Kulturelle Aneignung

Nauplios
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Di 17. Aug 2021, 14:20

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 23:25
"Dass es nicht gelungen ist Verfahren zu entwickeln - andersrum gesagt, dass es nicht gelungen ist mit den eigenen Flugzeugen, mit den Flugzeugen die die Bundeswehr hat, die Ortskräfte, die Mitarbeiter die aus Afghanistan fliehen wollen, weil sie mit dem Tode bedroht sind, und ihre Familien natürlich auch, dass dies nicht gelungen ist finde ich unverantwortlich. Das ist für mich zutiefst inhuman. Und anstelle von Menschen Bierkästen in den letzten Maschinen zurückzubringen. Das wird meines Erachtens auch das positive Bild, das Deutschland in Afghanistan hat, negativ beeinflussen."
Dietger Lather, Oberst a.D.
Ergänzend dazu:

Aus der Traum vom Demokratieexport

"Die Militärmission in Afghanistan, die jetzt zu Ende geht, war viel mehr als Terrorbekämpfung. Das war sie nur ganz am Anfang. Sehr schnell sollte sie dem geschundenen Land auch Demokratie, Menschenrechte, Bildung für alle und Wohlstand bringen. Gerade die traditionell militärkritischen Deutschen brauchten dieses "höhere" Ziel als Rechtfertigung für ihre Beteiligung. Und es ist zweifellos ein ehrenwertes Ziel.

Aber die Idee vom Demokratieexport ist gescheitert, nicht nur in Afghanistan, sondern insgesamt."

Ähnlich wie die Deutsche Welle äußern sich heute viele politische Beobachter.

"Das Desaster von Afghanistan muss dem Westen eine Lehre sein: Man kann ein terroristisches Regime zwar mit militärischen Mitteln von der Macht vertreiben, man kann aber keiner Gesellschaft gegen ihren Willen und ihre Traditionen fremde westliche Werte aufzwingen." (Weser-Kurier)

"In Afghanistan ging es nie um Frauenbefreiung und Demokratieexport. Diese Verwirrung geopolitischer Wahrnehmung geht auf das Konto unserer Regierungen. Sie mussten den Einsatz ihres Militärs der Öffentlichkeit verkaufen und den Tod von Soldaten rechtfertigen. Das funktionierte natürlich besser mit humanistischen Schlagworten wie 'Demokratie, Brunnenbohren, Frauenemanzipation' als mit der schnöden Wahrheit, dass es von Anfang an nur darum gehen konnte, islamischen Terror zu bekämpfen und Terroristen zu liquidieren. Vielleicht haben in den Bundesregierungen der vergangenen 20 Jahre viele tatsächlich ehrlich an diese hehren Ziele geglaubt. Historiker werden später das Ausmaß solcher Selbsthypnose zu analysieren wissen." (Nord-West-Zeitung)

"Am Hindukusch endet die Ära einer von Hybris getragenen westlichen Interventionspolitik nun endgültig mit ihrer größten Niederlage." (Badische Zeitung)

"Ehrenwerte Ziele" ... "Höhere Ziele" ... "Fremde westliche Werte" ... "Selbsthypnose" ... "Hybris" ...

Jetzt kann es nur noch darum gehen, den um ihr Leben fürchtenden Menschen in Afghanistan (Männern, Frauen, Kindern) die Flucht aus ihrem Land zu ermöglichen, mit den Taliban zu verhandeln, auf Racheakte an den Ortskräften zu verzichten, deren Evakuierung nicht mehr gelingt und Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Es ist das Mindeste, was der Westen ihnen schuldig ist. -




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NaWennDuMeinst
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Di 17. Aug 2021, 14:46

Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 14:20
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 23:25
"Dass es nicht gelungen ist Verfahren zu entwickeln - andersrum gesagt, dass es nicht gelungen ist mit den eigenen Flugzeugen, mit den Flugzeugen die die Bundeswehr hat, die Ortskräfte, die Mitarbeiter die aus Afghanistan fliehen wollen, weil sie mit dem Tode bedroht sind, und ihre Familien natürlich auch, dass dies nicht gelungen ist finde ich unverantwortlich. Das ist für mich zutiefst inhuman. Und anstelle von Menschen Bierkästen in den letzten Maschinen zurückzubringen. Das wird meines Erachtens auch das positive Bild, das Deutschland in Afghanistan hat, negativ beeinflussen."
Dietger Lather, Oberst a.D.
Ergänzend dazu:

Aus der Traum vom Demokratieexport

[...]
"In Afghanistan ging es nie um Frauenbefreiung und Demokratieexport.
Das sehe ich nicht ganz so. Es ist zwar richtig, dass das ursprüngliche Ziel die Terrorbekämpfung war (man wollte halt der Anführer habhaft werden). Aber ich denke schon, dass man - zumindest als Nebeneffekt - auch gehofft hatte den Menschen dort eine Alternative aufzeigen zu können. Dass sie die jetzt nicht angenommen haben ist schade (und war vielleicht auch absehbar), aber auch hier bin ich nicht bereit anzunehmen, dass das deshalb insgesamt ein Fehler war es zumindest zu versuchen.
Aber die Idee vom Demokratieexport ist gescheitert, nicht nur in Afghanistan, sondern insgesamt."
Mit dem "insgesamt" bin ich nicht einverstanden. Ich denke das kommt doch auch sehr stark auf die jeweiligen Parteien an die beteiligt sind.
Und ich glaube immer noch daran, dass Kulturen, in denen die Menschenrechte nichts zählen, letztlich unterliegen werden. Nicht unterliegen in dem Sinne, dass der Westen sie alle "besiegt", sondern weil es auch in den dunkelsten Ecken dieser Welt die Hoffnung darauf gibt. Systeme die hauptsächlich auf Unterdrückung basieren werden irgendwann unterliegen. Das ist nur eine Frage der Zeit.
Wenn der Gedanke einmal in der Welt ist und die Leute erkennen, dass sie damit letztlich freier sind, dann lässt sich das nicht mehr auf Dauer mit Gewalt unterdrücken. Das werden irgendwann auch die Taliban einsehen müssen.
Ich hatte gestern den kindlich absurden Gedanken, dass wir die Menschen einfach alle aus Afghanistan evakuieren. Und ich habe mir vorgestellt, wie Männer mit Bärten vor leeren Häusern stehen und Niemanden finden den sie unterdrücken können. Ganz kurz war der Gedanke da... dann hat mich die Realität wieder eingeholt.
Diese Verwirrung geopolitischer Wahrnehmung geht auf das Konto unserer Regierungen. Sie mussten den Einsatz ihres Militärs der Öffentlichkeit verkaufen und den Tod von Soldaten rechtfertigen. Das funktionierte natürlich besser mit humanistischen Schlagworten wie 'Demokratie, Brunnenbohren, Frauenemanzipation' als mit der schnöden Wahrheit, dass es von Anfang an nur darum gehen konnte, islamischen Terror zu bekämpfen
Ganz ehrlich: Ich glaube das nicht. Der Bevölkerung hätte man die Notwendigkeit der Einsätze auch mit der "schnöden" Begründung der Terrorbekämpfung verkaufen können. Zumindest den meisten. Und zu Anfang.
Nun ging das aber 20 Jahre lang. Dieser Zeitraum lässt sich dann natürlich nicht mehr allein mit der Mission der Terrorbekämpfung erklären.
Ich finde aber es ist auch nicht ganz richtig, dass es nur darum ging die Öffentlichkeit zu täuschen oder zu beruhigen indem man ihnen Ziele vorgaukelte die man gar nicht hatte, sondern das hatte auch was mit Verantwortung zu tun. Wenn der Westen in ein Land einmarschiert um Terroristen zu jagen und dabei das Land in einen Krieg verwickelt, dann hat er auch eine gewisse Verantwortung für die Menschen in diesem Land. Rein ins Land, alles kaputtschlagen und dann die Leute sich selber überlassen, das wollte man eben nicht (mehr). Vor allem auch die Öffentlichkeit nicht. Man wollte eben nicht schon wieder eine Trümmerwüste hinterlassen aus der dann die nächsten Probleme erwachsen, sondern der Bevölkerung Afghanistans dabei helfen nach dem Krieg wieder auf die Beine zu kommen. Geklappt hat es nicht. Also jedenfalls nicht in der Art wie der Westen sich das vorgestellt hat.
Jetzt kann es nur noch darum gehen, den um ihr Leben fürchtenden Menschen in Afghanistan (Männern, Frauen, Kindern) die Flucht aus ihrem Land zu ermöglichen, mit den Taliban zu verhandeln, auf Racheakte an den Ortskräften zu verzichten, deren Evakuierung nicht mehr gelingt und Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Es ist das Mindeste, was der Westen ihnen schuldig ist. -
So ist es. An der Stelle darfst Du jetzt auch gerne mal von einem "Totalversagen der Regierung" sprechen. Ich hätte keine Einwände.



