Meditation und ihr philosophischer Gehalt

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Friederike
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Fr 28. Feb 2020, 16:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Feb 2020, 20:27
herbert clemens hat geschrieben :
Mo 17. Feb 2020, 14:02
Ich mache in mir den Gedanken lebendig, dass die Welt Kosmos (ein liebevoller schöner Zusammenhang) ist und die Schönheit durch Spannung (Chaos) gesteigert wird.
Dass man hier auf der Erde ein "ozeanisches Gefühl", wie es manchmal so schön heißt, erleben kann, kann ich gut nachvollziehen. Hier in dem Teil der Sonne, bei ungefähr 14 Grad, wo Leben möglich ist, kann man vielleicht das Gefühl haben, dass alles mit allem zusammenhängt.

Aber was fühlen wir schon vom Kosmos? Der Kosmos ist überwiegend kalt, schwarz und leer, das meiste davon dürfte für unsere Gefühle unverständlich, unerquicklich und unerreichbar sein. Das Weltall ist -270 Grad kalt, da wird es schnell zappenduster mit dem ozeanischen Gefühl. Es ist schön, es zu haben, doch man sollte sich ein Maß an Bescheidenheit bewahren, wenn man kosmologische Zusammenhänge heraufbeschwört.
Ich habe "Welt", "Kosmos" (bei Dir, @Herbert) als Metapher gelesen, als Metapher für das "Ganze", das "alles Umfassende". Gesehen, vor oder mit dem inneren Auge, habe ich dabei den Himmel. Also das, was im Rahmen meines Sichthorizontes liegt. Weiter reicht mein Blick ja nicht.

Interessant finde ich @Jörn, daß Du den Ausdruck "heraufbeschwören" benutzt. Man gebraucht ihn allgemein eigentlich dann, wenn es sich um Unerwünschtes, Unangenehmes handelt - was natürlich zu Deiner Beschreibung des realen Kosmos gut paßt. Dennoch: In Verbindung mit der Bescheidenheit würde ich das "Heraufbeschwören" so verstehen, daß sich das Negative eher auf die Unbescheidenheit bezieht, mir kommt das Wort "Allmacht"-Vorstellung in den Sinn. Das ozeanische Gefühl gekoppelt an Allmachtsphantasien.




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Friederike
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Fr 28. Feb 2020, 17:09

@Herbert, nur, damit es nicht quer läuft - Deine Äußerung und Jörns Antwort sind lediglich Anlaß, mir geht es jetzt ums Allgemeine.

Wie kann die Erfahrung, Teil eines großen Ganzen zu sein, zugleich an Allmachtsvorstellungen gebunden sein? Das scheint komplett widersprüchlich. Wenn das Erleben, winziges Teilchen eines riesigen Ganzen zu sein, kippt, dann ist man nicht mehr Teilchen eines Ganzen, sondern man hat das Ganze in sich. Dann hat man das Ganze unter Kontrolle. Wenn man weiß, wie das große Ganze, als dessen Teil man sich erlebt, funktioniert, dann kann man sich allmächtig fühlen.




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Jörn Budesheim
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Sa 29. Feb 2020, 07:20

Friederike hat geschrieben :
Fr 28. Feb 2020, 16:18
Ich habe "Welt", "Kosmos" (bei Dir, @Herbert) als Metapher gelesen, als Metapher für das "Ganze", das "alles Umfassende". Gesehen, vor oder mit dem inneren Auge, habe ich dabei den Himmel. Also das, was im Rahmen meines Sichthorizontes liegt. Weiter reicht mein Blick ja nicht
... dass die Welt Kosmos (ein liebevoller schöner Zusammenhang) ist und die Schönheit durch Spannung (Chaos) gesteigert wird
Welt kann ja vieles bedeuten. Z.b. die Erde. (Man spricht aber mit ganz anderem Zungenschlag auch von der Lebenswelt... )

Wenn ich recht sehe, ist weiter oben mit Welt jedoch eher Kosmos gemeint. Und der Begriff Kosmos ist heute in der Regel synonym mit den Begriffen Weltall oder Universum, was sich z.b. im Begriff der Kosmologie zeigt. In der ursprünglichen Bedeutung ist damit eine harmonische, verständliche, also der Vernunft gemäße Ordnung "als Ergebnis einer Anweisung" bezeichnet - im Unterschied zum Chaos.

