Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Timberlake
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So 25. Sep 2022, 04:00

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 16:09
Timberlake hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 14:06
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 12:50
Hogrebe hat auch etwas zu dem Thema des Fadens zu sagen: "Relevante Philosophie sei eine solche genannt, die sich an den Grenzen des Wissens aufhält und dennoch amüsiert."
um hier den Faden nicht abreißen zu lassen , habe ich mir erlaubt , dir darauf in meinem eigenem Thread , zu diesem Thema ..Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie? , zu antworten ..
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Sep 2022, 14:31
@Timberlake: Besser als in allen Fäden dein eigenes Thema zu platzieren, wäre es einen eigenen Faden dazu zu machen. Es ist nicht gut, wenn User deinetwegen, in diesem Faden nicht mehr schreiben wollen.
Da ich gerne schlichte, habe ich eine Frage. @Timberlake. War das in diesem Thread, wo dir Jörn gesagt hat, du sollst zum Thema schreiben?
Ich meine, ist das nicht Sache des Threadstarters zu entscheiden, wer hier schreiben darf und wer nicht? Ist das nicht Nauplios?
Deine Bemühung einer Schlichtung in allen Ehren. Es gibt , so zumindest nach meiner Erfahrung , für Nauplios ein No go ...

Nauplios hat geschrieben :
Mo 5. Sep 2022, 21:31
Ich hatte die vermessene Vorstellung, dieser Thread könnte ein klitzekleines Winkelchen werden, in dem ästhetische und sprachkritische Überlegungen zur Philosophie und Dichtung erörtert werden, ohne daß gleich wieder apokalyptische Bilder und Visionen von "zehn Milliarden Augen" und Menetekel in Flammenschrift das Ende der Welt beschwören.

Aber gut. Schnüren wir zunächst ein weiteres Rettungspaket, damit der Planet über den Winter kommt.
. und zwar wenn jemand , nach seinen Worten, mal wieder mit apokalyptischen Bildern und Visionen von "zehn Milliarden Augen" und Menetekeln in Flammenschrift ,das Ende der Welt beschwört. Sein Ding sind "ästhetische und sprachkritische Überlegungen zur Philosophie".
AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 19. Sep 2022, 21:03
Apropos Philosophie.
Hier ein cooles Video von Franz Hohler. Wie findet ihr es?

https://www.youtube.com/watch?v=6aFtTaOxlYI
. und so kann ich dir deshalb versichern , dieses cooles Video von Franz Hohler , dass vom Weltuntergang kündet , fand er ganz und gar nicht gut. Für eben solche Beiträge bzw. solche Fäden habe ich deshalb mein eigenen Thread zu diesem , hier diskutierten Thema , eröffnet. In dem sich die Reaktionen in meinem Thread , im Vergleich zu dem Thread hier , doch sehr bescheiden aus nehmen , so gehe ich einmal davon aus , dass die anderen User in etwa so ticken , wie Nauplios . Hier , wie auch in dem Thread , wo Jörn mich darauf aufmerksam gemacht hat , da wollen die User tatsächlich nichts dazu schreiben. Es macht also überhaupt gar keinen Sinn, hier diesem Thread , diesen "Weltuntergangs" Faden auf zu nehmen.
  • Mythos und Wissenschaft: Die Entzauberung der Welt
    Im Jahr 1917 beschrieb Max Weber in seiner Schrift „Wissenschaft als Beruf“ die Entzauberung der Welt durch intellektuelle Rationalität und Wissenschaft: Die Wissenschaft führe nicht so sehr zu einem „allgemeinen Wissen“, sondern vielmehr zum „Wissen davon oder dem Glauben daran: dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne.“
Um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen , möglicherweise glaubt man ja tatsächlich daran , dass man diese Dinge .. so Max Weber – im Prinzip – durch Berechnen schon beherrschen könne.“
  • Mythos und Wissenschaft: Die Entzauberung der Welt
    Von Max Webers Feststellung führt ein (vielleicht nicht ganz) direkter Weg zur „Dialektik der Aufklärung“, in der Adorno und Horkheimer den Glauben an das Wissenkönnen durchaus als „Wahn“ verstanden .
Nach Adorno und Horkheimer könnte allerdings ein solcher Glaube durchaus auch als „Wahn“ verstanden werden. Ein Wahn , der unmittelbar zu dem führt, was Adorno und Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“ .. Aufgemerkt Nauplois! . als "Flaschenpost" Metapher verstanden wissen wollen. Weil man gegen diesen Wissenschafts - Wahn eh nicht mehr ankämpfen könne, bliebe eigentlich nur noch , sich eine Utopie, jenseits dessen zu bewahren und diese als "Flaschenpost" , an zukünftige Generationen zu schicken.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 25. Sep 2022, 04:39, insgesamt 1-mal geändert.




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Nauplios
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So 25. Sep 2022, 04:36

Timberlake hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 04:00

Aufgemerkt Nauplios!
Zum Aufmerken ist's schon ein wenig spät, Timberlake. Ich lese mir morgen alles in Ruhe durch. Jetzt muß der alte Mann ins Bett. Gute Nacht.




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So 25. Sep 2022, 09:55

Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 17:02
was motiviert dann die Rede von "Propaganda", von "Zeugs", von "philosophischer Überheblichkeit"?
Weil das hier "Daß die Menschen sich als von Gott in eine Schöpfung eingesetzt verstanden, ist allerdings auch eine Tatsache." eine Behauptung ist, die nicht stimmt.

