Kulturelle Aneignung

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NaWennDuMeinst
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Do 26. Aug 2021, 20:41

Friederike hat geschrieben :
Do 26. Aug 2021, 18:03
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 26. Aug 2021, 14:51
So unwahrscheinlich finde ich das gar nicht. Die Taliban erhoffen sich nämlich etwas davon. Sie wollen, dass die internationalen Hilfsgelder weitergezahlt werden. Und das haben sie auch bitter nötig. Ich nehme an alleine - also ohne Hilfe aus dem Ausland - werden sie den Laden nur eher schlecht als recht am Laufen halten können.
Das geht also so: Wir bekommen unsere Leute, und sie bekommen unsere Kohle. Mal sehen ob der Deal so ablaufen wird. Dem "Paradigmenwechsel" zufolge müsste das ja so sein. [...]
Ich muß nachfragen, weil mein Unverständnis sicher an meiner Uninformiertheit liegt - welche internationalen Hilfsgelder? Von der BRD, wofür? Meinst Du Gelder, die man früher "Entwicklungshilfegelder" genannt hat oder wie?
Afghanistan war bisher die Nummer eins unter den Empfängerländern deutscher Entwicklungshilfe. Für dieses Jahr waren 250 Millionen Euro veranschlagt.


https://www.t-online.de/nachrichten/aus ... n-aus.html

Diese Gelder will man nun stoppen (bzw hat es schon getan), was den Taliban stinkt. Sie knüpfen "Kooperation" vor allem daran, dass diese Gelder weiter gezahlt werden.



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NaWennDuMeinst
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Fr 27. Aug 2021, 03:25

Das hat ja nicht lange gedauert.

Nach dem Anschlag in der Nähe des Flughafens von Kabul hat US-Präsident Joe Biden den dafür verantwortlichen Terroristen mit Vergeltung gedroht. "Wir werden Euch jagen und Euch dafür bezahlen lassen", sagte Biden im Weißen Haus. Wenn die Armee dafür zusätzliche Ressourcen brauche, werde er dies genehmigen, kündigte er an.


https://www.tagesschau.de/newsticker/li ... oristen-an

Hier ein Paradigmenwechsel, dort geht das Paradigma ungeändert weiter. Was soll man sagen. Zu so einem Wandel und der Verständigung gehören dann immer mindestens zwei. Hier haben wir es sogar mit noch mehr Parteien zu tun. Nichts wird jetzt besser. Gar nichts.



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Burkart
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Fr 27. Aug 2021, 10:52

Kompliziert wird es, weil der Anschlag wohl durch die IS war, die mit den Taliban verfeindet sind.

Was Geld betrifft, ist doch klar, dass die Taliban primär dies interessiert, ansonsten vielleicht noch Waffen... aber sicher nicht große Hilfe für die Bevölkerung, die nicht unter ihrer Kontrolle steht...



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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NaWennDuMeinst
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Fr 27. Aug 2021, 14:55

Der Platz vor dem Gate, an dem am Donnerstag noch Tausende Menschen, die auf einen Evakuierungsflug gelangen wollten, Schulter an Schulter standen, ist auf den Aufnahmen menschenleer.

Also selbst wenn auf unserer Seite alles mögliche getan wird um die s.g. Ortskräfte da raus zu holen, und selbst wenn die Taliban das unterstützen (aus was für Gründen auch immer), es wird wohl nicht gelingen.
Niemand traut sich jetzt noch in die Nähe des Flughafens. Der Terror siegt.
Und zu behaupten, man können mit solchen Leuten "verhandeln" ist einfach naiver Scheiss.



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Fr 27. Aug 2021, 15:33

Burkart hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 10:52
Kompliziert wird es, weil der Anschlag wohl durch die IS war, die mit den Taliban verfeindet sind.
Der IS besteht zum großen Teil aus ehemaligen Taliban, die sich von der Haupttruppe abgespalten haben. Man ist sich wohl intern selbst auch nicht so ganz einig wie die Marschrichtung nun lauten soll.
Fakt ist für mich aber, dass das Radikale sind, also Menschen die für Kompromisse nicht zugänglich sind. Und mit solchen Leuten sollen wir jetzt verhandeln?
Ich sage das nur ungern, aber es gibt für mich in dieser Situation nur zwei mögliche Vorgehensweisen.