Wir können jedoch in unseren philosophischen Überlegungen die Ergebnisse der Naturwissenschaften nicht einfach ignorieren. Wir sollten nicht einfach die Augen schließen. Das Weltall ist im Großen und Ganzen kalt, schwarz und leer. Warum sollte man das liebevoll nennen? Wir leben in einer Nische und unser Begriff von Kosmos verdankt sich ursprünglich unserem beschränkten Blick auf dieses Universum. Aber dabei können wir nicht einfach grundsätzlich stehen bleiben. Ähnlich ist es mit der (physikalischen) "Welt" des ganz Kleinen, also der "Welt" der Quanten, sie ist (nach dem wenigen, was ich darüber weiß) für unsere Begriffe wohl eher absurd und unverständlich als wohlgeordnet.

Und wenn wir unsere "Welt", also die Erde betrachten, können wir nicht im Ernst behaupten, dass sie einer vernünftigen und liebevollen Ordnung folgt. Betrachten wir dieses Weltgeschehen, insbesondere zur Zeit, dann ist das ganze Gegenteil der Fall.

Ich für meinen Teil halte nicht viel davon, die Zahl der Ordnungen auf 1 zu reduzieren. Das Gleiche gilt dann natürlich auch für die Art der Ordnungen. Ich habe zwar, auch als Atheist, ein gewisses Faible für religiöse Gefühle. Die ozeanischen Gefühle zum Beispiel, die wir haben können, beziehen sich nach meinem Verständnis jedoch nicht auf das Universum, sondern auf die Ökologie diesen kleinen, blauen Planeten und uns in ihm. (Vermutlich verdanken wir sie in irgendeiner Form dem Umstand, dass wir geburtliche Wesen sind.) Das sind vorreflexive, vorphilosophische Gefühle, die wir uns auf jeden Fall bewahren sollten, die wir aber nicht auf das Ganze ausdehnen sollten, allein schon deshalb, weil es das Ganze gar nicht gibt. Wir sind einfach nicht mit allem verbunden.

Zu meiner atheistischen Version von Religion gehört es, dass wir ein kleiner Teil einer unverfügbaren Unendlichkeit sind, insbesondere im Sinne einer unendlichen Vielfalt. Nach dieser Vorstellung können wir diese Vielfalt nicht auf eine kosmische Ordnung zurückführen.

So, jetzt mache ich die Augen zu ;)




herbert clemens
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Sa 29. Feb 2020, 10:37

Eure beiden letzten Beiträge habe ich gerade überfliegend wahrgenommen. Meine jetzt folgende Antwort berücksichtigt diese nicht.
Da aber mein "Alltag" ruft, kopiere ich sie unredigiert hier hin:
Selbst-Beobachtungen (?), besser Ich-Beobachtungen(?):
Im Alltag bin ich damit beschäftigt, mir die letzen Gedanken von Jörn zu vergegenwärtigen, lasse meine Handschuhe im Flur liegen, noch einmal zurück, Einkaufsszettel vergessen, …
So geht es heute morgen immerzu.
Statt in der Gegenwart einer Tätigkeit zu verweilen, denke ich an anderes,
und genieße es manchmal solche Gedanken zu haben.
Ich-Selbst bin mit meinem AlltagsIch eng verbunden, kann aber selbstreflexiv mich von Gedanken, Gefühlen, Willensimpulsen … in Distanz begeben, zum „Zeugen“, „Beobachter“ werden.
In der Selbst-Disziplin, regelmäßig eine Kultur des Inneseins zu pflegen, kann ich diese Kraft stärken.
Dieses Innesein hat für mich eher kontemplativen als meditativen Charakters.
Es stärkt mich, spirituelle Gedanken verschiedenster Art in mir warm zu machen.
So weiß(?) ich, dass es „Liebe“ gibt:
Diese verlässliche schöne Welt mit ihren vielen Einzelheiten.
Es tut uns gut, persönlich Liebe zu erfahren.
Überhaupt erst einmal vom anderen wahrgenommen zu werden.
Danke Friederike, Jörn, ...

