
Kurve seines Fluges wuchs, je näher er dem Ziele kam."
In Swanns Welt, 521)
... Ansätze einer metaphysischen Onomastik ...
... Literarische In-Werk-Setzung phonetischer
Verheißungen in Combray, Balbec, Gilberte, Albertine ...
... bei Proust der Schwebezustand zwischen Wachheit/Schlaf
... gibt es den Gedanken einer "Empfängnis" bei Proust?
... oder evoziert alles die "memoire involontaire"?...
... das Flüstern des Namens der Geliebten ... "Gilberte" ...
... die Anrufung des Namens ... invocatio ...
"Der Name traf mich [...] mit einer Kraft, die in der
Kurve seines Fluges wuchs, je näher er dem Ziele kam."
In Swanns Welt, 521)
Ins Depot für spätere Überlegungen: der Aspekt des Schreibens. Barthes hat darauf hingewiesen, daß Schreiben bedeutet, "sich zum Zentrum des Redevorgangs machen" (Das Rauschen der Sprache, 26). Die Diathese des Schreibens, also seine Handlungsrichtung, zieht den Schreibenden gleichsam in Mitleidenschaft, d.h. im Medium des mediums des Schreibens liegt das, was Barthes die "asymptotische" Abnahme der Distanz zwischen dem Schreibenden und der Sprache nennt. Diathese übersetzten die antiken lateinischen Rhetoren in genus verbi, was den Charakter des dia als Präposition der Richtungsangabe ("durch", "hindurch") zu wenig betont. - Was bedeutet Benjamin das Schreiben, das Ins-Werk-Setzen?
Die Gesellschaft läßt keinen Vortrag zu,
der sich mit dem Ursprung der Sprache befaßt.
(§ 2 der Satzung der Societe de Linguistique, 1866)
Ist die Rede von einer Sprache der Musik u.ä., dann ist in aller Regel diese "Sprache" metaphorisch gemeint. Schwingungen verbreiten sich wellenartig durch die Luft. Gleichwohl kann uns Musik berühren, ansprechen. Doch ist dieses Berühren und ansprechen bildlich gemeint. Benjamin geht es aber nun genau darum, die Sprache der Musik, der Kunst u.a. nicht metaphorisch zu deuten. "Es gibt kein Geschehen oder Ding weder in der belebten noch in der unbelebten Natur, das nicht in gewisser Weise an der Sprache teilhätte, denn es ist jedem wesentlich, seinen geistigen Inhalt mitzuteilen. Eine Metapher aber ist das Wort ˋSprache´ in solchem Gebrauche durchaus nicht." (Gesammelte Schriften, II,1; S. 140f) -
Hier blitzt zum ersten Mal der Gedanke einer Selbstmitteilung der Dinge auf. Denn wenn alles Geschehen bzw. alle Dinge "in gewisser Weise" an der Sprache teilhaben und es ihnen darüberhinaus wesentlich ist, ihren jeweiligen "geistigen Inhalt mitzuteilen", dann ist die Rede von einer "Sprache der Musik", einer "Sprache der Kunst" u.ä. durchaus wörtlich zu nehmen. Hier müssen moderne Theorien der Sprache eigentlich schon die Gefolgschaft verweigern. Denn wie ließe sich das "In-gewisser-Weise" näher bestimmen ohne sprachtheologische bzw. sprachmetaphysische Anleihen? -
Solche Anleihen lassen in der Tat nicht lange auf sich warten. In allem Bestehendem, in jedem Ding sind ein geistiges und ein sprachliches Wesen voneinander zu unterscheiden. Eine Erkenntnis der Dinge hat die Selbstmitteilung dieser Dinge zur Voraussetzung. Menninghaus hat versucht, Benjamin zwar auf eine "mystische Tradition" zu verpflichten, die dieser sich aber "säkularisierend" angeeignet habe. Benjamin entfalte lediglich deren "untheologische Funktionalität" (Walter Benjamins Theorie der Sprachmagie; S. 34). - Benjamin entwickelt den Gedanken einer Sprache vor dem Sündenfall und einer Sprache nach dem Sündenfall - in anspruchsvoller Rhetorik eine prälapsarische, reine Sprache und eine postlapsarische Sprache des Begriffs (vgl. dazu das Nachwort von Fred Lönker, a.a.O. S. 41). Ursprünglich genoß der Mensch den Vorzug, eine Sprache zu haben, die ihm von Gott gegeben worden war. Diese bestand wesentlich aus Namen. Dabei ist die Trias von Gott, Mensch und Dingen entscheidend. Gott bezieht den Menschen ein, indem er ihn auffordert, den Dingen Namen zu geben. Die Sprache des Paradieses ist eine Namenssprache.
