Die Fledermaus navigiert durch denselben Wald wie ich. Sie hat einen anderen Erkenntnisapparat als ich. Sie sieht und hört an ihm anderes als ich, weil sie anderes und anders an ihm wahrnimmt. Aber es ist derselbe Wald, durch den wir beide navigieren. Oder sind es zwei Wälder? Der Wald der Fledermaus und der Wald des Menschen? Gibt es zwei Waldwirklichkeiten oder eine, in der sich der Wald einem Subjekt wegen eines unterschiedlichen Erkenntisapparates anders "darstellt"?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Okt 2020, 18:04Genau. So, wie ich es oben dargestellt habe, vertrete ich es immer nochAlethos hat geschrieben : ↑So 4. Okt 2020, 18:01So hast du es dargestellt, Jörn.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Okt 2020, 17:42dass es viele Wirklichkeiten gibt
.. es gibt noch eine andere Realität
eine eigene artspezifische Realität
eine eigene Wirklichkeit.
Wäre es nun so, dass die Fledermauswirklichkeit des Waldes nicht zugleich die Menschwirklichkeit des Waldes
wäre, würde das bedeuten, dass uns keine gemeinsame Waldwirklichkeit zugrunde läge. Es wäre für mich auch nicht wirklich, dass die Fledermaus den Wald
anders sieht, denn ihr wäre ja ein anderer
Wald gegeben als mir. Ich könnte gar nicht sagen, dass er ihr anders gegeben ist, denn nicht wäre er ihr gegeben, sondern ein anderer. Nichts von der Waldwirklichkeit der Feldermaus liesse sich mir vermitteln, weil dieser Wald für mich keine Wirklichkeit hätte. Alles wäre nur Menschenwald, nirgends gäbe es da für mich den Feldermauswald, nichts wäre über die Fledermauswaldwirklichkeit für mich möglich wahr, weil es diesen Wald für mich gar nicht gäbe. Nicht einmal
vom Hörensagen. Wenn es aber den Wald der Fledermaus nicht gibt, woher will ich denn wissen, dass es die Fledermauswirklichkeit gibt und woher wollte ich wissen, dass ihre Erkenntnis wirklich ist, also dass sie überhaupt einen Wald zum Gegenstand hat und nicht etwa nichts oder etwas ganz anderes?
Der Wald ist unser gemeinsamer Gegenstand, er ist in einer gemeinsamen Wirklichkeit überhaupt nur denkbar, weil für beide gleichzeitig existent. Er ist nur als realer Wald denkbar, wenn er exisitert, aber existieren heisst, mit allen Seienden zugleich sein. Der Wald also existiert, aber er ist weder nur so oder nur so, sondern so und so. Für sie so, für mich so. Beide Male ist es der Wald, der einmal so und einmal so erscheint. Beide Erscheinungen von ihm sind wirklich. Also ist der Wald sowohl so als auch so erscheinend. De facto. Und de re nur ein Wald.
Wäre nun die Fledermaus in der Lage, ihr Farbempfinden mit unseren Farbbegriffen auszudrücken, und würde sie sagen, dass die Blätter des Waldes grün erscheinen und der Himmel gelb, dann wäre es so, dass sie sagen müsste: "Der Himmel ist gelb." Und sie müsste es sagen, wenn sie die Wahrheit sagen will, auch wenn er uns blau erscheint. Und sie sagte Wahres, sofern er ihr wirklich gelb erscheint und wir sagten wahres, wenn er und anders erscheint, z.B blau. Es wäre wahr, dass der Himmel gelb ist, obwohl er blau ist, denn weder ist er nur so, noch ist er nur unsere Empfinden von ihm. Er ist der Himmel und so und so, aber niemals einfach nur blau oder gelb. Er ist eben schliesslich auch ein Himmel-Phänomen, und nicht nur der Himmel an und für sich (obwohl er im Phänomen sein an und für sich zeigt)
Was also die Wahrheit über eine Sache betrifft, z.B. dass sie blau oder gelb ist, muss man festhalten, dass sie von der Wirklichkeit des Empfindens abhängt. Es ist wahr über den Himmel, dass er gelb ist, wenn er jemandem so erscheint. In dieser seiner Empfindung ist das Gelbsein wirklich, also ist es über den Himmel in dieser Perspektive wahr, dass er gelb ist. Diese Perspektive, diese Hinsicht ist schliesslich real.