1. Wir prügeln sie aus dem Land und töten dabei so viele wie wir können. Und das so lange, bis sie keine Wahl mehr haben als von ihren Vorhaben abzulassen.
2. Wir lassen sie gewähren und wenden den Blick ab.

Ein irgendwie geartetes "Dazwischen" von dem jetzt die Paradigmenwechsel- Phantasten schwafeln gibt es nicht.
Und zwar deshalb nicht, weil diese Radikalen keinen Kompromiss wollen. Sie wollen einfach nur, dass wir uns mitsamt unseren Vorstellungen von Menschenrechten verziehen und sie machen lassen was sie machen wollen.
Man kann keinen Kompromiss und keine Verständigung oder Annäherung erreichen, wenn auf der anderen Seite überhaupt kein Interesse daran besteht.



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Nauplios
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Fr 27. Aug 2021, 18:33

Friederike hat geschrieben :
Do 26. Aug 2021, 11:51

Mein Eindruck ist, daß die Strategie der Verleugnung oder Beschönigung der Situation derzeit ihre Fortsetzung findet. Wenn erzählt wird (ich muß Namen und nähere Quellen schuldig bleiben), die Taliban hätten zugesagt, daß auch dem Abzug der Truppen, dem Ende der, wie es heißt, "Evakuierungsmaßnahmen", Ausreisewillige aus Afghanistan ausreisen dürften, dann glaubt das doch, so nehme ich an, niemand wirklich, oder? Es ergibt sich lediglich die Möglichkeit, die Evakuierung wie bisher bis Ende August fortzuführen und anschließend die Schuld auf die Taliban zu schieben, weil sie ihre Zusagen nicht eingehalten hätten.
"Die Bundesregierung schürt Hoffnungen, die sie nicht halten kann“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour. „Nach dem Abzug vom Flughafen gibt es keinen Weg aus dem Land mehr. Wenn überhaupt, dann geht es nur mit viel Geld für die Taliban. Wir sind komplett erpressbar.“

Die Hoffnungen der Bundesregierung gründen sich u.a. auf den Diplomaten Markus Potzel, der ja in Katar mit dem politischen Arm der Taliban über weitere Ausreisen nach der Evakuierung verhandelt. Potzel berichtete gestern von einem ersten Verhandlungserfolg: man habe ihm zugesichert, daß Ausreisen für Afghanen auch nach dem 31. August möglich wären, sofern sie die dafür nötigen "Dokumente" hätten. - Welche "Dokumente" das sind, ist bislang unklar.

Unklar ist auch, ob sich der militärische Arm der Taliban in Kabul an Verhandlungsergebnisse ihrer politischen Vertreter in Doha gebunden fühlt.

Die Bundesregierung wird wahrscheinlich bereit sein, nahezu jeden Preis für irgendeinen Verhandlungserfolg zu zahlen. Ich würde das auch für richtig halten in der jetzigen Situation. Daß an gescheiterten Verhandlungen grundsätzlich immer "die anderen" Schuld sind, versteht sich natürlich auch von selbst. Das muß man aber erst mal abwarten.

Die Kanzlerin hat gestern im Bundestag sinngemäß gesagt "Im Nachhinein ist man immer schlauer"; eine solche Binsenweisheit in eine Erklärung über ein derartiges Versagen der Regierung einfließen zu lassen und darüber auch nicht hinauszukommen, offenbart das ganze Ausmaß der Ratlosigkeit und es zeigt, wie unrühmlich Merkels Abgang nach 16 überwiegend erfolgreichen Regierungsjahren nun zu werden droht.




