sybok hat geschrieben : ↑ Di 13. Sep 2022, 23:29
Genau kann ich dir das natürlich nicht beantworten (könnte ich es, würde ich die Theorie ja einfach empirisch testen). Komplexität würde sich in diesem Fall, stelle ich mir vor, nach der Anzahl der Teile, womöglich irgendeiner Art von Rekursionstiefe, der Anzahl Relationen, dem Grad an Entropie, der Ausdrucksstärke und ähnlicher Dinge bemessen. Die Grenze: Ich sehe das ja irgendwo durch die Berechenbarkeitstheorie und vermute, die Grenze(n) könnten durch so eine Art computationale Klassen jenseits konsistenter formaler Systeme definiert sein.
Ja, aber das "nicht genau sagen können" ist Teil der Strategie bei "Emergenz".
"Komplexität" hört sich nach "etwas" an, aber wenn man hier den Begriff "Umständlichkeit" entgegenstellt, dann verblasst der Glanz ganz schnell.
Eine Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. OK, dann machen wir einfach 10.000 Kurven dazwischen und erhöhen die Komplexität. Haben wir damit etwas erreicht, das wir als Funktion einsetzen können (zu was auch immer)? Nö.
"Komplexität" ist eigentlich eine Nebelkerze und auf der anderen Seite wartet ein Organismus dessen Situationen in der Umwelt punktgenau wahrnehmungstechnisch unterstützt werden müssen.
Die Emergenz-Idee betont hier den unwichtigen Umstand "Komplexität" und vernachlässigt den wichtigen Anteil, die Richtung.
Ich wiederhole das nochmal: die Richtung ist hier zentral wichtig, denn der "neue/emergente Effekt" muss etwas
für den Organismus taugen.
Wenn du ehrlich bist, dann würdest du hier sogar ein Kontrollsystem erwarten, das die Tauglichkeit des "neuen/emergenten Effektes" rückabgleicht, mit den Detailvorgängen im System.
Bei "Anzahl der Teile" ist man sofort bei der "
Paradoxie des Haufens". Das wurde hier auch schon angesprochen und wenn man vom Objekt/System her denkt, dann findet man schlicht keine Anzahl. Denkt man aber vom Wahrnehmenden her ("er will oder kann die Details nicht durchschauen"), dann hat man ein Kriterium für den Haufen.
Diese Lösung scheidet bei unserer aktuellen "Komplexitäts/Anzahl"-Emergenz aber aus, denn wir wollen ja gerade die wahrnehmungstechnische Handlung des Wahrnehmenden aufbauen.
=> Diese Emergenz-Idee kann keine Grenzangaben enthalten.
sybok hat geschrieben : ↑ Di 13. Sep 2022, 23:29
Diese Zieltauglichkeit könnte theoretisch ja - und nach meinem Wissensstand wird sie das auch - durch "lokale" Kommunikation zwischen Zellen und Nervensystem hergestellt werden. Die Sichtweise wäre, dass das aus der Perspektive des Nervensystems auch nur Peripherie wäre, wie beispielsweise optische Reize. Unterschiede dabei (etwa dass das System stabil gehalten wird) könnte man womöglich als Koevolution von Nervensystem mit dem Rest des Körpers erklären.
Naja, wir haben halt Sinnesorgane, für die es im Nervensystem zu Effekten kommt.
Würde man behaupten, im Nervensystem kam es zuerst zu einem "emergenten Seh-/Farbeffekt" und dann sind die Augen dazu gewachsen, dann hört sich das bescheuert an.
Selbst wenn man beides "parallel" entstehen lässt, ist die Emergenz immer der Sprung ins "funktionale Irgendwas".
Die Evolutionsidee scheitert bei Menschen, die nur eine Gehirnhälfte haben und sich dennoch bewusst durch die Welt bewegen. Das sind Einzelfälle bei denen die Evolution schlicht keine Zeit für irgendwelche Wirkungen hatte.
Schau dir mal deine eigene Wortwahl an: "aus der Perspektive des Nervensystems"
Das Nervensystem ist bei dir jetzt bereits der Akteur.
Ist dir klar, dass Perspektive aus Standpunkt und Blickrichtung besteht?
Schau dir den Körper an, da sind Standpunkt und Blickrichtung ohne irgendwelche Anstrengung vorhanden - was das bei einem Nervensystem zu suchen hat, ist mir völlig schleierhaft.
Die gesamten Bewusstseinseffekte (Phänomene), die man mit der Emergenz-Idee als Systemeigenschaften "in die Welt" holen können möchte, sind nach dem Prinzip aufgebaut "Akteur steht XYZ gegenüber".
