storyway hat geschrieben : ↑ Sa 4. Jan 2020, 09:27
Die Behauptung, welche ich aufstelle ist, dass Gott ursprünglich ein Wort für die Vernunft in der Welt war, der vertraut werden kann. Die Jahreszeiten kommen wieder, die Monatszyklen der Frau, die Fruchtbarkeit bringenden Nilhochwasser. Erst im Machtkalkül der etablierten Religionen werden die Götter unberechenbare, Wunder wirkende Entitäten
"ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ Λόγος καὶ ὁ Λόγος ἦν πρὸς τὸν Θεὸν καὶ Θεὸς ἦν ὁ Λόγος" (Johannes-Evangelium / „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“)
Mit dieser Behauptung bist du nun nicht allein, dass am Anfang das Wort war. Sozusagen das gesamte Evangelium baut auf diesem Narrativ der zu verkündenden, guten Botschaft auf.
Dass du den Bogen zu den beobachtbaren Phänomenen schlägst (Nilhochwasser, Menstruationszyklus etc.), verstehe ich dann wiederum als dein Hinweis darauf, dass sich der Mensch (in Ermangelung besserer Erklärungsmodelle?) diese Phänomene mit Gott erklärte. Es reichte aus, sich alle Wirklichkeit als aus Gott entstanden vorzustellen und darauf zu vertrauen, dass es mit Recht und aus gutem Grund geschehe.
Mit Hegel verweist du dabei auf den Weltgeist als ein überindividuelles Denken und scheinst damit andeuten zu wollen, dass der Logos in die Wirklichkeit (als überindividuelle Wahrheit?) eingeschrieben ist und die Wahrheit im Grunde jedem zugänglich bleibt, der sich nicht von den Machtkalkülen der kirchlichen Institutionen korrumpieren lässt.
Du erzählst, wenn ich dich richtig verstehe, also die Geschichte eines verkümmernden Glaubens an die Wirklichkeit, zu der jeder Zugang behalten kann, wenn er philosophisch eingestellt bleibt und die "Liebe zur Weisheit" bewahrt. Der Glaube verkümmert deshalb, weil der Mensch beginnt, einer Lehrmeinung zu folgen, ohne sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Sie, die Vernunft, aber wäre der Schlüssel zu einem mündigen Verstehen und die Philosophie ist nach deinem Dafürhalten nicht einfach eine weitere Lehrmeinung unter vielen, der man folgen müsste, sondern eben eine in der Wahrheit der Dinge selbst liegende Quelle des eigenständigen Verstehens.
Wenn ich das richtig nachvollziehe, dann bist du ganz auf einer Linie mit der Stossrichtung der Aufklärung:
Immanuel Kant hat geschrieben :
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude!",
Bitte entschuldige, wenn ich dir Aussagen unterstelle, die du so nicht gemacht hast. Nur setzst du so viel voraus, dass ich es ohne weitere Erläuterungen kaum fassen kann