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Nauplios
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Di 17. Aug 2021, 17:32

Angela Merkel hat ja die "'schnöde' Begründung der Terrorbekämpfung" im Wahlkampf 2002 durchaus dafür angeführt zur Begründung ihrer Position, es sei falsch, die militärische Option von vornherein auszuschließen:

"Merkels Problem besteht darin, dass sie dem klaren Nein der Bundesregierung zu einem militärischen Eingreifen im Irak im Wahlkampf 2002 und vor Kriegsbeginn 2003 stets ein wackelig wirkendes Jein entgegengestellt hat. Merkel vertrat die Haltung, es sei falsch gewesen, die militärische Option von vorneherein auszuschließen. Damit hatte sie die Regeln der klassischen Krisendiplomatie auf ihrer Seite - der Kanzler aber eine klare Mehrheit der Bevölkerung."

Merkel und der Irak-Krieg

Die deutsche Bevölkerung ist anders als die amerikanische. "Solidarität ja - Abenteuer nein" ließ Gerhard Schröder verlauten und blieb mit seinem Nein zum Irakkrieg Kanzler.

Allein mit "Terrorismusbekämpfung" würde keine deutsche Regierung die Zustimmung der Bevölkerung bekommen.

"Der Einsatz in Afghanistan sei vor allem daran gescheitert, dass die internationale Gemeinschaft dem Land ihre Ideen übergestülpt habe. Die Taliban hingegen hätten vor allem die ländliche Bevölkerung erreicht, mit einem Angebot, 'das deren gesellschaftlichem Bild entsprach'". (https://www.deutschlandfunk.de/bundeswe ... _id=499527)

"Einerseits bestehen internationale Erwartungen, Forderungen und Verpflichtungen, die auf eine aktivere Außenpolitik und den verstärkten Einsatz militärischer Mittel abzielen. Andererseits gibt es gegen diese Ausweitung des Bundeswehrauftrags jedoch erhebliche Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung. Dieser Grundsatzkonflikt konkretisiert sich seit mittlerweile acht Jahren in Afghanistan, wo sich die Bundeswehr an der ISAF-Mission der internationalen Gemeinschaft beteiligt und die Politik seit dem Beginn des Einsatzes einer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft versucht aus dem Weg zu gehen. Zunächst flüchtete sie sich in die Zweiteilung einer getrennten Mandatierung von Operation Enduring Freedom einerseits und der International Security Assistance Force auf der anderen Seite, nachdem der damalige Bundeskanzler Schröder den USA eigentlich uneingeschränkte Solidarität zugesichert hatte. Während innenpolitisch die Zustimmung zur OEF nur mithilfe einer Verknüpfung an die Vertrauensfrage erreicht werden konnte, stellte sich die Frage nach der Beteiligung an der ISAF-Mission als wenig kontrovers dar. Kurz nachdem beide Mandate abgesegnet waren, setzte sich die Bundesregierung jedoch vehement für eine Trennung beider Missionen ein, um innenpolitische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Denn nur durch die strikte Trennung beider Mandate konnte die Bundesregierung den verschiedenartigen Charakter der Missionen - Friedensmission auf der einen Seite, Kampfeinsatz auf der anderen - betonen. Dass eine Trennung beider Mandate seit 2005 nicht mehr der Realität entsprach - die Bundesregierung dies trotzdem behauptete - spricht zusätzlich für die Angst vor einer Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit." (https://www.grin.com/document/166875)

