Friederike hat geschrieben : ↑ Mo 7. Okt 2019, 10:06
Den gesamten Abschnitt über Kant verstehe ich noch nicht. @Alethos, Du hattest diese Passagen gestern schon referiert, allerdings hatte ich auch Deine Wiedergabe nicht verstanden (Reflexion, Regel).
Sofern ich Blumenberg richtig folge, greift er ausschließlich im Zusammenhang mit der "absoluten" Metapher auf Kants KdU zurück, d.h. es geht ihm hier nicht um die "gemeine" (mein Ausdruck) Metapher. Mir ist unklar, warum Blumenberg nicht "Symbol" sagt, sondern auf dem von ihm ersonnenen Begriff "absolute Metapher" besteht.
Dein Steilpass an die Adresse der Willigen, die Frage nach dem Symbol-Begriff bei Kant weiter zu vertiefen, ist im Zuge des hitzigen Verlaufs leider ganz untergegangen. In Tat und Wahrheit ist das eine der Stellen, die ich gerne mit euch gemeinsam erörtert hätte. Ich hätte gerne mit euch geklärt, wo die Verbindungen und Überschneidungen sowie die Differenzmengen zwischen dem Metaphern-Begriff bei Blumenberg und dem Symbol-Begriff bei Kant liegen.
Ich sehe mich hier nicht wirklich in der Lage, kompetent Auskunft zu geben. Vielleicht können Nauplios oder Jörn eine Spur legen?
Mit nicht geringerer Vorsicht würde ich deine andere Frage in diesem Zusammenhang beantworten wollen, also die nach der "Form der Reflexion".
Auf S. 11 schreibt Blumenberg, dass in der
Kritik der Urteilskraft das Wort 'Metapher' nicht vorkomme, "wohl aber das Verfahren der Übertragung der Reflexion", dies "unter dem Titel des
Symbols" Von Kant kennen wir die Unterscheidung zwischen
empirischen Begriffen und
reinen Verstandesbegriffen. Empirischen Begriffen korrespondiert eine Anschauung, d.h. ihnen entspricht etwas Sinnliches, etwas Erfahrbares. Sie können durch "Beispiele" expliziert werden. Reine Verstandesbegriffe, die nicht von der Anschauung geborgt sein können, weil sie apriori im Denken vorkommen, müssen sich aber gleichwohl 'an der Anschauung prüfen lassen'. Dasjenige, womit sich die reinen Verstandesbegriffe auf die Realität beziehen, sind die Schemata. Sie stellen sozusagen die Schnittstelle zwischen Verstand und Sinnlichkeit dar, wenn man so will. Daneben gibt es aber noch die
Vernunftbegriffe, die sogenannten 'Ideen', denen keine "adäquate Anschauung beschafft werden kann", weil sie jenseits des Erfahrungshorizonts liegen, mithin transzendent sind, und nur mittels des transzendental dialektischen Verfahrens gehoben werden können. Was diesen Begriffen gemeinsam sein kann, sind also weder Kategorien, die im Verstand liegen (den reinen Begriffen), noch sinnliche Anschauungen, sondern ist die 'Form der Reflexion'. Das, was solche (eidetischen) Begriffe meinen, bewegt sich nicht in der Erfahrungswelt noch in der rein begrifflichen Welt, sondern in einer 'bildhaft konturierten Welt der Analogien'. Das, was sie meinen, das, was sie aussagen wollen, kann gar nichts Erfahrbares sein ausser in der 'Gegebenheit der Übertragung'. Sie können nur in die sinnliche Welt 'zurückgeführt' werden, d.h. erfahrbar und denkbar werden dadurch, dass man die "Form der Reflexion", also die Art und Weise ihrer reflexiven Struktur in den Fokus nimmt.
Wenn als Beispiel über die "Welt" gesprochen wird, dann kann sie unmöglich als "Gesamtheit aller Begriffe" anschaulich gemacht werden, denn wie wollten wir je zu einer Anschauung über die Welt kommen können? Wir haben keinen Sinn für das Ganze, wir haben aber wohl einen Sinn für die Idee, die wir in der Vorstellung verkörpert sehen, wenn wir sie als 'Horizont' beschreiben, als 'Heimat der Wahrheit', "Wiege des Kosmos" etc. Durch diese Vorstellung lässt sich eine "Regel der Reflexion" gewinnen, ein Verfahren, das sich bei Kant durch Symbole vollzieht, d.h. durch Begriffe, die für etwas anderes stehen resp. die eine Bedeutung anzeigen sollen, die in ihnen selbst nicht impliziert ist. Das Symbol charakterisiert sich somit wie die Metapher "als Modell in pragmatischer Funktion", mit dem nicht eine "theoretische Bestimmung des Gegenstands" geleistet werden soll, das also nicht angeben will, was es an sich bedeutet, aber das anzeigen soll, "was die Idee von ihm für uns und den zweckmässigen Gebrauch" bedeuten
soll.
Die Metapher fungiert, wie das Symbol, als Werkzeug, mit dem sich die Bedeutung, die 'hinter den Begriffen' durchscheint als Idee, erschliessen lässt. Diese ausschliesslich analogisch verwendbaren Begriffe kommen demnach dann zur Anwendung, wenn wir ein Mehr an Bedeutung erschliessen wollen, was sich im reinen Begriff gar nicht zeigen kann, weil es in ihm nur latent, verborgen, durchscheinend ist.
Das zeigt sich am Beispiel der Metapher (bei Kant: des Symbols) der "Handmühle". Die 'Handmühle' verweist auf die Ähnlichkeit der "Regel der Reflexion", wenn über sie oder über den "despotischen Staat" nachgedacht wird. Im Bild der Handmühle wird das 'Diktat des Müllers über die Mühle' reflektiert, der mit einer Handbewegung 'befiehlt', wann sich die Zahnrädchen in einem durchgetakteten Mechanismus drehen sollen und wann nicht, und das ist die 'Ähnlichkeit der Reflexion' über den despotischen Staat und die Mühle.
Was ist hier also eigentlicher: die 'Handmühle' oder der 'despotische Staat'? Das lässt sich nun eben gar nicht mehr sinnvoll fragen, denn beides ist dem reflexiven Gehalt nach strukturell ähnlich und aufeinander bezogen: Die Eigentlichkeit von beidem, von 'Staat' und von 'Mühle', muss bewertet werden nach der Eigentlichkeit der Analogie, durch die sie beide gedacht werden: Nicht als Staat (in der Totalität der Begriffe, die ihn konkret beschreiben) wird er gedacht, sondern durch die Mühle. Und sie wird nicht durch ihre empirischen Begriffe gedacht, sondern in der reflexiven Form auf den Staat. Sie sind übertragen aufeinander in der Idee, was die Metapher leistet.