NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Sa 4. Dez 2021, 00:54
Du hinkst da einfach hinterher.
"Als die heilige Verena einst vor ihrer Zelle in der Nähe Solothurns auf den Knien lag und ihr Gebet verrichtete, in das sie auch alle die miteinschloss, welche vom Pfade der Wahrheit und Tugend abgewichen, geraden Wegs der Macht des Bösen anheimzufallen drohten, ärgerte sich der Teufel, der eben da vorbeigegangen und sich neugierig herbeigeschlichen hatte, dem Gebete der Heiligen zuzulauschen, so sehr, dass er wütend ein Felsstück losriss und es mit seinen Krallen hoch über dem Haupte der Betenden erhob, um es auf dasselbe herabzuschleudern. In diesem Augenblick aber schaute die heilige Verena zufällig empor und ihr Blick traf den über ihr niedergebeugten Fürst der Hölle, den dieser Blick dergestalt verwirrte, dass er erschreckt einige Schritte zurückfuhr und der schwere Stein, seinen Krallen entsinkend, statt auf das Haupt der Heiligen, auf seine eigenen Füße fiel. Brüllend und heulend entfloh er. Der Stein, an dem die Spuren der Teufelskrallen ganz deutlich zu sehen, liegt noch an jener Stelle. Er ist sehr schwer und groß und daher es auch kein Wunder, dass der Teufel von seinem Fall zeitlebens hinkend geblieben."
(aus dem
Schweizerischen Sagenbuch von 1854)
Hinken ist die Bewegungsart des Teufels. Nun ist der Teufel ja vor allem deshalb Teufel, weil - glaubt man Luhmann, besser noch an Luhmann - er es darauf anlegt, Gott zu beobachten. Der Teufel ist schöpfungsgeschichtlich der Erste, der auf's Ganze geht. Das Ganze beobachten heißt aber, sich auch selbst zu beobachten, weil man dem Ganzen ja angehört. Will man das Ganze beobachten, dann gehört Selbstbeobachtung notwendigerweise dazu; Beobachtung ist jedoch nur möglich, indem sich der Beobachter
als Beobachter vom Beobachteten unterscheidet. Eine teuflische Schwierigkeit. Man kann auch von einem Teufelskreis sprechen. - Will der Teufel Gott beobachten, muß er sich von Gott unterscheiden. Theologisch gesprochen: er muß von Gott abfallen. Und so wird er zum Bösen.
Im Unterschied zum Teufel versuchen die Theologen gar nicht erst, Gott zu beobachten. Sie beobachten vielmehr den Teufel bei der Beobachtung Gottes. Dem Teufel entgeht natürlich daß er sich mit der Beobachtung Gottes zum Teufel macht. Theologie wird also allererst durch die Selbstintransparenz des Teufels möglich - zumindest will der Soziologe Luhmann das beobachtet haben. -
Zum Teufel mit ihm.
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