Dass in der Wissenschaft vor allem quantitative Aussagen gemacht werden ist eine Folge der Grenzen wissenschaftlicher Modellbildung.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 30. Mai 2020, 20:20"Das" quantitative naturwissenschaftliche Weltbild ist mit großer Wahrscheinlichkeit falsch. Ich kann einfach zu viele Dinge nicht integrieren.
Ich habe den Eindruck, dass man sich dieser Beschränktheit der Wissenschaft durchaus bewusst ist, sie aber auch für "unumgehbar" hält.Bereits im Rahmen der bisher besprochenen Charakteristika der Modellbildung lassen sich
aber weitere wesentliche Grenzen der naturwissenschaftlichen (physikalischen) Methodik
markieren:
Zunächst gibt es natürlich relative Grenzen. Forschung hängt ab vom Stand der Technik,
von der Rechenleistung der Prozessoren in Computern, von den zur Verfugung stehenden
finanziellen Mitteln usw. Solche Grenzen verschieben sich mit der Zeit und bedeuten i.a.
keine prinzipielle Beschränkung.
Interessanter sind die absoluten Grenzen. Dies sind solche Grenzen, die prinzipiell gegeben
sind und sich nicht mit äußeren Bedingungen und dem Stand der Forschung ändern. So
haben alle naturwissenschaftlichen Modelle einen prinzipiell hypothetischen Charakter. Sie
werden entworfen und getestet und sind dabei immer wieder Versuchen der Falsifikation
ausgesetzt. Ihre Wahrheit liegt allein in ihrer Bewährung. Aber selbst lange bewährte
Modelle können an neuen Daten scheitern. Interpolationen und Extrapolationen sind nie
mit Notwendigkeit richtig. Wir sind nie ”gefeit“ gegen überraschend Neues, das zu einer
Abänderung von Modellen zwingt.
Eine besonders wichtige absolute Grenze liegt darin, daß physikalische Modelle immer
nur Teilaspekte der Naturwirklichkeit präparieren können. Dies wurde oben bereits deutlich gemacht.
Für die Physik (und die anderen Naturwissenschaften) läßt sich das weiter
konkretisieren:
• Die Kategorien Raum, Zeit und Materie müssen schon vorausgesetzt werden.
So kann Beobachtung und Datenerfassung nur vorgenommen werden, wenn bereits Materie vorhanden ist.
Evtl. existierende andere Kategorien (z.B. nichtmaterielle Wirklichkeiten) sind methodisch ausgeblendet.
Leicht kann es dann allerdings zu einer dogmatischen Ausblendung kommen, also zur Behauptung der Nichtexistenz solcher
Wirklichkeiten.
• Der meist sehr hohe Grad an struktureller Angleichung bei physikalischen Modellen
(Theorien) mittels des Modellmaterials Mathematik bedeutet, daß auch nur Fragen
nach strukturellen (und dabei meist auch quantitativen) Zusammenhängen beantwortbar sind:
Wie und wie schnell fällt ein Stein? Wie breiten sich Wellen aus?
Wie fließt elektrischer Strom?
• Die Mathematisierung erzwingt außerdem auch eine Typisierung, Normierung. Selbst
eine einfache mathematische Operation wie die Addition kann ja nur mit völlig gleichen,
d.h. im Modell gleich gemachten Objekten durchgeführt werden.
Individuelle Unterschiede können bestenfalls als statistische Abweichungen formuliert werden.
Das Individuelle, das Einmalige ist ausgeblendet zugunsten des Gesetzmäßigen.
• Fragen nach dem Wesen, nach Qualitäten, nach dem Was sind nicht beantwortbar
und damit ebenfalls ausgeblendet. Was eigentlich Schwerkraft (elektrischer Strom,
Licht usw.) ist, kann der Physiker nur mit dem Hinweis auf Verknüpfungen mit anderen
Größen, also funktional, mit Strukturaussagen, beantworten.
Aus dieser Erkenntnis von Beschränktheit folgt aber auch die Einsicht, dass Wissenschaft kein (vollständiges) Weltbild liefern kann (und will).
Die Anologie zu einem Haus in dem die Wissenschaft verschiedene Stockwerke beschreibt aber zum Beispiel nichts über die anderen Stockwerke oder gar den Architekten weiß, finde ich sehr anschaulich.
Das Stockwerk mit dem sich die Naturwissenschaftler beschäftigen ist das "Stockwerk Natur". So gesehen liefern uns die Naturwissenschaften ein Naturbild, kein Weltbild.
Jetzt ist die Frage, wie Naturwissenschaftler gewisse Dinge in das Naturbild "integrieren" sollen, wenn sie dabei an die Grenzen des prinzipiell Machbaren stossen?
Wie soll der Naturwissenschaftler mithilfe wissenschaftlicher Methodik zeigen, dass "der Berg denkt"?
Solche Dinge können mMn nur Teil eines übergeordneten Weltbildes sein, nicht aber Teil eines wissenschaftlichen Naturbildes.