Macht

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Puch

So 15. Aug 2021, 16:02

Wenn Macht an sich so negativ wäre, wie in diesem thread dargestellt, wäre sie dann im Grundgesetz an so prominenter Stelle gewürdigt?




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Jörn Budesheim
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So 15. Aug 2021, 18:07

Ja, das stimmt!




Burkart
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So 15. Aug 2021, 22:33

Puch hat geschrieben :
So 15. Aug 2021, 16:02
Wenn Macht an sich so negativ wäre, wie in diesem thread dargestellt, wäre sie dann im Grundgesetz an so prominenter Stelle gewürdigt?
Welche meinst du? Dass alle Macht vom Volke ausgeht o.ä.?
Klar, wenn die Macht hinreichend gleich bzw. fair verteilt ist/wäre, wäre es ok, nun ist das Macht oft nicht.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Puch

Mo 16. Aug 2021, 15:42

Burkart hat geschrieben :
So 15. Aug 2021, 22:33

Welche meinst du? Dass alle Macht vom Volke ausgeht o.ä.?
Ja, ich meine Artikel 20 des Grundgesetzes. Allerdings ist darin nicht von Macht sondern von Staatsgewalt die Rede: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." aber ich vermute, dass der Sinn ähnlich ist.

Ich glaube, dass ich nicht falsch liege, wenn ich behaupte, dass jeder Mensch Macht ausüben will, zuallererst über seine Gliedmaßen.




Burkart
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Mo 16. Aug 2021, 16:54

Puch hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 15:42
Ich glaube, dass ich nicht falsch liege, wenn ich behaupte, dass jeder Mensch Macht ausüben will, zuallererst über seine Gliedmaßen.
Das nenne ich "Kontrolle", nicht Macht.

Wenn ich Wikipedia zu "Macht" noch mal zitieren darf: "Macht bezeichnet die Fähigkeit einer Person oder Gruppe, auf das Denken und Verhalten einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile so einzuwirken, dass diese sich ihren Ansichten oder Wünschen unterordnen und entsprechend verhalten."



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Puch

Mo 16. Aug 2021, 21:38

Burkart hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 16:54
Puch hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 15:42
Ich glaube, dass ich nicht falsch liege, wenn ich behaupte, dass jeder Mensch Macht ausüben will, zuallererst über seine Gliedmaßen.
Das nenne ich "Kontrolle", nicht Macht.

Wenn ich Wikipedia zu "Macht" noch mal zitieren darf: "Macht bezeichnet die Fähigkeit einer Person oder Gruppe, auf das Denken und Verhalten einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile so einzuwirken, dass diese sich ihren Ansichten oder Wünschen unterordnen und entsprechend verhalten."
Ich denke, dass "Macht ausüben" und "Kontrolle ausüben" fast ein und dasselbe bezeichnen. Beides benötigt ein Objekt, wobei ich doch einen Unterschied sehe: Macht kann auch ohne Kontrolle ausgeübt werden (durch Charisma oder Wohltaten), Kontrolle dagegen scheint mir ohne die dazu nötige Macht ein Ding der Unmöglichkeit.




Burkart
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Mo 16. Aug 2021, 22:29

Puch hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 21:38
Burkart hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 16:54
Puch hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 15:42
Ich glaube, dass ich nicht falsch liege, wenn ich behaupte, dass jeder Mensch Macht ausüben will, zuallererst über seine Gliedmaßen.
Das nenne ich "Kontrolle", nicht Macht.

Wenn ich Wikipedia zu "Macht" noch mal zitieren darf: "Macht bezeichnet die Fähigkeit einer Person oder Gruppe, auf das Denken und Verhalten einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile so einzuwirken, dass diese sich ihren Ansichten oder Wünschen unterordnen und entsprechend verhalten."
Ich denke, dass "Macht ausüben" und "Kontrolle ausüben" fast ein und dasselbe bezeichnen. Beides benötigt ein Objekt, wobei ich doch einen Unterschied sehe: Macht kann auch ohne Kontrolle ausgeübt werden (durch Charisma oder Wohltaten), Kontrolle dagegen scheint mir ohne die dazu nötige Macht ein Ding der Unmöglichkeit.
Dann hast du halt ein anderes Verständnis von "Macht" als wie von Wikipedia zitiert oder wie ich es sehe. Aber das Problem mit unseren Begriffen haben wie oft, wenn wir genau versuchen in sie "abzutauchen", also sie genau zu durchdringen; dann spielen subjektive, erlernte Begrifflichkeiten z.T. eine Rolle - und die sind bei uns dann ggf. verschieden.