Entwickelst du so eine Behauptung aus der Philosophie heraus?

Wichtig:
die philosophische Überheblichkeit habe ich auf den Anspruch bezogen "das Denken über alles zu stellen".
Dass ich das hier zu deiner Gott-Aussage gebracht habe, steht in Zusammenhang mit der Idee, dass man vom Menschen auf Gott schliessen können möchte ("Geist") und darauf aufbauend, Ansprüche formuliert.
Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 17:02
Der "gewohnte Weltzugang" ist - ich spreche nur für mich - der, daß es Bachs Matthäuspassion nicht nur als eine Häufung bestimmter Schallwellen gibt, sondern als musikalisches Kunstwerk, in das die religiösen Hoffnungen und Ängste des Menschen, sein Selbst- und Weltverständnis, sein ästhetisches Empfinden u.a. eingeflossen sind. All das entnehme ich doch nicht dem Schall, der bei einer Aufführung den Kirchenraum erfüllt. Diese Kirche ist auch kein Raum wie das Innere eines Stahlwerks, der Hochaltar kein Hochofen, das Weihwasser kein Kühlwasser. Auch wenn man an den theologischen Gehalt der Passion Jesu nicht glaubt, ist die gotische Kathedrale kein aufgetürmter Haufen Backsteine, sondern in Stein gehauene Metaphysik. Im Inneren weht mich der Geist von Jahrhunderten an, ohne das es gleich der Heilige Geist sein muß.
Schau dir nochmal genau an, was du von mir anfänglich in diesem Thread zitiert hast:
"Es ist aber jeder Hörer einzeln, der aus den vielen Einzel-Einwirkungen auf die Ideen des Komponisten und die Fähigkeiten der Musiker schliesst und seine persönliche Überzeugung aufbaut."

Entscheidend ist hier "Aufbauen der persönlichen Überzeugung". Welche Zusammenhänge ein Mensch mit zur Musik hereinnimmt, ist seine individuell geformte Reaktion.
Er erinnert sich an frühere Umstände, er steckt in einer aktuellen Situation und versucht zu all dem eine fortgesetzt plausible Reaktion zu finden.

Schallwellen stellen den Auslöser, die Reizung, dar. Hier wird die sowieso schon stattfindende Reaktion des Menschen in seinem Nervensystem beeinflusst.

Interessant wird es erst, wenn du aufzuzeigen versuchst, dass im Hörerlebnis mehr drin bzw. dran ist, als deine Überzeugungen.
Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 17:02
Wenn mein "gewohnter Weltzugang" erhalten bleiben darf, dann auch meine Welt - von mir aus um den Preis der "Überheblichkeit". ;)
Dass wir beim Weltzugang nichts falsch machen, bedeutet nicht, dass wir die Welt vollständig erfassen.

"Illusion" wäre es ja, wenn wir abgekoppelt wären von der Welt.
(das gibt es durchaus als eine Form von Krankheit)

Da du hier die von mir erwähnte Überheblichkeit ansprichst: erhebst du den philosophischen Anspruch, dass das Denken über allem stehen soll?




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AufDerSonne
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So 25. Sep 2022, 10:43

Ich denke, also bin ich. (Descartes) Ich würde das Denken nicht über alles stellen. Es ist nur ein Teil der kognitiven Fähigkeiten, die ein Mensch hat.
Descartes meint hier ja mehr, dass man alles anzweifeln kann, nur nicht, dass man existiert, dass es mich gibt.

Die Wissenschaft denkt nicht. Ja, Nauplios, ich habe mir das Video angeschaut. Heidegger bleibt aber sehr vage. Bzw. der Mann in dem Video, der über Heidegger spricht.
Und jetzt wirst du staunen. Einstein sagte etwas ähnliches. Nämlich: Die Wissenschaft kreiert Mittel, kein Ziele. Die Menschheit sollte diese Mittel für vernünftige Ziele brauchen.
(dann weiter. Wenn die Absichten der Menschen Krieg und Vernichtung sind, dann werden diese Mittel so gefährlich, wie eine Rasierklinge in den Händen eines Dreijährigen...)
Ich denke, Einstein und Heidegger sprechen hier etwas Ähnliches an. Was die Menschen mit den Erzeugnissen der Wissenschaft machen, das liegt nicht in den Händen der Wissenschaft. Das ist Sache der Philosophie (der Menschen). Tatsächlich.
Also das Küchenmesserproblem. Man kann mit einem Küchenmesser etwas Sinnvolles tun oder damit jemanden töten. Die Denkarbeit, was wir mit dem Küchenmesser machen wollen, nimmt uns die Wissenschaft nicht ab.

Übrigens finde ich, dass die Mathematik eine Sonderstellung einnimmt. Niemand kann mit einer mathematischen Formel jemanden töten. Die Mathematik ist gewaltfrei. Die Physik schon weniger (Atombombe).
Eigentlich ist es einfach. Es ist die Philosophie, die über Sinn und Unsinn von den Wissenschaften nachdenkt.
Was mir aber bei Heidegger fehlt. Ich denke, dass der Mensch neugierig ist und Wissenschaft betreibt, das gehört zum Sein des Menschen. Menschen sind neugierig, sie wollen die Welt erforschen. Sagt Heidegger das so?