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Friederike hat geschrieben :
Do 26. Aug 2021, 12:47

O. Scholz hatte vor ca. 2 Wochen im sogenannten "Sommerinterview" (ZDF) dafür plädiert, Staaten, die afghanische Flüchtlinge aufnehmen, finanziell zu unterstützen (im Unterschied zu A. Baerbock, die sich für die Aufnahme von 10.000 Flüchtlingen aussprach). Ich möchte es nicht beschwören, aber ich meine, Scholz hätte u.a. den Iran genannt. Da möchte man doch Kopfstehen. :roll:
Der SPD-Kanzlerkandidat hält sich im Moment nach meinem Eindruck aus der Diskussion über das Afghanistan-Desaster weitgehend raus. Seine Umfragewerte sind recht gut und er ist bemüht, sich nicht durch unbedachte Äußerungen Wählersympathien zu verscherzen. Auch die SPD möchte natürlich kurz vor der Wahl keine Flüchtlingsdiskussion vom Zaun brechen. Das Thema "Afghanistan" gerät wie nicht anders zu erwarten in den Sog des Bundestagswahlkampfes.

Die SPD sucht die Schuld beim Innenminister und im Kanzleramt, die Verteidigungsministerin sucht sie im SPD-geführten Auswärtigen Amt. Wie ein schwarzer Peter wird die Verantwortung für das ganze Fiasko hin- und hergeschoben.

Der Paradigmenwechsel der deutschen Außenpolitik wird damit beginnen müssen, daß laufende und künftige Auslandseinsätze zwischen den Ministerien besser und verbindlicher koordiniert werden (ggf. über einen nationalen Sicherheitsrat). Daß ein Innenminister in einer solchen Situation wie jetzt über Visa und Sicherheitsprüfungen entscheidet, ein Verteidigungsministerium über die Definition von "Ortskräften", ein Außenministerium darüber, wer auf welche "Liste" kommt, hat sich als fatales bürokratisches Hemmnis erwiesen.

Robert Habeck sprach gestern im ZDF von einer "Neukalibrierung" der europäischen und deutschen Außenpolitik, Friedrich Merz von einer "Neujustierung". - Ob man das nun "Paradigmenwechsel" oder "Neukalibrierung" oder "Neujustierung" oder "Neuausrichtung" oder wie auch immer nennt: politisch ist sie bereits in Gang und das in breiter Mehrheit. Institutionell kann sie erst von der nächsten Bundesregierung eingerichtet werden. Und mit Mali wird das Ganze vermutlich beginnen. - Vor allem werden die "Ortskräfte" in Mali nach dem Afghanistan-Debakel ein großes Interesse daran haben, zu erfahren, wie es nach einem möglichen Abzug der deutschen Truppen mit ihnen weitergeht.




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NaWennDuMeinst
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Fr 27. Aug 2021, 19:10

In Afghanistan sind ja nicht nur die Deutschen präsent gewesen. Auch die Amerikaner und viele andere Nationen.

Für die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) sind derzeit nach Angaben der Nato rund 43.250 Soldaten aus 40 Ländern im Einsatz. Deutschland ist der drittgrößte Truppensteller

Es ist aber egal wenn man da fragt, offenbar haben die sich alle nicht vorstellen können, dass es so kommen würde wie es nun gekommen ist.
Die haben dann ja alle "versagt". Erklärbar wäre das entweder damit, dass es einfach der Erfahrung nach nicht üblich ist anzunehmen dass das was passiert ist passieren würde.
Oder sie alle haben sich bei der Entscheidung auf die selbe Quelle (die Amerikaner?) verlassen.

Sich als militärischer Laie dann (hinterher) hinzustellen und zu sagen das hätte man vorher schon gewusst, ist irgendwie ziemlich anmaßend.
Vielleicht war der Fehler aber auch, dass man das Ganze nur militärisch betrachtet hat. Es mag militärisch betrachtet unwahrscheinlich sein dass die afghanische Armee so schnell besiegt wird, aber die afghanische Armee wurde ja nicht besiegt, sie hat einfach aufgegeben. Und diese Möglichkeit der kampflosen Aufgabe hatte man wohl nicht berücksichtigt.