Die "postlapsarische" Sprache setzt den Sündenfall voraus. Jetzt werden die Dinge begrifflich im diskursiven Modus bestimmt, werden zu Gegen-ständen, an denen sich Geltungsansprüche erheben. Die Subjekt/Objekt-Spaltung ist in der Welt. Im Namen (adamitische, "prälapsarische" Sprache) liegt die Wahrheit in ihrer ursprünglichen Form, die nicht ausgesprochen werden kann in Form prädikativer Aussagen. Man denke hier an das Zitieren bzw. Deklamieren von Versen aus Heiligen Schriften wie etwa der Bibel bzw. dem Koran. Die Schaffung der Dinge durch das schöpferische Wort Gottes, der ja in der Genesis keine Sach-Verhalte beschreibt, sondern die Sachen kraft seiner Benennungsmacht kreiert, ist der erste quasi-theologische Grundgedanke, aus dem heraus Benjamin das weitere entwickelt. Das obige "In-gewisser-Weise" nimmt aus diesem Grundgedanken seinen Anfang. -
der sich mit dem Ursprung der Sprache befaßt.
(§ 2 der Satzung der Societe de Linguistique, 1866)
Ist die Rede von einer Sprache der Musik u.ä., dann ist in aller Regel diese "Sprache" metaphorisch gemeint. Schwingungen verbreiten sich wellenartig durch die Luft. Gleichwohl kann uns Musik berühren, ansprechen. Doch ist dieses Berühren und ansprechen bildlich gemeint. Benjamin geht es aber nun genau darum, die Sprache der Musik, der Kunst u.a. nicht metaphorisch zu deuten. "Es gibt kein Geschehen oder Ding weder in der belebten noch in der unbelebten Natur, das nicht in gewisser Weise an der Sprache teilhätte, denn es ist jedem wesentlich, seinen geistigen Inhalt mitzuteilen. Eine Metapher aber ist das Wort ˋSprache´ in solchem Gebrauche durchaus nicht." (Gesammelte Schriften, II,1; S. 140f) -
Hier blitzt zum ersten Mal der Gedanke einer Selbstmitteilung der Dinge auf. Denn wenn alles Geschehen bzw. alle Dinge "in gewisser Weise" an der Sprache teilhaben und es ihnen darüberhinaus wesentlich ist, ihren jeweiligen "geistigen Inhalt mitzuteilen", dann ist die Rede von einer "Sprache der Musik", einer "Sprache der Kunst" u.ä. durchaus wörtlich zu nehmen. Hier müssen moderne Theorien der Sprache eigentlich schon die Gefolgschaft verweigern. Denn wie ließe sich das "In-gewisser-Weise" näher bestimmen ohne sprachtheologische bzw. sprachmetaphysische Anleihen? -
Solche Anleihen lassen in der Tat nicht lange auf sich warten. In allem Bestehendem, in jedem Ding sind ein geistiges und ein sprachliches Wesen voneinander zu unterscheiden. Eine Erkenntnis der Dinge hat die Selbstmitteilung dieser Dinge zur Voraussetzung. Menninghaus hat versucht, Benjamin zwar auf eine "mystische Tradition" zu verpflichten, die dieser sich aber "säkularisierend" angeeignet habe. Benjamin entfalte lediglich deren "untheologische Funktionalität" (Walter Benjamins Theorie der Sprachmagie; S. 34). - Benjamin entwickelt den Gedanken einer Sprache vor dem Sündenfall und einer Sprache nach dem Sündenfall - in anspruchsvoller Rhetorik eine prälapsarische, reine Sprache und eine postlapsarische Sprache des Begriffs (vgl. dazu das Nachwort von Fred Lönker, a.a.O. S. 41). Ursprünglich genoß der Mensch den Vorzug, eine Sprache zu haben, die ihm von Gott gegeben worden war. Diese bestand wesentlich aus Namen. Dabei ist die Trias von Gott, Mensch und Dingen entscheidend. Gott bezieht den Menschen ein, indem er ihn auffordert, den Dingen Namen zu geben. Die Sprache des Paradieses ist eine Namenssprache.