Man hat ja lange Zeit nicht mal von "Kampfeinsatz" oder gar "Krieg" reden wollen. "Friedensmission" kam natürlich besser an.




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Di 17. Aug 2021, 18:14

"Man kann Entwicklungen zu Demokratie und Rechtsstaat, für die der Westen über 1000 Jahre gebraucht hat, nicht in ein paar Jahren nachholen – auch nicht mit fremder Hilfe, die zu oft als Einmischung, Bevormundung und Unterdrückung empfunden wird. In Afghanistan ist ähnlich wie im Irak oder Libyen die Lage nach der westlichen Intervention eher schlimmer geworden. Die Friedhofsruhe der früheren Diktaturen ist in all diesen Ländern einer kompletten Anarchie gewichen, mit all ihren nachvollziehbaren Fluchtreflexen, die jetzt ganz Europa millionenfach beschäftigen." (Der Demokratieexport ist gescheitert)

Genau das gehört zum "Bitteren", von dem im Auswärtigen Amt, im Verteidigungsministerium und im Kanzleramt jetzt gesprochen wird. Dieses Bittere besteht ja nicht nur in der militärischen Niederlage. Die Deutschen haben jetzt ihr "Saigon". Das ist das eine. Das andere ist die Erkenntnis, daß man Werte wie Demokratie und Rechtsstaat nicht exportieren kann. Auch das westliche Wertesystem hat eine Niederlage erlitten, sogar eine besonders bittere. Universelle Werte mögen Gegenstand philosophischer Seminare sein und bleiben. Und ihre Geltung ist auch für uns bindend. Man kann sie aber nicht von außen in einer Gesellschaft wie der afghanischen verankern. Auch nach 20 Jahren nicht. Auch nicht im Schutz militärischer Übermacht. Das zeigt ja ganz offensichtlich das Beispiel Afghanistan.




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Jörn Budesheim
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Di 17. Aug 2021, 18:24

Dabei sind Demokratie und Rechtsstaat der Exportschlager von Europa schlechthin.




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Di 17. Aug 2021, 18:38

"Übersetzer und andere frühere Mitarbeiter ausländischer Staaten sind nach Angaben eines Taliban-Sprechers begnadigt. Es werde keine Rache gegen sie geben, sagte er bei der ersten Pressekonferenz der Taliban nach ihrer Machtübernahme in Kabul.

Auf die Frage, ob Frauen in den Medien arbeiten dürfen sollen, sagt der Taliban-Sprecher, zuerst sollten die Regierungsbildung und Einführung der Gesetze abgewartet werden. Dann könnten diese Gesetze und Vorschriften umgesetzt werden." (https://www.tagesschau.de/newsticker/li ... -begnadigt)

Sollten sich die neuen Machthaber in Afghanistan an Zusicherungen dieser Art halten, wird ihr "Islamisches Emirat Afghanistan" Rückhalt auch bei den urbanen Bevölkerungsgruppen bekommen. Die "Friedensmission" des Westens mit seinen Exportschlagern Demokratie und Rechtsstaat würde dann als eine Zeit der Unruhen und des Bürgerkrieges erscheinen. - Das könnte das Kalkül der Taliban sein. Man wird sehen.

