Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Nauplios
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 20:05

Der (natur-)wissenschaftliche Fortschritt könnte doch zeigen, dass Musik genauso real ist, wie irgendetwas.
... daß die Musik (wie auch die Kunst im Allgemeinen) auf Konstruktionen eines Hörers, (respective Betrachters) nicht angewiesen ist, um in der Realität vorzukommen?




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Sep 2022, 21:14

Ich für meinen Teil gehe nicht davon aus, dass Musik so etwas wie eine "Substanz" ist, also etwas was unabhängig von allem anderen existiert. (Substanzen gibt es vielleicht ohnehin nicht, wer weiß.) Ich gehe dennoch davon aus, dass Musik ein ontologisch eigenständiger Bereich ist, zu dem man allerdings nur Zutritt hat, wenn man die entsprechenden Sinne hat. Wir konstruieren die Musik nicht, eher umgekehrt: sie konstruiert uns.

Aber das bringt uns vielleicht vom Thema ab. Es ist doch metaphysisch nicht ausgeschlossen, dass die Naturwissenschaften einen ganz anderen Weg gehen, als "wir" uns vorstellen. Die Fragestellung geht aber doch irgendwie davon aus, dass die Welt letztlich vollständig beschreibbar ist, ohne die subjektiven Anteile, die wir Tag für Tag erleben. Aber das ist nicht ausgemacht. Und das ist mein Punkt :)




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 21:14
Ich für meinen Teil gehe nicht davon aus, dass Musik so etwas wie eine "Substanz" ist, also etwas was unabhängig von allem anderen existiert. (Substanzen gibt es vielleicht ohnehin nicht, wer weiß.) Ich gehe dennoch davon aus, dass Musik ein ontologisch eigenständiger Bereich ist, zu dem man allerdings nur Zutritt hat, wenn man die entsprechenden Sinne hat. Wir konstruieren die Musik nicht, eher umgekehrt: sie konstruiert uns.
Wenn wir die Musik nicht konstruieren, gäbe es den ontologisch eigenständigen Bereich der Musik unabhängig von Zutritten durch entsprechende Sinne. Es gäbe dann musikalische Tatsachen?




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Sep 2022, 21:47

Nauplios hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 21:24
Wenn wir die Musik nicht konstruieren, gäbe es den ontologisch eigenständigen Bereich der Musik unabhängig von Zutritten durch entsprechende Sinne.
Das ist nicht zwingend, finde ich. Hier eine Zeile aus einem Buch von Wolfram Hogrebe, die mich sehr beeindruckt hat: "Nach Schellings abgründigen Spekulationen hätten wir mit einer Quelle der Geltung zu rechnen, die ohne Taten und Werke von Menschen zwar nicht sprudeln würde, aber dies auch nur dann vermag, wo Menschen in ihren Werken etwas hervortreten lassen, was nicht ihr Werk ist."

Das Thema umgemünzt: In den Werken von Menschen kann etwas hervortreten, was nicht das Werk ist, z.b die Musik. Das finde ich einen beeindruckenden Gedanken, der auch durch die künstlerische Praxis klar belegt ist. Als der Mensch "das erste Mal" getanzt hat, gesungen hat, Bilder auf Felsen bezeichnet hat, Geschichten erzählt hat, ist er in diesem "Moment" überhaupt erst zum Mensch geworden - und zwar durch das was, sich ihm in diesem Werk gezeigt hat. Diese Quelle würde zwar nicht sprudeln, ohne die Taten der Menschen, aber sie vermag das auch nur, wenn in diesen Taten etwas hervortritt, was nicht die Taten allein ist, und sich nicht nur aus diesen erklärt. Auch wenn dieser Bereich in der Genese abhängig von Menschen ist, muss er das nicht in seiner inneren Ordnung sein. Auch wenn dieser Bereich in der Genese abhängig von Menschen ist, heißt das nicht, dass er der inneren Ordnung nach von Menschen konstruiert wurde. Die musikalischen Tatsachen, werden demnach im Musizieren entdeckt.

Bild

How music invented mankind.