Ich muss mich von diesem Wunsche nicht abhängig machen, da ich darauf vertraue, dass ich in dieser lebendigen Welt, auf die ich mich verlassen kann, selbst eine lebendige Realität bin und dankbar für das Wahrnehmen und Schaffen von Schönheit bin.
Ich habe nicht bei Kosmos vom ozeanischem Gefühl geredet und dies auch nicht impliziert, sondern mich relativ nüchtern kontemplativ vergewissert, dass mir die Welt als schöne verlässliche Ordnung erscheint..
Sie ist auf Sinn angelegt,
und ich bin frei, mir in ihr meinen Sinn zu geben.




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Friederike
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Sa 29. Feb 2020, 19:09

herbert clemens hat geschrieben :
Sa 29. Feb 2020, 10:37
Ich habe nicht bei Kosmos vom ozeanischem Gefühl geredet und dies auch nicht impliziert, sondern mich relativ nüchtern kontemplativ vergewissert, dass mir die Welt als schöne verlässliche Ordnung erscheint.
Du hast völlig recht - Jörn (ich erlaube mir, über Deinen Kopf hinweg zu reden) hat interpretiert, und ich bin von der Interpretation ins Allgemeine geschwommen. Ist ja auch in Ordnung so, ich will Dir nur meine Zustimmung zu Deiner obigen Äußerung rückmelden.




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Jörn Budesheim
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Sa 29. Feb 2020, 19:30

Ich habe auch nicht gesagt, dass hier irgendjemand vom ozeanischen Gefühl geredet hat. Ich habe mir einfach aus freien Stücken erlaubt, es selbst zum Thema zu machen :) das habe ich sogar eigens angekündigt:
jpb hat geschrieben : Ich will zu deinen Meditationen mal meinerseits mit freien Assoziationen/Meditationen antworten.




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Friederike
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So 1. Mär 2020, 17:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Feb 2020, 19:30
Ich habe auch nicht gesagt, dass hier irgendjemand vom ozeanischen Gefühl geredet hat. Ich habe mir einfach aus freien Stücken erlaubt, es selbst zum Thema zu machen :) das habe ich sogar eigens angekündigt:
jpb hat geschrieben : Ich will zu deinen Meditationen mal meinerseits mit freien Assoziationen/Meditationen antworten.
Dann ziehe ich die "Interpretation" zurück.




herbert clemens
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Mo 2. Mär 2020, 08:12

Die Welt ist für mich (?) Kosmos und Chaos,
Liebe und Freiheit,
von der Mater(ie) umhüllt, als Individuum geboren (hüllenlos)
„Jeden Morgen geht die Sonne auf, ...“
Naturwissenschaftlich mit mathematischer Exaktheit beschreibbar
Es ist ein Wunder, eine Freude,
wenn ich es in mir lebendig mache.
Es gibt Denken und Sprache als gemeinsamer Bezugsrahmen,
und meine individuelle Art Gedanken auszudrücken.
Es gibt das Ganze,
und unendlich viele vielfältige Fäden damit verbunden zu sein.
Ob es eine kosmische Ordnung gibt, weiß ich nicht.




herbert clemens
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Mo 2. Mär 2020, 08:53

Gerade bei Facebook entdeckt :)

Ich finde Dich in allen diesen Dingen

Ich finde dich in allen diesen Dingen,
denen ich gut und wie ein Bruder bin;
als Samen sonnst du dich in den geringen
und in den großen giebst du groß dich hin.

Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,
dass sie so dienend durch die Dinge gehn:
in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte
und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.