MIr fällt da gerade der "Machtmissbrauch" ein... kann man das gegenüber seinen Gliedmaßen?



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Jörn Budesheim
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Dann definiere ich Macht subjektiv so: Macht ist, wenn der Mond lau abtaucht.




Puch

Mi 18. Aug 2021, 10:21

Burkart hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 22:29
MIr fällt da gerade der "Machtmissbrauch" ein... kann man das gegenüber seinen Gliedmaßen?
Ich denke schon, man muss nur festlegen, was bei Gliedmaßen als "Machtmissbrauch" und was als "korrekter Gebrauch" gelten soll.




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Jörn Budesheim
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Do 19. Aug 2021, 13:34

Gerade bei Facebook gelesen:

"Feminismus ist die Freiheit der Frauen, alles zu tun, was sie möchten. Und wenn jemand gerne Hausfrau sein und sich ausschließlich um die Kindern kümmern möchte, ist das absolut in Ordnung, solange sie nicht darunter leidet. (Heike Kleen, Autorin)

Meine Oma war Hausfrau. Und wenn man sie gefragt hätte, hätte sie vielleicht gesagt, dass sie das Leben führt, was sie sich auch wünscht. Aber in einer anderen Gesellschaft - mit einem anderen Frauenbild - hätte sie wahrscheinlich auch andere Wünsche entwickeln und ein anderes Leben führen können. Damit will ich sagen, dass in dem Zitat eine Variable fehlt. Die Wünsche jeder Person sind so wichtig - keine Frage. Aber ein Klima der Freiheit gehört schon auch dazu, damit jede:r die Wünsche entwickeln kann, die zu ihm oder ihr selbst passen. Denn strukturelle Macht kann dazu führen, dass man sich für sich selbst etwas wünscht, was einen eigentlich einschränkt.




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Friederike
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Do 19. Aug 2021, 18:12

Nach 5 Antwort-Entwürfen, die ich wieder gelöscht habe, Bildgebe ich auf. Womit mein guter Wille dokumentiert ist.




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Di 12. Okt 2021, 21:16

Die Macht der Sprache...





Henk
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Mo 18. Okt 2021, 16:23

Puch hat geschrieben :
Mo 16. Aug 2021, 15:42
Burkart hat geschrieben :
So 15. Aug 2021, 22:33

Welche meinst du? Dass alle Macht vom Volke ausgeht o.ä.?
Ja, ich meine Artikel 20 des Grundgesetzes. Allerdings ist darin nicht von Macht sondern von Staatsgewalt die Rede: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." aber ich vermute, dass der Sinn ähnlich ist.

(...)
Das ist das Grundprinzip der demokratischen Staatsform des heutigen Deutschlands, die so genannte Volkssouveränität, das Letztbestimmungsrecht des Volkes über den Staatwillen, d.h., alles staatliche Handeln mit Entscheidungscharakter (Handkommentar -Nomos- zum Grundgesetz für die BRD, 12.Auflage).
Der Begriff des Volkes umfasst alle Staatangehörigen , die wahl- und abstimmungsberechtigt sind, wobei das Volk die Macht indirekt über die Wahlen der Organe der Gesetzgebung (z.B. Bundestag) und grundsätzlich auch über Abstimungen sowie über die gesetz- und rechtgebundene (Rechtsstaatlichkeit) vollziehende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) ausübt.


Ohne ein Volk gibt es keine politische Macht.
Geht also ein Volk oder eine Gruppe auseinander oder verschwindet die Unterstützung des Volkes, vergeht auch die Macht.
Über Macht verfügen bei uns auch die Parteien und sie verlieren sie, wenn sie die Unterstützung des Volkes verlieren.
Zurzeit findet also ein Machtwechsel statt, wobei die SPD erstaunlicherweise für eine Kontinuität der Macht steht und zwei Oppositionsparteien zukünftig wohl Macht ausüben, vollziehen können. Im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit natürlich.
Die Unionsparteien dagegen haben die Macht verloren.
Die potentielle, neue Regierung muss demnach darauf achten, dass sie die verliehene Unterstützung des Wahlvolkes "behält".
Das ist die parlamentarische Repräsentation.