Die "postlapsarische" Sprache setzt den Sündenfall voraus. Jetzt werden die Dinge begrifflich im diskursiven Modus bestimmt, werden zu Gegen-ständen, an denen sich Geltungsansprüche erheben. Die Subjekt/Objekt-Spaltung ist in der Welt. Im Namen (adamitische, "prälapsarische" Sprache) liegt die Wahrheit in ihrer ursprünglichen Form, die nicht ausgesprochen werden kann in Form prädikativer Aussagen. Man denke hier an das Zitieren bzw. Deklamieren von Versen aus Heiligen Schriften wie etwa der Bibel bzw. dem Koran. Die Schaffung der Dinge durch das schöpferische Wort Gottes, der ja in der Genesis keine Sach-Verhalte beschreibt, sondern die Sachen kraft seiner Benennungsmacht kreiert, ist der erste quasi-theologische Grundgedanke, aus dem heraus Benjamin das weitere entwickelt. Das obige "In-gewisser-Weise" nimmt aus diesem Grundgedanken seinen Anfang. -
Wie sehr im übrigen Benjamin der Gedankenwelt Johann Georg Hamanns verpflichtet ist, mag ein kleiner Abschnitt aus Hamanns Des Ritters von Rosencreuz Meynung ... illustrieren:
"Adam also war Gottes; und Gott selbst führte den Erstgeborenen unsers Geschlechts ein, als den Lehnträger und Erben der durch das Wort seines Mundes fertigen Welt.[...] Jede Erscheinung der Natur war ein Wort - das Zeichen, Sinnbild und Unterpfand einer neuen, geheimen, unaussprechlichen, aber desto innigern Vereinigung, Mitteilung und Gemeinschaft göttlicher Energien und Ideen." (J.G. Hamann; Sämtl. Werke III, 32) -
"Adam also war Gottes; und Gott selbst führte den Erstgeborenen unsers Geschlechts ein, als den Lehnträger und Erben der durch das Wort seines Mundes fertigen Welt.[...] Jede Erscheinung der Natur war ein Wort - das Zeichen, Sinnbild und Unterpfand einer neuen, geheimen, unaussprechlichen, aber desto innigern Vereinigung, Mitteilung und Gemeinschaft göttlicher Energien und Ideen." (J.G. Hamann; Sämtl. Werke III, 32) -
Die Sprache des Paradieses ist für Benjamin kein Instrument, mit dessen Hilfe die Dinge von Gott geschaffen werden. Dann gäbe es ja einerseits das Geschaffene und andererseits die Sprache als Werkzeugkasten, als Tool, welches nötig ist, damit Gott wie Bob, der Baumeister, an seiner Schöpfung werkeln kann. Hinzu käme die theologische Verlegenheit, daß geklärt werden müßte, ob die Sprache nicht damit schon "da" sein müßte, bevor es so etwas wie eine Welt überhaupt geben würde. Zugespitzt: wo könnte der Ort dieses "da" sein in einer Welt, die noch nicht "da" ist? - Benjamin vermeidet diese Verlegenheit indem er die Einheit einer Unterscheidung an den Anfang setzt. Ein irdischer Beobachter muß unterscheiden können, wenn er beobachten will. Er muß sich zum Beispiel als Beobachter vom Beobachteten unterscheiden. Für ihn kann es sozusagen keinen "Anfang" geben, in dem alles noch eins ist; um überhaupt "anfangen" zu können, muß er unterscheiden. Ein Gott - wenn man so will, macht ihn das erst zu Gott - kann "anfangen", ohne zu unterscheiden. Die Dinge sind an sich selbst Sprache, nur eben göttliche Sprache. Aus dem göttlichen Wort geht das Geschaffene hervor. Das Geschaffene ist zugleich (!) dessen Name. - Der Mensch kann in das Innenleben dieses Geheimnisses nicht eindringen, er muß mit Unterscheidungen operieren; deshalb fallen für ihn das schöpferische Wort und das benennende Wort zusammen, während es in der göttlichen Sprache eine Einheit ist.