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Nauplios
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So 25. Sep 2022, 11:23

Körper hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 09:55
Nauplios hat geschrieben :
Sa 24. Sep 2022, 17:02
was motiviert dann die Rede von "Propaganda", von "Zeugs", von "philosophischer Überheblichkeit"?
Weil das hier "Daß die Menschen sich als von Gott in eine Schöpfung eingesetzt verstanden, ist allerdings auch eine Tatsache." eine Behauptung ist, die nicht stimmt.

Entwickelst du so eine Behauptung aus der Philosophie heraus?
(1) "... daß die Menschen sich als von Gott in eine Schöpfung eingesetzt verstanden"

... ist etwas anderes als

(2) "Die Menschen sind von Gott in eine Schöpfung eingesetzt."

Ob die Menschen von Gott in eine Schöpfung eingesetzt sind (also 2): Darüber habe ich gar keine "Behauptung" aufgestellt. Ich weiß es auch gar nicht.

Daß die Menschen sich von Gott in eine Schöpfung eingesetzt verstanden (also 1) - das ist der Inhalt meiner Behauptung. Diese Behauptung bezieht sich auf das christliche Mittelalter. Belegt wird diese Behauptung durch eine Fülle von Schriften der mittelalterlichen Philosophen und darüberhinaus durch die gesamte Kulturgeschichte des Mittelalters. Das Mittelalter war kulturgeschichtlich zutiefst vom christlichen Glauben geprägt. Das schließt nicht aus, daß es auch im Mittelalter Menschen gab, die sich aus der Religion nichts gemacht haben; das ist doch selbstverständlich. Es geht doch hier nicht um empirische Sozialforschung, Datenerhebung aus dem 12. Jahrhundert. Solche Daten liegen nicht vor. Was jedoch vorliegt ist die Geistes- und Kulturgeschichte des Mittelalters. Über die Lebensweise und den Alltag der Menschen damals wissen wir auch einiges; die Historiker versuchen das detailliert zu beschreiben. Worauf ich mich jedoch beziehe, sind die Schriften von Philosophen wie Boethius, Anselm von Canterbury, Avicenna, Averroes, Albertus Magnus, Thomas v. Aquin, Duns Scotus, Wilhelm von Ockham, Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Nikolaus von Kues ...

Dort gibt es natürlich auch andere Einflüsse: die antike Philosophie, die arabische Philosophie, den Islam (auch eine Religion)! - Die Philosophie des Mittelalters stand im Dienst der Theologie. Und die Theologie hatte es u.a. mit der biblischen Überlieferung zu tun, daß Gott den Menschen in seine Schöpfung eingesetzt habe, eingepflanzt heißt es in der Genesis. Der Mensch sei der "Setzling" Gottes.

Ob Gott den Menschen wirklich in eine Schöpfung eingesetzt hat: das interessiert doch gar nicht. Das ist doch gar nicht der Punkt, um den es geht. Daß sie es glaubten - darum geht es. Und daß sie es glaubten, das ist eine historische Tatsache, ein Befund, der sich tausendfach an Beispielen aus der Geistes- und Kulturgeschichte belegen läßt. Schau' Dir die Kunst des Mittelalters an, die Musik, die philosophischen Texte; Du wirst recht schnell auf diese Tatsache stoßen.




sybok
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So 25. Sep 2022, 11:48

Dieser Strang ist soweit ich das mitbekommen habe ja aus dem Emergenz-Strang entsprungen und ich sehe das hier immer noch nachwirken, aber die Positionen scheinen wieder stark zu divergieren.
Auf die Emergenz zurückkommend, wäre womöglich ein zwar nicht mehr so tiefgehendes, dafür nüchterneres und einfacheres Beispiel ein Menge H2O Moleküle in einer durch die Gasgleichung hinreichend genau beschriebenen Form zu nehmen. Wenn diese jeweils gleiche Menge als heisser, die Haut verbrennender Dampf oder als benötigtes Trinkwasser und vielen anderen Formen vorliegt, ist es womöglich ein ähnliches "Mehr" wie die Empfindung beim Musik hören. Die allenfalls verbrannte Haut aber sehr real, ich komme darauf zurück...

Mir scheint es, dass eine Gruppe die Befürchtung hegt, dass sozusagen die Poesie, wie zum Beispiel in einem Post von ahasver in diesem Thread hinreichend blumig beschrieben, verloren geht, ein mystisches Erlebnis entzaubert zu werden droht. Eine dem gegenübergestellte Position scheint umgekehrt eine Verwässerung von Wissenschaft zu befürchten.
Weder das Eine noch das Andere scheint mir zwingend. Man kann auch vermuten, dass es eine Möglichkeit für eine "harmonische" Koexistenz und gegenseitige Bereicherung geben kann, und das Konzept der Emergenz scheint mir ein vielversprechender Kandidat dafür zu sein, ein gemeinsames Vokabular zu finden.