(Rainer Maria Rilke)




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Jörn Budesheim
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Mo 2. Mär 2020, 14:44

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 2. Mär 2020, 08:12
Es gibt Denken und Sprache als gemeinsamer Bezugsrahmen,
und meine individuelle Art Gedanken auszudrücken.
Aber wenn der individuelle Ausdruck den gemeinsamen Bezugsrahmen zu weit verlässt, wird es manchmal schwer, dem anderen zu folgen. Was du mit Welt, Kosmos und Chaos meinst, verstehe ich nicht und diverses andere auch nicht.




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Friederike
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Mi 4. Mär 2020, 17:03

herbert clemens hat geschrieben :
Sa 29. Feb 2020, 10:37
Dieses Innesein hat für mich eher kontemplativen als meditativen Charakters. Es stärkt mich, spirituelle Gedanken verschiedenster Art in mir warm zu machen. So weiß(?) ich, dass es „Liebe“ gibt: Diese verlässliche schöne Welt mit ihren vielen Einzelheiten. Es tut uns gut, persönlich Liebe zu erfahren. Überhaupt erst einmal vom anderen wahrgenommen zu werden. [...]
Ich muss mich von diesem Wunsche nicht abhängig machen, da ich darauf vertraue, dass ich in dieser lebendigen Welt, auf die ich mich verlassen kann, selbst eine lebendige Realität bin und dankbar für das Wahrnehmen und Schaffen von Schönheit bin. Ich habe nicht bei Kosmos vom ozeanischem Gefühl geredet und dies auch nicht impliziert, sondern mich relativ nüchtern kontemplativ vergewissert, dass mir die Welt als schöne verlässliche Ordnung erscheint. Sie ist auf Sinn angelegt, und ich bin frei, mir in ihr meinen Sinn zu geben.
Eigentlich sind es ganz irre Aussagen ... finde ich. :lol: Ob man die Welt, in der man lebt, als schöne verlässliche Ordnung ansieht oder ob man die Welt, in der man lebt, als leidvolle unberechenbare Ordnung ansieht, ist eine Sache der Betrachtungsweise ?! Irgendwie scheint es zu stimmen. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf das Gute, Liebevolle, Schöne richte, dann ereignet es sich eigentlich fast ebenso regelmäßig und häufig wie das Miserable, Dunkle, Unangenehme (auf deren Vorkommen man sich auch "verlassen" kann; das geht nicht gegen Dich @Herbert, sondern ist eine sarkastische Äußerung der miesepetrigen F.)

Du sagtest an anderer Stelle, der Bezugsrahmen, den wir mit allen Menschen teilen, sei Sprache und Denken. Das trifft auf die liebevolle Zuwendung, auf Hilfe und Unterstützung, auf Anerkennung, die wir einander geben, ebenfalls zu. Es sind Fähigkeiten, die Menschen teilen. Also bilden sie auch einen Bezugsrahmen allgemeiner Art, in dem sich jeder einzelne Mensch individualisiert. Ich komme nur nicht recht damit klar, weil ich mir denke, Liebe und Anerkennung o.ä. zu erfahren, sind so ungerecht verteilt? Irgendwie kann man diesbezüglich doch nicht sagen, es sei eine Angelegenheit der Aufmerksamkeit - ob man also das Gute und Schöne als verlässliche Ordnung oder das Elendige, Hässliche als die verlässliche Ordnung ansieht bzw. das Unberechenbare als das Verlässliche.




herbert clemens
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Fr 6. Mär 2020, 09:44