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Stefanie
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Fr 23. Sep 2022, 23:51

Das verstehe ich nicht. Leider alles, was da steht, verstehe ich nicht. Auf nach mehrmaligen lesen.
Z.B.
Diese Quelle würde zwar nicht sprudeln, ohne die Taten der Menschen, aber sie vermag das auch nur, wenn in diesen Taten etwas hervortritt, was nicht die Taten allein ist, und sich nicht nur aus diesen erklärt
Oder
wo Menschen in ihren Werken etwas hervortreten lassen, was nicht ihr Werk ist."
Wessen Werk ist es dann? Was ist denn da noch? Es gibt doch nur die Taten - also hier tanzen, singen, erzählen - der Menschen. Es ist doch nur der Mensch da. Ein überirdische Wesen?



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Timberlake
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Sa 24. Sep 2022, 01:38

Nauplios hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 19:13
Timberlake hat geschrieben :
Mi 21. Sep 2022, 22:13

Alle Gegenstände der "Welt" sind deshalb für Heidegger nur vorhanden . Vorhandenes , dass erst im Vollzug des menschlichen Lebens im Menschen selbst zur Existenz gerät. Deshalb ist für Heidegger der Mensch weit mehr als nur Vorhandenes. In dem auch in einer Katze selbst oder in einem Baum selbst eine solche Verwandlung von Vorhandenes in Existierendes stattfindet , so würde ich sogar sagen, dass selbst Gegenstände wie eine Katze oder ein Baum mehr als nur Vorhandenes ist. Konsequent wäre eine solche Auffassungs allerdings erst dann , wenn man sie denn auch auf etwas anwendet , was nicht lebt , wie eben den besagten Stein.
Das ist ein guter Hinweis, der den Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft aufhellen kann. Hat die Philosophie ihre "Gegenstände" auf jene Art wie die Wissenschaften ihre Gegenstände hat, als in der Welt vorkommende, als vorhandene?

.. falsche Frage ...
Nauplios hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 19:13

Das Labyrinth der Heidegger' schen Fundamentalontologie verlangt einen zuverlässigen Ariadnefaden, um nach erfolgter Kartographie dieses Seinsdenkens auch wieder herauszufinden. ;) Ich persönlich denke, daß es am besten in niedriger Dosierung seine Wirkung tut, weil es andernfalls berauscht, darin dem Denken Nietzsches nicht ganz unähnlich.
Diesen Ariadnefaden , in wohl bemessener Dosierung aufnehmend , nach meinem Dafürhalten ist für Heidegger alles in der Welt vorkommende vorhanden. Vorhandenes , das erst über die Wahrnehmung in einem Selbst zur Existenz (wohl-) gerät.


Philosophie SELBST! ist also auch nur ein Gegenstand, der auf diese Weise existiert.

Keine Wahrnehmung in einem Selbst , keine Philosophie, kein Baum, keine Wissenschaft , keine Literatur ... etc. . Da draußen , außerhalb von uns , existiert dergleichen nicht. Gleichwohl es , wie auch immer , vorhanden ist. Denn wäre nichts vorhanden , gäbe es auch nichts wahr zu nehmen. So einfach stellt sich zumindest für mich , die Kartographie von Heidegger Seinsdenkens dar. Es sei dir allerdings unbenommen , daraus ein Labyrinth der Heidegger' schen Fundamentalontologie zu machen und damit jenen einen Dienst zu erweisen, denen es nach besagten Ariadnefaden oder auch wegen seiner berauschenden Wirkung, nach einem hochdosiertem Heidegger verlangt . ;)




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 23:51
Ein überirdische Wesen?
... mal ein Beispiel aus einem anderen Bereich. Eine junge Frau hockt am Strand im feuchten Sand. Mit einem Stock zeichnet sie Linien. Vielleicht macht sie ein wenig Geometrie. Dabei entdeckt sie etwas, vielleicht ein einfaches geometrisches Gesetz. Damit das geschehen kann, müssen wir nicht überirdische Wesen vermuten :)




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AufDerSonne
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Sa 24. Sep 2022, 07:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 06:56
Stefanie hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 23:51
Ein überirdische Wesen?
Wir mal ein Beispiel aus einem anderen Bereich. Eine junge Frau hockt am Strand im feuchten Sand. Mit einem Stock zeichnet sie Linien. Vielleicht macht sie ein wenig Geometrie. Dabei entdeckt sie etwas, vielleicht ein einfaches geometrisches Gesetz. Damit das geschehen kann, müssen wir nicht überirdische Wesen vermuten :)
Ich weiß zwar nicht um was es geht, aber mit ein bisschen Zeichnen mit einem Stock im Sand wird sie kein geometrisches Gesetz entdecken.