Schöpfung und Benennung - dieses Dual weist zurück auf eine andere Differenz: geistiges und sprachliches Wesen. Dabei führt das geistige Wesen wiederum eine Unterscheidung mit sich: das Mitteilbare und das rein Geistige. "Das geistige Wesen eines Dinges ist das, was an Gottes Schöpfungsgedanken in ihm ist, das sprachliche Wesen hingegen dasjenige, was dem Menschen von diesem Gedanken über die sinnliche Erfahrung des Geschaffenen zugänglich ist." (Fred Lönker; a.a.O.; S. 44)
Die "sinnliche Erfahrung" ist im allerweitesten Sinn eine sprachliche Erfahrung, denn die Schöpfung ist Anrede Gottes an den Menschen. Diesen Hintergrund gilt es präsent zu halten. Denn die Sprache bekommt ja genau deshalb diesen Stellenwert bei Benjamin, weil Gott die Schöpfung durch Sprachmacht hervorgebracht hat. Nur ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen natürlich nicht mit göttlichen Insignien ausgestattet. Der Mensch operiert mit der Sprache diskursiv; er macht Aussagen usw., aber die Verbindung zu Gott entzieht sich diesem Typus der Sprachverwendung. Das Magische der Sprache ist mit einer Sprache der Sachverhalte, der Propositionen nicht zu fassen. Mit dem Ende der paradiesischen Einheit von Sprache und Schöpfung, beginnt das, was Benjamin "Geschichte" nennt.
Vielleicht läßt sich ein erstes Zwischenergebnis an dieser Stelle festhalten. Um das Wesen der Sprache zu erfassen, geht Benjamin in den Ursprung der Sprache zurück. Dieser Ursprung ist nicht ein evolutionsbiologischer oder anthropologischer oder paläolinguistischer, sondern ein theologischer. Sofern es nur um die "Funktionalität" des theologischen Setups geht, könnte man auch von einem metaphysischen Ursprung sprechen, ggf. einem mystischen. Der Ursprung der Sprache ist eingebettet in ein Schöpfungs- und Sprachgeschehen, das in alten Schriften (vornehmlich in der Genesis) überliefert ist. Ohne diese Überlieferung könnten wir über dieses Schöpfungsgeschehen nichts wissen. Das kann erst gelingen durch Auslegung. Benjamin befragt nirgendwo die Linguistik, die Semiotik, überhaupt die Sprachwissenschaft; nicht, weil sie vor 103 Jahren nicht in der heutigen Form vorlag, sondern weil das Gegenwärtige das Gewordene ist. Das ist der hermeneutische Aspekt an dieser Art, sich einem geistigen Geschehnis zu nähern.