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Nauplios
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"Was für eine Anmaßung

Die Afghanistan-Politik - und nicht nur sie - ist geprägt durch das koloniale Erbe Europas, kritisiert Der Tagesspiegel:

„Geleitet waren die Kolonialisten von der Idee, ihre 'Werte' in die Welt hinauszutragen. Afrika etwa galt ihnen als 'geschichtsloser Kontinent', dessen Menschen angeblich nur darauf warteten, von Europa 'zivilisiert' zu werden. ... In Afghanistan wollten die Bundesregierung und ihre Verbündeten per Militär- und Entwicklungshilfe eben mal so ein Land umkrempeln, in dem 50 Sprachen gesprochen werden und das auf eine Jahrtausende alte Kulturgeschichte zurückblickt. In Mali will man im Namen der 'Stabilität' die unzähligen Migrationsrouten durch die Sahara stilllegen, die mindestens seit der Blütezeit der westafrikanischen Königreiche vor 500 Jahren bestehen. Welch eine Anmaßung!“


(Tagesspiegel vom 21. August)
Eurotopics. Afghanistan. Demokratieexport und seine Grenzen

Der amerikanische Präsident Joe Biden sagte in dieser Woche zu Afghanistan: "Ich glaube nicht, dass man hier ein demokratisches System aufbauen kann." Und weiter: "Ich hätte noch einmal Tausende Soldaten schicken und erneut einen Krieg führen müssen." (Redaktionsnetzwerk Deutschland

Ohne die Amerikaner kann es ohnehin einen Einsatz wie die 20-jährige Intervention in Afghanistan nicht geben. Es sei "an der Zeit gewesen", die Truppen aus Afghanistan abzuziehen, sagt Biden. An der Zeit? - Das heißt im Klartext: wir haben unser militärisches Ziel erreicht und alles andere ... tja ... hat irgendwie nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben ... und jetzt laßt uns mal nach Hause gehen.

Die Europäer werden alleine eine Intervention wie in Afghanistan auf lange Sicht gesehen, nicht bewerkstelligen können. Gehen die Amerikaner nach Hause, müssen auch die Europäer nach Hause gehen. Man sieht es jetzt in Kabul.

Was bleibt? - Auf diplomatischem Wege versuchen, der Verantwortung gegenüber den afghanischen Ortskräften irgendwie noch halbwegs gerecht zu werden. Und selbstverständlich bleibt die Möglichkeit, sich für die "westlichen Werte" politisch stark zu machen. Dabei darf man auch mal innerhalb Europas schauen, wie es denn um diese Werte in EU-Ländern wie Ungarn und Polen bestellt ist.




Nauplios
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 19:10
In Afghanistan sind ja nicht nur die Deutschen präsent gewesen. Auch die Amerikaner und viele andere Nationen.

Für die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) sind derzeit nach Angaben der Nato rund 43.250 Soldaten aus 40 Ländern im Einsatz. Deutschland ist der drittgrößte Truppensteller

Es ist aber egal wenn man da fragt, offenbar haben die sich alle nicht vorstellen können, dass es so kommen würde wie es nun gekommen ist.
Die haben dann ja alle "versagt". Erklärbar wäre das entweder damit, dass es einfach der Erfahrung nach nicht üblich ist anzunehmen dass das was passiert ist passieren würde.
Oder sie alle haben sich bei der Entscheidung auf die selbe Quelle (die Amerikaner?) verlassen.

Sich als militärischer Laie dann (hinterher) hinzustellen und zu sagen das hätte man vorher schon gewusst, ist irgendwie ziemlich anmaßend.
Vielleicht war der Fehler aber auch, dass man das Ganze nur militärisch betrachtet hat. Es mag militärisch betrachtet unwahrscheinlich sein dass die afghanische Armee so schnell besiegt wird, aber die afghanische Armee wurde ja nicht besiegt, sie hat einfach aufgegeben. Und diese Möglichkeit der kampflosen Aufgabe hatte man wohl nicht berücksichtigt.
Man muß an diesem Einsatz zwei Dinge unterscheiden: das militärische Ziel (das war das ursprüngliche Ziel am Beginn): Afghanistan sollte nicht mehr das Rückzugs- und Ausbildungsgebiet für islamistischen Terror, der den Westen bedroht, sein. Dieses Ziel hat man erreicht.

