Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 28. Jun 2020, 17:24
Alethos hat geschrieben : ↑ So 28. Jun 2020, 14:17
Sein muss es doch geben, bevor es Seiende gibt, wie wollte denn sonst dieses Seiende je sein können? Das meinte ich mit „davor“.
Das halte ich gelinde gesagt für abwegig
Ich nehme wieder eine Struktur-Analogie. Denken wir uns einen Bereich und das, was in dem Bereich vorkommt. Ein Bereich ist kein Behälter, in den man die Dinge, die in ihm vorkommen, einfüllt, wie mit einer Gießkanne. Ein Behälter wäre tatsächlich schon vorher da. Stattdessen ist es so, dass Gegenstand und Gegenstandsbereich aufeinander verwiesen sind.
Ja, das sind sie, Gegenstandsbereich und Gegenstand ergeben sich auseinander, d.h. es gibt nicht hier "Bereich" und da "Gegenstand dieses Bereichs", sondern die Eigenschaften der Gegenstände ergeben einen Bereich sinngleicher oder -ähnlicher Gegenstände. Die Gegenstände des Bereichs und der Bereich selbst, das ist synonym. Ein Bereich bestimmter Gegenstände wird erst zum Bereich dieser Gegenstände wegen der darin vorkommenden Gegenstände und die Gegenstände sind nicht diese spezifischen wegen des Bereichs, sondern als spezifische Gegenstände bilden sie diesen Ordnungsbereich selbst, in welchem sie vorkommen: als Gegenstände dieses Bereichs.
Aber der Bereich selbst ist als sinngeordnete Vielfalt von Gegenständen wiederum ein Seiendes: Die Kunst, die Politik, die Rechtswissenschaft, die Anhöhe auf dem Lindenberger Feld: alle diese Bereiche sind Seiende (denn es gibt sie ja!), aber sie geben den Gegenständen nicht ihre Spezifität, die Bereiche sind nicht konstitutiv für die Gegenstände. Der Tanz ist nicht konstitutiv für die Tanzenden, sondern, wo getanzt wird, da ist der Bereich des Tanzes. Wo Gesetze sind, da ist der Bereich des Rechts etc.
Beim Sein und den Seienden verhält es sich meiner Meinung nach aber nicht derart, dass die Seienden den Bereich des Seins bilden. Das Sein ist nicht ein Bereich (oder ähnliches), in welchem die Seienden vorkommen, sondern es ist die Bedingung für Seiendheit überhaupt (wenn man es mit einem die Klarheit nicht weiter fördernden Begriff beschreiben will). Die Kunst, das Recht, die Geografie Deutschlands - das sind, wenn man so will - Seiende, sie exisitieren, weil sie Sein haben. Aber das Sein selbst, das kann doch nicht in derselben Weise existieren, wie Rechtssätze und der Bereich des Rechts, denn diese existieren ja schon und können nur existieren, wenn es Sein gibt. Das Existieren selbst kann nicht im selben Verhältnis zu den Existierenden stehen,
insofern es sich um das Sein schlechthin handelt, das allem Existierenden die Seinsgrundlage gibt.
Das Existieren muss den Existierenden vorgelagert sein als ein ontologisches Prinzip, damit Seiende überhaupt Seiende sein und Bereiche ausbilden können, die sind.