Ich habe einen entsprechenden Link zu der Thematik hier gefunden, der zwar etwas älter schon ist, aber dennoch nach wie vor lesenswert:
faz.net/aktuell/feuilleton/bue…ers-gedichte-1700784.html
Dort heißt es unter anderem:
"Der einundachzigste Band der Gesamtausgabe von Martin Heidegger trägt den Titel "Gedachtes" (Verlag Vittorio Klostermann) und enthält in vier Abteilungen Texte,
die die Nähe und gegenseitige Abhängigkeit von Dichten und Denken nicht erörtern, sondern selbst erproben .
Es beginnt mit der
lyrischen Selbstvergewisserung des einundzwanzigjährigen Theologiestudenten: "Ich mied der Gottesnähe heldenschaffende Kraft / Und tappte irrlichthaschend durch Not und Nacht." Und mündet, etwa Mitte der siebziger Jahre, kurz vor dem Tod, in gehärteter, spröderer Form wieder in den Anfang, wie es bei diesem Denker nicht anders sein kann: (---)
Man sieht, dass "Gedachtes" nicht etwa bedeutet: improvisiert und schnell notiert. Vielmehr wird im Spiel-Raum des Verses etwas gewagt, das zur
Steigerung bekannter Leitworte des Heideggerschen Denkens führt. Sie werden aus ihrer gewohnten Umgebung, dem erläuternden Philosophieren, herausgehoben und zurückgeholt an die Grenze zu einer Erst-Sprache,
in der Dichten und Denken noch nicht unterschieden sind.
So wird immer wieder das Wort Vorenthalt zur Bezeichnung des Daseins genutzt, dem die endgültige Wiederkehr des Anfangs, im weiteren Sinn: die Ankunft des Gottes vorenthalten wird. "Armutbereit" deshalb, weil es, mit Hölderlin, in dürftiger Zeit, des Gottes bedürfend, dahingebracht wird. Der Dichter, dem Heidegger sich anlehnt, ist nämlich der einzige, der stellvertretend für das vergessliche Menschentum das Andenken des Gottes erhält.
Wenn Denken etwas nicht enden wollend Vergängliches ist,
wahre Dichtung aber in sich vollendet erscheint und damit den Ausgang ins Undenkbare öffnet, was ist dann "Gedachtes"? Ist es Denken, angehalten, in Perfektform erstarrt? Offensichtlich ist es nichts, das als Nebenprodukt beim Denken abfiele. Dennoch könnte es sich um eine Art Ausfällung handeln, die "Aus der Erfahrung des Denkens" (so der Titel des in sechzehn Kapitel gegliederten Hauptteils des Buchs) übrigbleibt, eine kernige, kristallische Substanz.
Der Autor selbst gibt eine Erklärung zum Charakter dieser Texte mit dem Hinweis, er habe diese und keine andere Form gewählt, um Aussagesätze, Sätze überhaupt zu vermeiden und alle "Füllwörter" zu umgehen. "
Dem äußeren Anschein ,Verse' und Reime - sehen die Texte aus wie ,Gedichte', sind es jedoch nicht."
Oder sind es doch? Das kann weder der Autor noch der Leser eindeutig bestimmen. Und das nicht aufgrund des permissiven poetischen Geschmacks und der Fülle der Formerweichungen, die uns die experimentierende Moderne bescherte. Der Autor ist in seinem Urteil deshalb eingeschränkt, weil für ihn in letzter Instanz nicht Klang und Melodie ausschlaggebend sind, sondern allein die
Annäherung an den vorsokratischen Spruch, der vom
dichtenden Denker stammt. Den Grad seiner Annäherung kann er indes nicht selber ermitteln."
Oft fällt der äußere Reim eher gefällig aus, während das Sagen selbst durchaus ungefällig bleibt. Vers, Metrum, Strophe verwehren die freie Umständlichkeit des heraufholenden Denkens. Was sich in "Gedachtes" verwandelt, wird aufs Engste versammelt und ins Weite gekürzt. Dabei reizt es den Philosophen, sich der
betörenden Mittel der Poesie zu bedienen. Rhythmus und Reim nutzen, um sein Sagen noch eindringlicher, wenn nicht gar memorierbar zu gestalten.
In der Prosa ein gemessen Schreitender wird der Philosoph ein Inständiger
in seinem gedichteten Denken. Was er nach Art des Mystikers schweigend sagt, mag auf andere so belebend wie verletzend wirken. "
Vielleicht erstmal soweit dazu.
siehe auch:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b ... 60-p4.html