Die einfachste Quelle für dieses Prinzip ist der Körper. In der Konsequenz ist der Körper der "Akteur" im Bewusstsein.
Du hast oben die Rasiermesser-Methode angesprochen - wozu nochmal einen Akteur ("Nervensystem mit Emergenz-Eigenschaften") entstehen lassen, wenn der Akteur ganz unspektakulär vorhanden ist?
sybok hat geschrieben : ↑ Di 13. Sep 2022, 23:29
Ich würde auf ein bisschen mehr als "ist halt da" hoffen, aber - meiner Ansicht nach: naturgemäss - wird es eine Blackbox bleiben.
Gerade hatten wir den Begriff "Perspektive", der beim Körper eine unmittelbare Entsprechung hat.
Erweitern wir "Perspektive" auf "Umgang mit der Welt und Bewegung in der Welt".
Was ist das Innenleben anderes, als dass sich der Körper "planend bewegt"?
Riecht das für dich nicht auch ganz deutlich nach Evolution.
Sagen wir zuerst entwickelte sich aus der Bewegung das "Erinnern an Bewegung" und danach das "Planen von Bewegung".
Ist das "Innenleben", die "Innenschau" nicht wie alle anderen Phänomene, eine Lösung für eine wahrnehmungstechnische Aufgabenstellung, nämlich, dass der Körper über Aktivität im Nervensystem planend navigieren kann?
Nimmt man den Körper aus all den Rechnungen heraus, dann ist das eine sonderbare Entwicklungskreativität, die da von einem System mit Emergenzeffekten zustande kommen soll und am Ende taugt davon wieder jeder Millimeter für den Körper (wenn man ihn dann später wieder hereinnimmt).
sybok hat geschrieben : ↑ Di 13. Sep 2022, 23:29
Streng genommen weiss ich gar nicht was die Begriffe bedeuten.
Machen wir es nicht zu kompliziert:
"Bewusstsein"
...ist die Überzeugung zu wissen, was wahrnehmungstechnisch vor sich geht.
Bei Mensch und Tier ist das sicherlich ein Akteursbewusstsein, also eine Objekt- und Handlungseinteilung, aber das muss ja nicht unbedingt so sein.
"Intelligenz"
...ist das sinnvolle Neu-Kombinieren (im Sinne einer Aufgabenstellung) von (neuen) Zusammenhängen.
Man erschliesst sich etwas. Die hier oft angesprochene Verengung auf "Problem" teile ich nicht.
Wie in einem anderen Thread angedeutet, steht für mich das Streben nach Harmonie im Nervensystem im Vordergrund und so ist Intelligenz das Erschliessen von immer mehr Harmonie in den Abläufen.
Das ist dann sozusagen eine automatische Optimierung, die auch ganz ohne "Problem"-Status abläuft.
Vergleicht man beide Begriffe miteinander, dann fällt unmittelbar auf, dass "Bewusstsein" eine Art Einsicht ist, während "Intelligenz" unbekannt im Hintergrund bleibt.
Über die Aufmerksamkeit haben wir "Bewusstsein" quasi "in der Hand", während bei "Intelligenz" maximal eine günstige Umgebung geschaffen werden kann, aber ansonsten kein Zugang besteht.
Wenn es um Wahrnehmung geht, trenne ich grundsätzlich zwischen "was"- und "wie"-Fragen.
Das "Was" dreht sich um das, was in der Wahrnehmung zur Verfügung steht - das wäre hier also "Bewusstsein".
Das "Wie" dreht sich darum, wie es zu der Wahrnehmung kommt - das wäre hier "Intelligenz"
Es ist nun kein Denk-Kunststück, dass das "Wie" die Grundlage von "Was" bildet und nicht umgekehrt.
Problematisch wird es, wenn Leute hier mit Existenz-Vorstellungen ankommen. Dann soll dies verdreht werden bzw. das "Wie" wird vernachlässigt.
sybok hat geschrieben : ↑ Di 13. Sep 2022, 23:29
Aber in naiver Umgangssprache interpretiert: Ich glaube sie entspringen der gleichen Quelle, die Metakognitions-Idee von NaWennDuMeinst: Die Dinger scheinen irgendwo zu korrelieren. Das scheint ja auch Sinn zu machen, beides hat irgendwie mit Erhöhung des Grades an Abstraktion zu tun.
Würdest du "Metakognition" bei "Was" oder bei "Wie" einordnen?
Wo würdest du "Erhöhung des Grades an Abstraktion" einordnen? (schau einfach nach, was ich oben zu den beiden Begriffen geschriebene habe).