Insoweit hat Belarus als Tyrannis aktuell zwar die gewalttätigste, aber auch zugleich die ohnmächtigste Staats-/Regierungsform.
Die Macht ist verschwunden. An ihre Stelle ist die pure Gewalt in Gestalt ihrer Werkzeuge getreten. (siehe auch Hannah Arendt, Macht und Gewalt, Piper, 25 25.Auflage 2015)




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Jörn Budesheim
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Henk hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 16:23
Die Macht ist verschwunden. An ihre Stelle ist die pure Gewalt in Gestalt ihrer Werkzeuge getreten.
Yepp, so sehe ich da auch!




Puch

Mo 18. Okt 2021, 23:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 16:35
Henk hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 16:23
Die Macht ist verschwunden. An ihre Stelle ist die pure Gewalt in Gestalt ihrer Werkzeuge getreten.
Yepp, so sehe ich da auch!
Das verstehe ich nicht: warum soll Macht gut und Gewalt böse sein? Ist doch in Artikel 20 GG nicht von Macht sondern ausdrücklich von Gewalt die Rede, von Staatsgewalt. Betrachtet ihr das GG deshalb als böse?




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Puch hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 23:15
Das verstehe ich nicht: warum soll Macht gut und Gewalt böse sein?
Puch hat geschrieben :
So 15. Aug 2021, 16:02
Wenn Macht an sich so negativ wäre, wie in diesem thread dargestellt, wäre sie dann im Grundgesetz an so prominenter Stelle gewürdigt?
Wie denn nun? ;)




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Jul 2021, 08:41
Was ist Macht?

Macht ist insbesondere da, wo man sich selbst freiwillig limitiert.
Alice Hasters hat geschrieben : [Das] »Puppenexperiment«. Ein Kind hat dabei zwei Puppen zur Auswahl, die genau gleich aussehen, abgesehen von der Hautfarbe. Eine Puppe ist weiß, die andere Schwarz. Den Kindern werden eine Reihe Fragen gestellt: Welche Puppe ist die schöne? Welche Puppe ist die böse? Welche Puppe ist die hässliche? Die nette? Die gemeine? Das Resultat: Überwiegend ordneten die Kinder der weißen Puppe die positiven und der Schwarzen die negativen Attribute zu, unabhängig von der eigenen Hautfarbe. Auch Schwarze Kinder fanden die dunkelhäutige Puppe hässlich, gemein und böse — dabei wussten sie genau, dass sie selbst die gleiche Hautfarbe hatten. Dieses Experiment wurde von zwei afroamerikanischen Psycholog*innen in den 1940er-Jahren entwickelt. Vor allem in den USA wurde es mehrere Male wiederholt. 2010 zeigte CNN eine Abwandlung des Experiments mit ähnlichen Ergebnissen. Formen von Diskriminierung werden also nicht nur von denjenigen verinnerlicht und unbewusst als Wahrheit angenommen, die von ihnen profitieren, sondern auch von denjenigen, die darunter leiden. Im Englischen gibt es einen Begriff dafür: Internalized Oppression ...
Burkart hat geschrieben :
Sa 17. Jul 2021, 10:16
Freiwillig limitiert geht ja noch (ist halt freiwillig), aber Macht ist auch oft genug unfreiwillige Limitierung.




Puch

Di 19. Okt 2021, 10:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 19. Okt 2021, 06:59
Wie denn nun? ;)
Sorry, ich hatte den Eindruck, dass Gewalt als etwas Böses dargestellt wird, als etwas, womit sich Diktatoren an der Macht halten.




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Jörn Budesheim
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Eigentlich wollte Henk ja auf etwas anderes hinweisen: Wo Gewalt im Spiel ist, ist es mit der Macht womöglich nicht mehr so weit her.




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Friederike
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Di 19. Okt 2021, 12:36

@Henk hat sich, so wie ich ihn verstehe, an H. Arendts "Macht"-Verständnis orientiert. Macht muß zwar nicht gerechtfertigt werden, weil sie essentiell für jede Gruppe oder Gemeinschaft ist, aber sie muß legitimiert sein, weil sie andernfalls keine "Macht", sondern Gewalt ist (Arendt handelt über die politische Macht). In dem Moment, da die Staatsmacht nicht mehr legitimiert ist, geht sie automatisch in Gewalt über. Arendt ist nun aber nicht das GG, d.h. wie es zu dem Begriff von der "Staatsgewalt", den "Gewalten" und ihrer "Teilung" kommt, weiß ich nicht.




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