Bei einer "nur gefühlten Wahrheit", wie sie NWDM ins Spiel brachte, verhält es sich genau gleich. Sie betrifft eine Sache, ein Ding, einen Gegenstand, in jedem Fall etwas Reales. Ist dieser Gegenstand der erfühlten Wahrheit selbst nur existent durch das Fühlen, wie ein Phänomen nur real ist durch das Empfinden, so stellt sich die Wirklichkeit in diesem Akt des Fühlens oder Empfindens ein. Mitnichten hat dieser Gegenstand, von dem die erfühlte Wahrheit handelt, sofern er erstmal zur Wirklichkeit gelangte, nur Wirklichkeit für dieses Fühlen oder Empfinden - es hat Wirklichkeit erlangt für alles und jeden - für den, der es erkennen kann und auch für den, der es nicht kann. Wirklich ist dieser Gegenstand in jedem Fall durch seine Existenz, unabhängig von der Tatache, ob einer sie wahrnimmt.
Eine erfühlte Wahrheit gilt also auch als Wahrheit für den, der nichts von ihr weiss, weil er sie nicht erfühlt, denn nicht durch sein Gefühl ist die Sache wirklich, von der Wahrheit behauptet wird, sondern durch die Existenz dieser Sache in einem Erfühlen überhaupt.
Das ist epistemologischer Realismus. Dass eine Sache lokal Wirklichkeit erlangt, aber dadurch Wirklichkeit überhaupt - denn es gilt: Sein oder Nichtsein. Ist ein Gegenstand durch lokale Bedingungen wirklich geworden, so existiert er zwar nicht überall, aber überhaupt. In jedem Fall betrifft Wahrheit, die erfühlte wie die gesehene, gehörte, aber auch die nie wahrgenommene, die Wirklichkeit einer Sache, die die Wirklichkeit überhaupt aller Gegenstände ist.
Nun kann man aber über die moralischen Gegenstände nicht sagen, dass sie nur existieren in einer inneren Perspektive. Moralische Tatsachen existieren ja nicht durch eine Begründung, sondern sie liefern der Begründung das Substrat. Was immer
wahr über moralische Tatsachen ist, die Wahrheit über sie ergibt sich aus ihrer Wirklichkeit und diese steht allen Arten und Individuen einer Art zur Erkenntnis zur Verfügung - je nach Erkenntnisapparat erkennt es so oder so oder gar nicht, aber wirklich ist es ohnehin.
Man kann nun mit gutem Recht sagen, dass auch wir Menschen moralische Sachverhalte an Merkmalen erkennen. Wir erkennen sie vielleicht emphatisch, rational, auf einen Blick durch blosses Hinsehen, aber immer anhand von Merkmalen. Es handelt sich um eine moralische Wirklichkeit, deren Merkmale wir für Computer erkennbar machen können, indem wir ihnen sagen, welche Merkmale das sind und indem
wir ihnen argumentative Strukturen einprogrammieren.
Ein Gerät der Zukunft wir: Abertrilliarden von Optionen, von moralisch relevanten Informationen, von ethischen Implikationen abwägen und verarbeiten können. Mit keinem guten Recht können wir diesen Einheiten prinzipiell die Fähigkeit absprechen, Zugang zu moralischen Tatsachen zu haben. Denn sie sind real nicht nur in einer Perspektive, sondern in allen möglichen Perspektiven.