Dann aber hat sich die Zielsetzung in den letzten Jahren zunehmend auf Demokratieexport, Menschenrechte u.ä. verlagert. Um dieses Zeil zu erreichen, hätte man noch Jahrzehnte in Afghanistan bleiben müssen! (So weit es denn überhaupt realistisch ist, dieses Ziel nachhaltig zu erreichen) Da sagen die Amerikaner: "Es ist an der Zeit, nach Hause zu gehen". Und den Europäern bleibt gar keine andere Wahl als ebenfalls abzuziehen.

Die afghanische Armee hat kampflos das Feld geräumt. Das ist durchaus verständlich. Die politische Führung hat doch auch den Taliban das Feld überlassen. Zudem hat sich der Westen viel zu sehr auf korrupte Warlords eingelassen. Hier ist kein Staat entstanden. Ähnlich war es in Libyen.




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Fr 27. Aug 2021, 20:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 15:33

Ich sage das nur ungern, aber es gibt für mich in dieser Situation nur zwei mögliche Vorgehensweisen.

1. Wir prügeln sie aus dem Land und töten dabei so viele wie wir können. Und das so lange, bis sie keine Wahl mehr haben als von ihren Vorhaben abzulassen.
2. Wir lassen sie gewähren und wenden den Blick ab.

Ein irgendwie geartetes "Dazwischen" von dem jetzt die Paradigmenwechsel- Phantasten schwafeln gibt es nicht.
Die erste Option ist vollkommen unrealistisch, die zweite wäre die völlige Bankrotterklärung jedweder Außenpolitik.

Die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik hat längst begonnen:

"Ralph Brinkhaus ist nicht der einzige Politiker in diesen Tagen, der sich fragt, wie die künftige Außen- und Sicherheitspolitik eigentlich aussehen soll. Der Chef der Unions-Bundestagsfraktion sagte dem "Spiegel", er habe manchmal das Gefühl, dass die Deutschen sich für alles Unrecht in der Welt zuständig hielten. Was könne Deutschland wirklich leisten, fragt sich Brinkhaus symbolisch nach diesem fast 20-jährigen Afghanistan-Einsatz, nachdem die Taliban im Handumdrehen wieder die Macht übernommen haben."

Außenpolitik nach Afghanistan




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Nauplios hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 19:34
"Was für eine Anmaßung

Die Afghanistan-Politik - und nicht nur sie - ist geprägt durch das koloniale Erbe Europas, kritisiert Der Tagesspiegel:
Listen wir doch mal auf, was z.B. der IS alles auf der "Liste" hat.
- Entgegen der Botschaft von Amman wird beobachtet, dass der IS gegen Muslime anderer Glaubensrichtungen eine rigorose Version der islamischen Praxis des Takfīr anwendet: Alle Abweichler (z. B. die Schiiten) sind demnach „Ungläubige“ bzw. „Gottesleugner“ (Kāfir) und werden als todeswürdig eingestuft und getötet, wenn sie sich im Machtbereich des IS aufhalten.[111]

- Schon kurz nachdem der Islamische Staat 2014 ein Kalifat in großen Teilen des syrisch-irakischen Gebietes ausgerufen hatte, häuften sich Drohungen gegen die Christen, entweder zum Islam zu konvertieren, Syrien und den Irak zu verlassen oder bei einer Verweigerung dieser Anordnungen getötet zu werden.

- Bei seinem Vormarsch im Sommer 2014 vertrieb der IS die jesidische Bevölkerung aus dem Nordirak; ein großer Teil, der nicht rechtzeitig fliehen konnte, geriet in seine Gefangenschaft.[117] Im Oktober 2014 erklärte der IS in seinem Propagandamagazin Dabiq, dass sein „Ziel die kulturelle und religiöse Auslöschung der Identität der Jesiden“ sei. Scharia-Studenten des IS hätten die Jesiden nicht als ehemalige islamische Sekte eingestuft, sondern als eine heidnische Religion aus vorislamischer Zeit, somit als Muschrik (Götzendiener, also eine abwertende Bezeichnung für Polytheisten). „Nach islamischem Recht sei man damit auch berechtigt, jesidische Frauen und Kinder zu versklaven.“[118]

- Der IS betreibt einen scharfen Ikonoklasmus und zerstört systematisch Kulturgüter der vorislamischen Vergangenheit.