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Sa 24. Sep 2022, 07:22

Dann wollte ich noch etwas sagen.
Stefanie spricht die Tat an. Mich dünkt, ihr vergesst bei euren Diskussionen mit der Musik und dem Orchester, dass diese Musik jemand machen muss.
Wenn man so ein Beispiel bringt, kann man das nicht unberücksichtigt lassen. Die Musik muss erst einmal von jemandem gemacht werden.



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Stefanie
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Sa 24. Sep 2022, 08:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 06:56
Stefanie hat geschrieben :
Fr 23. Sep 2022, 23:51
Ein überirdische Wesen?
Wir mal ein Beispiel aus einem anderen Bereich. Eine junge Frau hockt am Strand im feuchten Sand. Mit einem Stock zeichnet sie Linien. Vielleicht macht sie ein wenig Geometrie. Dabei entdeckt sie etwas, vielleicht ein einfaches geometrisches Gesetz. Damit das geschehen kann, müssen wir nicht überirdische Wesen vermuten :)
Solche Art von Beispielen sind mir auch eingefallen.
Nochmal dieses Zitat:
Nach Schellings abgründigen Spekulationen hätten wir mit einer Quelle der Geltung zu rechnen, die ohne Taten und Werke von Menschen zwar nicht sprudeln würde, aber dies auch nur dann vermag, wo Menschen in ihren Werken etwas hervortreten lassen, was nicht ihr Werk ist." Von mir markiert.

Es ist aber doch ihr Werk, sie hat doch die Linien gezeichnet, und kein anderer Mensch. Wieso ist das nicht ihr Werk?

Oder:
Diese Quelle würde zwar nicht sprudeln, ohne die Taten der Menschen, aber sie vermag das auch nur, wenn in diesen Taten etwas hervortritt, was nicht die Taten allein ist, und sich nicht nur aus diesen erklärt
Was tritt denn in dem Beispiel mit dem Sand hervor, was nicht die Tat ist? Der Zufall?
.



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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 08:22
Was tritt denn in dem Beispiel mit dem Sand hervor, was nicht die Tat ist?
Das geometrische Gesetz.




Nauplios
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In der Mystik Jakob Böhmes gibt es den "Ungrund". Das ist eine Art Schnittmenge des göttlichen und menschlichen Seins, der Untergrund aller Gründe und Begründungen. Erst in existentiellen Erfahrungen zeigt sich dieser Ungrund, gleichsam wie ein Abgrund in den man für einen Moment schaut, etwas Dunkles, bei dem die philosophische Reflexion an ihre Grenze stößt und das auf methodischem Wege nicht einholbar ist.

Insbesondere die Romantik hat an dieser Vorstellung eines Ungrundes Gefallen gefunden und Schelling hat ihn in seiner Spätphilosophie (Philosophie der Mythologie) zu philosophischem Leben erweckt.

Und auf diese Philosophie der Mythologie nimmt Hogrebe Bezug in dem von Jörn zitierten Passus. - Das Zitat stammt aus Philosophischer Surrealismus, dem vierten Band einer Tetralogie, deren erste drei Bände Riskante Nähe. Die szenische Existenz des Menschen sowie Der implizite Mensch und Metaphysik und Mantik waren.

Was Hogrebe zum "Programm eines philosophischen Surrealismus" erhebt, zeigt er an einem Zitat von Hans Lenk: "Philosophie scheint ein unmögliches Geschäft: das Unsagbare zu sagen, das Nicht-Bezeichenbare mit Zeichen zu bezeichnen, das von allen Interpretationen Unabhängige dennoch in interpretativen Formen zu deuten, das Nichtdenkbare, Nochnichtdenkbare, zu denken." (Hans Lenk; Interpretationskonstrukte. Zur Kritik der interpretatorischen Vernunft, zit. nach Wolfram Hogrebe; Philosophischer Surrealismus; S. 13)

Hogrebe geht es um eine "neue Metaphysik" (S. 13) im Anschluß an die "Erbschaft des Neuplatonismus", um eine "Hinführung in die Region des Überseienden". Neben Schelling greift Hogrebe dabei auf den mittelalterlichen Philosophen Johannes Scottus Eriugena aus dem frühen 9. Jahrhundert und auf den Sohar, das ist eine Sammlung von Kommentaren zur Tora aus der Kabbala, der mystischen Tradition des Judentums, zurück.