@ Friederike Die Welt ist beides. Liebe und ...
Sie enthält unfassbar viel Leid. Es bringt mich manchmal zum Weinen. (Und das ist auch gut so.)
Ich kann oft wenig, gar nichts am Elend ändern.
Ich kann es wahrnehmen, und in meinen beschränkten Rahmen auf verschiedenen Ebenen für „Menschlichkeit“ eintreten.
In unserem Gesprächsrahmen „Meditation“ geht es mir darum, mir klar zu machen, dass ich im Prinzip frei bin, im nächsten Hier und Jetzt eine schöne schöpferische Tat in die Welt zu setzen und in liebevoller Güte faire Schokolade zu (ver)kaufen oder ein Missverständnis mit meinem Nächsten aus dem Weg zu räumen. (meine Lieblingspole Freiheit und Liebe illustrierend)
Ich kann wahrnehmen, dass ich ungeduldig aus der Haut fahre, bin aber nicht verpflichtet, dabei stehen zu bleiben.
Durch mein kontemplatives Leben (fast ritualisiert morgens und abends) habe ich das Gefühl, dass ich meine Freiheitsräume erweitert habe, mich nicht allzulange im melancholischen Selbstmitleid zu suhlen.
Ich finde es legitim, geradezu handlungsstärkend, in sich den Gedanken, der doch vorhandenen Liebe lebendig zu machen.




herbert clemens
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Fr 6. Mär 2020, 09:46

@ Jörn Meine Stellungnahmen waren wohl zu kurz aneinander gereiht.
Ich habe versucht, mich darauf zu beziehen, dass du die Welt nicht als geordnete (für mich =Kosmos) wahrnimmst.
Z:B:: Der Sonnenaufgang ist naturwissenschaftlich präzise zu bestimmen, zu beschreiben. In Naturgesetzen lässt sich diese Ordnung zum Ausdruck bringen.
Diese Welt ist für uns Menschen in allen Alltagslagen verlässlich. Ich bezweifele nicht, dass es Kälte im Weltall gibt, für das Leben der Menschheit hat Priorität, dass wir uns auf der Erde in ihr sicher bewegen können.
Für mich ist die Poesie eines Rilke, den du ja wohlwollend zitierst, Ausdruck der Sicherheit in „Mutter Natur“ gut aufgehoben zu sein oder anders formuliert, Ausdruck einer vorgängigen „göttlichen Liebe“.
(Die Natur ist natürlich auch: Kälte, Wetter, Vulkan, …) Aufgabe für mich, dem Menschen, in Selbst – und Nächstenliebe, den Naturzusammenhang heilsam zu gestalten.
Hier wird Freiheit als Pol für mich sichtbar.
Im Grunde bin ich als Mensch in meinen Naturzusammenhängen wie in meinen sozialen Bezügen sicher.
In meinen Kontemplationen mache ich die Liebe, die Schönheit, Rilke, ... in mir lebendig
und schaffe so gestärkt, den kleinen und großen Widerwärtigkeiten des Lebens einen sinnvollen Akzent entgegen zu setzen.

Nehmen wir die Eicheln, wie aus diesen kleinen Kernen die Schwerkraft überwindend über einige Metamorphosen Eichen entstehen, kosmisch (?) geordnet immer Eichen, die aber immer wieder verschieden in anderer Schönheit sich darbieten.

Vielleicht geht es nicht um „Kosmos“, unser Gespräch hat ja Meditation zum Thema.
Ob wir inne halten, und das Wunder des Krähenrufes wahrnehmen oder eine Wolkenformation oder , spielt keine Rolle.
Ob du oder ich dies als göttlich bezeichnen, spielt keine Rolle.
Ich und du sind im „Himmel“, im „Reiche Gottes“ …, wenn wir im Hier und Jetzt unsere Möglichkeiten wahrnehmen. Das ist bei mir selten Höhepunkt.




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Jörn Budesheim
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Fr 6. Mär 2020, 11:32

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 6. Mär 2020, 09:46
... dass du die Welt nicht als geordnete (für mich =Kosmos) wahrnimmst.
Ich weiß nicht genau, was ich dazu sagen soll :-)

Es trifft auf jeden Fall nicht meine Postion. Zumindest so weit ich dich verstehe. Ich stelle zwar deine Ansicht infrage, dass die Welt ein geordnetes Ganzes, also ein Kosmos ist. Das ist richtig. Aber das heißt nicht, dass ich das Gegenteil davon denke. Keineswegs! Ich bezweifle alle generelle Aussagen über "die" Welt. Nach meiner Einschätzung ist es falsch, dass die Welt ein geordnetes Ganzes ist. Falsch ist aber auch, meine ich, dass sie ein ungeordnetes Ganzes ist. Schon gar nicht, glaube ich, dass man die Welt oder den Kosmos wahrnehmen kann.