Und der Westen? - Wird es dort noch Lust auf Demokratie- und ähnliche -Exporte geben?




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Jörn Budesheim
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Di 17. Aug 2021, 18:45

Wenn Demokratien in deinen Augen böse ist, wie steht es dann um das was die Taliban wollen?




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:24
Dabei sind Demokratie und Rechtsstaat der Exportschlager von Europa schlechthin.
Ich glaube, daß nach diesem Debakel vor allem der Einfluß Chinas und Rußlands in der Region stärker werden wird. Auf den Westen ist kein Verlaß. Das ist die Lehre, die viele ziehen werden.




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Jörn Budesheim
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Di 17. Aug 2021, 18:49

Idee der Menschenrechte
...
Die historische Leistung der Aufklärung bei der Entwicklung der Menschenrechtsidee lässt sich in fünf Punkte fassen:
  • Die Aufklärung legte wesentliche Merkmale für eine Definition von Menschenrechten fest: Sie sind unveräußerlich, nicht an bestimmte Räume und Zeiten gebunden und damit auch älter als alle Staaten. Menschenrechte dürfen nicht wie das positive Recht von einem Gesetzgeber abhängig und in ihrem Geltungsbereich eingeschränkt sein. Die mit seinem Wesen untrennbar verbundenen Rechte können dem Menschen gar nicht abgesprochen werden, selbst wenn der Einzelne freiwillig darauf verzichten würde.
  • Erstmals in der Geistesgeschichte entschied sich die Aufklärung für die Vernunft als ausschließliches Kriterium zur Bestimmung des Naturrechts. Sie wandte sich damit gegen die Fremdbestimmung des Menschen durch religiöse und politische Lehrsätze. Nicht der Wille des Einzelnen oder die "Vernunft" einer kleinen Elite sollten gelten, sondern der Wille der Allgemeinheit (gebildeter bzw. bildungswilliger Bürger). Daher ermunterten Aufklärer immer wieder die Menschheit, "sich ihres Verstandes zu bedienen".
  • Erstmals in der Geschichte des Abendlandes bejahte die Aufklärung nicht nur Freiheit und Gleichheit aller Menschen als etwas Ursprüngliches, sondern forderte Glück und Wohlfahrt als Lebensziel des Menschen auf Erden. Vertröstungen auf ein besseres Leben nach dem Tode stellten die Aufklärer nicht mehr zufrieden.
  • Mit der Dreiheit von Leben, Freiheit und Eigentum bestimmte die Aufklärung einen Grundstock von fundamentalen Rechten, auf dem die Formulierung und Differenzierung von Menschenrechten erfolgen konnte.
  • Da der Gebrauch von Vernunft persönliche Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit erfordert, weckte die Aufklärung das Misstrauen gegen jede übermächtige Staatsgewalt. Mit den Lehren von der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung schuf die Aufklärung die tragenden Säulen zum Schutz bürgerlicher Grundfreiheiten.
    So hatte die Philosophie der Aufklärung den Boden für die ersten Menschenrechtserklärungen vorbereitet.
Bundeszentrale für politische Bildung




Nauplios
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:45
Wenn Demokratien in deinen Augen böse ist, wie steht es dann um das was die Taliban wollen?
Demokratien sind keineswegs böse. Ihr Export nach Afghanistan ist gescheitert. Das ist der Stand der Dinge in diesen Tagen.




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Jörn Budesheim
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Di 17. Aug 2021, 18:55

Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:51
Demokratien sind keineswegs böse. Ihr Export nach Afghanistan ist gescheitert. Das ist der Stand der Dinge in diesen Tagen.
Nauplios hat geschrieben : Das ist das eine. Das andere ist die Erkenntnis, daß man Werte wie Demokratie und Rechtsstaat nicht exportieren kann.
Daraus, dass aus Afghanistan keine Demokratie geworden ist, folgt allerdings nicht, dass man Demokratie und Rechtsstaat nicht exportieren kann. Das ist einfach Unsinn.




