Kaffeestübchen

[Alethos]

Aber nun zum Ernst: Es gibt an jeder Strassenecke Obdachlose, es sind zu viele, um sie zu zählen. Und das in einem der reichsten Länder der Welt: Shame on us!

[Jörn Budesheim]

Musste gerade an diesem Slogans aus 1984 denken: „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“, „Unwissenheit ist Stärke“. Ich habe mir jetzt ein Buch von Thomas Fuchs gekauft, das heißt "die Verteidigung des Menschen". Darum scheint es mir im Moment wirklich zu gehen.

[Stefanie]

Diese Slogans habe ich noch nie gehört...meine ich, oder ich habe sie direkt wieder vergessen. Aus welcher Ecke kamen die denn?

[Jörn Budesheim]

Das Buch 1984!

[Stefanie]

Ach sooo. Ich dachte, es waren die tatsächlichen 80 ziger Jahre gemeint. Das Buch kenne ich nicht.

[Jörn Budesheim]

Ambivalenz in Eindeutigkeit überführen, heißt Kitsch produzieren (Philipp Tingler in der Neuen Zürcher Zeitung)

[Stefanie]

Der geschaffene Kitsch löst aber wiederum oft ambivalente Reaktionen aus. Von achjee wie scheusslich bis oh wie schön. Oder Lachanfälle.

[Jörn Budesheim]

In ein und derselben Person?

[Stefanie]

Natürlich nicht.
Verschiedene Menschen reagieren verschieden. Wenn alle identisch auf Kitsch oder nicht Kitsch reagieren bzw. alle identisch etwas als Kitsch empfinden, wäre es ziemlich eintönig.
Mich stört was an dem von Dir zitierten Satz, nur was ist mir nicht ganz klar. Arroganz war eine der erste Reaktionen. Die anderen waren Koons, Dali, Hundertwasser, deutsche Schlager, und Reiseandenken wie Kuckucksuhr und unechte Muscheln.

[Stefanie]

Nachdem ich jetzt den Artikel gelesen habe, und wie er geschrieben ist, verfestigt sich meine erste Reaktion, nämlich Arroganz, gerade.

[Jörn Budesheim]

Verschiedene Menschen reagieren verschieden

Und das verstehst du unter Ambivalenz?

[Stefanie]

Widersprüchlich, uneins, schwankend, nicht eindeutig.
In Deutschland haben wir durchaus ein ambivalentes Verhältnis zu Patriotismus. Fähnchen schwingen, Hymne singen, ja oder nein, stolz sei usw. Und wenn ja stolz deutsch zu sein, wie zeigen, oder nicht zeigen. Usw.

[Jörn Budesheim]

"Die Einstellung zu Kitsch ist ambivalent", ist nicht synonym mit "Kitsch ist ambivalent", oder?

[Stefanie]

Ich versuche es mal.
Ambivalenz in Eindeutigkeit überführen, heißt Kitsch produzieren (Philipp Tingler in der Neuen Zürcher Zeitung)

Nach dieser Aussage liegt Kitsch dann vor, wenn etwas die Ambivalenz, die Uneindeutigkeit glattgebügelt hat, mit dem Ergebnis, dass das was widersprüchlich war, eindeutig ist, oder alle bejahend nicken, und man sich keine Fragen stellen muss und sich nicht mit der ambivalenz des Lebens auseinandersetzen muss. Kitsch ist wie Friede, Freude, Eierkuchen. Kitsch ist demnach widerspruchsfrei.
Sowas gibt es nicht, meine ich.
Die Wirkung dieses Kitsch, sei es ein philosophisches Zitat, eine Durchhalteparola, ein Bild, ein Lied oder was auch immer, ist aber nun sowas von widersprüchlich, umstritten und nicht eindeutig. Nehme etwas, nehme das Zitat, bezeichne dieses es als Kitsch, frage 100 Menschen, und erhalte 200 Antworten.
Wie kann etwas, dass "nur eindeutig ist, nichts ambivalentes hat, widerspruchsfrei ist, ambivalente Reaktionen hervorrufen?