Weiter oben habe ich mich dazu ja etwas ausführlicher geäußert.

Mag sein, dass man beim Meditieren manchmal Gefühle haben kann, als sei man mit dem "Kosmos" verbunden. Ich hatte das mit dem gängigen Begriff des "ozeanischen Gefühls" verknüpft. Aber hier ist nach meinem Verständnis mit Kosmos natürlich nicht das physikalische Universum gemeint, auch nicht die Welt. Über Natur (oder "Erde") könnte man streiten, da wäre ich wohl am ehesten für zu haben, doch dazu müsste man den Begriff "Natur" erst etwas entwickeln. Es geht bei diesen meditativen Erlebnissen wohl eher um ein bestimmtes "inneres" Erleben/Gefühl, wie man sich "positioniert fühlt".

Natur, Welt, Universum, Kosmos ... sind das bei dir Synonyme? Worauf beziehen sich diese Begriffe in deinem Denken? Das wird mir bei dir nie wirklich klar. Manchmal klingt es so, als ginge es dabei um deine "Lebensgefühle". Manchmal als ginge es um deine (private) Lebenssphäre. Dann wieder scheint so etwas wie das physikalische Weltall gemeint zu sein. Oder auch die Erde. Manchmal auch mehr: vielleicht etwas, was das alles noch "umgreift" oder übersteigt.

Vielleicht hab ich am WE mehr Muße, etwas mehr zu schreiben.




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Friederike
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Fr 6. Mär 2020, 15:53

Ich schieb's dazwischen:
Herbert hat geschrieben : [...] wenn wir im Hier und Jetzt unsere Möglichkeiten wahrnehmen.
In diesem Satz hat "wahrnehmen" schon mindestens 2 Bedeutungen, vielleicht noch mehr ... 1. bemerken, erkennen, sich bewußt werden und 2. ergreifen, in die Tat umsetzen.

Den Kosmos/die Welt wahrnehmen - da geht Mehreres, wohl: empfinden, spüren, erfahren, denken, gewahr sein oder auch wie Du schreibst @Jörn, "inneres Erleben".




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Jörn Budesheim
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Sa 7. Mär 2020, 08:21

"inneres Erleben" ist so eine komische Formulierung, ich halte selbst nicht viel davon, aber manchmal fehlt mir die Alternative oder ich bin zu faul, um nach was besserem zu suchen :)




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Sa 7. Mär 2020, 19:12

Jörn hat geschrieben : [...] Ein Naturwissenschafter schreibt einen Aufsatz über Wahrnehmung, Ästhetik und das Gehirn. Über Wahrnehmung schreib er folgendes: "Wahrnehmung bedarf vermutlich keiner Definition, die umgangssprachliche Bedeutung ist ausreichend klar."
Ich vertiefe das offtopic, indem ich einen Beitrag von Dir, @Jörn, den Du im Februar im "Kaffeestübchen" notiert hattest, hierher kopiere. Mir scheint es so, wenn ich nur die wenigen Sätze von Dir @Herbert ansehe, daß der Ausdruck in vielfältigster Bedeutung -umgangssprachlich- gebraucht wird (er ist ein bißchen wie eine multifunktionale Küchenmaschine). Ja, und eigentlich geht die jeweilige Bedeutung aus dem Kontext wohl meistens klar hervor.