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Jörn Budesheim
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Di 17. Aug 2021, 18:56

Wer hat eigentlich den Abzug aus Afghanistan betrieben, Deutschland?




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NaWennDuMeinst
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Di 17. Aug 2021, 18:56

Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 17:32
Allein mit "Terrorismusbekämpfung" würde keine deutsche Regierung die Zustimmung der Bevölkerung bekommen.
Das stimmt nicht und so war es auch nicht. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 waren sich so ziemlich alle einig, dass die Amerikaner jedes Recht für einen Angriff haben und bei der NATO war man sich sofort einig, dass der Bündnisfall (Angriff auf einen Bündnispartner) eingetreten ist.

Unter dem Eindruck der Anschläge wurde der 11. September 2001 vielfach als historische Zäsur, als Paradigmen- oder Epochenwechsel gewertet. Zugleich rückte das Bedrohungsszenario durch den islamistischen Terror an die Spitze der internationalen Sicherheitsagenda. Bereits einen Tag nach den Anschlägen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, in der diese als eine "Bedrohung des Weltfriedens" verurteilt wurden. Die NATO beschloss am 4. Oktober zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall. "Ein bewaffneter Angriff gegen einen Bündnispartner wird als Angriff gegen alle angesehen", so der damalige Generalsekretär George Robertson.

Und ich denke auch in der Bevölkerung war die überwiegende Meinung, dass der Angriff gerechtfertigt ist. Die Kriegsgegner waren in der Minderheit.
Fragen kamen erst auf, je länger der Kampf dauerte. Und Fragen gab es in Deutschland vor allem in Bezug auf die Art der deutschen Beteiligung (nicht ob überhaupt). Die Deutschen haben sich dann am Krieg vor allem unterstützend (also nicht aktiv kämpfend) beteiligt.

Also ich habe das ein bißchen anders in Erinnerung. Einen Zweifel daran, dass man diesen Krieg zur Terrorbekämpfung führen darf, gab es in der Mehrheit nicht.
Zweifel über die Rechtmäßigkeit kamen auf, als die Amerikaner im Irak einmarschierten und das ebenfalls mit der "Terrorbekämpfung" begründeten.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Di 17. Aug 2021, 19:04, insgesamt 2-mal geändert.



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Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:47
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:24
Dabei sind Demokratie und Rechtsstaat der Exportschlager von Europa schlechthin.
Ich glaube, daß nach diesem Debakel vor allem der Einfluß Chinas und Rußlands in der Region stärker werden wird. Auf den Westen ist kein Verlaß. Das ist die Lehre, die viele ziehen werden.
Das befürchte ich auch. China ist allein schon wegen der geographischen Nähe sehr wahrscheinlich. Die Frage ist ob die Chinesen es besser machen werden. Zumindest ist man sich ja ideologisch etwas näher.
Die Russen und die Taliban... das ist eine andere Geschichte. Die sind in der Vergangenheit nicht immer "dicke Freunde" gewesen.



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Gegen die "Idee der Menschenrechte" ist nichts einzuwenden. Bei den afghanischen Streitkräften, die den "Moped-Taliban" (Domröse gestern im ZDF) hoch überlegen gewesen wären und bei der afghanischen Regierung, die sich abgesetzt hat, war die Idee der Menschenrechte trotz westlicher "Aufklärung" nicht fest genug verankert. Auch nach 20 Jahren nicht. Dafür hätten die westlichen Interventionsmächte länger im Land bleiben müssen. Wie lange will man drin bleiben?? 50 Jahre? Das wäre auch der Bevölkerung in den westlichen Demokratien nicht zu vermitteln gewesen. -




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:55

Daraus, dass aus Afghanistan keine Demokratie geworden ist, folgt allerdings nicht, dass man Demokratie und Rechtsstaat nicht exportieren kann. Das ist einfach Unsinn.
Das ist die Lehre, die bei den Kommentatoren des außenpolitischen Geschehens heute zu lesen ist. Auch in Lybien und im Irak hat dieser Export nicht geklappt. Ob es in Mali funktioniert?