[Alethos]

Ihr glaubt nicht, was mir soeben passiert ist.
Ich radle am Tiergarten in Berlin entlang und überhole wen? Peter Sloterdijk.

Ich rufe ihm zu: "Ich überhole Peter Sloterdijk. Das wird in die Geistesgeschichte eingehen." Er lacht. Wir fahren beide weiter.

[Friederike]

Ihr glaubt nicht, was mir soeben passiert ist.
Ich radle am Tiergarten in Berlin entlang und überhole wen? Peter Sloterdijk.
Ich rufe ihm zu: "Ich überhole Peter Sloterdijk. Das wird in die Geistesgeschichte eingehen." Er lacht. Wir fahren beide weiter.

So ist es. Du hättest ihn von hinten als P.S. identifizieren müssen und während des Überholens kuckt man doch nicht nach rechts ... Nein, liebster Alethos, Du tünst.

[Friederike]

[...]

Außerdem, um 14.27 Uhr schreibst Du unter "subjektiv - objektiv". Um 14.54 Uhr erzählst Du über die Begegnung mit P.S. (es ist nicht ausgeschlossen, daß das Ereignis sich in der Zwischen-Zeit zugetragen hat, und möglicherweise, wenn Du auf dem Handy geschrieben hast ... , aber die Zeitangaben wiegen als Indizien schwer ).

[Alethos]

Ihr glaubt nicht, was mir soeben passiert ist.
Ich radle am Tiergarten in Berlin entlang und überhole wen? Peter Sloterdijk.
Ich rufe ihm zu: "Ich überhole Peter Sloterdijk. Das wird in die Geistesgeschichte eingehen." Er lacht. Wir fahren beide weiter.

So ist es. Du hättest ihn von hinten als P.S. identifizieren müssen und während des Überholens kuckt man doch nicht nach rechts ... Nein, liebster Alethos, Du tünst.

Also, die untrügliche Faktenlage ist folgende :

Zunächst überholt mich da jemand, und ich sehe beim Vorbeifahren einen rötlich-blonden Schnäuzer und unverkennbar die Gesichtszüge von Sloterdijk. Zudem trug er überlange schwarze Altherrensocken, wie sie nur Philosophen tragen, wenn sie sich in die Niederungen einer Alltagswelt begeben Dann packte mich die Neugier und ich fuhr so schnell es das Hotelbike zuliess.. und, auf der Höhe des Verfolgten angekommen, da sehe ich: "Ja, es ist Sloterdijk! Wie er leibt und lebt, aber vorallen leibt Ohne Witz: Was für ein Raser.

Aber es kommt übrigens noch besser: Er ist dann an der Ampel, die auf Rot stand und bei der ich pflichtbewusst gewartet habe, kurz langsamer geworden und sagte: "Über diese Regel setzen wir uns hinweg!" Ich machte es ihm gleich, denn der kleine moralische Verstoss eines grossen Philosophen ist eben auch das: nur ein kleiner Verstoss.

[Alethos]

[...]

Außerdem, um 14.27 Uhr schreibst Du unter "subjektiv - objektiv". Um 14.54 Uhr erzählst Du über die Begegnung mit P.S. (es ist nicht ausgeschlossen, daß das Ereignis sich in der Zwischen-Zeit zugetragen hat, und möglicherweise, wenn Du auf dem Handy geschrieben hast ... , aber die Zeitangaben wiegen als Indizien schwer ).

Ich schwör's, es ist genau in dieser Zeit passiert. Zwischen meinem Beitrag und dem Sandwichkauf. Genau da: 20 Sekunden Sloterdijk! Im Seinssinn der vollen Leiblichkeit.

[Friederike]

Ich schwör's, es ist genau in dieser Zeit passiert. Zwischen meinem Beitrag und dem Sandwichkauf. Genau da: 20 Sekunden Sloterdijk! Im Seinssinn der vollen Leiblichkeit.

Eine zauberhafte Geschichte @Alethos.