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Jörn Budesheim
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Sa 7. Mär 2020, 19:39

Dann tu dir keinen Zwang an und lege es kurz dar! :)




herbert clemens
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Mi 11. Mär 2020, 11:19

Facebook Jörn: Was ist Natur?
Ich habe natürlich keine letzte Antwort auf diese Frage. Ich will hier nur mal einen Gedanken ausprobieren. Und zwar im Anschluss an die Frage, was der Geist ist. Wenn wir irgendeinen Gegenstand betrachten, dann ist es diesem Gegenstand in vielen Fällen gleichsam "egal", was wir über ihn denken. Lava im Monde kümmert es nicht, was wir über sie denken. Sie ist einfach wie sie ist unabhängig davon, wie wir sie betrachten. Betrachten wir uns selbst, liegen die Dinge jedoch anders. Wie wir uns betrachten und wie wir sind, das ist nicht streng getrennt. Unser eigenes Sein vollzieht sich immer auch im Lichte der Ansichten, die wir von uns selbst haben. (=Geist)
Diese Unterscheidung ist relativ "streng". (Sie dürfte der Unterscheidung zwischen "an sich" und "für sich" in einem weiten Sinne entsprechen.) Ich frage mich, ob es zwischen den beiden Polen Zwischenglieder geben kann? Wie sieht es aus mit einer Blüte? In einer gewissen Hinsicht dürfte es der Blüte zwar "egal" sein, wie sie gesehen wird. Auf der anderen Seite können wir ihre Erscheinung meines Erachtens gar nicht verständlich machen, wenn wir nicht in Rechnung stellen, dass sie so, wie sie ist gewissermaßen "für andere" ist. Man könnte vielleicht sagen, ihre Erscheinung ist auf Wahrgenommenwerden ausgelegt. Die Blüte ist natürlich nicht "für sich", in dem Sinne, dass sie sich um sich sorgt und ein Bild von sich hat, an dem sie sich orientiert. Aber sie ist nicht bloßes "an sich", wie auch immer man das im Einzelnen ausbuchstabieren müsste. Ihr Sein ist nur aus einem lebendigen Zusammenhang heraus zu verstehen.
N Das wäre ein Naturbegriff, der nicht so ohne weiteres von der Physik z.b. zu fassen wäre, weil Erlebnisse (das heißt: Bewusstsein) in irgendeiner Weise Bestandteil dieses Begriffes sind.
In diesem Konzept könnte der Umstand, dass die Blüte so und so aussieht, vielleicht schön ist, so und so riecht etc... niemals zu einem Epiphänomen werden, sondern das wäre der Kern des Naturbegriffes.




herbert clemens
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Mi 11. Mär 2020, 11:20

(Vorweg schlecht geschlafen und unkonzentriert, habe aber gerade Zeit, und ihr werdet vielleicht die Gedankenansätze durch eure Rückfragen weiterbringen)
Ich bin ja nicht philosophisch geschult.
Ich denke gern.
Und beziehe mich schon auf meine persönliche Lebenssphäre.
Dabei habe ich den Anspruch im vernünftigen Begründen meines Lebens rational vor anderen Menschen bestehen zu können.
(Mit deinen Überlegungen zur Natur bei Facebook kann ich etwas anfangen. Vielleicht meine ich am ehesten Natur?)
Ich glaube, dass es im Gesprächszusammenhang „Meditation“ allerdings nicht auf trennscharfe Begriffsklärung: Welt, Kosmos, Natur ..usw. ankommt.
Wir sind „Natur“ und durch unser Bewusstsein doch auch ein Gegenüber zur Natur.
Meditation in mancher buddhistischen Tradition ist aufgehen in dem Naturzusammenhang, atmen im Hier und Jetzt, Nirwana. Leid ist Anhaftung an individuelles Leben, Sorgen, …, sich getrennt fühlen von der Lebensgrundlage.
Mir geht es eher um Stärkung des Selbst, Freiheit von der Naturgrundlage.(Sie scheint mir im jedem menschlichen Leben der Möglichkeit nach angelegt zu sein.)
Selbst als raumloser, inhaltsloser Punkt, als Zeuge, Beobachter aller Gedanken, Gefühle, Antriebe.
Sich von ihnen trennen und und sie wiederum bewusst wahrnehmen.
Ich als biographische Individualität, die durch die Möglichkeit des Selbstbewusstseins in jeder Situation frei ist, sich weiter entwickeln kann.
(Ich gebe doch für heute auf)




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