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Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 19:09
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:55

Daraus, dass aus Afghanistan keine Demokratie geworden ist, folgt allerdings nicht, dass man Demokratie und Rechtsstaat nicht exportieren kann. Das ist einfach Unsinn.
Das ist die Lehre, die bei den Kommentatoren des außenpolitischen Geschehens heute zu lesen ist. Auch in Lybien und im Irak hat dieser Export nicht geklappt. Ob es in Mali funktioniert?
Ich glaube ein ganz wichtiger Grund, warum dieser Export in Afghanistan nicht geklappt hat, ist auch, dass es nicht gelungen ist die Region wirklich zu stabilisieren.
Was das betrifft hat man in der afghanischen Bevölkerung keine Verbesserungen feststellen können.
Dass die ideologischen, kulturellen Unterschiede dann auch noch sehr extrem sind, kommt verstärkend hinzu.



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Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 19:09
Das ist die Lehre, die bei den Kommentatoren des außenpolitischen Geschehens heute zu lesen ist. Auch in Lybien und im Irak hat dieser Export nicht geklappt. Ob es in Mali funktioniert?
Ein falscher Schluss wird aber nicht richtig, wenn ihn viele Kommentatoren ziehen. Daraus, dass etwas in diesem Fall gescheitert ist, folgt nicht, dass es in jedem Fall scheitert. Im Gegenteil wir wissen dass es anders ist, denn die Demokratie ist ein Exportschlager, mittlerweile sind nahezu zwei Drittel der Welt demokratisch.




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Di 17. Aug 2021, 19:29

Die Frage muss aber schon sein, wie dieser Export gelingen kann. So wie jetzt in Afghanistan geschehen, funktioniert es ganz offensichtlich nicht.



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 19:03
Nauplios hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:47
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Aug 2021, 18:24
Dabei sind Demokratie und Rechtsstaat der Exportschlager von Europa schlechthin.
Ich glaube, daß nach diesem Debakel vor allem der Einfluß Chinas und Rußlands in der Region stärker werden wird. Auf den Westen ist kein Verlaß. Das ist die Lehre, die viele ziehen werden.
Das befürchte ich auch. China ist allein schon wegen der geographischen Nähe sehr wahrscheinlich. Die Frage ist ob die Chinesen es besser machen werden. Zumindest ist man sich ja ideologisch etwas näher.
Die Russen und die Taliban... das ist eine andere Geschichte. Die sind in der Vergangenheit nicht immer "dicke Freunde" gewesen.
Man darf die Kritik an dem mißlungenen Afghanistan-Einsatz nicht verstehen als Aufkündigung der "Idee der Menschenrechte" o.ä. Das lenkt nur ab vom Versagen der Regierung. Was man aber wohl im Blick behalten darf und jetzt auch verstärkt in den Blick gerät, ist die Frage, die Du auch in den Raum stellst: Das westliche Modell steht in Konkurrenz zu anderen Modellen, u.a. dem chinesischen. Es ist nicht so selbstverständlich, daß unsere Vorstellung eines Staatswesens mit Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, demokratischer Verfassung usw. für eine Gesellschaft wie die afghanische erstrebenswert erscheint. - Sollte es den Taliban gelingen, eine moderate Form der Herrschaft zu etablieren ohne Racheakte an der Zivilbevölkerung u.ä. werden sie am Ende Zuspruch in der Bevölkerung bekommen. Bei der ländlichen Bevölkerung haben sie ihn bereits in beachtenswertem Umfang. Wenn sie eine Schreckensherrschaft wie in den 90er Jahren etablieren, wird es zu großen Flüchtlingsströmen kommen. Das können wir jetzt nur noch abwarten. Beeinflussen können wir es kaum noch. -




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