Schöpfung und Benennung - dieses Dual weist zurück auf eine andere Differenz: geistiges und sprachliches Wesen. Dabei führt das geistige Wesen wiederum eine Unterscheidung mit sich: das Mitteilbare und das rein Geistige. "Das geistige Wesen eines Dinges ist das, was an Gottes Schöpfungsgedanken in ihm ist, das sprachliche Wesen hingegen dasjenige, was dem Menschen von diesem Gedanken über die sinnliche Erfahrung des Geschaffenen zugänglich ist." (Fred Lönker; a.a.O.; S. 44)
Die "sinnliche Erfahrung" ist im allerweitesten Sinn eine sprachliche Erfahrung, denn die Schöpfung ist Anrede Gottes an den Menschen. Diesen Hintergrund gilt es präsent zu halten. Denn die Sprache bekommt ja genau deshalb diesen Stellenwert bei Benjamin, weil Gott die Schöpfung durch Sprachmacht hervorgebracht hat. Nur ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen natürlich nicht mit göttlichen Insignien ausgestattet. Der Mensch operiert mit der Sprache diskursiv; er macht Aussagen usw., aber die Verbindung zu Gott entzieht sich diesem Typus der Sprachverwendung. Das Magische der Sprache ist mit einer Sprache der Sachverhalte, der Propositionen nicht zu fassen. Mit dem Ende der paradiesischen Einheit von Sprache und Schöpfung, beginnt das, was Benjamin "Geschichte" nennt.
Vielleicht läßt sich ein erstes Zwischenergebnis an dieser Stelle festhalten. Um das Wesen der Sprache zu erfassen, geht Benjamin in den Ursprung der Sprache zurück. Dieser Ursprung ist nicht ein evolutionsbiologischer oder anthropologischer oder paläolinguistischer, sondern ein theologischer. Sofern es nur um die "Funktionalität" des theologischen Setups geht, könnte man auch von einem metaphysischen Ursprung sprechen, ggf. einem mystischen. Der Ursprung der Sprache ist eingebettet in ein Schöpfungs- und Sprachgeschehen, das in alten Schriften (vornehmlich in der Genesis) überliefert ist. Ohne diese Überlieferung könnten wir über dieses Schöpfungsgeschehen nichts wissen. Das kann erst gelingen durch Auslegung. Benjamin befragt nirgendwo die Linguistik, die Semiotik, überhaupt die Sprachwissenschaft; nicht, weil sie vor 103 Jahren nicht in der heutigen Form vorlag, sondern weil das Gegenwärtige das Gewordene ist. Das ist der hermeneutische Aspekt an dieser Art, sich einem geistigen Geschehnis zu nähern.
- Jörn Budesheim
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David Lauer über John McDowell hat geschrieben : [...] Der Begriff des Begriffs de re ermöglicht es uns so, zu verstehen, wie die Welt selbst in unsere Begriffe eingehen kann. Wir finden uns nicht in einem Gefängnis der Sprache bzw. der Begriffe eingesperrt, aus dem wir eigentlich ausbrechen müssten, um zur Welt zu gelangen. In dieser Weise ist auch McDowells berüchtigte These von der „Unbegrenztheit des Begrifflichen“ zu verstehen. Diese Redeweise hat immer wieder die Vorstellung provoziert, McDowell vertrete einen dubiosen Idealismus. Aus der Unbegrenztheit des Begrifflichen würde aber nur dann folgen, dass die Welt selbst aus Begriffen bestehe, wenn es im logischen Raum der Begriffe nur Begriffe gäbe. Das aber ist nicht der Fall. Der Raum der Begriffe schließt die Welt ein, und zwar deshalb, weil die Welt selbst der Raum der Begriffe ist. Man tritt nirgendwo von dem einen in die andere über. Die Unbegrenztheit des Begrifflichen ist darum nichts anderes bzw. ist deckungsgleich mit der Unbegrenztheit der Welt.
Ein wenig erinnert mich die kryptotheologische Fragestellung Benjamins an Überlegungen zur "momentanen Evidenz" aus dem "ordo planetarum"-Thread.