Wie hat es Jörn Budesheim formuliert, "Pluralismus der Ebenen" glaub ich. Der Zauber bei einem fesselnden Musikstück wäre demnach auf einer Ebene genau so real wie die vom Wasserdampf verbrannte Haut. Eine "Atomisierung" des Stücks etwa durch sowas wie eine Zerlegung des Spektrums in Harmonische lebt einfach, genau wie die H2O Moleküle, auf einer anderen Ebene der Realität - gleichermassen berechtigt und nicht antagonistisch. Beides, die Poesie und auch die Analyse, finden ja letztlich in oder über der Sprache statt, dass also Sprache/Symbolsysteme das beiden gemeinsame Medium darstellt, kann man mMn als Fingerzeig werten.

Im Kern, im Hintergrund, geht es doch hier um einen Streit von Idealismus mit Materialismus, mit ihnen scheinbar zugeordneten Ausdrucksformen Literatur respektive Wissenschaft als Stellvertreter. Das Austragen eines Konflikts mag manchmal die Argumentationen schärfen und die Grenzen genauer ausleuchten können, aber bringt das hier viel? Ich würde meinen, dass man hier zum nächste Schritt übergehen und "Friedensverhandlungen" einleiten könnte.




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AufDerSonne
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So 25. Sep 2022, 11:57

sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 11:48

Im Kern, im Hintergrund, geht es doch hier um einen Streit von Idealismus mit Materialismus, mit ihnen scheinbar zugeordneten Ausdrucksformen Literatur respektive Wissenschaft als Stellvertreter. Das Austragen eines Konflikts mag manchmal die Argumentationen schärfen und die Grenzen genauer ausleuchten können, aber bringt das hier viel? Ich würde meinen, dass man hier zum nächste Schritt übergehen und "Friedensverhandlungen" einleiten könnte.
Du machst eine schöne Zusammenfassung des bisherigen Verlaufs der Diskussion.

Ich finde, es geht aber auch darum, dass die Position der Religion für diese Diskussion nicht klar ist. Immer wenn Religion hineinkommt, gibt es Unklarheiten, bzw. Streitereien, vor allem beim christlichen Glauben.
Vielleicht könnte man für die "Friedensverhandlungen" den lieben Gott einmal weglassen. Er hat ja in der rationalen Philosophie auch nicht wirklich etwas verloren.

Noch wegen dem Mittalter. Die Philosophen im Mittelalter hatten das Problem, dass sie nicht gegen den christlichen Glauben verstoßen durften, weil sie sonst um ihr Leben hätten fürchten müssen. Ich denke, das machte es schwierig für diese Philosophen sich frei zu fühlen beim Nachdenken.



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Nauplios
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So 25. Sep 2022, 12:09

Körper hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 09:55

Da du hier die von mir erwähnte Überheblichkeit ansprichst: erhebst du den philosophischen Anspruch, dass das Denken über allem stehen soll?
Mein Eindruck ist, daß Philosophieren etwas anderes ist als Verdauen. Damit ist noch nicht ausgeschlossen, daß in beiden Fällen Vergleichbares herauskommt, aber eingeschlossen, daß Philosophieren etwas ist, woran das Denken beteiligt ist. Komplikationen bei der Verdauung können das Denken erheblich einschränken. In solchen Fällen steht das Denken unter der Verdauung. Häufig ist das philosophierende Denken jedoch ein Nachdenken, vornehmlich über das Denken anderer - was, wie wir gestern gesehen haben, mitunter schwer verdaulich ist.

Erhebe ich den philosophischen Anspruch, daß das Denken über allem stehen soll? - Über allem? - Nein, wenn die Frage auf eine Werthierarchie hinauslaufen soll. Die Liebe zu meiner Lebensgefährtin hätte Vorrang. Wenn damit gemeint ist, daß das philosophische Denken sich "überhebt" über das wissenschaftliche Denken: auch nein. Auch Heidegger meint das in diesem Sinne einer "Überheblichkeit" nicht. Wenn er sagt "Die Wissenschaft denkt nicht", dann meint er: der Wissenschaft bleibt verborgen (im Sinne der griechischen Λήθη, das Vergessen), was nur ein Denken des Seins wieder entbergen kann: das "Seyn". Diese Seinsvergessenheit betrifft aber auch die Philosophie in ihrer Form als Metaphysik. Deshalb wendet sich der späte Heidegger der Dichtung zu, entlehnt von Hölderlin das "Geviert" usw. - Die gestern Abend von mir zitierten Passagen aus Bauen Wohnen Denken muten ja eigentlich schon als Poesie an.




sybok
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So 25. Sep 2022, 12:28

AufDerSonne hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 11:57
Du machst eine schöne Zusammenfassung des bisherigen Verlaufs der Diskussion.
Danke :) , schön, dass sie als passend empfunden wird.
AufDerSonne hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 11:57
Ich finde, es geht aber auch darum, dass die Position der Religion für diese Diskussion nicht klar ist. Immer wenn Religion hineinkommt, gibt es Unklarheiten, bzw. Streitereien, vor allem beim christlichen Glauben.
Vielleicht könnte man für die "Friedensverhandlungen" den lieben Gott einmal weglassen. Er hat ja in der rationalen Philosophie auch nicht wirklich etwas verloren.
Ich persönlich brauche - um das Wort "Gott" zu vermeiden - sowas wie ein "höchstes transzendentes Prinzip" und darin liegt für mich übrigens in besagtem Streit die Rechtfertigung des Idealismus. Denn aller-allerspätestens beim Münchhausen Trilemma bricht für mich der sozusagen empirisch bestätigte und in den letzten Jahrhunderten höchst erfolgreiche Materialsmus zusammen, spätestens das Trilemma ist die Grenze der Rationalität und des Formalismus.