Auszüge aus Hogrebes Philosophischer Surrealismus finden sich hier (die von Jörn zitierte Passage befindet sich auf Seite 44):

Wolfram Hogrebe - Philosophischer Surrealismus
Zuletzt geändert von Nauplios am Sa 24. Sep 2022, 11:15, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 24. Sep 2022, 11:15

Das Buch ist nach meinem Gefühl sehr viel handfester als die Beschreibung. Aber das mag jeder anders sehen. Ich finde es sehr empfehlenswert, wenn ich mich richtig entsinne, aber leider ziemlich teuer.




Nauplios
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Sa 24. Sep 2022, 11:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 11:15
Das Buch ist nach meinem Gefühl sehr viel handfester als die Beschreibung.
Handfester als wessen Beschreibung ... meiner Beschreibung?




Körper
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Sa 24. Sep 2022, 11:21

1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
Ausgedacht?
Ja, alle Emergenz-Behauptungen, die sich nicht auf Wahrnehmung beschränken, sondern Existenz-Aussagen darstellen, sind ausgedacht.
1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
Zumindest ist's nicht weniger realistisch als die uns "von der Natur angezüchtete" Kausalvorstellung ( = naturalistisch-evolutionistische "Erdung" des entsprechenden Aprioris Kants). Du legst also außer dem üblichen, gedankenarmen, platten "Determinismus" nichts vor.
Meine Aussage ist "Wahrnehmung kommt nicht an Existenz heran, sondern nur an die Wechselwirkungen zwischen Existenz(en)".
Ich werde also kaum sagen können, inwieweit Existenz(en) etwas mit Determinismus oder Nicht-Determinismus zu tun hat/haben.

Es dennoch zu machen, wäre Philosophie.
1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
> Was sind die "Zutaten und Faktoren" für "ich"?
-- Alles was für dieses "Ich" notwendig ist, es "zum Laufen zu bringen und am Laufen zu halten".

=> Was sind die "Zutaten und Faktoren" für "ich habe"?
-- Die Fähigkeiten (Sinne, Wahrnehmung, Reflexion...) des besagten "Ichs" ein Hörerlebnis eben haben zu können.

=> Was sind die "Zutaten und Faktoren" für "ich habe ein Hörerlebnis"?
-- Die Affizierung der o.g. Fähigkeiten des o.g. "Ichs" von "außen".
Ich hätte jetzt erwartet, dass du Details rund um Emergenz vorlegst. Du wolltest doch Emergenz ins Spiel bringen.
Aus meiner Sicht müsstest du die Einzelteile, ihr Zusammenspiel, das "System" und die neuen Eigenschaften des "Systems" aufzeigen.

Ist Philosophie an dieser Stelle nur als Suggestion einsetzbar und sobald eine konkrete Sachlage vorliegt, versagt das Behauptungsgebäude?
1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
Der "Antrieb" als solcher allein kann niemals die jeweiligen sozusagen "spezifische Gesamtleistungen" von dir sogenannter "Phänomen-Existenzen" erbringen.
So sieht der Eintritt ins philosophische Reich der Emergenz aus.
Genau hierzu ist aber doch Philosophie zum Hinterfragen aufgefordert.
Vielleicht musst du ja nur deine Erwartungshaltung verändern.
1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
(So wie auch ein "Haufen" Holz, Nägel, Leim usw. nicht mit einem Stuhl gleichzusetzen ist - auch wenn dieser aus nichts anderem bestehen mag...)
Das passt jetzt wieder sehr schön zum Suggestionscharakter. Die philosophische Behauptung soll durch ein ganz einfaches Beispiel verdeutlicht werden und der Hörer soll dies dann selbstständig auf den eigentlichen Fall anwenden.
Machen wir es anderes herum:
Nimm dieses Stuhl-Beispiel als Vorbild zur Beantwortung der obigen "ich"-Fragen.
1+1=3 hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 19:13
Bei "Bottom Up"-Verursachungen (also Wirk- und Materialursachen!) handelt es sich um "untergeordnete" (!) Ursachen... Notwendig, aber nicht hinreichend...
Das ist Teil des "emergentischen Glaubensbekenntnisses", wobei man zuvor natürlich "Bottom-up" als sinnvolle Einteilung akzeptieren muss.
Insgesamt ein Glaubenssprung.
Auf welche Weise hinterfragst du den Glaubenssprung und wie helfen dir Profi-Philosophen dabei?