Der Münsteraner Kollege Hans Blumenbergs, Friedrich Ohly schreibt: "Die Bedeutung der Worte ist durch den Menschen gesetzt. Durch das Wort spricht der Mensch zum Menschen, durch das Ding spricht Gott zu dem Menschen, und das Wort Gottes in den Dingen gilt es zu verstehen." (Friedrich Ohly; Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur, 89, 1958/59; S. 8ff)
Ex humana und ex divina institutione - das kommt einem Verständnis schon sehr nahe, welches die Welt als Anrede Gottes an den Menschen begreift. Im Mittelalter wird aus dem antiken contemplator der Kommentator. Die biblische Schöpfungsgedanke macht die Welt zum Buch der Natur und dieses Buch steht neben dem Buch der Offenbarung. Der Scholastiker liest im Buch der Natur, weil aus ihm der creator mundi spricht. Der Status der Welt wird von Betrachtbarkeit auf Lesbarkeit umgestellt. - Mir scheint, daß Benjamin ein "ursprüngliches" Welt- und Wirklichkeitsverhältnis entwickelt, das eher dem antiken theoria-Gedanken verpflichtet ist, mit dem Unterschied, daß die Dinge sich bei ihm nicht nur zeigen; sie sprechen auch. Diese theoria-Vorstellung hat natürlich nur wenig mit unserer modernen Auffassung von Theorie zu tun. Bei Benjamin hat der Mensch ja dann eigentlich das, was Ernst Cassirer immer als defizitäre anthropologische Ausstattung bedauert hat, ein Organ für das Ganze. Vielleicht ist dieses Wirklichkeitsorgan nur um den Preis jener Benjamin´schen kryptotheologischen Annahmen zu haben. -
Der Münsteraner Kollege Hans Blumenbergs, Friedrich Ohly schreibt: "Die Bedeutung der Worte ist durch den Menschen gesetzt. Durch das Wort spricht der Mensch zum Menschen, durch das Ding spricht Gott zu dem Menschen, und das Wort Gottes in den Dingen gilt es zu verstehen." (Friedrich Ohly; Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur, 89, 1958/59; S. 8ff)
Ex humana und ex divina institutione - das kommt einem Verständnis schon sehr nahe, welches die Welt als Anrede Gottes an den Menschen begreift. Im Mittelalter wird aus dem antiken contemplator der Kommentator. Die biblische Schöpfungsgedanke macht die Welt zum Buch der Natur und dieses Buch steht neben dem Buch der Offenbarung. Der Scholastiker liest im Buch der Natur, weil aus ihm der creator mundi spricht. Der Status der Welt wird von Betrachtbarkeit auf Lesbarkeit umgestellt. - Mir scheint, daß Benjamin ein "ursprüngliches" Welt- und Wirklichkeitsverhältnis entwickelt, das eher dem antiken theoria-Gedanken verpflichtet ist, mit dem Unterschied, daß die Dinge sich bei ihm nicht nur zeigen; sie sprechen auch. Diese theoria-Vorstellung hat natürlich nur wenig mit unserer modernen Auffassung von Theorie zu tun. Bei Benjamin hat der Mensch ja dann eigentlich das, was Ernst Cassirer immer als defizitäre anthropologische Ausstattung bedauert hat, ein Organ für das Ganze. Vielleicht ist dieses Wirklichkeitsorgan nur um den Preis jener Benjamin´schen kryptotheologischen Annahmen zu haben. -
Wenn Gott das Wort an den Anfang setzte, die Welt und alles in ihr Vorkommende durch das Wort zur Existenz brachte, dann muss der Welt ein dialogisches Motiv innewohnen. Denn nichts wäre verschwenderischer als uns die Existenz durch Worte als Worte zu schenken, damit wir über sie nicht redeten. So finden wir uns also in einer Welt, die kein jenseits des Textes kennt: Il n'y a pas dehors texte, aber es macht sich kein Engegefühl breit. Im Gegenteil: Das Begreifende ist von je her das Ergreifende und viceversa.
Bitte erzähl weiter, Nauplios. Ich wollte nur mitteilen, dass ich ganz interessiert mitlese.