Ich glaube, so ein "höchstes transzendentes Prinzip" auszuklammern hiesse gleichzeitig das Trilemma nicht anzuerkennen, worin bestünde dann aber letztlich die "Verhandlungsmasse" einer solchen "Friedensverhandlung"?

Schlussendlich will ich ja versuchen die Welt und mich in ihr zu verstehen. Wegen obigem kann ich aber keine der beiden Strömungen/Sichtweisen ignorieren, denn beide haben sowohl ihre Grenzen als auch ihre Legitimation, ich würde etwas verlieren, würde ich mich scharf für eine entscheiden. Ihre zueinander konträre Stellungen kann also nur paradox, nur scheinbar, sein. Ich will das Paradox auflösen und die Harmonie erkennen können.

Mit Emergenz und "Pluralismus der Ebenen" gedacht, ist "Gott" womöglich eine Art "höchste Ebene", eine Asymptote der Erkenntnis, die Emergenz die erst bei einem abstrakten System - genannt "Alles" - entsteht.




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Nauplios
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So 25. Sep 2022, 12:38

sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 11:48

Im Kern, im Hintergrund, geht es doch hier um einen Streit von Idealismus mit Materialismus, mit ihnen scheinbar zugeordneten Ausdrucksformen Literatur respektive Wissenschaft als Stellvertreter. Das Austragen eines Konflikts mag manchmal die Argumentationen schärfen und die Grenzen genauer ausleuchten können, aber bringt das hier viel? Ich würde meinen, dass man hier zum nächste Schritt übergehen und "Friedensverhandlungen" einleiten könnte.
Hans Blumenberg hat die Philosophie einmal in ironischer Distanz als "Erinnerungsposten" im bilanztechnischen Sinn bezeichnet. Ein Erinnerungsposten ist in der Bilanz ein durch Abschreibung entstandener Merkposten im symbolischen Wert von 1 Euro, der nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erforderlich ist, weil das völlige Weglassen von noch vorhandenen Aktivposten aus der Bilanz nicht zulässig ist. Mit anderen Worten: da ist noch etwas, zwar von keiner allzu nennenswerten Erheblichkeit für die Bilanzierung des Wissens, aber auch nicht gänzlich abzuschreiben. (Ich habe diesen Abschnitt der Einfachheit halber aus einem älteren Beitrag von mir in diesem Forum mal hierhin kopiert.)

Friedensverhandlungen voraus gehen Kriegserklärungen. Die Philosophie als "Erinnerungsposten" - das ist ja keine Kriegserklärung an die Wissenschaften, sondern ein Symbol dafür, daß bei aller Anhäufung wissenschaftlichen Wissens etwas übrig bleibt, das in wissenschaftliches Wissen nicht überführbar ist. Man muß dabei nicht gleich an das Heidegger'sche "Seyn" denken. Das ist in jeder Hinsicht ein Spezialfall in der Philosophie. Wenn man von einem "Erinnerungsposten" spricht, der bei der Bilanz an etwas erinnern soll, damit es nicht gänzlich unter den Tisch fällt, dann ist das doch im Grunde ein Gestus der Bescheidenheit. Das gerade Gegenteil wirft ihr Körper vor: "Überheblichkeit". ;)




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So 25. Sep 2022, 12:39

@sybok
Sorry für meine Ungebildetheit, aber was ist das Münchhausen Trilemma?

Meinst du mit den beiden Strömungen, Materialismus und Idealismus?

Und hieß dieses "höchste abstrakte Prinzip" bei den alten Griechen nicht einfach "das Gute"?
Ich finde den Begriff "das Gute" besser, da er nicht religiös ist. Es ist einfach ein Ideal, das die Menschen erreichen wollen.

"Schlussendlich will ich ja versuchen die Welt und mich in ihr zu verstehen." (sybok)
Das ist ein schöner Satz. Ich denke, um das geht es. Und dazu habe ich gesagt, dass zum Verstehen der Welt auch die Tatsache dazu gehört, dass die Menschen von Natur aus neugierig sind und die Welt erforschen wollen.



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So 25. Sep 2022, 12:47

Nauplios hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 12:38
Die Philosophie als "Erinnerungsposten" - das ist ja keine Kriegserklärung an die Wissenschaften, sondern ein Symbol dafür, daß bei aller Anhäufung wissenschaftlichen Wissens etwas übrig bleibt, das in wissenschaftliches Wissen nicht überführbar ist. Man muß dabei nicht gleich an das Heidegger'sche "Seyn" denken. Das ist in jeder Hinsicht ein Spezialfall in der Philosophie. Wenn man von einem "Erinnerungsposten" spricht, der bei der Bilanz an etwas erinnern soll, damit es nicht gänzlich unter den Tisch fällt, dann ist das doch im Grunde ein Gestus der Bescheidenheit. Das gerade Gegenteil wirft ihr Körper vor: "Überheblichkeit". ;)
Auf jeden Fall ist die Philosophie wichtig (und cool!). Und sie kann Bereiche erfassen, die die Wissenschaft nicht erfassen kann.
Und übrigens, von wegen Anhäufung wissenschaftlichen Wissens in unserer Zeit. Frag aber einmal jemanden, was er denn jetzt eigentlich wirklich weiß von den Wissenschaften. Was könnte die Antwort sein?
Was wisst ihr denn jetzt sicher?