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Jörn Budesheim
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Sa 24. Sep 2022, 11:47

Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 11:18
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 11:15
Das Buch ist nach meinem Gefühl sehr viel handfester als die Beschreibung.
Handfester als wessen Beschreibung ... meiner Beschreibung?
Alles okay damit :) vielleicht habe ich mich an dem Ausdruck "Mystik" gestoßen.




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Jörn Budesheim
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Sa 24. Sep 2022, 12:50

Hogrebe hat auch etwas zu dem Thema des Fadens zu sagen: "Relevante Philosophie sei eine solche genannt, die sich an den Grenzen des Wissens aufhält und dennoch amüsiert."




Timberlake
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Sa 24. Sep 2022, 14:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 12:50
Hogrebe hat auch etwas zu dem Thema des Fadens zu sagen: "Relevante Philosophie sei eine solche genannt, die sich an den Grenzen des Wissens aufhält und dennoch amüsiert."
um hier den Faden nicht abreißen zu lassen , habe ich mir erlaubt , dir darauf in meinem eigenem Thread , zu diesem Thema ..Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie? , zu antworten ..
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Sep 2022, 14:31
@Timberlake: Besser als in allen Fäden dein eigenes Thema zu platzieren, wäre es einen eigenen Faden dazu zu machen. Es ist nicht gut, wenn User deinetwegen, in diesem Faden nicht mehr schreiben wollen.




Timberlake
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Sa 24. Sep 2022, 14:36

Körper hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 11:21

Ist Philosophie an dieser Stelle nur als Suggestion einsetzbar und sobald eine konkrete Sachlage vorliegt, versagt das Behauptungsgebäude?
Das ist einer der besten Beschreibungen , die ich seit langem über die Philosophie gelesen habe. Wenn man denn anstatt des Fragezeichens ein Ausrufungszeichen setzt. Mit dessen Versagen , sobald eine konkrete Sachlage vorliegt, ergänzt sie m.E. das , was in dem Zitat von Hans Lenk noch fehlt ..
Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 11:12
Was Hogrebe zum "Programm eines philosophischen Surrealismus" erhebt, zeigt er an einem Zitat von Hans Lenk: "Philosophie scheint ein unmögliches Geschäft: das Unsagbare zu sagen, das Nicht-Bezeichenbare mit Zeichen zu bezeichnen, das von allen Interpretationen Unabhängige dennoch in interpretativen Formen zu deuten, das Nichtdenkbare, Nochnichtdenkbare, zu denken." (Hans Lenk; Interpretationskonstrukte. Zur Kritik der interpretatorischen Vernunft, zit. nach Wolfram Hogrebe; Philosophischer Surrealismus; S. 13)
.. Heidegger konnte das allerdings seiner Zeit noch toppen ...

  • "Wir wollen jetzt noch einige Ergänzungen geben zu dem , was in der vorigen Stunden besprochen wurde , zuvor ist aber noch eine weitere Vorfrage zu erledigen : Verschiedene Hörer sind mit der Bemerkung an mich herangetreten , das Thema unserer Übung läge ihnen zu fern , sie könnten die geplanten Erörterungen ja zu nichts gebrauchen. Das charakterisiert ja meine Seminarübungen ganz vortrefflich. Zur Illustrierung will ich eine kleinen Geschichte erzählen. Ich machte neulich Besuch in einer hiesigen Familie , dem Mädchen , welches mich anmeldete , entfuhr es dabei: Heidegger ! Ist das der , bei dem die Studenten nichts lernen ? Das Mädchen hatte kurz zuvor noch bei einem Chemieprofessor gedient. Dies war die allerbeste Definition für meine Lehrtätigkeit. Sie lernen praktisch hier nichts! Die Frage , ob man Philosophie brauchen kann , ist von vornherein nicht zu entscheiden. Vielleicht merken sie es nach 4 Jahren , wenn sie fertig studiert haben , oder vielleicht erst im 40ten Jahr , dann ist es aber zu spät. Um ein Automobil oder Fahrrad herzustellen , braucht man allerdings keine Philosophie, aber doch Mechanik , d.h. dann aber Physik"
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 12:50
Hogrebe hat auch etwas zu dem Thema des Fadens zu sagen: "Relevante Philosophie sei eine solche genannt, die sich an den Grenzen des Wissens aufhält und dennoch amüsiert."