- Am 19. März 2015 veröffentlichte das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte einen Bericht, in dem die Einschätzung vertreten wurde, dass die durch den IS verübte Gewalt das Ausmaß von Völkermord erreicht habe. Besonders das Vorgehen gegen die Jesiden habe das Ziel, diese als Gruppe zu vernichten, so der Bericht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Islamisch ... n_Muslimen

Sklaverrei, Völkermord, Zerstörung von Kulturgütern... und das ist längst nicht alles.
Einsätze gegen solche Menschen und Gräuel mit Kolonialismus zu vergleichen ist schlicht und ergreifend eine reine Frechheit.
Beim Tagesspiegel hat man offensichtlich völlig den Verstand verloren.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 27. Aug 2021, 20:14, insgesamt 5-mal geändert.



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Nauplios hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:04
Die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik hat längst begonnen:
Und das wird genauso scheitern, weil man mit solchen Leuten (s.o.) nicht verhandeln kann und auch nicht darf.



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Fr 27. Aug 2021, 20:19

Der "Islamische Staat" ist etwas anderes als die Taliban, NaWennDuMeinst. Bei den gestrigen Anschlägen des "IS Khorasan" sollen auch Taliban-Soldaten getötet worden sein.




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Fr 27. Aug 2021, 20:23

Nauplios hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:19
Der "Islamische Staat" ist etwas anderes als die Taliban
Wenn Du von einer "neuen politischen Ausrichtung" sprichst, dann ja wohl nicht nur eine Neuausrichtung in Bezug auf die Taliban, oder?
Diese Ausrichtung ist kacke, wenn sie fordert wir sollen uns mit solchen Leuten "gut stellen". Ich will keine Verständigung mit solchen Leuten und mit diesen Verbrechern geht man auch keinen "Kompromiss" ein.
Das ist ja völlig absurd.



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Nauplios
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Fr 27. Aug 2021, 20:29

Einsätze gegen den IS werden nicht mit Kolonialismus verglichen. Der Export von "westlichen Werten" wird damit verglichen. Man muß wie gesagt zwischen militärischen Zielen, die ja letztlich auf Sicherheitsinteressen des Westens beruhen, und "Demokratieexport" u.ä. unterscheiden.

Die "Kolonialismus"-These - man mag über die Begrifflichkeit "Kolonialismus", "Imperialismus" u. dgl. streiten, das stimmt wohl - ist meines Erachtens diskussionswürdig. Unter einem UN-Mandat Völkermord u.ä. zu verhindern, ist legitim. Da haben wir (so weit ich sehe) gar keinen Dissens.
Zuletzt geändert von Nauplios am Fr 27. Aug 2021, 20:30, insgesamt 1-mal geändert.




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Fr 27. Aug 2021, 20:29

Taliban:
- Die Taliban verübten systematisch Massaker an der Zivilbevölkerung, insbesondere an Angehörigen der mehrheitlich schiitischen Hazara-Volksgruppe, während sie versuchten, ihre Kontrolle über den Westen und Norden Afghanistans zu konsolidieren.[17][18] Die Vereinten Nationen zählten 15 Massaker von 1996 bis 2001.[17][18] Vertreter der Vereinten Nationen verglichen die Massaker mit den ethnischen Säuberungen, die während des Bosnienkriegs stattgefunden hatten.