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Nauplios
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So 25. Sep 2022, 13:03

Der Anlaß für diesen Strang war ein ganz simpler. Bei mir war der Eindruck entstanden, daß viele Diskussionen im Forum eine rein wissenschaftliche Drift haben, daß philosophische Betrachtungsweisen in den Hintergrund geraten, weil das größere argumentative Gewicht grundsätzlich den Naturwissenschaften beigemessen wird. Damit erkläre ich diesen Wissenschaften aber keineswegs den Krieg, sondern werbe für die Erinnerung an den "Bilanzposten" Philosophie und für Ortstermine dort: nachdenkliches Betrachten dessen, was "in der Philosophie" (AufDerSonne) geschieht.

Jörn hatte gestern auf Wolfram Hogrebe hingewiesen. Durch ihn kamen wir auf Heidegger. Mit dem befasse ich mich nur noch, "wenn das absolut notwendig ist", schreibt Stefanie. AufDerSonne beklagt die "Unverständlichkeit" der Philosophie, Körper ihre "Überheblichkeit". - Eine andere Philosophie als die, die wir haben, haben wir nicht. ;) Wir können mit dem, was wir haben, Vorlieb nehmen oder "denken selber" oder wenden uns Einstein & Co. zu.




sybok
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So 25. Sep 2022, 13:30

AufDerSonne hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 12:39
was ist das Münchhausen Trilemma?
Es geht um die sogenannte "Letztbegründung" aber man kann es meiner Meinung nach auf jeden Formalismus auf jeder Stufe anwenden: Will man A auf den Grund gehen, gibt es drei Möglichkeiten:
  • Ich erkläre oder erkenne, dass A aus B folgt. Dann muss ich B erklären und bin wieder soweit wie zuvor mit A. Ich lande in einem infiniten Regress A <-- B <-- C <--...
  • Ich erkläre A zu einem Axiom.
  • Ich erkläre A zu einem Element in einem in sich abgeschlossenen Kreis der Erklärungen (Zirkelschluss): "A ist wegen B, B ist wegen C, C ist wegen A".
Dass bereits Kinder, kaum des Sprechens fähig, mit ihrer berühmt-berüchtigten "Warum?"-Fragerei das Trilemma im Wesentlichen bereits erkennen, zeigt den eigentlich banalen und fundamentalen Charakter davon auf wohltuend schmerzhafte Weise :D .
Nauplios hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 12:38
sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 11:48
Im Kern, im Hintergrund, geht es doch hier um einen Streit von Idealismus mit Materialismus, mit ihnen scheinbar zugeordneten Ausdrucksformen Literatur respektive Wissenschaft als Stellvertreter. Das Austragen eines Konflikts mag manchmal die Argumentationen schärfen und die Grenzen genauer ausleuchten können, aber bringt das hier viel? Ich würde meinen, dass man hier zum nächste Schritt übergehen und "Friedensverhandlungen" einleiten könnte.
Hans Blumenberg hat die Philosophie einmal in ironischer Distanz als "Erinnerungsposten" im bilanztechnischen Sinn bezeichnet. Ein Erinnerungsposten ist in der Bilanz ein durch Abschreibung entstandener Merkposten im symbolischen Wert von 1 Euro, der nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erforderlich ist, weil das völlige Weglassen von noch vorhandenen Aktivposten aus der Bilanz nicht zulässig ist. Mit anderen Worten: da ist noch etwas, zwar von keiner allzu nennenswerten Erheblichkeit für die Bilanzierung des Wissens, aber auch nicht gänzlich abzuschreiben. (Ich habe diesen Abschnitt der Einfachheit halber aus einem älteren Beitrag von mir in diesem Forum mal hierhin kopiert.)

Friedensverhandlungen voraus gehen Kriegserklärungen. Die Philosophie als "Erinnerungsposten" - das ist ja keine Kriegserklärung an die Wissenschaften, sondern ein Symbol dafür, daß bei aller Anhäufung wissenschaftlichen Wissens etwas übrig bleibt, das in wissenschaftliches Wissen nicht überführbar ist. Man muß dabei nicht gleich an das Heidegger'sche "Seyn" denken. Das ist in jeder Hinsicht ein Spezialfall in der Philosophie. Wenn man von einem "Erinnerungsposten" spricht, der bei der Bilanz an etwas erinnern soll, damit es nicht gänzlich unter den Tisch fällt, dann ist das doch im Grunde ein Gestus der Bescheidenheit. Das gerade Gegenteil wirft ihr Körper vor: "Überheblichkeit". ;)
Genialer Post!
Diese Buchhaltungsmetapher gefällt mir sehr gut, insbesondere wesentlich besser als die Kriegsmetapher.




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So 25. Sep 2022, 13:31

Zum argumentativen Gewicht noch dies: Argumente sind Beweisgründe. Beweisgründe stützen im diskursiven Geschehen die "Positionen" widerstreitender, auseinanderlaufender (dis-currere) Auffassungen. Wolfram Hogrebe überschreibt einen Abschnitt seines Buches: "Expressive und begriffliche Dimensionen des Surralen".