Im Gegensatz zur Wissenschaft hätte es demnach nie eine "relevante" Philosophie gegeben. In dem sie lt. Hans Lenk ein "unmögliches Geschäft" darstellt , möglicherweise taugt sie als solches tasächlich nur als Amüsement der jenigen , die dazu neigen, sich an den Grenzen des Wissen auf zu halten. Grenzen , wie man sie hier im Forum derzeit beispielsweise im Thread "Künstliche Intelligenz" an Hand des Leib-Leib-Seele-Problem aus zu loten versucht.

Körper hat geschrieben :
Sa 10. Sep 2022, 12:37
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 10. Sep 2022, 11:35
Aber wenn Wissenschaft dem folgt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich die Vorurteile aus der Grammatik dann in der Vorstellung zweier Substanzen niederschlagen: hier ich, dort "mein Körper".
Das kommt eher aus der religiös/philosophischen Tradition à la "Seele und Körper".
Ein solcher Philosophischer Surrealismus; der "amüsiert" , der macht mich allerdings mittlerweile nur noch Zornig ...



P.S.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Sep 2022, 14:31
@Timberlake: Besser als in allen Fäden dein eigenes Thema zu platzieren, wäre es einen eigenen Faden dazu zu machen. Es ist nicht gut, wenn User deinetwegen, in diesem Faden nicht mehr schreiben wollen.
@ Jörn

Sollte nun mehr der Eindruck entstanden sein , dass ich hiermit wiederum mein eigenes Thema platziert habe , so überlasse ich es dir , diesen Beitrag dorthin zu verschieben, wo ich meinen eigenen Faden dazu aufgemacht habe.




Nauplios
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Sa 24. Sep 2022, 16:08

Körper hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 21:58
Nauplios hat geschrieben :
Do 22. Sep 2022, 14:40
Die Philosophische Hermeneutik sieht das - stark verkürzt - so: Autorität hat das, was Wirkungsgeschichte hat. Die Wirkung eines philosophischen Gedankens bemißt sich - wieder stark verkürzt - daran, wie intensiv er in den Büchern der Philosophen, in ihrer Kommunikation ... vorkommt. Aus dem Anwachsen dieses Vorkommens, dieser Wirkungsgeschichte, speist sich die Autorität des Denkens und des Denkers. - (Wie gesagt: sehr grob und sehr unvollständig dargestellt.)

"Diese Leute" (Platon, Aristoteles, Augustinus, Theomas v. Aquin, Descartes, Kant ....) legen in der Tat große Schneisen in das philosophische Denken. Nun darf man sich das aber auch nicht wie eine gläubige Gemeinde vorstellen. Alles, was Philosophen schreiben, wird auch bestritten - in erster Linie von Philosophen. Es kann hier eben nichts endgültig bewiesen werden. Philosophie sei "der Inbegriff von unbeweisbaren und unwiderlegbaren Behauptungen", schreibt Blumenberg.
Wenn das alles so ist, wie du sagst, dann scheint mir da ein grundlegender Anspruch im Hintergrund mitzuschwingen.

Wenn trotz der unaufgelösten Variationen, der unaufgelösten Widersprüche immer noch an dem Konzept der "grossen Denker" und dem Konzept der "Bestätigung durch Verbreitung" festgehalten wird, dann muss es da etwas geben, an dem sich all die Teilnehmer "festhalten" wollen.
Die Teilnehmer halten sich in der Regel an den Traditionsbeständen der Philosophie fest; die großen Texte der großen Philosophen bewirken große Traditionen. Die Größe der Texte liegt u.a. darin, daß sie nicht veralten, daß sie jederzeit "wiederentdeckt" werden können, neue Kapitel in ihrer Wirkungsgeschichte evozieren, daß sie immer wieder auf's Neue zum Sprechen gebracht werden können, daß sie durch neue Deutungen und Interpretationen jeder Epoche etwas zu sagen haben. Platons Höhlengleichnis ist insofern genauso "aktuell" wie Wittgensteins Fliegenglas-Gleichnis. Das Anregungspotential eines frühmittelalterlichen Philosophen wie Eriugena aus dem 9. Jahrhundert für einen Philosophen unserer Zeit wie Wolfram Hogrebe ist noch gegeben; Eriugena Philosophie "wirkte" vor mehr als tausend Jahren, aber offensichtlich hat Hogrebe noch strahlende Brennstäbe dieser Philosophie entdeckt. Jede große Philosophie bildet eine Notfallreserve für die kleinen Denker, die es natürlich auch gibt und geben muß.
Zuletzt geändert von Nauplios am Sa 24. Sep 2022, 16:11, insgesamt 1-mal geändert.




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