Bitte erzähl weiter, Nauplios. Ich wollte nur mitteilen, dass ich ganz interessiert mitlese.
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Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
(vielleicht bleibt es ja nicht beim Mitlesen, Alethos)
Die Selbstmitteilung der Dinge scheint für Benjamin ein geradezu selbstverständlicher Gedanke zu sein: "wenn Lampe und Gebirge und der Fuchs sich dem Menschen nicht mitteilen würden, wie sollte er sie dann benennen?" (a.a.O.; 143)
Ich habe jetzt ihre einzelnen Reiseeindrücke nicht mehr genau im Kopf, aber wenn ich an das Geräusch der Wellen, das Knarren der Segel und Masten, den Wind usw. denke, welche @TsukiHana beschrieben hat, dann kann ich mir schon vorstellen, daß man sich "angesprochen" fühlt von Dingen, Ereignissen, Natur ... oder man denke an das berühmte Foto der Erde vom Weltraum aus, welches Jörn kürzlich gepostet hat ... oder an die beeindruckenden Schweizer Gebirgszüge ... vielleicht führt eine Spur von der Selbstmitteilung der Dinge in den Gedanken der Erhabenheit ... das wären jett eher ästhetische Überlegungen, welche hier Anschluß finden könnten. -
Die Selbstmitteilung der Dinge scheint für Benjamin ein geradezu selbstverständlicher Gedanke zu sein: "wenn Lampe und Gebirge und der Fuchs sich dem Menschen nicht mitteilen würden, wie sollte er sie dann benennen?" (a.a.O.; 143)
Ich habe jetzt ihre einzelnen Reiseeindrücke nicht mehr genau im Kopf, aber wenn ich an das Geräusch der Wellen, das Knarren der Segel und Masten, den Wind usw. denke, welche @TsukiHana beschrieben hat, dann kann ich mir schon vorstellen, daß man sich "angesprochen" fühlt von Dingen, Ereignissen, Natur ... oder man denke an das berühmte Foto der Erde vom Weltraum aus, welches Jörn kürzlich gepostet hat ... oder an die beeindruckenden Schweizer Gebirgszüge ... vielleicht führt eine Spur von der Selbstmitteilung der Dinge in den Gedanken der Erhabenheit ... das wären jett eher ästhetische Überlegungen, welche hier Anschluß finden könnten. -
Dort oben leuchten die Sterne,
hier unten, da leuchten wir.
Rabimel, Rabambel Rabum
(aus: "Ich geh´ mit meiner Laterne")
Im allseits beliebten St-Martins-Lied gehe "ich mit meiner Laterne", aber überraschenderweise geht auch "die Laterne mit mir". Ähnlich wie bei der Benjamin´schen "Lampe" ist hier die "Laterne" im genus verbi des Aktivs aktiv. Daß die Laterne auch mit mir geht, ist, sofern ich mit der Laterne gehe, keine Option unter mehreren für die Laterne. Die Laterne muß mit mir gehen. Und doch erweckt der Vers den Eindruck als bestünde zwischen dem, der geht und der, die mit ihm geht ein inneres Einverständnis. Nun kann die Laterne natürlich auch nicht gegangen werden, also ein passives Geschehen erleiden. Im Griechischen - und darauf spielt ja auch der Theoretiker der Resonanz, Hartmut Rosa an - gibt es als dritte Form zwischen Aktiv und Passiv noch das Medium. Und das ließe das nicht richtig aktive und nicht richtig passive "Gehen" der Laterne schon eher zum Ausdruck bringen. - Wir stehen also vor dem Befund einer Spracharmut der modernen Sprachen, die sich nur poetisch - und darin liegt vermutlich das mediale Gehen der Laterne - vokalisieren läßt, nämlich im "Rabimel, Rabamel, Rabum". -
hier unten, da leuchten wir.