- diskursiv: von Begriff zu Begriff methodisch fortschreitend, schlußfolgernd

- expressiv: ausdrückend, veranschaulichend

Wir können begrifflich Position beziehen. Wir können etwas zum Ausdruck bringen. Diese zweite Sprachform hat es zum Beispiel mit der Poesie zu tun. Der Dichter bringt nichts argumentativ auf den Begriff, mag er auch "logisch" dichten. Er hat expressive Formen zur Verfügung, kann "das Unsagbare sagen" (Hogrebe).

Der Philosoph ist nicht der bessere Dichter. Er ist auch nicht der bessere Wissenschaftler. Philosophieren ereignet sich im Denkraum zwischen Wissenschaft und Poesie/Literatur/Kunst.

Oder nicht? ;)




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So 25. Sep 2022, 13:43

sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 13:30

Genialer Post!
Diese Buchhaltungsmetapher gefällt mir sehr gut, insbesondere wesentlich besser als die Kriegsmetapher.
Danke vielmals. ;)

Dann bin ich so frei, den Link auf den vollständigen Post noch nachzutragen:

Über einige Aspekte der Philosophie Hans Blumenbergs




sybok
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So 25. Sep 2022, 14:19

Nauplios hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 13:03
Bei mir war der Eindruck entstanden, daß viele Diskussionen im Forum eine rein wissenschaftliche Drift haben, daß philosophische Betrachtungsweisen in den Hintergrund geraten, weil das größere argumentative Gewicht grundsätzlich den Naturwissenschaften beigemessen wird.
Ich stecke diesbezüglich in der Verwirrung.
Im Kontext dieses Thread hier würde ich das auch unbehaglich oder unvollständig oder sowas finden, würde mich eher als "Verteidiger" (oder vielleicht besser sowas wie "nicht bestechlicher Buchprüfer") der Philosophie (zumindest bezüglich was ich davon weiss oder zu wissen glaube) sehen.
Aber im Kontext des AI Threads beispielsweise, schiene mir dann der wissenschaftliche Drift komischerweise doch gerechtfertigt. Du schreibst vom "grösseren argumentativen Gewicht", dem ich zustimme und das hat womöglich damit zu tun, dass "argumentativ" ja bereits irgendeine Art von Formalismus erfordert oder gar darstellt, eine Wertung, Logik - ein Gebiet, dass die Philosophie ja zu wesentlichen Teilen an die Mathematik - die wir hier ja wahrscheinlich dem besagten wissenschaftlichen Drift zuordnen würden - outgesourced hat. Wie kann Philosophie sozusagen argumentativ mithalten, wenn "Argumentieren" also fast per Definition den Naturwissenschaften zufällt? Wie finden wir einen Einstiegspunkt für die Philosophie in solche Debatten wie den KI Thread?

Eine mögliche Antwort könnte vielleicht sein, dass man die Themen verbannt. Philosophie generell - und Foren wie dieses konkret - als die falsche Plattform für KI Diskussionen erklärt. Das fühlte sich dann aber doch wie eine Niederlage(*) an und löst ja auch nicht das Problem des Mindsettings, des Paradigmas.
Eine bessere Antwort wäre vielleicht, das war ja glaube ich ein Vorschlag von Dir und wir hatten das glaube ich am Anfang des Strang, in leicht anderer Form, bereits andiskutiert, dass man über Metapher, Lyrik, Kunst an der Diskussion teilnimmt. Da hätte ich eben, zumindest auf mich bezogen, Zweifel am Schwierigkeitsgrad.
Wäre vielleicht die "Pluralität der Ebenen" eine Lösung? Wenn ja, wie?
Wie gesagt, Quelle der Verwirrung. :?: :?

(*) Scheisse, echt ärgerlich, mir war gar nicht klar wie durchtränkt von solch kriegerischem Vokabular mein aktiver Wortschatz ist. :)




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Nauplios hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 13:31
Zum argumentativen Gewicht noch dies: Argumente sind Beweisgründe. Beweisgründe stützen im diskursiven Geschehen die "Positionen" widerstreitender, auseinanderlaufender (dis-currere) Auffassungen. Wolfram Hogrebe überschreibt einen Abschnitt seines Buches: "Expressive und begriffliche Dimensionen des Surralen".

- diskursiv: von Begriff zu Begriff methodisch fortschreitend, schlußfolgernd

- expressiv: ausdrückend, veranschaulichend
Weißt du Nauplios. Um beim Philosophieren stichhaltige Argumente vorzubringen, weiß ich viel zu wenig über Philosophie. Du scheinst dir da ein umfassendes Wissen angeeignet zu haben.
Was mir aufgefallen ist, dass viele Physiker und Mathematiker sagen, vielleicht wenn sie nicht mehr weiterwissen, das sei Sache der Philosophie (und gehört hier nicht hin). Das macht mich dann manchmal etwas stutzig.

Beispiel von A. Einstein: "Der Glaube, dass es möglich sei, alles Wissenswerte durch bloßes Nachdenken zu finden, war im Kindeszeitalter der Philosophie ziemlich allgemein...
...Es könnte sogar einer die Frage aufwerfen, ob ohne solche Illusion überhaupt Großes auf dem Gebiet der philosophischen Denkens geschaffen werden kann - wir aber wollen so etwas nicht fragen."
Jedenfalls gab es viele Wissenschaftler, die ihr Gebiet klar abgetrennt sehen wollten von der Philosophie. Wieso, weiß ich auch nicht. Ich selbst fände eine physikalische Philosophie noch interessant.