- Taliban- und al-Qaida-Kommandeure unterhielten ein Netzwerk zum Menschenhandel. Sie entführten Frauen und verkauften sie in die Zwangsprostitution in Afghanistan und Pakistan.[99] Das Time Magazine schrieb: „Die Taliban haben oft argumentiert, dass ihre brutalen Restriktionen, die sie Frauen auferlegt haben, nur ein Weg seien, das andere Geschlecht zu beschützen. Das Verhalten der Taliban während der sechs Jahre, in denen sie ihre Herrschaft in Afghanistan ausweiteten, machen diese Aussagen zu einer Farce.“

- Die Taliban richten sich bei Anschlägen auch gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung. 2009 waren sie laut Angaben der Vereinten Nationen für mehr als 76 % der zivilen Opfer verantwortlich.[49] Auch 2010 waren die Taliban für mehr als Dreiviertel der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich.[50] Zivilisten sind mehr als doppelt so häufig das Ziel tödlicher Anschläge der Taliban als afghanische Regierungstruppen oder Truppen der ISAF.

Ich kann da nicht erkennen, dass sich die Taliban in ihrer Vorgehensweise groß vom IS unterscheiden.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 27. Aug 2021, 20:37, insgesamt 1-mal geändert.



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Fr 27. Aug 2021, 20:31

Nauplios hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:29
Einsätze gegen den IS werden nicht mit Kolonialismus verglichen. Der Export von "westlichen Werten" wird damit verglichen. Man muß wie gesagt zwischen militärischen Zielen, die ja letztlich auf Sicherheitsinteressen des Westens beruhen, und "Demokratieexport" u.ä. unterscheiden.
Und ich sage dir nochmal, dass das eine auf das andere folgt. Wenn Du in ein Land "einreitest" um "Sicherheitsinteressen durchzusetzen", wenn Du also da Krieg führst, dann bist Du auch für die Menschen die dort leben und unter dem Krieg (unverschuldet) leiden, verantwortlich.
Was die Amis jetzt machen ist einfach sich von dieser Verantwortung freizusprechen. Wir hauen da alles kurz und klein, aber was danach passiert geht uns nichts an.
Das ist deine "neue politische Ausrichtung":



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:23
Nauplios hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:19
Der "Islamische Staat" ist etwas anderes als die Taliban
Wenn Du von einer "neuen politischen Ausrichtung" sprichst, dann ja wohl nicht nur eine Neuausrichtung in Bezug auf die Taliban, oder?
Diese Ausrichtung ist kacke, wenn sie fordert wir sollen uns mit solchen Leuten "gut stellen". Ich will keine Verständigung mit solchen Leuten und mit diesen Verbrechern geht man auch keinen "Kompromiss" ein.
Das ist ja völlig absurd.
Ja gut, dann verhandeln wir mit den Taliban nicht. (Es geschieht ja längst.) - Was wohl die in Afghanistan verbliebenen Ortskräfte zu dieser Strategie sagen??

Jetzt muß es erst mal darum gehen, den Schaden, den die Bundesregierung in ihrem kollektiven Versagen angerichtet hat, im Nachhinein so gering wie möglich zu halten. Die Ortskräfte in Afghanistan hoffen darauf, daß die Verhandlungen des Westens ihnen vielleicht doch noch eine Tür öffnen. JETZT zu sagen: "Wir verhandeln mit den Taliban erst gar nicht", wäre ein zweiter Verrat an diesen Menschen. Also das ist JETZT überhaupt gar keine Lösung. Ganz im Gegenteil: Man muß jetzt die realen Machtverhältnisse in Afghanistan anerkennen und dann das Beste für die vielen verzweifelten Menschen dort herauszuholen versuchen. Das hohe Ross, auf dem man bisher saß, gegen ein noch höheres Ross einzutauschen, hilft in Afghanistan niemandem.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 27. Aug 2021, 20:29

Ich kann da nicht erkennen, dass sich die Taliban in ihrer Vorgehensweise groß vom IS unterscheiden.
Der IS ist eine dschihadistische Bewegung, d.h. er will die ganze Welt unter islamischer Vorherrschaft zwingen. Die Taliban sind eine nationalistische Bewegung, die sich nur für Afghanistan interessieren. - Damit fängt es an. Es sind Taliban-Soldaten bei den Selbstmord-Anschlägen des IS in Kabul getötet worden.




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