Rabimel, Rabambel Rabum
(aus: "Ich geh´ mit meiner Laterne")
Im allseits beliebten St-Martins-Lied gehe "ich mit meiner Laterne", aber überraschenderweise geht auch "die Laterne mit mir". Ähnlich wie bei der Benjamin´schen "Lampe" ist hier die "Laterne" im genus verbi des Aktivs aktiv. Daß die Laterne auch mit mir geht, ist, sofern ich mit der Laterne gehe, keine Option unter mehreren für die Laterne. Die Laterne muß mit mir gehen. Und doch erweckt der Vers den Eindruck als bestünde zwischen dem, der geht und der, die mit ihm geht ein inneres Einverständnis. Nun kann die Laterne natürlich auch nicht gegangen werden, also ein passives Geschehen erleiden. Im Griechischen - und darauf spielt ja auch der Theoretiker der Resonanz, Hartmut Rosa an - gibt es als dritte Form zwischen Aktiv und Passiv noch das Medium. Und das ließe das nicht richtig aktive und nicht richtig passive "Gehen" der Laterne schon eher zum Ausdruck bringen. - Wir stehen also vor dem Befund einer Spracharmut der modernen Sprachen, die sich nur poetisch - und darin liegt vermutlich das mediale Gehen der Laterne - vokalisieren läßt, nämlich im "Rabimel, Rabamel, Rabum". -
Vielleicht läßt sich die "Magie" der Sprache auf die Formel bringen, daß das "geistige Wesen" sich nicht vermittelst Sprache mitteilt, sondern durch die Sprache: "Zugleich deutet das Wort von der Magie der Sprache auf ein anderes: auf ihre Unendlichkeit. Sie ist durch die Unmittelbarkeit bedingt. [...] Ihr sprachliches Wesen, nicht ihre verbalen Inhalte bezeichnen ihre Grenze." (II/1, 143) -
Damit wird die Magie der Sprache dann allerdings etwas nicht prädizierbares. Benjamin ist abgewiesen auf den Rückgriff auf die Genesis: "Die Bibel ist zunächst in dieser Absicht nur darum unersetzlich, weil diese Ausführungen im Prinzipiellen ihr darin folgen, daß in ihnen die Sprache als eine letzte, nur in ihrer Entfaltung zu betrachtende, unerklärliche und mystische Wirklichkeit vorausgesetzt wird." (II/1, 147) -
Im Grunde liegt damit die Verabschiedung des rationalen Diskurses vor, in welchem Geltungsansprüche erhoben werden und Sachverhalte geschildert werden, in dem auf Gründe verwiesen wird. Es ist nicht so, daß Benjamin die Möglichkeit eines solchen Diskurses bestreiten würde; aber der "Ursprung der Sprache" ist für diesen Diskurs außer Reichweite.
Damit wird die Magie der Sprache dann allerdings etwas nicht prädizierbares. Benjamin ist abgewiesen auf den Rückgriff auf die Genesis: "Die Bibel ist zunächst in dieser Absicht nur darum unersetzlich, weil diese Ausführungen im Prinzipiellen ihr darin folgen, daß in ihnen die Sprache als eine letzte, nur in ihrer Entfaltung zu betrachtende, unerklärliche und mystische Wirklichkeit vorausgesetzt wird." (II/1, 147) -
Im Grunde liegt damit die Verabschiedung des rationalen Diskurses vor, in welchem Geltungsansprüche erhoben werden und Sachverhalte geschildert werden, in dem auf Gründe verwiesen wird. Es ist nicht so, daß Benjamin die Möglichkeit eines solchen Diskurses bestreiten würde; aber der "Ursprung der Sprache" ist für diesen Diskurs außer Reichweite.
Theologisch zugespitzt: Der Sündenfall liegt in der Trennung von Subjekt und Objekt - sprachlich: in den sämtlichen Unterscheidungen, die das propositionale Wissen ausmachen - , während das Paradies als eine Lebenswelt des Namens das Glück garantieren konnte, gerade weil es auf Propositionen nicht angewiesen war. Der Mensch nach dem Sündenfall hat es nur noch mit toter Objektivität zu tun.