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sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 13:30
AufDerSonne hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 12:39
was ist das Münchhausen Trilemma?
Es geht um die sogenannte "Letztbegründung" aber man kann es meiner Meinung nach auf jeden Formalismus auf jeder Stufe anwenden: Will man A auf den Grund gehen, gibt es drei Möglichkeiten:
  • Ich erkläre oder erkenne, dass A aus B folgt. Dann muss ich B erklären und bin wieder soweit wie zuvor mit A. Ich lande in einem infiniten Regress A <-- B <-- C <--...
  • Ich erkläre A zu einem Axiom.
  • Ich erkläre A zu einem Element in einem in sich abgeschlossenen Kreis der Erklärungen (Zirkelschluss): "A ist wegen B, B ist wegen C, C ist wegen A".
Dass bereits Kinder, kaum des Sprechens fähig, mit ihrer berühmt-berüchtigten "Warum?"-Fragerei das Trilemma im Wesentlichen bereits erkennen, zeigt den eigentlich banalen und fundamentalen Charakter davon auf wohltuend schmerzhafte Weise :D .
Merci, für die Erklärung. Da kommt mir die Idee in den Sinn, dass der erste Grund dann der Grund ohne Grund sei. Unbewegter Beweger und so.
Ich sehe das nicht so verkrampft. Wenn man konsequent immer warum fragt, kommt man auf ein Prinzip. Von daher machen Kinder etwas sehr intelligentes.



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So 25. Sep 2022, 16:08

sybok hat geschrieben :
So 25. Sep 2022, 14:19

Aber im Kontext des AI Threads beispielsweise, schiene mir dann der wissenschaftliche Drift komischerweise doch gerechtfertigt. Du schreibst vom "grösseren argumentativen Gewicht", dem ich zustimme und das hat womöglich damit zu tun, dass "argumentativ" ja bereits irgendeine Art von Formalismus erfordert oder gar darstellt, eine Wertung, Logik - ein Gebiet, dass die Philosophie ja zu wesentlichen Teilen an die Mathematik - die wir hier ja wahrscheinlich dem besagten wissenschaftlichen Drift zuordnen würden - outgesourced hat. Wie kann Philosophie sozusagen argumentativ mithalten, wenn "Argumentieren" also fast per Definition den Naturwissenschaften zufällt? Wie finden wir einen Einstiegspunkt für die Philosophie in solche Debatten wie den KI Thread?
Ja, die Sicht der an der Entwicklung künstlicher Intelligenz beteiligten Technologien und Wissenschaften ist sogar notwendig, damit Möglichkeiten, Interessen, Geschäftsmodelle, gesellschaftliche Beschleunigungs- und Resonanzeffekte verstanden werden können.

Die künstliche Intelligenz ist eine Kreation menschlicher Intelligenz, ohne Menschwerdung dieser Kreatur und ohne Naturalisierung des Kreators. - Die Sorge hatten ja u.a. Jörn, NWDM und Lucian Wing vorgebracht, daß es über eine Ausweitung der semantischen Reichweite des Intelligenzbegriffs Rückkopplungseffekte gibt im Hinblick auf das Selbstverständnis des Menschen.

Nach biblischer Überlieferung (die hier nicht in ihrem Wahrheitsgehalt von Bedeutung ist, sondern in ihrem Wirkungsgehalt) ist ja der Mensch selbst eine Kreatur, hervorgebracht von einem creator mundi, der sein Geschöpf sehr großzügig mit "Ebenbildlichkeit" ausgestattet hat. Ob diese Ebenbildlichkeit unter dem Limit eines Siebentagewerks auch die Intelligenz des Schöpfers vollumfänglich erfaßte, wissen wir nicht.

Immerhin wurde aus dem im Garten Eden eingepflanzten Setzling Mensch der Gärtner Mensch, dem die Schöpfung und neuerdings auch ihre Bewahrung in Prokura anvertraut wurde - ein hortulanus mundi im Pflegedienst an der beschädigten Welt.

Dieses Bild des Menschen änderte sich epochenspezifisch in der frühen Neuzeit. Gegen den spätmittelalterlichen Willkürgott setze sich die humane Selbstbehauptung durch. In einer kontingenzgesteigerten Welt, nahm der Mensch sein Geschick immer mehr selbst in die Hand. - Mit der Künstlichen Intelligenz nun scheint der Mensch vor der Notwendigkeit einer erneuten Selbstbehauptung zu stehen, jetzt nicht gegen einen unberechenbaren Schöpfer, sondern gegenüber seinem Geschöpf, einem maschinellen Emporkömmling des technischen Zeitalters, der sich anschickt, Prozesse schneller durchlaufen zu können, ein besseres Gedächtnis zu haben und am Ende auch noch den kühleren Kopf.

Dabei ist ja Die Automate (E.T.A. Hoffmann), der Humunkulus (Goethe), Pygmalions Statue ein uraltes Motiv der Literaturgeschichte und Philosophie (La Mettrie, Fontenelle u.a.).

Und natürlich hat die gegenwärtige Philosophie dieses Thema der Künstlichen Intelligenz und ihre Metaphorik längst entdeckt:

Hans Julius Schneider (Hrsg); Metapher, Kognition und Künstliche Intelligenz




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